Donnerstag 30.4.2015

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Mathematische Probleme, SS 2015
Donnerstag 30.4
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§1
Dreiecke
1.6
Einige Sätze über Kreise
In der letzten Sitzung hatten wir begonnen uns mit Kreisen zu beschäftigen und insbesondere den Satz von Thales bewiesen. Dieser beschreibt die Winkel über den Durchmessern eines Kreises, und ergibt insbesondere das alle Winkel über einem solchen
Durchmesser gleich sind, nämlich 90◦ . Betrachtet man anstelle eines Durchmessers eine Sekante des Kreises, so müssen die Winkel über dieser Sekante zwar nicht mehr
gleich 90◦ sein, aber sie sind zumindest noch alle gleich. Streng genommen tritt hier
noch eine kleine Komplikation ein, man muss zwischen Winkeln oberhalb und unterhalb
der Sekante unterscheiden und erhält den folgenden Satz:
Satz 1.23 (Perepheriewinkelsatz)
Seien k ein Kreis mit Mittelpunkt M und AB ein Sekante in k die nicht durch M geht.
Weiter sei ψ der Mittelpunktswinkel der Sekante AB, d.h. der Winkel des Dreiecks
ABM bei M .
C
C
φ
φ
k
k
M
ψ
B
B
A
A
θ
C’
Perepheriewinkel über AB
Perepheriewinkel unter AB
(a) Ist C ein Punkt auf k über AB, also auf derselben Seite von AB wie M , und
bezeichnet φ den Perepheriewinkel von AB bei C, also den Winkel des Dreiecks
ABC bei C, so gilt ψ = 2φ und insbesondere φ < π/2.
(b) Ist C 0 ein Punkt auf k unter AB und θ der Perepheriewinkel von AB bei C 0 , so
ist φ + θ = π und insbesondere θ > π/2.
Beweis: Wir verwenden die folgenden Figuren zum Beweis:
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C
k
φ
γ
M
δ
β
α
A
k
B
B
α β
A
C’
θ
C’
Vorbemerkung
Teil (a)
0
Zunächst sei C ein Punkt auf k unter AB und betrachte den Perepheriewinkel θ von AB
bei C 0 . Da A, B, C 0 auf k liegen sind die beiden Dreiecke M AC 0 und M C 0 B beide bei
M gleichschenklig, nach Aufgabe (4.a) hat also M AC 0 bei A und C 0 denselben Winkel
α und M C 0 B hat bei B und C 0 denselben Winkel β. Weiter bezeichne γ den Winkel
von M AC 0 bei M und δ den Winkel von M C 0 B bei M . Dann setzen sich γ und δ zum
Mittelpunktswinkel ψ zusammen und α und β sind zusammen der Perepheriewinkel θ,
es gelten also ψ = γ + δ und θ = α + β. Außerdem gelten 2α + γ = 2β + δ = π, also
ist insgesamt
γ+δ
ψ
π−γ π−δ
+
=π−
=π− .
θ =α+β =
2
2
2
2
(a) Nach der Vorbemerkung sind alle Perepheriewinkel von AB unter AB gleich θ =
π − ψ/2, wir können also durch eventuelles Abändern von C 0 annehmen das CC 0 ein
Durchmesser von k ist. Nach dem Satz von Thales Satz 21 haben die Dreiecke AC 0 C bei
A und C 0 BC bei B rechte Winkel. Mit Lemma 22 angewandt auf das Viereck AC 0 BC
folgt
π
ψ
2π = 2 · + θ + φ = π + θ + φ = 2π + φ − also ψ = 2φ
2
2
und insbesondere ist φ = ψ/2 < π/2.
(b) Die Vorbemerkung und Teil (a) liefern
ψ
ψ
φ + θ = + π − = π,
2
2
und insbesondere ist θ = π − φ > π/2.
Fassen wir den Satz von Thales und den Perepheriewinkelsatz zusammen, so sind die
Perepheriewinkel bezüglich einer beliebigen Sekante des Kreises unter und über der
Sekante jeweils zueinander gleich und durch Vergleich mit einem rechten Winkel kann
man auch sehen ob die Winkel unter oder über der Sekante gebildet werden.
Korollar 1.24: Seien k ein Kreis und AB eine Sekante von k. Dann sind alle Perepheriewinkel von k auf derselben Seite von AB einander gleich.
Beweis: Dies folgt aus dem Satz von Thales Satz 21 wenn AB ein Durchmesser von k
ist und aus dem Perepheriewinkelsatz Satz 23 wenn AB kein Durchmesser von k ist.
