alte oder neue Antidepressiva?

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DGBS e.V.
Zum Problem des sog. „Switchrisikos“ –
alte oder neue Antidepressiva?
J.M. Langosch, Freiburg
n den letzten Jahren wurde das
Phänomen des Switchrisikos zunehmend diskutiert. Man versteht
darunter den direkten Umschwung
von einer depressiven Phase in eine
hypomanische oder manische Phase,
ausgelöst durch ein Antidepressivum. Die genaue Definition eines
Switches ist jedoch noch unklar,
problematisch scheint dies vor allem
in Hinblick auf Rapid cycling. Ob
durch einen Antidepressiva-induzierten Switch der Verlauf der bipolaren Störung negativ beeinflusst
wird, ist nicht bekannt.
Der Monoaminoxidaseinhibitor
(MAOI) Tranylcypromin war in einer
Studie von Himmelhoch et al. (1991)
Imipramin deutlich überlegen in der
antidepressiven
Wirkung,
die
Switch-Raten unterschieden sich jedoch nicht signifikant. Sie lagen bei
21% für Tranylcypromin bzw. 25% für
Imipramin. Sachs et al. (1994) fan-
I
12.–14.09.2002
Third European Stanley Foundation
Conference on Bipolar Disorder
Ort: Konzerthaus Freiburg
Information/Anmeldung: kongress & kommunikation gGmbH
Hugstetter Strasse 55, 79106 Freiburg
Tel: +49-761-270-7318, Fax: +49-761-270-7317,
E-Mail:
[email protected], Internet:www.kongress-undkommunikation.de
8.–9.11.2002
Jahrestagung 2002 der DGBS
Ort: Psychiatrische Klinik und Poliklinik der
Ludwig Maximilians-Universität, Nussbaumstrasse, München
Informationen:
DGBS e.V.
Deutsche Gesellschaft
für Bipolare Störungen e.V.
(manisch-depressive Erkrankungen)
Postfach 920249, 21132 Hamburg
Tel. 040-85408883, Fax. 040-85408884, e-mail:
[email protected], Internet: www.dgbs.de
294
psycho 28 (2002) Nr. 6
den deutlich weniger Umschwünge
für Buproprion (13%) verglichen mit
Desimipramin (37,5 %). Für SSRI
wurde in einer Studie von Peet
(1994) eine niedrige Switch-Rate
von 3,7%, aber auch eine niedrige
Rate für trizyklische Antidepressiva
(TZAs) (11,2 %) gefunden. Ein Vergleich von Paroxetin und Imipramin
(Nemeroff et al., 2001) erbrachte für
Paroxetin keinen Switch, mit Imipramin bei 7,7% der Patienten — allerdings bei niedrigen Li+-Spiegeln. Plazebo verursachte ebenfalls einen
Switch (2,3%), dies mit Li+. Eine neue
Studie fand kumulierte Switch-Raten für Buproprion, Sertralin und
Venlafaxin von 14% während der
Akutbehandlung sowie von 33%
während der einjährigen Erhaltungstherapie (Post et al., 2001).
Aussagefähige Studien zum Einfluss
von Stimmungsstabilisierern und
bei Rapid cycling liegen nicht vor.
Es kommt auch im Spontanverlauf zu direkten Phasenwechseln. Bis
zur abschließenden Klärung erscheint es nicht gerechtfertigt, bestimmte Antidepressiva für die Behandlung bipolar depressiver Patienten auszuschließen (s.a. Möller &
Grunze, 2000). Bipolare Patienten
sind zu 2/3 ihrer Erkrankungszeit
depressiv (Stanley Foundation). Bei
dem damit verbundenen Leid und
Suizidrisiko sollten alle Therapieoptionen offen sein. Es besteht sonst
die Gefahr, dass aus Angst vor einer
Manie die Depression chronifiziert
wird. Wird die initiale Behandlung
wegen angenommener niedriger
Wahrscheinlichkeit einen Switch
auszulösen z.B. mit einem SSRI
durchgeführt, und zeigt dieser keine
Wirkung, so gibt es keinen hinreichenden Grund, TZA oder MAOI zu
meiden, wenn sie mit einem Stimmungsstabilisierer kombiniert werden. Die Entscheidung ist vom Einzelfall abhängig, und die Krankheitsgeschichte mit z.B. schweren und
therapieresistenten manischen Phasen muss berücksichtigt werden.
Medikamenten-induzierte hypomanische und manische Phasen sind
weniger schwer als spontan auftretende (Stoll et al., 1994).
