Veterinärpathologische Diagnostik im Spannungsfeld Tier- und Infektionsschutz Lehren aus einem Tuberkuloseausbruch in einer Primatenhaltung Franz-Josef Kaup Deutsches Primatenzentrum Göttingen Die zoonotischen Risiken Pentastomiasis Armillifer akistrodontis Die Rahmenbedingungen am DPZ Sektionsbereich mit zwei Laboreinheiten (X) und einer Sektionshalle (XXX) XXX X X Anzeige für ungezielte Tätigkeiten nach BioStoffV Risikostufe 3 • • • • • • Personenschleuse mit Dusche H2O2 Materialschleuse Autoklav Abluft Hepa Filter 13 (jetzt 14) Abwassersterilisation Unterdruck -50 Pascal Pathologie und Zoonoserisiken Die Rahmenbedingungen am DPZ Tierische NebenprodukteBeseitungungsgesetz (TierNebG) Erlaubnis nach § 10 durch Veterinäramt Göttingen, Tiere eröffnen zu dürfen Infektionsschutzgesetz (IfSG) Erlaubnis nach § 44 (Arbeit mit Krankheitserregern) Gentechnikgesetz (GenTG) Zugelassener S2 Bereich Biostoffverordnung (BioStoffV) Tierseuchenerregerverordnung (TierSeuchErV) Zulassung für ungezielte Tätigkeiten bis BioIII Erlaubnis nach § 2 (beantragt) Die Rahmenbedingungen am DPZ Tierische Nebenprodukte-Beseitungungsgesetz (TierNebG) § 10: Verendete oder getötete Tiere dürfen … nicht abgehäutet, geöffnet oder zerlegt werden. Das Verbot … gilt nicht für Zerlegungen durch den beamteten Tierarzt oder die beamtete Tierärztin oder – im Falle seiner oder ihrer Verhinderung – durch einen beauftragten anderen Tierarzt oder eine beauftragte andere Tierärztin. Rechtliches Umfeld Bei erkrankten, gestorbenen oder getöteten Affen ist stets zu Versuchen die Krankheitsoder Todesursache zu ermitteln. Veterinärpathologische Diagnostik Biostoffverordnung §1 Diese Verordnung gilt für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich. Zweck der Verordnung ist der Schutz der Beschäftigten vor Gefährdung ihrer Sicherheit und Gesundheit bei diesen Tätigkeiten. Biologische Arbeitsstoffe Risikogruppen 1 – 4: • Biologische Sicherheit: BSL 1-BSL4 • Gentechnikgesetz: S1-S4 Biostoffverordnung § 2 Gilt für alle Tätigkeiten: • Gezielt (Erreger bekannt): z. B. experimentelle Arbeiten • Ungezielt (Erreger nicht bekannt): z. B. diagnostische Arbeiten; In jedem Fall: Gefährdungsbeurteilung! Konsequenz: Vor jeder Sektion, bei der mit Infektionsgefahren zu rechnen ist, hat eine Gefährdungsbeurteilung zu erfolgen. Tätigkeiten nach Biostoffverordnung § 2 (5): Gezielte Tätigkeiten liegen vor, wenn 1. biologische Arbeitsstoffe mindestens der Spezies nach bekannt sind, 2. die Tätigkeiten auf einen oder mehrere biologische Arbeitsstoffe unmittelbar ausgerichtet sind und 3. die Exposition der Beschäftigten im Normalbetrieb hinreichend bekannt oder abschätzbar ist. Nicht gezielte Tätigkeiten liegen vor, wenn mindestens eine der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 nicht gegeben ist. Risikogruppen nach Biostoffverordnung Risikogruppe 2: Biologische Arbeitsstoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen können; eine Verbreitung des Stoffes in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich. Schutzmaßnahmen der Stufe 2 in Laboratorien: • Der Zutritt ist auf namentlich benannte Beschäftigte zu beschränken. • Im Labor selbst sind auf die Organismen abgestimmte Desinfektionsverfahren anzuwenden. • Vektoren, welche zur Krankheitsausbreitung beitragen können, wie z.B. Nager und Insekten, sollten regelmäßig geprüft werden (Empfehlung). • Sicherheitswerkbänke mit einer wasserundurchlässigen und leicht zu reinigenden Oberfläche. Oberflächen gegen Säuren, Laugen und Lösungsmittel sowie gegen Desinfektionsmittel beständig (Empfehlung). • Die Arbeitsstoffe sind sicher aufzubewahren. • Geeignete Einrichtung, um von außen in die Laboratorien sehen zu können, z. B. Kamera oder Fenster in den Türen (Empfehlung). • Verbrennungsofen für Versuchstierkörper (Empfehlung). Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Affen (BGI 788) Bakterien der Risikogruppe 2: Campylobacter jejuni Campylobacter coli Mycobacterium avium Francisella tularensis Salmonellen Shigellen Yersinia enterocolitica Oral (Schmierinfektion) Oral (Schmierinfektion) Aerogen, Hautverletzungen, Schleimhäute Schleimhäute, Hautverletzungen, Arthropoden Oral Oral Oral (Schmierinfektion) Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Affen (BGI 788) Parasiten der Risikogruppe 2: Entamoeba histolytica Giardia lamblia Toxoplasma gondii Plasmodium sp. Balantidium Strongyloides stercoralis Ancylostoma duodenale Oral (Schmierinfektion) Oral (Schmierinfektion) Oral Stechmücken Oral Perkutan: Larven (Menschenaffen!) Oral, Perkutan: Larven Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Affen (BGI 788) Viren der Risikogruppe 2: Polio Oral (Schmierinfektion), Menschenaffen (Schimpansen), Schlankaffen Hepatitis A Oral, alle Rubella Tröpfchen- und Schmierinfektion Risikogruppen nach Biostoffverordnung Risikogruppe 3: Biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich. Schutzmaßnahmen der Stufe 3 in Laboratorien: • Das Labor muss bei luftübertragbaren Krankheiten baulich abgetrennt sein und die Abluft muss gefiltert werden. Bei anderen Krankheiten muss keine bauliche, nur eine räumliche Trennung erfolgen. • Zusätzlich muss Unterdruck im Labor herrschen. • Auf Vektoren ist regelmäßig zu kontrollieren. • Der Boden ist mit einem wasserundurchlässigen, leicht zu reinigenden Material auszukleiden und die Oberflächen müssen säure-, laugen- und lösungsmittelbeständig sowie beständig gegen Desinfektionsmittel sein. • Beobachtungsfenster in den Türen sind vorgeschrieben. • Jedes Labor sollte seine eigene Ausrüstung besitzen und es muss in Sicherheitswerkbänken gearbeitet werden. • Ein leicht zugänglicher Tierkörperverbrennungsofen muss vorhanden sein. Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Affen (BGI 788) Viren der Risikogruppe 3: Oropouche Dengue Gelbfieber West Nile Kyasanur-Forest Herpes B Affenpocken Stechmücken Stechmücken; Schimpansen, Gibbons, Makaken Stechmücken; Meerkatzen, Husarenaffen, Brüllaffen, Nachtaffen Stechmücken; Lemuren Zecken; Rhesusaffen, Hutaffen, Languren Direkter Kontakt, Schmierinfektion, Bissverletzungen, Kratzverletzungen, (aerogen?) Rhesusaffen, Javaneraffen, Hutaffen (aerogen?), Meerkatzen, Schlankaffen, (andere Arten gelegentlich) Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Affen (BGI 788) Bakterien der Risikogruppe 3: Brucella mellitensis Francisella tularensis tularensis Oral, Hautverletzung, Konjunktivalschleimhäute Schleimhäute, Hautverletzungen, Arthropoden Mycobacterium bovis Aerogen, Hautverletzungen, Schleimhäute Mycobacterium tuberculosis Aerogen, Hautverletzungen, Schleimhäute Mycobacterium leprae direkter Kontakt Bakterien der Risikogruppe 3**: Salmonella typhi Oral Shigella dysenteriae Oral Der Fall • Hintergrund: Seit längerer Zeit werden alle Tiere einer externen Forschungseinrichtung am DPZ obduziert (Auflage der Genehmigungsbehörde im Rahmen des Tierschutzes) • Tiereinheit mit 25 Rhesusaffen (Macaca mulatta), teils langjährige wertvolle Versuchstiere • letzter negativer TB-Test im Juni 2011 • im September 2011 ein Tier mit Anzeichen Bronchopneumonie und therapieresistenter Diarrhoe • Euthanasie dieses