Finanzmathematik

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Finanzmathematik
Bachelorarbeit aus Mathematische Modelle in den
Naturwissenschaften im WS 2010
Harald Hinterleitner (0755828) und Christof Schöffl (0686939)
28. März 2010
Inhaltsverzeichnis
1 Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Ein-Perioden-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Bewertung von Auszahlungsprofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5.1 Zeitliche Transformation deterministischer Zahlungsströme . . .
1.5.2 Zeitliche Transformation zustandsabhängiger Zahlungsströme . .
1.5.3 Bewertung von Auszahlungsprofilen mit Hilfe von Replikationen
1.6 Replikation und Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Der Fundamentalsatz der Preistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7.1 Trennungssätze im Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7.2 Der Fundamentalsatz der Preistheorie . . . . . . . . . . . . . . .
1
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2
2
2
3
5
6
6
7
8
9
12
14
15
Kapitel 1
Ein-Perioden-Wertpapiermärkte
1.1
Motivation
Suche Modell zur Bewertung von Optionen etc: Zeitpunkt t > 0, Zustandsräume Ωt .
einfachstes Modell:
• aktueller Zeitpunkt t = 0
• ein weiterer Zeitpunkt zugelassen: ω ∈ Ω, t = 1.
• Voraussetzung bei t = 0: Finanzmarkt vollständig bekannt
Ziel: Verallgemeinerung zu realistischeren Modellen
1.2
Ein-Perioden-Modell
Annahmen:
• ∃ genau zwei Zeitpunkte: Anfangszeitpunkt 0 und Endzeitpunkt 1,
wobei Handelsaktivitäten nur bei t = 0 möglich sind
• Zustand des Finanzmarktes bei t = 0 bekannt
t = 1 : einer aus K Zuständen ∈ Ω = w1 , ..., wK
• ∃ N (endlich) Wertpapiere S 1 , ...S N
Dazu ∃ Preisprozess S := {St = (St1 , ..., StN )|t = 0, 1} (beschreibt Preise der N
Wertpapiere)
S1i (w) : Ω → R (Preise hängen vom Zustand ab)
⇒ Sti (w)...Kurs des i-ten Wertpapiers bei t = 1 im Zustand ω ∈ Ω
WICHTIG: S0i und S1i (w), w ∈ Ω bekannt
erst bei t = 1: Entscheidung welcher Kurs realisiert wird
Bemerkung:
• {X|X : Ω → R} ∼
= RK
• S1 = (S11 , ..., S1N ) ∼
= RK·N
2
Beispiel: Ein-Perioden-Modell mit K Zuständen
Veranschaulichung der zu den Zeitpunkten t = 0 und t = 1 zu spezifizierenden Kursdaten:
Beispiel:
Interpretation: S11 (w1 ) = S11 (w2 ) = 1, 02 entspricht festverzinslicher Kapitalanlage mit
r = 2%; S 2 Beispiel für Aktie
1.3
Portfolios
Definition:
Ein Portfolio ist die Zusammenfassung von h1 Finanzinstrumenten S 1 , ... und hN Finanzinstrumenten S N zu einer Gesamtheit.
3


h1
 
D.h. h =  ...  ∈ RN wobei hi ...Stückzahl von S i
hN
i
hi · S ... Position
Der Wert V0 (h) des Portfolios h bei
• t = 0: V0 (h) := h · S0 (Skalarprodukt)


h · S1 (w1 )