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C
C
C’
φ
C
γ
B
γ
k
D
φ
D
θ
c
γ
M
M
A
B
A
c
B
A
Perepheriewinkel
Umkreisradius, Fall 1
Umkreisradius, Fall 2
Als eine weitere Anwendung des Perepheriewinkelsatzes wollen wir jetzt eine zweite
Methode zur Berechnung des Unkreisradius R eines Dreiecks ∆ = ABC vorführen.
Bezeichne hierzu k den Umkreis von ∆ und sei AD der Durchmesser von k durch A.
Nach dem Satz von Thales Satz 21 ist das Dreieck ABD bei D rechtwinklig und nach
dem Perepheriewinkelsatz Satz 23 angewandt auf die Sekante AB von k ist sein Winkel
bei D gleich dem Winkel γ von ∆ bei C wenn C und D auf derselben Seite von AB
liegen beziehungsweise gleich dem Winkel θ = π − γ wenn C und D auf verschiedenen
Seiten von AB liegen. Ist c = |AB| so folgt in beiden Fällen
sin γ = sin(π − γ) =
c
c
, d.h. R =
2R
2 sin γ
da |AD| = 2R ist. Wir wollen den Perepheriewinkelsatz auf den Umkreis eines Dreiecks
anwenden. Haben wir ein Dreieck ABC und einen weiteren Punkt P , so kann es recht
schwer sein zu entscheiden ob der Punkt P auf dem Umkreis k des Dreiecks liegt,
der naheliegende Weg macht es erforderlich den Schnittpunkt der Mittelsenkrechten
und den Abstand von P zu diesem Punkt zu berechnen. Wir wollen hierfür jetzt ein
besser handhabbares Kriterium ausarbeiten in dem zum einen der Mittelpunkt des
Umkreises gar nicht vorkommt und zum anderen auch keine Abstände sondern nur
Winkel betrachtet werden müssen.
Korollar 1.25 (Charakterisierung des Umkreises durch Winkel)
Sei ∆ = ABC ein Dreieck mit Winkel γ bei C und bezeichne k seinen Umkreis. Weiter
sei P ein Punkt nicht auf der Geraden AB. Dann gelten:
(a) Ist P auf derselben Seite von AB wie C so ist P genau dann auf k wenn der
Winkel des Dreiecks ABP bei P gleich γ ist.
(b) Ist P auf der anderen Seite von AB wie C so ist P genau dann auf k wenn der
Winkel des Dreiecks ABP bei P gleich π − γ ist.
Beweis: Beachte das AB eine Sekante von k ist und damit gelten die Implikationen
von links nach rechts in (a) und (b) nach dem Satz von Thales Satz 21 mit γ = π/2
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wenn AB ein Durchmesser von k ist und nach dem Perepheriewinkelsatz Satz 23 wenn
AB kein Durchmesser von k ist.
Nun zeigen wir die Rückrichtungen in (a) und (b) simultan. Bezeichne k 0 hierzu den
Umkreis des Dreiecks ABP . Angenommen es wäre k 6= k 0 . Wegen sin(π − γ) = sin γ
haben k und k 0 nach Satz 18 beide den Radius R = |AB|/(2 sin γ), d.h. sind M der
Mittelpunkt von k und M 0 der Mittelpunkt von k 0 , so muss M 6= M 0 gelten.
M
R
R
B
A
M’
Andererseits liegen M und M 0 beide auf den beiden Kreisen vom Radius R mit Mittelpunkt A beziehungsweise B, müssen also die beiden verschiedenen Schnittpunkte dieser
Kreise sein. Wie oben gezeigt liegen M und M 0 damit auf verschiedenen Seiten von
AB, und AB geht weder durch M noch durch M 0 , d.h. AB ist weder ein Durchmesser
von k noch ein Durchmesser von k 0 . Andererseits behaupten wir jetzt das M und M 0
doch auf derselben Seite von AB liegen müssen. Sind wir nämlich in der Situation von
(a), so sind die Winkel von ABC in C und von ABP in P beide gleich γ, also liegen
M und M 0 nach dem Perepheriewinkelsatz Satz 23 für γ < π/2 beide auf derselben
Seite von AB wie P und C und ist γ > π/2 so liegen M und M 0 beide auf der anderen
Seite von AB als C und P . Im Fall (b) liegen M und M 0 wieder nach dem Perepheriewinkelsatz für γ < π/2 beide auf derselben Seite von AB wie C und für γ > π/2 beide
auf derselben Seite von AB wie P . Damit haben wir einen Widerspruch erhalten.