Die Gefahr einer tödlichen Vergiftung mit einer Überdosis ist bei
TZA größer als bei neueren Antidepressiva. Allerdings sind nur 4% aller
Suizide auf Antidepressivaüberdosierungen zurückzuführen (Edwards, 1998) und es ist nicht bekannt, wieviele Personen davon das
Antidepressiva zu therapeutischen
Zwecken erhielten. Die Gesamtsuizidraten unterscheiden sich nicht für
neue und alte Antidepressiva (Harris
& Barraclough, 1997). Die Compliance mit neuen Antidepressiva ist
nur wenig besser. Zur Therapie der
unipolaren Depression empfehlen
neuere Übersichtsarbeiten den Einsatz teurer neuer Antidepressiva als
Mittel der ersten Wahl nicht. Aufgrund des evtl. erhöhten Switchrisikos sind TZA und MAOI jedoch bei
der bipolaren Depression möglichst
zweitrangig zu verordnen. Neue
Antidepressiva sollten ebenfalls jenen Patienten verschrieben werden,
welche ältere Antidepressiva nicht
tolerieren und/oder ein hohes Risiko
für Medikamentenüberdosierungen
haben. Weil viele neuere Antidepressiva weniger sedieren und weniger autonome Effekte haben, sollen auch Patienten mit erhöhtem
Unfallrisiko sowie mit Herz-Kreislauferkrankungen diese erhalten
(Edwards, 1998).
Literatur
Edwards JG (1998) BMJ 316:1180-1181.
Harris & Barraclough (1997) Br J Psychiatry
170:205-228.
Himmelhoch JM et al. (1991) Am J Psychiatry 148:910-916.
Möller & Grunze (2000) Eur Arch Psychiatry
Clin Neurosci 250:57-68.
Nemeroff CB et al. (2001) Am J Psychiatry
158:906-912.
Peet M (1994) Br J Psychiatry 164:549-550.
Post R et al. (2001) Bipolar Disorders 3:259265.
Sachs G et al. (1994) J Clin Psychiatry
55:391-393.
Stoll AL et al. (1994) Am J Psychiatry
151:1642-1645.
(Vorabauszug aus Vademecum Bipolare
Störungen, erscheint im 2. Halbj. 2002)
DGBS e.V.
23.11.2002
Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit
Ort: Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, 01069 Dresden
ie Informationsveranstaltung
(10.00–13.00 Uhr) für die Öffentlichkeit ist der abschließende
Höhepunkt einer Aktion, die eine
Gruppe engagierter Vertreter des
Sächsischen Sozialministeriums, der
Krankenkassen, der Ärzte- und Apothekerschaft, von Psychiatrie-Erfahrenen-Verbänden bzw. Informationszentren und der Pharmaindustrie unter fachlicher Begleitung der
DGBS e.V. organisiert hat.
Mit dieser Informationsveranstaltung und einer vorgeschalteten
Plakat- und Flyeraktion soll die allgemeine Situation von Menschen
mit Bipolaren Erkrankungen in
Deutschland und besonders in Sach-
D
sen aufgezeigt werden. Die spezifischen Probleme dieser Menschen
und ihrer Angehörigen sollen der
mehr oder weniger informierten Öffentlichkeit bewusster gemacht
werden. Es gilt Vorurteile abzubauen und übertriebene Ängste und
Befürchtungen im Zusammenhang
mit diesem Krankheitsbild zu beseitigen.
Das Schicksal der Menschen mit
Bipolaren Erkrankungen hängt – wie
bei vielen anderen Erkrankungen
auch – davon ab, ob ihre Krankheit
so früh wie möglich erkannt und
konsequent optimal behandelt wird.
Bezüglich Diagnose, Therapie und
psychosozialer Begleitung sind
große Fortschritte erzielt worden,
die auch zur Anwendung kommen
müssen, damit diese Mitmenschen
nicht sozial ausgegrenzt werden,
sondern sich in unsere Gesellschaft
integrieren können.
Unsere Gemeinschaftsinitiative
soll u.a. aufzeigen, ob dies bereits
geschehen ist und wo es noch Nachholbedarf gibt.
Wir setzen uns dafür ein, dass in
Deutschland kein Mensch mit Bipolaren Erkrankungen in ein Stadium
gedrängt wird, das seinem Erkrankungsgrad nicht angemessen ist.
AKS (Arbeitskreis Sachsen)
Gemeinschaftsinitiative
Bipolare Erkrankungen
Elektronisches Tagebuch für Manisch-Depressive Patienten
ie Behandlung der manisch depressiven Erkrankung gestaltet
sich oft nicht einfach. Fast regelhaft
wird es notwendig, zumindest zeitweise Medikamente zu kombinieren, deren Wirksamkeit nur in der
Monotherapie nachgewiesen ist. Um
unter diesen Umständen die Wirksamkeit der angewandten Medikamente differenziert beurteilen zu
können, werden detaillierte Verlaufsbeobachtungen benötigt. Geeignet sind hier elaborierte Langzeitverlaufsbeobachtungsverfahren,
wie die sog. „Life-Chart-Methode“
nach R. Post und G. Leverich, die es
ermöglichen, bei geringer zeitlicher
Belastung des Patienten hochwertige Informationen zur Unterstützung der klinischen Entscheidungsfindung zu gewinnen.