..
• t = 1: V1 (h) := h · S1 := 
 ∈ RK
.
h · S1 (wk )
Es gilt: V1 (h) = V0 (h) + h · δS mit δS := S1 − S0
Beispiel:
Definition:
Gewinn G(h) := V1 (h) − V0 (h) = h · δS
der mit Portfoliostrategie h erzielt wird.
(G(h) nur abhängig von δS ... Änderung der Wertpapierpreise)
Bemerkung: bei Definition der Stückzahlen hi ∈ R
→ negative Werte: |hi | Aktien werden geliehen und am Markt verkauft (⇒ Schulden!)
−10
1
Beispiel: Betrachte Portfolio h =
, S0 =
, S11 , S12 wie oben.
1
10
−10
1
Es gilt: V0 = h · S0 =
·
=0
1 10 −10
1, 02
V1 (w1 ) = h · S1 (w1 ) =
·
· = 1, 8 da Kurs steigt
1
12
V1 (w2 ) = −1, 2 Kurs sinkt
nach Liquidierung des Portfolios besteht Zahlungsverpflichtung von 1, 20. ⇒
4
1.4
Optionen
Definition: Eine Call-Option beinhaltet das Recht (nicht die Pflicht):
• ein spezifiertes Wertpapier (Underlying)
• zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (Fälligkeit)
• zu einem heute festgesetzten Preis (Basis-Stückpreis)
zu kaufen (entspr. Kaufoption)
Wert der Option bei Fälligkeit: max(S − K, 0) =: (S − K)+ , wobei
S ...
K ...
Kurs des Underlyings bei Fälligkeit
Basispreis
Investor: Optionsrecht nur bei S(w) > K (Gewinn durch sofortigen Verkauf)
(Wert der Option >= 0)
⇒Call-Option im Ein-Perioden-Modell:
cj = (S1 (wj ) − K)+ , ∀j = 1, ..., K
c ... Auszahlungsprofil (zustandsabhängige Auszahlung)
Definition: Eine Put-Option beinhaltet das Recht
• ein spezifiertes Wertpapier (Underlying)
• zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (Fälligkeit)
• zu einem heute festen Preis
zu verkaufen (Verkaufsoption)
⇒ Auszahlungsprofil: (K − S)+ := max(K − S, 0), c ∈ RK , cj = (K − S1 (wj ))+ , ∀j =
1, ..., K
Bemerkung: Option
5
• europäische Option: festgelegter Zeitpunkt
• amerikanische Option: beliebiger Zeitpunkt bis zur Fälligkeit
• keine Unterscheidung möglich bei Ein-Perioden-Modell
Clou:
• Put-Option ist Versicherung nach unten bei Wertpapierbestand
• Call-Option gegen unerwarteten Preisanstieg versichern
⇒ Option hat Preis (wie Versicherungen)
⇒ Ziel: faire Preisfindung für Optionen und Derivate
Beispiel 1: wie oben + Call-Option auf S 2 mit K = 10, 5 und Fälligkeitszeitpunkt 1
t = 1: Optionswerte:
c(w1 ) = (S12 (w1 ) − K)+ = (12 − 10, 5)+ = 1, 5
c(w2 ) = (S12 (w2 ) − K)+ =(9 −10, 5)+ = 0
1, 5
⇒ Auszahlungsprofil c =
0
Beispiel 2: wie oben + Put-Option mit K = 11 (Ausübungspreis)
0
(11 − 12)+
=
⇒c=
+
(11 − 9)
2
1.5
