32 Mikrobiologie | 10 Normalflora (Standortflora) 10 Normalflora (Standortflora) 10.1 Residente und transiente Flora Residente Flora: Keimpopulation, die den Menschen ständig besiedelt. Sie ist abhängig von der Körperregion, vom Alter, von der Ernährung und vom physiologischen Status des Menschen (z. B. Schwangerschaft). Manche Mikroorganismen der residenten Flora üben eine Schutzfunktion aus, indem sie beim Gesunden das Aufkommen pathogener Keime verhindern oder erschweren. Durch Immunsuppression (z. B. Chemotherapie), antimikrobielle Therapie oder auch Allgemeinerkrankungen können residente Keime, die normalerweise harmlos sind, pathogen werden. Diese Keime nennt man fakultativ pathogen oder Opportunisten. Transiente Flora: Keime, die aus der Umgebung stammen und den Menschen nur vorübergehend besiedeln. Sie können pathogen oder potenziell pathogen sein. Solange sie die residente Flora nicht aus dem Gleichgewicht bringen, besteht keine Krankheitsgefahr. 10.2 Zusammensetzung der Normalflora Die Normalflora ist auf den Schleimhäuten und der Haut der verschiedenen Körperregionen unterschiedlich zusammengesetzt. 10.2.1 Haut Residente Hautflora: Die Besiedlungsdichte beträgt ca. 1000 Keime/cm2: ▪▪ koagulasenegative Staphylokokken (S. 34): Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus saprophyticus ▪▪ bei manchen Menschen: Staphylococcus aureus ▪▪ Micrococcus luteus ▪▪ Enterokokken (S. 37) ▪▪ apathogene Corynebakterien. Residente oder transiente Hautflora: Je nach Besiedelungsgebiet resident oder transient: ▪▪ apathogene Mykobakterien ▪▪ Clostridien (S. 51) ▪▪ Propionibakterien: Propionibacterium acnes schützt die Haut vor Überbesiedelung. Ist die Talgproduktion gestört, kann es zu Akne kommen. ▪▪ Hefen (S. 63): Candida- und Torulopsis-Arten. ▪▪ Staphylokokken (S. 33): Staph. epidermidis, Staph. aureus, Staph. saprophyticus ▪▪ apathogene Neisserien ▪▪ Veillonellen ▪▪ apathogene Corynebakterien ▪▪ außerdem: Spirochäten, Bacteroides, Fusobakterien, Aktinomyzeten, anaerobe Vibrionen und einige Hefen. Transiente Mundflora: In geringerer Zahl liegen vor: ▪▪ Haemophilus ssp. ▪▪ Enterobakterien ▪▪ Mikrokokken ▪▪ β-hämolysierende Streptokokken (besonders bei Kindern) ▪▪ Sprosspilze (besonders bei älteren Menschen). Flora von Pharynx und Trachea: Unterscheidet sich praktisch nicht von der Flora der Mundhöhle. Typisch sind α-hämolysierende und nichthämolysierende Streptokokken. 10.2.3 Gastrointestinaltrakt Speiseröhre und Magen: Sollten beim gesunden Menschen steril sein (antibakterizide Wirkung von Magensaft und Galle). Der einzige Keim, der im Magen gefunden wird, ist Helicobacter pylori (S. 49). Oberer Dünndarm: Hier dominieren Laktobazillen und Enterokokken. Die Besiedelung nimmt nach kaudal immer weiter zu und verschiebt sich von grampositiven Kokken zu gramnegativen Stäbchen. Terminales Ileum und Dickdarm: ▪▪ Ca. 96 % Anaerobier: Bacteroides, anaerobe Laktobazillen, Clostridien, anaerobe Streptokokken. ▪▪ Die restlichen 4 % sind aerob oder fakultativ anaerob: Escherichia coli, Proteus, Klebsiella, Enterobacter, Enterokokken, Vibrionen, Candida-Arten. Ca. 20 % der Stuhlmasse bestehen aus