Tieres Ende Januar 2012 einer Der Fall • 02.02.2012: Sektion des Tieres; B. w. b. Tuberkulose; Probengewinnung für Referenzzentrum Borstel; Benachrichtigung der Einrichtung • 03.02.2012: Untersuchungen und Probengewinnung Tierbestand, Proben an örtliches Hygieneinstitut im • 16.02.2012/17.02.2012: Einsendung von sechs Tieren nach Euthanasie; telefonischer Vorbericht: Bitte um Bestätigung, ob Bestandsproblem TB • 17.02.2012: Ergebnis Borstel zu 02.02.2012: Mycobacterium tuberculosis Der Fall Der Fall Der Fall • Lage am 17.02.2012: Tuberkulose im Einrichtung Bestand der • Rat zur Euthanasie des Bestandes aus tierärztlicher Sicht • Wissenschaft: wertvoller Tierbestand?! • Tierschutz: Vernünftiger Grund? • Infektionsschutz für Mitarbeiter in Einrichtung? • Infektionsschutz für Sektionsbeteiligte am DPZ? Tätigkeiten nach Biostoffverordnung § 2 (5): Gezielte Tätigkeiten liegen vor, wenn 1. biologische Arbeitsstoffe mindestens der Spezies nach bekannt sind (Mycobacterium tuberculosis), 2. die Tätigkeiten auf einen oder mehrere biologische Arbeitsstoffe unmittelbar ausgerichtet sind (Sektion 02.02.2012: ungezielt; Sektion 16./17.02.2012: ?; weitere Sektionen ?) 3. die Exposition der Beschäftigten im Normalbetrieb hinreichend bekannt oder abschätzbar ist (aerogen übertragbar, Bio III). Nicht gezielte Tätigkeiten liegen vor, wenn mindestens eine der Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 nicht gegeben ist. Der Fall 27.02.2012: Kontakt zum GAA: 1. Gezielte Sektionen Bio III 2. Am DPZ nicht möglich, da nicht alle Vorschriften für einen Bio III Bereich mit aerogen übertragbaren Erregern eingehalten werden können: i. Sektionsraum ist nicht vom übrigen (abgeschotteten) Bereich abtrennbar ii. Kein Unterdruckgefälle zum Sektionsraum iii. Keine doppelwandigen Abflussrohre iv. Begrenzung der Personenzahl bei unerwarteten Zwischenfällen bei Versuchstieren im DPZ nicht zu beschränken 3. Ausnahmeantrag nach § 14 BioStoffV ist zu stellen 4. Sektionen vom 16./17.2. sind schon gezielt gewesen (Ermittlungen in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren werden eingeleitet) Der Fall 01.03.2012: 1. Antrag bei GAA auf § 14 Ausnahmegenehmigung Bei Antragsbearbeitung durch GAA zahlreiche Probleme mit der Gefährdungsbeurteilung (GBU) und Begleitmaßnahmen: u.v.a. • • • • • • • • • • Untersuchung der betroffenen Mitarbeiter durch Betriebsarzt nach G42 Nachweis Funktionsfähigkeit des Hepa Filters Stellungnahme der GBU durch Sachverständigen Stellungnahme der Fa. PM zum Scott Autoflow Stellungnahme der Fa. 3M zu FFP 3 Mundmaske Beschaffung diverser Einmalartikel Benachrichtigung des Veterinäramtes Benachrichtigung des Gesundheitsamtes inkl. Veränderungsanzeige (§ 44 IfSG) Hausintern: Betriebstechnik, Personalbüro, externes Reinigungspersonal Ca. 30 Nachfragen des GAA (z. B. wie dringlich ist die Angelegenheit? Ist der TB Stamm multiresistent? Wie werden die Kadaver entsorgt? Wie kam es zu dem TB Ausbruch? Wie werden die Tiere ausgepackt? Wie viele Tiere werden pro Tag seziert? Desinfektionsmittel Mycobakterien bakterizid?) Der Fall In der tierhaltenden Einrichtung sitzen weiterhin die infizierten Tiere und werden teilweise intensiv behandelt (Tierschutz, Infektionsgefahr!). Die beteiligten Mitarbeiter sind verunsichert. Am DPZ sind durch die Vielzahl der Maßnahmen die Mitarbeiter ebenfalls verunsichert. 13.03.2012: Letzte Antragsversion wird beim GAA eingereicht. Die Genehmigung liegt unmittelbar vor (Kostenbescheid: 1280,00 €) 15.03.2012: Beginn der Bestandssanierung mit Sektionen Empfehlungen Tuberkulose J. Med. Primatol. 