Bewertung von Auszahlungsprofilen
gesucht: ein sinnvoller Preis für Auszahlungsprofile c ∈ RK für t = 0
1.5.1
Zeitliche Transformation deterministischer Zahlungsströme
Angenommen eine Bank hat bei t = 1 die Zahlungsverpflichtung c > 0. D.h. die Bank
erfährt bei t = 0 einen Zahlungsstrom von −c. Diese zukünftige Verpflichtung kann wie
folgt in eine äquivalente Verpflichtung bei t = 0 transformiert werden:
• t = 0: Bank kauft Anleihe mit Auszahlung c bei t = 1
• dafür bezahlt Bank bei t = 0: c0 := d · c, wobei d der Diskontfaktor zwischen t = 0
und t = 1 ist
• t = 1: durch Auszahlung der Anleihe begleicht Bank die Verpflichtung c, sodass
netto bei t = 1 kein Kapital fließt
Es ist auch der umgekehrte Fall möglich: Bank erhält c bei t = 1.
Transformation in c0 bei t = 0:
• t = 0: Bank verkauft Anleihe, die bei t = 1 mit c zurückgezahlt werden muss
• es gilt wieder c0 := d · c
6
• t = 1: Bank erhält c mit dem die Schuld aus der Anleihe beglichen wird
⇒ jeder beliebige Betrag c, der bei t = 1 fließt, lässt sich mit Hilfe von Handelsaktivitäten
in äquivalente Zahlung c0 = d · c bei t = 0 transformieren.
1.5.2
Zeitliche Transformation zustandsabhängiger Zahlungsströme
Idee ist analog wie bei deterministischen Zahlungsströmen.
Annahme: Bank hat Verpflichtungen mit Kontrahenten ja nach eintretenden Zustand wj
einen Betrag c(wj ) = cj ∈ R bei t = 1 auszutauschen.
• c(wj ) > 0 ⇒ Bank muss c(wj ) auszahlen
• c(wj ) < 0 ⇒ Kontrahent bezahlt −c(wj ) an Bank
Das entsteht z.B. durch den Verkauf einer Option.
Ziel: Finde für Auszahlung c einen Preis c0 bei t = 0, sodass bei t = 1 kein Kapital fließt.
D.h.: Bestimme Portfolio h ∈ RN so, dass Wert des Portfolios mit Auszahlung c bei t = 1
in jedem Zustand übereinstimmt.
c(w1 ) = h · S1 (w1 )
..
⇒
.
c(wK ) = h · S1 (wK )
∃h ⇒ Wert des Portfolios c0 bei t = 0 angebbar, da S0 (bei t = 0) bekannt sind.
⇒ Es gilt: c0 =.
Zusammenfassung: Transformation der Zahlung c bei t = 1 in Zahlung c0 bei t = 0:
• bestimme h, welches bei t = 1 Auszahlung c hat
• kaufe dieses Portfolio bei t = 0 für c0 = h · S0
• t = 1: je nach Zustand w erhält man c(w) = h · S1 (w) bei c(w) > 0, oder schuldet
man c(w) = h · S1 (w) bei c(w) < 0
7
• bei t = 1 fließt netto kein Kapital
1.5.3
Bewertung von Auszahlungsprofilen mit Hilfe von Replikationen
Wir untersuchen, ob und wie zu einem gegebenen c ∈ RK ein Portfolio h gefunden werden
kann.
N
T
Lemma: ∀h ∈