Dieser Widerspruch zeigt k = k 0 und insbesondere liegt P auf k.
Als letzte Anwendung unserer Sätze über Kreise wollen wir den sogenannten Satz
von Lehmus und Steiner beweisen, dieser besagt das ein Dreieck ∆ das zwei Winkelhalbierende gleicher Länge hat bereits gleichschenklig ist. Dieser Satz wurde 1840 von
Lehmus mit rechnerischen Methoden gefunden und er teilte dieses Ergebis Jacob Steiner in einem Brief mit der Bitte um einen geometrischen Beweis mit. Der von Steiner
gefundene Beweis war allerdings recht kompliziert und wir wollen hier einen vergleichsweise einfachen Beweis anschauen der 1963 von Gilbert und MacDonnel veröffentlicht
wurde. Wir beginnen mit einem vorbereitenden Lemma.
Lemma 1.26 (Sekantenlänge und der spitze Perepheriewinkel)
Sei k ein Kreis von Radius r. Dann gelten:
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(a) Sei AB eine Sekante von k der Länge a und φ < π/2 ein spitzer Perepheriewinkel
von AB. Dann gilt
a2 = 2r2 (1 − cos(2φ)).
(b) Sind AB und CD zwei Sekanten von k der Länge a := |AB| beziehungsweise
b := |BD| und sind φ < π/2 ein spitzer Perepheriewinkel von AB sowie ψ < π/2
ein spitzer Perepheriewinkel von CD so entspricht der größere spitze Perepheriewinkel der größeren Sekante und umgekehrt, d.h. wir haben
a < b ⇐⇒ φ < ψ.
Beweis: (a) Sei M der Mittelpunkt von k. Nach dem Perepheriewinkelsatz Satz 23 hat
AB den Mittelpunktswinkel ψ = 2φ, also liefert der Cosinussatz Satz 4 angewandt im
Dreieck ABM auch
a2 = 2r2 − 2r2 cos ψ = 2r2 (1 − cos(2φ)).
(b) Dies ist klar nach (a) da der Cosinus streng monoton fallend ist.
Man kann die Aussage in (b) des obigen Lemmas,
dass also eine Sekante eines Kreises genau dann kürzer
als eine andere Sekante dieses Kreises ist wenn der spitze
Perepheriewinkel der ersten Sekante kleiner als derjenib
ge der zweiten Sekante ist, auch weniger rechnerisch bea
gründen. Eine Sekante unseres Kreises ist umso kürzer je
M
φ
weiter sie vom Mittelpunkt des Kreises entfernt ist und
dann wird der gegenüberliegende Perepheriewinkel ebenψ
falls kleiner. Dies ist allerdings eher eine Intuition als ein
echter Beweis. Für einen solchen können wir die Aussage
beispielsweise auf die entsprechende Tatsache für Dreiecke zurückführen. Beachte zunächst das es nach (a) für
die beiden Perepheriewinkel nur auf die Länge der Sekante nicht aber auf ihre genaue
Lage ankommt, wir können also annehmen das die beiden Sekanten einen gemeinsamen
Punkt auf dem Kreis haben und das der Mittelpunkt des Kreises zwischen ihnen liegt.
Die beiden spitzen Perepheriewinkel sind dann die der jeweiligen Sekante gegenüberliegenden Winkel im von den beiden Sekanten gebildeten Dreieck. In einem Dreieck
liegt aber nach Aufgabe (1) die größere Seite dem größeren Winkel gegenüber und
umgekehrt, dass heißt auch bei unseren Sekanten hat die größere Sekante den größeren
spitzen Perepheriewinkel und umgekehrt.
Damit können wir jetzt den Hauptschritt zum Beweis des Satzes von Lehmus und
Steiner durchführen und beweisen das zum kleineren Winkel in einem Dreieck die
längere Winkelhalbierende gehört.
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Lemma 1.27 (Winkel und die Länge der Winkelhalbierenden)
Sei ∆ = ABC ein Dreieck mit Winkeln α, β, γ in den Standardbezeichnungen. Weiter
bezeichne tA die Länge der Winkelhalbierenden von α in ∆ sowie tB die Länge der
Winkelhalbierenden von β in ∆. Ist dann α < β, so gilt auch tA > tB .