Bakterien, im Colon überwiegen Anaerobier. Bei Säuglingen, die gestillt werden, machen Bifidobakterien den Hauptteil der Dickdarmflora aus. 10.2.4 Vagina Die Vaginalflora ist abhängig von der hormonellen Situation der Frau und ändert sich deshalb mit den verschiedenen Lebensphasen. Transiente Hautflora: Saprophyten aus der freien Natur (Bakterien, die sich von abgestorbenem Material ernähren). Erste Lebenswochen: Aerobe Laktobazillen (Döderlein-Stäbchen) wie bei der Mutter. 10.2.2 Mundhöhle Einige Wochen p. p. bis Pubertät: Wenn das Östrogen der Mutter verbraucht ist, wird die Vagina keimarm. Es kommt eine Mischflora aus Kokken und Stäbchen vor. Die meisten Keime in der Mundhöhle findet man im Zahnbelag (Plaques). Residente Mundflora: ▪▪ α-vergrünende Streptokokken: (S. 37) Viridans-Streptokokken Pubertät bis Menopause: Typisch für diese Phase sind aerobe Laktobazillen (Döderlein-Stäbchen): Sie bauen die unter Östrogeneinfluss gebildete Glucose zu Milchsäure ab und sorgen so für das saure Milieu der Scheide (Schutzfunktion). aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG Außerdem: Clostridien, anaerobe Streptokokken, aerobe hämolysierende Streptokokken, Bacteroides, Enterokokken und Enterobakterien. Nach der Menopause: Wieder eine Mischflora aus Kokken und Stäbchen. Die Döderlein-Stäbchen gehen zurück. 11 Bakteriologie 11.1 Grampositive Kokken 11.1.1 Staphylokokken Steckbrief: ▪▪ grampositive kugelförmige Bakterien, die sich in Haufen oder Trauben anordnen (Abb. 11.1a) ▪▪ Einteilung in koagulasepositive und die weniger gefährlichen koagulasenegativen Staphylokokken. Nachweis: ▪▪ Kultur aerob und anaerob auf gewöhnlichen Nährmedien ▪▪ Bilden weiße oder goldgelbe Kolonien auf Blutagar (Abb. 11.1b). Koagulasepositive Staphylokokken (Staphylococcus aureus) Pathogenese: Namensgebend für die Gruppe der koagulasepositiven Staphylokokken ist die Plasmakoagulase, ein von den Bakterienzellen abgegebenes Enzym, das Fibrinogen in Fibrin umwandelt (Thrombinfunktion). Außerdem bilden sie den sog. Clumping-Faktor, der eine ähnliche Funktion hat und Fibrin aus dem Plasma ausfällt. Wichtigster Vertreter ist Staphylococcus aureus. Staphylococcus aureus verursacht bei prädisponierten Personen klassische Infektionskrankheiten. Dabei wird unterschieden zwischen Erkrankungen, die durch Invasion des Erregers entstehen, und Erkrankungen, die aufgrund der vom Erreger gebildeten Toxine auftreten. Dazwischen gibt es Übergänge. Tab. 11.1 gibt eine Übersicht über weitere wichtige Virulenzfaktoren und Toxine von Staphylococcus aureus. Klinik: Invasive Erkrankungen (Abszessbildung): Impetigo follicularis, Mastitis puerparalis, Furunkel, Karbunkel, „Plastikinfektionen“, Osteomyelitis, Ostitis, Endokarditis, Meningitis. Übergangsformen: Dermatitis exfoliativa (Morbus Ritter von Rittershain oder Pemphigus neonatorum oder staphylococcal scalded Skin Syndrome SSS), staphylokokkenbedingtes LyellSyndrom (durch Exfoliatin; Tab. 11.1), Impetigo contagiosa, Toxic-Shock-Syndrom (durch TSST, Tab. 11.1). Staphylococcus aureus ist der häufigste Erreger einer sekundär-bakteriellen Bronchopneumonie bei Influenza-Patienten. Toxinbedingte