 R : h · S1 = D h
1
S1 (w1 ) · · · S1N (w1 )


..
...
wobei DT :=  ...
 die Transponierte der Payoff-/Auszahlungsmatrix
.
N
1
S1 (wK ) · · · S1 (wK )


S11 (w1 ) · · · S11 (wK )


..
..
D := (S1 (w1 ), · · · , S1 (wK )) =  ...
 ∈ RN ×K
.
.
S1N (w1 ) · · · S1N (wK )
Beweis: 

 
h · S1 (w1 )
h1 · S11 (w1 ) + · · · + hN · S1N (w1 )


 
..
..
h · S1 = 
 = DT · h
=
.
.
h · S1 (wK )
h1 · S11 (wK ) + · · · + hN · S1N (wK )
2
also: das Aufsuchen von h für Auszahlungsprofile c ∈ RK entspricht dem Lösen des SLG
c = DT · h.
Ist h ∈ RN Lösung von diesem SLG, so sagen wir, h repliziert c.
Definition: c ∈ RK heißt replizierbar :⇔ c ∈ ImDT .
Beispiel 3: wie oben: Ermittle Preis einer Call-Option auf S 2 mit Ausübungspreis K =
10, 5 1, 02 1, 02
1, 5
D=
,c=
12
9 0
1, 5
1, 02 1, 02
h1
−4, 412
T
⇒c·D h⇔
=
·
⇒h=
0
12
9
h2
0, 5
8
⇒ c0 = h · S 0 =
−4, 412
1
·
= 0, 588 Preis der Call-Option bei t = 0.
0, 5
10
e D) ∈ RN ×MN ×K (R) heißt Marktmodell mit PreisDefinition: Ein Tupel (S0 , S1 )=(b,
vektor b := S0 ∈ RN und Payoff-/Auszahlungsmatrix D ∈ MN ×K (R).
Bemerkung:
• Anzahl der Zeilen von b(und D) =
b Anzahl der Finanzinstrumente
• Anzahl der Spalten von D =
b Anzahl der Zustände
1.6
Replikation und Arbitrage
Wir haben: Ansatz zur Bewertung von zustandsabhängigen Auszahlungen c ∈ RK mit
• löse c = h · S1 = DT h
• bestimme Preis c0 von c bei t = 0: c0 = h · S0
Bemerkungen:
• Wahrscheinlichkeiten pj , mit denen wj ∈ Ω bei t = 1 eintreten, spielen keine Rolle
• Portfoliovektoren aus RN (nicht aus ZN ) für lin.Alg.: ∃ keine z.B. 3, 14 Aktien;
Realität: (50, 100, ...)+ Runden auf z ∈ Z
Es tauchen zwei Probleme bei der Bewertungsstrategie auf:
• Replikation ist nicht möglich: ¬∃h : c = DT · h, also c ∈
/ ImDT
• Replikation ist nicht eindeutig bestimmt: ∃h, h0 : c = DT · h = DT · h0 ,
d.h. Portfolios sind ökonomisch gleichwertig
Definition: Ein Marktmodell (b, D) heißt vollständig, wenn DT surjektiv ist, also wenn
ImDT = RK
⇒ (b, D) vollständig ⇒ jedes Auszahlungsprofil c ist replizierbar.
Satz: (Law of One Price)
Sei (b, D) ein Marktmodell, c ∈ ImDT ein replizierbares Auszahlungsprofil.
Der Preis c0 ist eindeutig bestimmt ⇔ kernDT ⊥b.
Beweis: sei h0 eine spezielle Lösung von c = DT · h
allgemeine Lösung: h = h0 + f mit f ∈ kernDT bel.