Leider wird jedoch nach einiger
Zeit eine kontinuierliche grafische
Aufbereitung nötig, die im klinischen Alltag nicht realisierbar ist, da
sich der erforderliche Aufwand zur
D
Dateneingabe nur über spezielle
Projekte finanzieren lässt.
Abhilfe schaffen soll nun ein unter Federführung der „Arbeitsgruppe Neue Medien“, der „Deutschen Gesellschaft für Bipolare
Störungen“ (DGBS e.V.) entwickeltes
elektronisches Patiententagebuch,
das auf der bewährten Life Chart
Methodik aufsetzt, jedoch die arbeitsintensiven Schritte weitgehend
automatisiert.
In einer gegenwärtig durchgeführten Pilotstudie erhalten die Projektteilnehmer einen Taschencomputer (PalmPilot M100), auf dem das
Elektronische Tagebuch installiert
ist. Täglich werden u.a. Stimmung,
allgemeine Funktionsfähigkeit, Medikamente, Nebenwirkungen und
etwaige Lebensereignisse eingetragen. Der Zeitaufwand dafür beträgt
im Allgemeinen lediglich 1–2 Minuten. Die Daten können dann mit einem Knopfdruck über ein adaptiertes Modem in anonymer Form an ei-
nen Server gesandt werden, der wiederum einen übersichtlich grafisch
aufbereiteten Ausdruck an den Patienten zurücksendet.
Ziel des Projektes ist es, auch im
klinischen Alltag Daten aus detaillierten Verlaufsbeobachtungen bereitzustellen und so zum einen die
klinische Entscheidungsfindung zu
erleichtern und zum anderen dem
Patienten ein Mittel an die Hand zu
geben, mit dem er selbst aktiv an der
Optimierung der Pharmakotherapie
mitwirken kann. Erste Auswertungen deuten auf das Erreichen dieses
Ziels hin.
Interessenten mit oder ohne eigenen PalmPilot wenden sich an das
„Zentrum für Innovative Therapie
Bipolarer Störungen am Universitätsklinikum Freiburg“
Fr. V. Hartweg
Hauptstr. 5
79104 Freiburg
Telefon: 0761/270-6601
Email: [email protected]
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295
Blickpunkt
11. Kongress der Association of European Psychiatrists
Aripiprazol – Fortschritt in der Schizophreniebehandlung
ei schizophrenen Erkrankungen
stand lange Zeit die vor allem in
der Akutsituation auftretende Positivsymptomatik im Vordergrund. Eng
verknüpft damit ist eine Dysbalance
des Dopaminsystems, wie heute allgemein anerkannt wird. Antipsychotika der ersten Generation wie Haloperidol blockieren daher vor allem
die D2-Rezeptoren, die mit psychotischen Symptomen in Zusammenhang
stehen. Allerdings führt eine mehr als
75%ige Blockade dieser Rezeptoren
auch zu extrapyramidalen Störungen
(EPS) und zu unter Umständen irreversiblen Spätdyskinesien. Abgesehen von diesen unerwünschten Nebenwirkungen konnte mit den klassischen Antipsychotika auch keine Verbesserung der Negativsymtomatik,
die von den Patienten als schwerwiegendste Belastung der Erkrankung
empfunden wird, erzielt werden.
Aus diesem Grund wurden die so
genannten atypischen Neuroleptika
entwickelt, die sich durch ein wesentlich geringeres EPS-Risiko sowie
Wirksamkeit auf die Negativsymptomatik auszeichnen. Allerdings können auch bei diesen Substanzen je
B
nach Rezeptorprofil unerwünschte
Wirkungen auftreten, z.B. Gewichtszunahme, kardiologische und metabolische Effekte, Prolaktinspiegelveränderungen oder sexuelle Dysfunktionen.
Auf dem 11th Congress of the Association of European Psychiatrists im
Mai in Stockholm stellte Prof. Lars
Fade, Stockholm, ein Antipsychotikum der neuesten Generation vor:
Aripiprazol (Bristol-Myers Squibb)
weist einen neuartigen Wirkmechanismus auf, moduliert sowohl das Dopamin- als auch das Serotoninsystem
und hat gleichzeitig ein sehr gutes
Verträglichkeitsprofil.