Erkrankungen: Lebensmittelvergiftung (Enterotoxin A–E; Tab. 11.1), Staphylokokken-Enteritis, Staphylokokken-Enterokolitis, Toxic-Shock-Syndrom. Nachweis: Als Beweis für den Erreger gilt der Nachweis von Koagulase oder des Clumping-Faktors. Spezielle Staphylococcus-aureus-Typstämme können mithilfe von Phagendiagnostik typisiert werden (Lysotypie, z. B. bei Epidemien). Der Nachweis von Toxinen erfolgt aus Kulturüberständen durch spezielle Antiseren. Koagulasetest: In einem Reaktionsgefäß wird Kaninchenplasma mit der fraglichen Erregerkolonie beimpft und bei 37 °C inkubiert. Handelt es sich um Staphylococcus aureus, beginnt nach ca. 4 h (spätestens nach 24 h) das Plasma zu koagulieren. Clumping-Faktor: Auf einem Objektträger wird Kaninchenplasma mit der fraglichen Erregerkolonie gemischt. Handelt es sich um dabei Staphylococcus aureus, kommt es zu einer makroskopisch sichtbaren Verklumpung (Fibrinausfällung). 1µm a b Abb. 11.1 Staphylococcus aureus. a Mikroskopisches Bild. b Kultur auf Blutagar. aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 33 L ern pa ket 1 11.1 Grampositive Kokken 34 Mikrobiologie | 11 Bakteriologie Tab. 11.1 Wichtige Virulenzfaktoren und Toxine von Staphylococcus aureus* Virulenzfaktor/ Toxin Wirkung zellständig Kapselpolysaccharide Schützen vor Phagozytose Protein A Schützt vor Phagozytose, indem es an die Fc-Fragmente der Antikörper bindet und damit die Opsonierung verhindert. Kann in der Labordiagnostik zum Nachweis von Staphylococcus aureus herangezogen werden. kollagenbindende und fibronektin­ bindende Proteine Binden an Wirtskollagen und -fibronektin und umgeben die Erregerzelle mit einem schützenden Wall aus Protein. Adhäsine Bilden Biofilme, die die Ausbreitung des ­Erregers innerhalb einer geschützten Mikroumgebung erlauben und ihn gegen die körpereigene Abwehr abschirmen. extrazellulär Hyaluronidasen Erleichtern Ausbreitung im Gewebe. Hämolysine Schädigen Wirtszellen durch Porenbildung. Leukocidine Schädigen Granulozyten und Makrophagen durch Porenbildung, z. B. Panton-ValentinLeukocidin. Exfolitine A und B Verursachen intraepidermale Blasen (staphylokokkenbedingtes Leyell-Syndrom). Enterotoxine Werden von einigen Staphylococcus-aureusStämmen gebildet; sind hitzestabil und können deshalb Lebensmittelvergiftungen hervorrufen. toxic shock syndrome toxin (TSST) Wird von nur ca. 1 % der Staphylococcusaureus-Stämme produziert; stimuliert Lymphozyten zur massiven Zytokinproduk­ tion und löst dadurch das Toxic-Shock-Syn­ drom aus. * (nach: Hof/Dörries, Duale Reihe Mikrobiologie, Thieme 2009) Therapie: ▪▪ Symptomatische Therapie, evtl. chirurgische Intervention. ▪▪ Bei invasiven Erkrankungen ist immer ein Antibiogramm erforderlich. ▪▪ Wirksam sind penicillinasefeste Penicilline (Oxacillin, Methicillin, Dicloxacillin, Flucloxacillin). Bei oxacillin- oder methicillinresistentem Staphylococcus aureus (ORSA oder MRSA – wird meist synonym verwendet) muss auf andere Substanzen ausgewichen werden: z. B. Clindamycin, Rifampicin oder – als letzte Möglichkeit – Vancomycin, Linezolid oder Teicoplanin. Epidemiologie und Prophylaxe: ▪▪ Staphylokokken sind gegenüber