⇒ h · b = h0 · b ⇔ f · b = 0 ⇔ kernDT ⊥b.
2
9
Was ist, wenn DT · h = DT · h0 aber h · b 6= h0 · b ?
o.B.d.A.: h · b < h0 · b Dann gilt (h − h0 ) · b < 0 und DT · (h − h0 ) = 0.
D.h. der Erwerb des Portfolios h−h0 bei t = 0 ist mit Kapitaleinnahme von −(h−h0 )·b > 0
verbunden. Die Einnahme hat kein Risiko, denn, bei t = 1 ist h − h0 wertlos.
Eine Möglichkeit, risikolose Gewinne ohne eigenen Kapitaleinsatz zu erzielen, heißt
Arbitragegelegenheit.
Definition: Eine Handelsstrategie h heißt Arbitragegelegenheit, falls
• h · b ≤ 0 und DT · h > 0 oder
• h · b < 0 und DT · h ≥ 0
@ Arbitragegelegenheiten in (b, D) :⇒ Marktmodell heißt arbitragefrei
Bemerkungen:
• DT · h > 0: alle Komponenten sind ≥ 0 und mindestens eine Komponente > 0
• x >> 0 :⇔ ∀xi : xi > 0, i = 1, ..., n, (strikt positiv)
• h · b ≤ 0, DT · h > 0: Portfolio kostet anfangs nichts, oder bringt was ein
V0 (h) = h · b ≤ 0; t = 1: keine Zahlungsverpflichtungen + Chance auf Gewinn
V1 (h) = DT · h > 0
• h · b < 0, DT · h ≥ 0: Gewinn wird sofoert realisiert, später keine Verpflichtungen
und Chance auf Gewinn
• für Bewertung von Auszahlungsprofilen wird Arbitragefreiheit des Marktmodells
vorausgesetzt, in der Praxis gibt es Arbitragegelegenheiten für kurze Zeit
Lemma: In einem arbitragefreien Marktmodell (b, D) beinhaltet jede bei t = 0 getätigte
kostenlose Investition in ein Portfolio h mit DT · h 6= 0 das Risiko eines Verlustes.
Beweis: Sei h eine kostenlose Investition mit DT · h 6= 0. Dann gilt DT · h¬ > 0, denn
sonst wäre h eine Arbitragegelegenheit. Wegen DT · h 6= 0 muss daher mindestens eine
Komponente von DT · h negativ sein =
b Verlust.
2
Bemerkung: Die Voraussetzung einer kostenlosen Investition bei t = 0 ist wesentlich, da
risikolose Gewinne bei einer festverzinslichen Geldanlage mit positivem Kapitaleinsatz
möglich sind.
Satz: In einem arbitragefreien Marktmodel(b, D) gilt
kernDT ⊥b
10
und der Preis jedes replizierbaren Auszahlungsprofils c = DT · h ist eindeutig bestimmt
durch h · b.
Beweis: Angenommen kernDT 6 ⊥b. Dann ∃f ∈ kernDT : f · b 6= 0. Mit Multiplikation
mit −1 kann erreicht werden, dass f ·b < 0 gilt. Mit DT ·f = 0 ist f Arbitragegelegenheit.
Die zweite Aussage folgt aus dem Satz Law of One Price.
2
Beispiel 4: Umkehrung kernDT ⊥b ⇒ (b, D) arbitragefrei:

 

0, 99
1, 1 1, 1
9 ; rangDT = 2, d.h. Modell ist vollständig
Gegenbeispiel: (b, D) =  7  ,  10
2, 1
9
6 

19, 091
⇒ dimkernDT = 1, d.h. DT f = 0 Lösung ist f =  −3 
1

 

19, 091
0, 99



−3
7  = 0 ⇒ kernDT ⊥b
f ·b=
·
1
2, 1
Dennoch nicht arbitragefrei, denn Verschuldung in S 1 und Investition in S 3 führt immer
zu positivem Gewinn.
Bemerkung: es gibt ein Gegenbeispiel: eindeutige Bestimmtheit eines replizierbaren Portfolios 6 ⇒(b, D) arbitragefrei.
Satz: Sei c = DT h ein replizierbares Auszahlungsprofil in einem arbitragefreien Marktmodell (b, D). Dann ist h · b der einzig mögliche arbitragefreie Preis für c.
Beweis: Wird etwa das Auszahliungsprofil c für den Preis s < h · b angeboten, so kaufe c
zum Preis von s und verkaufe Portfolio h für h · b.
⇒ bei t = 0 haben wir Gewinn h · b − s > 0; bei t = 1 haben wir DT h − c = 0 (keine
Verpflichtung).
Im Falle s > h · b kaufe h und verkaufe es für s.
2
e K+1 ; h 7−→ (−h · b, DT h) =
Definition: Die lineare Abbildung L : RN 7→ R × RK =R
(−hS0 , h · S1 ) heißt Entnahmeprozess. Dabei ist
L0 (h) := −h · b ... die zum Erwerb von h erforderliche Abbuchung
L1 (h) := DT h ... Wert des Portfolios bei t = 1
Satz: Sei (b, D) ein Marktmodell. Angenommen ∃ Portfolio θ: θ · b > 0 und DT θ > 0.
Dann gibt es Arbitragegelegenheiten ⇔ ∃ Portfolio h: h · b = 0 und DT h > 0
Beweis:
⇐: trivial (Definition)
⇒: Sei h Arbitragegelegenheit. Dann gilt (−h · b, DT h) > 0. Nach Vorauss. gilt: θ · b > 0
11
und DT b > 0. Wähle λ ≥ 0 so, dass (h + λθ) · b = 0 ⇒ − h·b
≥ 0.
θ·b
T
Nun ist λ = 0 ⇔ h · b = 0. Dann folgt D h > 0, da h nach Vorauss. Arbitragegelegenheit.
Gilt dagegen λ > 0 ⇒ h · b < 0, also DT h ≥ 0. Betrachte DT (h + λθ) = DT h + λDT θ > 0,
da DT h ≥ 0 und λDT θ > 0.
Ist also (b, D) nicht arbitragefrei, so ∃ Arbitragegelegenheiten h: h · b = 0 und DT h > 0.
2
Korollar 1: (b, D) Marktmodell. Angenommen ∃ Finanzinstrument S i : S0i > 0 und
S1i > 0.
∃ Arbitragegelegenheiten ⇔ ∃ Portfolio h : h · b = 0 und DT h > 0.
Beweis: Portfolio ei = (0, · · · , 0, 1, 0, · · · , 0)T ⇒ ei · b = bi = S : 0i > 0 und DT ei =
ei · S1 = S1i > 0. Somit folgt die Behauptung aus vorigem Satz.
2
Korollar 2: Marktmodell (b, D) arbitragefrei ⇔ ∀ kostenfreie Portfolios h bei t = 0 mit
DT h 6= 0∃j : (DT h)j < 0. D.h. das Risiko eines Verlustes ist vorhanden.
Beweis: Sei (b, D) arbitragefreies Marktmodell.
⇒: aus Lemma folgt, dass jedes kostenlose Portfolio h bei t = 0 mit DT h 6= 0 in mindestens einem Zustand einen negativen Wert besitzt.
⇐: angenommen ∀h mit h · b = 0 ∧ DT h 6= 0: ∃j : (DT h)j < 0 ⇒6 ∃h : h · b = 0 ∧ DT h > 0.
Mit letztem Satz folgt daraus die Arbitragefreiheit.
2
1.7
Der Fundamentalsatz der Preistheorie
Notation: Skalarprodukt über Finanzinstrumente: · ; Skalarprodukt über Zustände: h·, ·i
Ziel: (b, D) arbitragefrei ⇔ ∃φ ∈ RK : φ >> 0 ∧ b = Dφ
Satz: (Law of One Price, Version 2)