Wirkmechanismus
Aripiprazol wirkt als partieller
Agonist an D2- und 5-HT1A-Rezeptorer
sowie als Antagonist an 5HT2A-Rezeptoren. Das heißt, es bindet an die D2Rezeptoren und verringert damit die
Synthese und Freisetzung von Dopamin an den präsynaptischen Nervenendigungen, wobei diese Rezeptoren
aber nicht vollständig blockiert werden, sondern nur partiell. Dies erklärt
die Wirksamkeit auf die Positivsymp-
Früherkennung
Antikörper gegen Alzheimer
in neuer Antikörper (m266, Lilly Research
Laboratories in Indianapolis) zeigt gute Erfolge bei der Behandlung und Diagnostik der
Alzheimer-Erkrankung. Zumindest im Tiermodell ist der Antikörper, der gegen das BetaAmyloid-Peptid gerichtet ist, das die charkteristischen Plaques bildet, viel versprechend.
Der Antikörper bindet an das Peptid und
schleust es über den Blutkreislauf aus dem
Gehirn. Möglicherweise verhindert er so auch
die Entstehung von Plaques. Vorangegangene
Studien haben gezeigt, dass Mäuse, die diesen
Antikörper injiziert bekamen, in anschließenden Gedächtnistests besser abschneiden.
Die Forschung an einem anderen Antikörper (Elan Pharma) wurde dagegen vor
kurzem eingestellt, nachdem bei einigen
Patienten Gehirnentzündungen auftraten.
E
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psycho 28 (2002) Nr. 6
Bluttest bei Alzheimer?
Nach der Injektion des Antikörpers
steigt die Konzentration -Amyloid im Blut
an. Die Forschungsgruppe beobachtete
auch, dass die gemessene Amyloid-Konzentration mit dem jeweiligen Ausmaß der Ablagerungen im Gehirn direkt zusammenhängen. Möglicherweise lässt sich so in Zukunft ein Bluttest für Alzheimer-Patienten
entwickeln. Da Amyloid bereits Jahre vor
den ersten Symptomen abgelagert weird, ist
eventuell sogar ein Früherkennungstest
denkbar.
KW
Quelle: DeMattos RB, Bales KR, Cummins DJ, Paul SM,
Holtzman DM. Brain to plasma amyloid-beta efflux: a
measure of brain amyloid burden in a mouse model
of Alzheimer’s disease.Science 2002 Mar
22;295(5563):2264-7
tomatik, die mit einer Dopaminhyperaktivität in Zusammenhang steht.
Gleichzeitig kann Aripiprazol
postsynaptisch antagonistisch wirken, also auch eine Dopaminhypoaktivität ausgleichen. Eine Dopaminhypoaktivität ist nach Ergebnissen der
Grundlagenforschung vermutlich mit
der Negativsymptomatik verknüpft.
Aripiprazol moduliert somit die dopaminerge Neurotransmission im Gehirn. Gleichzeitig wird auch das Serotoninsystem beeinflusst: die partielle
agonistische Wirkung an den 5-HT1ARezeptoren verringert wahrscheinlich
die Negativsymptomatik, wirkt antidepressiv und kognitionsverbessernd.
Der Antagonismus an den 5-HT2A-Rezeptoren verstärkt möglicherweise
die antipsychotische Wirkung und
zusätzlich die Wirkung auf die Negativsymptomatik.
Wirksamkeit und Verträglichkeit
Die klinischen Studien mit Aripiprazol haben gezeigt, dass die
Symptome schizophrener Erkrankungen deutlich verbessert werden.
Die Wirksamkeit auf die Positivsymptomatik ist vergleichbar mit
der klassischer Neuroleptika bzw.
bei Negativsymptomatik mit der von
Risperidon, stellte Prof. Dr. Michel
Bourin, Nantes (Frankreich), vor.
Die Patienten profitieren gleichzeitig von einem sehr günstigen Nebenwirkungsprofil. Wie Prof. Dr.
Wolfgang Fleischhacker, Innsbruck,
erklärte, weist Aripiprazol nur ein
minimales EPS-Risiko auf, QTc-Verlängerungen sind ebensowenig zu
erwarten wie Prolaktinerhöhungen.
Das Gewicht der Patienten wird
durch die Behandlung nicht beeinflusst, Somnolenz ist nur schwach
ausgeprägt. Ein Einfluss auf den Glukosestoffwechsel oder sexuelle Dysfunktionen wurden nicht beobachtet.
KW
Satellitensymposium „Insights, Promise
and renewed Hope in the Treatment of Schizophrenia“ auf dem 11. Kongress der Association of European Psychiatrists am 7. Mai
in Stockholm
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