Umwelteinflüssen relativ unempfindlich (hohe Tenazität). ▪▪ 30 % aller Menschen tragen Staphylococcus aureus auf der Haut oder den Schleimhäuten. Meist ist diese Besiedelung klinisch asymptomatisch. ▪▪ Oxacillinresistente Staphylococcus aureus können – besonders auf Intensivstationen – Epidemien auslösen. MRSA bzw. ORSA werden häufig in den Nasenvorhöfen nachgewiesen. Keimträger schützen gefährdete Patienten durch Tragen von Mundschutz und Kittel und durch Händedesinfektion vor Keimübertragung. Näheres siehe Kap. Krankenhaushygiene (S. 9). Patienten mit genetisch identischen MRSA-Stämmen können als Kohorte in einem Zimmer isoliert und behandelt werden. ▪▪ Zur Vermeidung von Lebensmittelvergiftungen sind in Großküchen und lebensmittelverarbeitenden Betrieben Kopfhaube und Mundschutz dringend zu empfehlen. Personen mit Entzündungen im Bereich der Hände sollten dort nicht arbeiten! Meldepflicht: Für MRSA besteht gemäß IfSG § 7 eine namentliche Meldepflicht bei indirektem oder direktem Erregernachweis aus Blut oder Liquor. Gehäuftes Auftreten von MRSA und ein V. a. einen epidemischen Zusammenhang sind ebenfalls an das Gesundheitsamt zu melden. Koagulasenegative Staphylokokken Diese gehören zur Normalflora der Haut und der Schleimhäute. Als klassische Opportunisten verursachen sie Krankheiten nur unter entsprechender Disposition. Eine Antibiotikatherapie bei diesen Erregern ist oft problematisch, da sie häufig Multiresistenzen aufweisen. Die beiden wichtigsten Vertreter sind Staphylococcus epidermidis und Staphylococcus saprophyticus. Staphylococcus epidermidis: Ist beteiligt an „Plastikinfektionen“ (Fremdkörperinfektionen) und nosokomialen Infektionen: Durch Schleimbildung entstehen Mikrofilme (z. B. auf Venenkathetern). Von dort aus können die Erreger ins Blut ausgeschwemmt werden und subakute sepsisartige Krankheitsbilder hervorrufen. Reagiert sensitiv auf Desferrioxamin, ist resistent gegenüber Penicillin und Methicillin. Staphylococcus saprophyticus: Häufig Verursacher von unkomplizierten Harnwegsinfektionen (Urethritis oder Zystitis bei der Frau, unspezifische Urethritis beim Mann). Ist in den meisten Fällen sensibel gegenüber Cotrimoxazol. Prüfungshighlights –– !!! Staphylococcus aureus ist ein Erreger, der häufig an noso- komialen Infektionen beteilig ist. Er ist der häufigste Erreger einer sekundär-bakteriellen Bronchopneumonie bei Influenza-Patienten und kann z. B. über kontaminierte Venenkatheter ein subakutes septisches Krankheitsbild auslösen. Der beste Schutz gegen Übertragung im Krankenhaus ist die hygienische Händedesinfektion. –– ! S. aureus hat eine hohe Tenazität, d. h., er ist gegen Umwelteinflüsse weitgehend unempfindlich. –– ! Gefürchtet sind S.-aureus-Stämme, die gegen Methicillin resistent sind (MRSA-Stämme). Bei diesen Stämmen muss zur Behandlung auf andere Antibiotika ausgewichen werden. Als letzte Möglichkeit bietet sich u. a. Linezolid an. –– ! Patienten, die mit MRSA infiziert sind, müssen isoliert werden. Sie können als Kohorte mit Patienten, die mit genetisch identischem MRSA infiziert sind, im selben Zimmer behandelt werden. –– ! Für MRSA besteht gemäß IfSG § 7 eine namentliche Meldepflicht bei indirektem oder direktem Erregernachweis aus Blut oder Liquor. aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 11.1 Grampositive Kokken –– ! Gehäuftes Auftreten von MRSA und ein V. a. einen epidemi- L ern pa ket 1 b schen Zusammenhang sind ebenfalls an das Gesundheitsamt zu melden. 