Sei (b, D) ein arbitrage-freies Marktmodell. Dann gilt b ∈ ImD.
Also ∃φ ∈ RK : b = Dφ und es gilt: ∀h ∈ RN : h · b = φ, DT h .
Beweis: Da (b, D) arbitrage-frei, folgt b⊥kernDT . Nach Sätze über adjungierte Abbildungen gilt: kernDT ⊥ImD und RN = kernDT ⊕ ImD
⇒ b∈ ImD.
Also ∃φ ∈ RK mit b = Dφ und h · b = Dφ · h = φ, DT h
2
Bemerkung: Der Preis c0 = h · b eiens replizierbaren Auszahlungsprofils c = DT h unter
der Voraussetzung b = Dφ ist eindeutig bestimmt und berechenbar durch c0 = hφ, ci
ohne h zu kennen.
Sätze über adjungierte Abbildungen:
Sei L : V → W , L∗ : W → V : hx, Lyi = hL∗ x, yi ∀x ∈ W, ∀y ∈ V
12
1. Es gilt: kernL⊥ImL∗ .
Beweis: Sei x ∈ kernL und y ∈ ImL∗ . Dann gilt y = L∗ z für ein z ∈ W .
hx, yi = hx, L∗ zi = hLx, zi = 0.
2
2. Es gilt: V = kernL ⊕ ImL∗ und W = kernL∗ ⊕ ImL.
Beweis: Wegen L∗∗ = L reicht es, die erste Aussage zu beweisen.
Wir wissen: kernL⊥ImL∗ , also ImL∗ ⊂ (kernL)⊥ .
Weiters dim ImL∗ = dim ImL = dim(kernL)⊥ , wegen Dimensionssatz. Daher gilt:
ImL∗ = (kernL)⊥
2
Satz: Gilt b = Dφ für ein φ ∈ RK mit φ >> 0 ⇒ (b, D) arbitragefrei.
Beweis: Es gilt h · b = φ, DT h . Ist DT h > 0, so folgt h · b > 0 wegen φ >> 0. Ist dagegen
DT h ≥ 0, folgt h · b ≥ 0 ⇒ h ist keine Arbitragegelegenheit.
Definition: Ein φ ∈ RK mit φ >> 0 und b = Dφ heißt Zustandsvektor.
1
1, 02 1, 02
Beispiel 5: Betrachte (b, D) =
,
10
9
1 12
1
0, 392
φ
1, 02 1, 02
=
⇒φ=
>> 0
Dφ = b ⇔
·
φ2
10
0, 588
12
9
Satz: Sei (b, D) ein arbitragefreies und vollständiges Marktmodell. Dann ∃ Zustandsvektor in (b, D).
Beweis: Sei φ ∈ RK : b = Dφ. Sei ei ∈ RK i-ter Standardbasisvektor.
(b, D) vollständig ⇒ ∃hi ∈ RN : ei = DT hi . Damit gilt φi = hφ, ei i.
Wäre φi = hi · b ≤ 0, so wäre hi wegen DT hi = ei > 0 eine Arbitragegelegenheit. Da
(b, D) aber nach Vorauss. arbitragefrei, folgt φi > 0∀i = 1, ...K.
2
Ziel: aus Arbitragefreiheit eines Marktmodells ganz allgemein, ohne Voraussetzung der
Vollständigkeit, die Existenz eines Zustandsvektors ableiten;
dazu werden folgende zwei Trennungssätze benötigt (Spezialfälle: Satz von Hahn-Banach)
1.7.1
Trennungssätze im Rn
Satz: (erster Trennungssatz)
Sei C ⊂ Rn abgeschlossene, konvexe Menge, die den Ursprung nicht enthält.
Dann ∃x0 ∈ Rn ∃α > 0 : hx0 , xi ≥ α∀x ∈ C. Insbesondere schneidet C nicht die Hyperebene hx0 , xi = 0.
Beweis:
13
Sei λ > 0 so, dass C ∩Bλ (0) 6= ∅, wobei Bλ (0) = {x ∈ Rn : kxk ≤ λ} (Kegel um Ursprung
mit Radius λ).
Sei x0 ∈ C der Punkt, an dem die stetige Abbildung x 7→ kxk auf der kompakten Menge
C ∩ Bλ (0) ihr Minimum annhimmt.
So folgt sofort: kxk ≥ kx0 k ∀x ∈ C.
Da C konvex, gilt ∀x ∈ C∀t ∈ [0, 1] : x0 + t(x − x0 ) ∈ C.
Definiere f : R → R, t 7→ kx0 + t(x − x0 )k2 = kx0 k2 + 2t hx0 , x − x0 i + t2 kx − x0 k2 .
f ist differenzierbar und es gilt kx0 k2 = f (0) ≤ f (t)∀t ∈ [0, 1].
(0)
Daher ist f 0 (0) = limt→0 f (t)−f
≥ 0 und f 0 (0) = 2 hx0 , x − x0 i = 2(hx0 , xi − kx0 k2 ) ≥
t
0∀x ∈ C
Mit λ := kx0 k2 folgt die Behauptung.