C
E
D
F
α/2
α/2
β/2
A
B
k
Beweis: Bezeichne D den Schnittpunkt der Winkelhalbierenden von ∆ in A mit der
Seite BC und E den Schnittpunkt der Winkelhalbierenden von ∆ in B mit der Seite
AC. Dann sind tA = |AD| und tB = |BE|. Wegen α/2 < β/2 gibt es einen Punkt F
zwischen A und D so, dass der Winkel von EBF bei B gleich α/2 ist. Wir behaupten
das die vier Punkte A, B, E, F auf einem Kreis k liegen. Hierzu sei k der Umkreis des
Dreiecks EBF dessen Winkel bei B nach Wahl von F gleich α/2 ist. Weiter liegen
A und B auf derselben Seite von EF und der Winkel des Dreiecks EAF bei A ist
ebenfalls α/2 da die Halbgerade AF = AD die Winkelhalbierende von α ist. Nach
Korollar 25 ist damit auch A ∈ k und diese Zwischenbehauptung ist bewiesen.
Damit sind BE und AF zwei Sekanten des Kreises k. Der Perepheriewinkel von
AF bei B ist
α β
α+β
α+β+γ
π
+ =
<
= ,
2
2
2
2
2
und dieser ist damit auch der spitze Perepheriewinkel der Sekante AF . Der Perepheriewinkel von BE bei A ist dagegen
α=
α α
α β
π
+ < + < ,
2
2
2
2
2
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also ist auch dies der spitze Perepheriewinkel von BE und er ist kleiner als der spitze
Perepheriewinkel der Sekante AF . Nach Lemma 26.(b) ist damit
tB = |BE| < |AF | < |AD| = tA
wie behauptet.
Durch Kontraposition ergibt sich hieraus der angekündigte Satz über die Winkelhalbierenden.
Satz 1.28 (Satz von Lehmus und Steiner)
Sei ∆ ein Dreieck dessen Winkelhalbierende an zwei seiner Ecken dieselbe Länge in ∆
haben. Dann ist ∆ in der dritten Ecke gleichschenklig.
Beweis: Wir zeigen die Kontraposition, d.h. ist ein Dreieck ∆ = ABC in C nicht
gleichschenklig, so sind die Längen der Winkelhalbierenden von A und B in ∆ verschieden. Nach Aufgabe (4.a) sind nämlich die Winkel von ∆ in A und B verschieden,
also ist der eine echt kleiner als der andere und nach Lemma 27 ist die Winkelhalbierende in diesem in ∆ echt länger als die Winkelhalbierende in ∆ im anderen Eckpunkt.
Insbesondere habe diese beiden damit verschiedene Längen.
§2
Trigonometrische Formeln
In diesem kurzen Kapitel wollen wir einige Formeln für die trigonometrischen Funktionen besprechen, und insbesondere geometrische Herleitungen einiger Additionstheoreme vorführen. Bei den Dreiecksberechnungen des vorigen Kapitels sind die trigonometrischen Funktionen schon in einer wichtigen Rolle aufgetaucht, man brauchte aber
eigentlich keinerlei Formeln für sie zu kennen. Nur die Formel
sin2 φ + cos2 φ = 1,
also letztlich der Satz des Pythagoras, wurde einige Male angewandt. Wir beginnen
mit einem Abschnitt über die verschiedenen Additionstheoreme.
2.1
Die Additionstheoreme
Die grundlegenden Additionstheoreme für den Sinus und den Cosinus sind die Formeln
sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β und cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β.
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Wenn diese Formeln für alle reellen Argumente α, β nachgewiesen sind kann man aus
ihnen durch Ersetzen von β durch −β auch die Formeln für Winkeldifferenzen
sin(α − β) = sin α cos β − cos α sin β und cos(α − β) = cos α cos β + sin α sin β
herleiten, bei den geometrischen Herleitungen der Additionstheoreme muss man die
Additions- und Subtraktionsformeln dagegen oftmals getrennt voneinander behandeln.
Das Additionstheorem des Tangens
tan(α + β) =
tan α + tan β
1 − tan α tan β
kann man algebraisch aus den Additionstheoremen fur Sinus und Cosinus herleiten
tan(α + β) =
sin(α + β)
sin α cos β + cos α sin β
tan α + tan β
=
=
cos(α + β)
cos α cos β − sin α sin β
1 − tan α tan β
wobei im letzten Schritt mit 1/(cos α cos β) erweitert wurde. Auch das Additionstheorem des Tangens läßt sich alternativ geometrisch herleiten, darauf wollen wir aber
verzichten.
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