11.1.2 Streptokokken Steckbrief: ▪▪ Grampositive, unbewegliche kugelförmige Bakterien, die sich in Ketten anordnen (Abb. 11.2). ▪▪ Bilden keine Katalase. ▪▪ Die meisten Stämme gehören zur Normalflora der Schleimhäute. Klassifikation: Die Gattung Streptococcus besteht aus vielen Arten, die in der Praxis folgendermaßen eingeteilt werden. ▪▪ pyrogene hämolysierende Streptokokken ▪▪ orale Streptokokken ▪▪ Pneumokokken ▪▪ Laktokokken ▪▪ anaerobe Streptokokken ▪▪ andere Streptokokken. Einteilung nach Lancefield: In der Zellwand der Streptokokken befindet sich die C-Substanz (ein Polysaccharid), nach der die meisten der Keime serologisch eingeteilt werden können (Gruppierung nach Lancefield). Danach werden die Streptokokken in die Serogruppen A bis W und in solche, die keiner Gruppe angehören, eingeteilt. Medizinisch wichtige Gruppen sind GruppeA-Streptokokken, Gruppe-B-Streptokokken und Pneumokokken, die keiner Serogruppe angehören. Einteilung nach Hämolyseverhalten: Streptokokken sind anspruchsvoll zu kultivieren. Am besten eignet sich Blutagar, auf dem das Hämolyseverhalten getestet werden kann. Es werden 3 Hämolysearten unterschieden (Abb. 11.3): ▪▪ α-Hämolyse: Von den Streptokokken freigesetztes H O re2 2 duziert das Hämoglobin aus den Erythrozyten im Nährboden. Dabei entstehen biliverdinähnliche Verbindungen, die einen grünen Hof um die Kolonie bilden („Vergrünung“). ▪▪ β-Hämolyse: Hämolysine aus den Streptokokken lysieren die Erythrozyten im Nährboden vollständig. Es entsteht ein klarer Hof um die Kolonien. ▪▪ γ-Hämolyse: Hier findet keine Hämolyse statt. a c Abb. 11.3 Hämolyseverhalten von Streptokokken. a α-Hämolyse lässt die Kolonien grün erscheinen. b β-Hämolyse führt zur Ausbildung eines klaren Hofes. c γ-Hämolyse kennzeichnet die Abwesenheit von Hämolyse. [aus: Hof/Dörries, Duale Reihe Mikrobiologie, Thieme 2009] Streptococcus pyogenes (A-Gruppe) Pathogenese: Streptokokkeninfektionen manifestieren sich hauptsächlich im oberen Respirationstrakt . Der Erreger breitet sich dabei typischerweise im Gewebe aus. Die für die Pathogenese wichtigsten Virulenzfaktoren und Toxine sind in Tab. 11.2 aufgeführt. Klinik: Streptokokkenpharyngitis, akute Tonsillitis, Scharlach, Impetigo contagiosa, Erysipel, Phlegmone, Wundscharlach, streptococcal toxic Shock Syndrome (STSS), Puerperalsepsis. Nachweis: Der Nachweis erfolgt am besten über Wund- und Rachenabstrich oder über das Blut: ▪▪ Auf Blutagar zeigen A-Streptokokken β-Hämolyse. ▪▪ Die typische Kettenform ist nur in Flüssigmedien zu sehen. Tab. 11.2 Wichtige Virulenzfaktoren und Toxine von Streptococcus pyogenes Virulenzfaktor/ Toxin Wirkung zellständig C-Polysaccharid Antigen in der Kapsel M-Protein liegt als Schicht auf der Zellwand; wird zur Typisierung herangezogen F-Protein wichtiges Adhäsin extrazellulär Abb. 11.2 