2
Satz: (zweiter Trennungssatz)
Sei K eine kompakte und konvexe Teilmenge des Rn und sei V ein Untervektorraum des
Rn . Seien V und K disjunkt.
So ∃x0 ∈ Rn : hx0 , xi > 0∀x ∈ K und hx0 , xi = 0∀x ∈ V .
Daher ist der Unterraum V in einer Hyperebene enthalten, die K nicht schneidet.
Beweis:
Menge C := K − V = {x ∈ Rn : ∃(k, v) ∈ K × V, x = k − v} ist konvex, da V als UR und
K nach Vorauss. konvex sind. C ist abgeschlossen, da V abgeschlossen und K kompakt
ist.
K, V disjunkt ⇒ 0 ∈
/ C ⇒ ∃x0 ∈ Rn ∃α > 0 : hx0 , xi > α∀x ∈ C
⇒ ∀k ∈ K∀v ∈ V : hx0 , ki − hx0 , vi ≥ α
k ∈ K f.a.b, V VR ⇒ ∀v ∈ V ∀λ ∈ R : λ hx0 , vi ≤ hx0 , ki − α
⇔ hx0 , vi = 0∀v ∈ V (einzige Möglichkeit, da λ bel.)
⇒ hx0 , ki ≥ α > 0∀k ∈ K.
14
2
1.7.2
Der Fundamentalsatz der Preistheorie
Satz: In einem Marktmodell (b, D) sind folgende Aussagen äquivalent:
1. (b, D) ist arbitragefrei
2. ∃Φ ∈ RK+1 , Φ >> 0 ∧ ∀h ∈ RN : hΦ, L(h)i = 0
3. ∃ Zustandsvektor φ ∈ RK , φ >> 0 mit b = Dφ
Beweis:
1. ⇒ 2.: Sei (b, D) ein arbitragefreies Marktmodell. Dann ¬∃h ∈ RN : L(h) = (−hb, DT h) >
0.
L : RN → RK+1 linear ⇒ ImL ist UVR von RK+1 , der {x ∈ RK+1 |x > 0} nicht schneidet.
P
Insbesondere schneidet ImL NICHT M = {x ∈ RK+1 , x > 0, K
i=0 xi = 1} kompakt,
konvex
zweiter Trennungssatz ⇒ ∃Φ ∈ RK+1 : hΦ, xi = 0∀x ∈ ImL und hΦ, xi > 0∀x ∈ M
⇒ Φ >> 0 (Wähle x = ej )
2. ⇒ 3.: Sei Φ ∈ RK+1 , Φ >> 0 : hΦ, L(h)i = 0
Schreibe Φ = (Φ0 , Φ1 ) mit Φ0 ∈ R, Φ1 ∈ RK .
Φ >> 0 ⇒ Φ0 > 0 ∧
Φ1 >> 0
T
T
⇒ 0 = hΦ, L(h)i
=
(Φ
,
Φ
),
(−h
·
b,
D
h)
=
−Φ
(h
·
b)
+
Φ
,
D
h
0
1
0
1
E
D
also h · b =
Φ1
, DT h
Φ0
1
:= Φ
∈ RK
Φ0 T
Definiere φ
⇒ φ >> 0
⇒ h · b = φ, D h = Dφ · h∀h ∈ RN ⇒ b = Dφ
3. ⇒ 1.: im obigen Satz bereits bewiesen
2
Bemerkungen:
• mit φ ist der Preis JEDES replizierbaren Auszahlungsprofil berechenbar: c0 = hφ, ci
15
• für Nachweis der Arbitragefreiheit reicht: untersuche b = Dφ, φ >> 0 auf Lösbarkeit.
1
1, 1 1, 1
Beispiel 6: Betrachte Marktmodell (b, D) =
,
5
7
4
• Untersuche (b, D) auf Vollständigkeit und auf Arbitragefreiheit:
detD = 4, 4 − 5,5 6= 0 ⇒ D regulär ⇒ Marktmodell vollständig
0, 45455
Dφ = b ⇒ φ =
⇒ φ >> 0 ⇒ (b, D) arbitragefrei
0, 45455
• BestimmeWert einer Call-Option auf S 2 mit Basispreis K = 6:
1
Auszahlung c =
⇒ c0 hφ, ci = 0, 45455
0
  

1
1, 1 1, 1 1, 1
4
6 
Beispiel 7: Betrachte Marktmodell (b, D) =  5  ,  7
10
12
9
9
• Zeige, (b, D) vollständig, aber icht arbitragefrei: rangD = 3 ⇒ (b, D) vollständig


0, 60606
Dφ = b ⇒ φ =  0, 5303  ⇒ ∃ Arbitragegelegenheiten
−0, 22727


0
• finde Arbitragegelegenheit: c0 = 0 = hφ, ci ⇒ c = 0, 22727 > 0 positive Aus0, 5303
zahlung;da vollständig
⇒
c
ist
replizierbar

1, 51
⇒ h =  0, 151  ⇒ h · b = 0 und DT h = c > 0
−0, 227
16
Literaturverzeichnis
[1] Jürgen Kremer: Einführung in die diskrete Finanzmathematik
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006
17
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