38, 59-69 Empfehlungen Tuberkulose Tuberculin Skin Testing (MOT 2500 IU) Negative Doubtful Exceptionally in very precious animals Repetition TST (eyelid or abdominal) Primagam-Test bovine or avian PPD Chest X-Ray PCR Diagnostic Microbiology PrimaTB Stat-Pak Assay Full Isolation (biosafety level 3) Positive Inform Authorities Immediate Euthanasia (room mates under quarantine) Combination treatment (at least 6 months) 5 Tests negative Test remains positive Der Fall 15.06.-16.06.2012: Formalinbegasung (1800 €) des Sektionsraumes durch externe Firma mit Unbedenklichkeitsbescheinigung i. Problem sieben Tage vorher beim Ordnungsamt Göttingen anmelden; ii. Problem: Hepa Filter können nicht begast werden. iii. Deckenanstrich des Sektionsraums zu erneuern (400 €). 23.07.2012: Verdacht in Einrichtung auf erneuten Ausbruch; Einsendung von zwei weiteren Tieren 26.07.2012: Erneuter Antrag auf §14 Genehmigung BioStoffV 01.08.2012: Genehmigung (390 €) und sofortige Sektion („Wurmgranulome“) 07.08.2012: Auf Antrag: GAA: Erneute Formalinbegasung ist nicht notwendig, da Schlussfolgerungen aus der Sektion „plausibel erscheinen“ Der Fall 14.08.2012: Gefährdungsbeurteilung für Hepa-Filterbegasung 20.08.2012: H2O2-Filterbegasung (1600 €) 13.09.2012: GAA: Normalbetrieb am DPZ Der Fall: Pathologie 11/25 Tiere mit Tuberkulose alle Tiere mit Primärherd- und Primärkomplex in der Lunge granulomatöse Pneumonie unterschiedlichster Ausdehnung vergrößerte Tracheobronchial- u. Bronchopulmonallymphknoten 6 Tiere mit Miliartuberkulose extrapulmonäre Alterationen in Lymphknoten, Milz, Leber, Niere, Hoden Die Lehren: Präventivmaßnahmen Durchführung eines TB-Tests vor dem Transport der Tiere im Ursprungsland oder beim Züchter/Händler. “Pre-transport testing” reduziert das Risiko TB einzuschleppen. Dauer der post-Import Quarantäne: Minimum 42 Tage mit 3 Tuberkulin-(Intrakutan)tests. Darüber hinaus sollten 2 PRIMAGAM® Tests am Anfang und Ende der Quarantäneperiode integriert werden. Regelmäßige Unterweisung und TB-Test aller Mitarbeiter. Hygienemaßnahmen und Schleusensysteme. Offene Fragen: Tierseuchenrecht Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen: Tuberkulose der Rinder (Mycobacterium bovis und M. caprae). M. tuberculosis ? Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten: Tuberkulose bei Einhufern, Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen, Hasen, Kaninchen, Puten, Gänsen, Enten, Hühnern, Tauben. Zootiere, Versuchstiere, Heimtiere (= Wirbeltiere in der Obhut des Menschen)? Offene Fragen: Tierseuchenrecht, IfSG Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen: Tuberkulose der Rinder (Mycobacterium bovis und M. caprae). M. tuberculosis ? Verordnung über meldepflichtige Tierkrankheiten: Tuberkulose bei Einhufern, Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen, Hasen, Kaninchen, Puten, Gänsen, Enten, Hühnern, Tauben. Zootiere, Versuchstiere, Heimtiere (= Wirbeltiere in der Obhut des Menschen)? Infektionsschutzgesetz: Meldepflichtige Krankheiten: Tierarzt meldepflichtig nur bei Tollwut. Primaten? Offene Fragen: BioStoffV u. v. a. In welchen Einrichtungen kann man verstorbene Tiere mit begründetem TB Infektionsverdacht und damit verbundenem Zeitdruck obduzieren? Sollte bei Sektionen im Vorfeld überhaupt der Verdacht von Infektionen geäußert werden (Gefährdungsbeurteilung!)? Ist eine Sektion mit Infektionsverdacht per se eine gezielte Tätigkeit (Anzeige bei GAA notwendig)? Für Primaten: Wie gehen wir mit der Herpes B (Bio III, Aerosolbildung bei Sektion denkbar) Problematik um?