Streptokokken. Lichtmikroskopisches Bild. [aus: Hof/ Dörries, Duale Reihe Mikrobiologie, Thieme 2009] 35 Hyaluronidase Streptokinase DNAsen weisen starke Immunogenität auf, Streptokinase löst Fibrin auf und fördert die Verbreitung des Erregers im Gewebe Streptolysin O Streptolysin S schädigen Erythrozyten durch Hämolyse und wirken auf andere Blutzellen zytotoxisch durch Zerstörung der Membran erythrogene Toxine (A, B, C) werden von Streptokokken produziert, die mit einem lysogenen Phagen induziert sind, wirken als Superantigene. Die Exotoxine induzieren die massive Produktion von Zytokinen und rufen so die typischen Hauterscheinungen (Exanthem und Enanthem) beim Scharlach hervor. aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 36 Mikrobiologie | 11 Bakteriologie ▪▪ Zur Differenzierung dient ein Agglutinationstest mit Latex­ partikeln, die mit spezifischen Antikörpern gegen das C-Polysaccharid beschichtet sind. ▪▪ Nach Ablauf der Erkrankung – wenn keine Bakterien mehr vorhanden sind – können Folgekrankheiten durch Bestimmung des Antikörpertiters erkannt werden. Therapie: Antibakteriell mit Benzylpenicillin (Penicillin G), Cephalosporinen, Erythromycin. Bei Mischinfektion mit Neisserien β-Laktamantbiotika. Krankheitsfolgen: Als immunologische Fehlreaktionen können (nach 10–21 Tagen) akutes rheumatisches Fieber, akute Glomerulonephritis und selten Chorea minor auftreten. Praxis Um Folgekrankheiten abzuwenden, ist bei allen Streptokokken-A-Erkrankungen eine rechtzeitige und mindestens 10 Tage dauernde Antibiotikatherapie mit Benzylpenicillin (Penicillin G) dringend angezeigt. Epidemiologie: Die Übertragung erfolgt direkt von Mensch zu Mensch über Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Prophylaxe: Die unspezifische Prophylaxe (Gurgeln o. Ä.) ist nicht überzeugend. Als Rezidivprophylaxe empfiehlt sich evtl. die Langzeittherapie mit Penicillin, da bei Wiederinfektion eine sehr viel heftigere Immunreaktion auftreten kann. Streptococcus agalactiae (B-Gruppe) Bedeutung: B-Streptokokken spielen besonders in der Geburtshilfe eine Rolle. Sie können die Geburtswege besiedeln und gehen während der Geburt auf das Kind über. Neben dem Menschen besteht auch ein tierisches Reservoir. Klinik: Sepsis und Meningitis beim Neugeborenen, Infektionen bei Diabetikern, Late- und Early-onset-Infektionen, Harnwegsund Wundinfektionen. Nachweis: Erfolgt durch Kultur aus Blut, Liquor des Neugeborenen oder Vaginalabstrich der Mutter. ▪▪ B-Streptokokken zeigen β-Hämolyse. ▪▪ Die Typisierung erfolgt durch Latexagglutination. Therapie: Antibakteriell mit Penicillin evtl. in Kombination mit einem Aminoglykosid, Ampicillin, Amoxicillin, als Alternative Cephalosporin. a Prophylaxe: Falls bei der Mutter Bakterien nachgewiesen werden, sollte sie kurz vor der Geburt mit Penicillin therapiert werden. Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) Steckbrief: ▪▪ grampositive, ovale bis lanzettförmige Kokken, die als Paar oder kurze Kette vorkommen (Abb. 11.4a) ▪▪ meist von einer Polysaccharidkapsel umgeben ▪▪ gehören keiner Lancefieldgruppe an, können aber aufgrund der Polysaccharidantigene in etwa 90 Serotypen eingeteilt werden ▪▪ häufigster bakterieller Erreger ambulant erworbener Pneumonien. Pathogenese: ▪▪ Polysaccharidkapsel: Nur Stämme, die eine Kapsel bilden, lösen eine Infektion aus (die Kapsel verhindert Phagozytose). ▪▪ Hämolysin: Lysiert Epithel der Nasenhöhle und ermöglicht das Eindringen des Keims. Ist außerdem zytotoxisch für Immunzellen und wirkt inflammatorisch. Klinik: Lobärpneumonie, Otitis media, Konjunktivitis, Ulcus serpens corneae, Sinusitis, Pneumokokken-Meningitis (als sekundäre Folge einer Infektion), OPSI (overwhelming post splenectomy infection; nicht nur nach Splenektomie, sondern auch bei immunsupprimierten Älteren und chronisch Atemwegserkrankten). Nachweis: ▪▪ Bei Meningitis im mikroskopischen Liquorpräparat . Ansonsten über Kultur auf Blutagar, auf dem die Kolonien eine typische zentrale Eindellung zeigen (Abb. 11.4b). ▪▪ Pneumokokken zeigen α-Hämolyse. Sie können durch ihre Empfindlichkeit gegen Optochin und ihre Gallelöslichkeit gegen andere α-hämolysierende Streptokokken abgegrenzt werden. Therapie: Antibakteriell mit Penicillin G. Alternativ Erythromycin oder ein Cephalosporin der 3. Generation. Bei Resistenzen (in Deutschland selten) Einsatz von Fluorchinolonen oder Rifampicin. Epidemiologie: Natürlicher Standort der Pneumokokken ist der Oropharynx. Etwa 40–70 % aller Menschen sind symptomlose Träger der Keime, die dann meist keine Kapsel aufweisen. Ein b Abb. 11.4 Pneumokokken. a Pneumokokken bilden Paare oder kurze Ketten (Gram-Färbung). b Streptococcus pneumoniae auf Blutagar mit typischer Koloniemorphologie. [aus: Hof/Dörries, Duale Reihe Mikrobiologie, Thieme 2009] aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG Krankheitsausbruch erfolgt i. d. R. endogen, eine Prädisposition muss vorhanden sein. Prophylaxe: Risikopatienten können mit einem Totimpfstoff gegen die 23 häufigsten Serotypen aktiv immunisiert werden. Oralstreptokokken Steckbrief: ▪▪ Gruppe, bestehend aus verschiedenen Streptokokkenarten ▪▪ besiedeln Rachenraum meist als Kommensalen, aber auch Intestinaltrakt und Vagina ▪▪ werden auch „vergrünende Streptokokken“ (oder Viridans-Streptokokken) genannt, da die meisten Stämme α-Hämolyseverhalten zeigen (manche aber auch γ-Hämolyse) ▪▪ bei den meisten Stämmen kein Lancefield-Antigen vorhanden. Klinik: Appendizitis, bakterielle Entokarditiden (Endocarditis lenta), Zahnkaries. Nachweis: In Kultur. Therapie: Antibakteriell mit Penicillin – es muss aber mit Resistenzen gerechnet werden. Daher meist Kombination mit Gentamicin. Prophylaxe: Antibiotische Endokarditisprophylaxe, z. B. bei Zahnextraktion. Enterokokken Steckbrief: ▪▪ grampositive, meist als Pärchen vorkommende Streptokokken ▪▪ gehören zur Normalflora des Menschen ▪▪ werden auch zur Lebensmittelherstellung und als Probiotika verwendet ▪▪ weisen sowohl α- als auch β-Hämolyse, meist aber γ-Hämolyse auf. Klassifikation: ▪▪ Alle humanpathogenen Enterokokken gehören zur Lancefield-Serogruppe D. ▪▪ Sie sind Teil der aeroben Darmflora des Menschen. ▪▪ Die wichtigsten Vertreter sind: –– Enterococcus faecalis –– Enterococcus faecium. Klinik: Aus dem Kolon verschleppte Enterokokken sind Verursacher von 50 % der chronischen und von 10–20 % der akuten Harnwegsinfektionen. Außerdem: Sepsis, Wundinfektion, Endokarditis, Peritonitis. Nachweis: In Kultur auf Blutagar und aesculinhaltigen Nährmedien, es besteht eine Salzresistenz. Therapie: Therapie mit Breitbandpenicillinen (Ampicillin, Amoxicillin, Mezlocillin) in Kombination mit Aminoglykosiden. Bei Endokarditis muss Aminopenicillin mit Gentamicin kombiniert eingesetzt werden. Bei E.-faecium-Infektionen Teicoplanin oder Vancomycin. Praxis Um Folgekrankheiten abzuwenden, ist bei allen Streptokokken-A-Erkrankungen eine rechtzeitige und mindestens 10 Tage dauernde Antibiotikatherapie mit Benzylpenicillin (Penicillin G) dringend angezeigt. Prüfungshighlights –– ! Streptokokken sind grampositive, unbewegliche kugelför- mige Bakterien, die sich in Ketten anordnen und i. d. R. zur Normalflora der Schleimhäute gehören. –– !!! Wichtige Krankheitsbilder, die von Streptokokken hervorgerufen werden, sind u. a.: –– Streptococcus pyrogenes: akute Tonsillitis, Erysipel, Phlegmone. –– Streptococcus agalactiae: Sepsis und Early-onset-Infektionen beim Neugeborenen. –– Streptococcus pneumoniae: häufigster Erreger ambulant erworbener Pneumonien, Pneumokokken-Meningitis. –– Enterokokken: aus dem Kolon verschleppte Enterokokken können eine Endokarditis auslösen. 11.2 Gramnegative Kokken Klassifikation: Unter die gramnegativen Kokken fallen die Gattungen Neisseria, Moraxella und Acinetobacter (Tab. 11.3). Neisserien sind oft paarig angeordnete aerobe Schleimhautparasiten, die sehr empfindlich sind und außerhalb des Körpers schnell absterben. Moraxella und Acinetobacter sind unbewegliche Kurzstäbchen, die zur Normalflora der Schleimhaut (Moraxella) gehören oder in der Umwelt (Acinetobacter) vorkommen. 11.2.1 Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) Steckbrief: Paarweise angeordnete semmelförmige Diplokokken. Klinik: Gonorrhö (GO, Tripper), Gonokokken-Blennorrhö beim Neugeborenen. Pathogenese: ▪▪ Infektion erfolgt beim Geschlechtsverkehr. ▪▪ Gonokokken sind der Umwelt gegenüber extrem empfindlich und überleben nur, wenn sie von der Wirtszelle aufgenommen werden. Das Eindringen in die Wirtszelle wird durch verschiedene Pathogenitätsfaktoren (s. u.) vermittelt. ▪▪ Sie unterlaufen die Immunreaktion des Körpers durch Antigenwechsel. Pathogenitätsfaktoren: ▪▪ Opaque-Protein: Zellwandprotein des Erregers, vermittelt direkten Kontakt zur Wirtszelle und bereitet die Aufnahme in die Wirtszelle vor Tab. 11.3 Klassifikation der gramnegativen Kokken Art Krankheit Neisseria gonorrhoeae Gonorrhö Neisseria meningitidis epidemische Genickstarre (Meningitis epidemica), Sepsis, Pharyngitis, Purpura fulminans, Waterhouse-FriedrichsenSyndrom (durch Endotoxinschock mit Verbrauchskoagulopathie und Nekrose der NNR) Neisseria sp. normale Schleimhautflora, können in seltenen Fällen Infektionen hervorrufen Moraxella catarrhalis Sinusitis, Otitis media, Bronchitis Acinetobacter sp. Hospitalinfektionen aus: Endspurt Klinik – Hygiene, Mikrobiologie – Skript 17 (ISBN 9783131745712) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 37 L ern pa ket 1 11.2 Gramnegative Kokken