Die Bedeutung der deutschen Wirtschaft für Europa

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Studie
Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
Eine vbw Studie, erstellt von der Prognos AG
Stand: Mai 2016
www.vbw-bayern.de
Studie – Die Bedeutung der deutschen Wirtschaft
für Europa
vbw – Mai 2016
Vorwort
Vorwort
Eine starke deutsche Wirtschaft schafft Wertschöpfung und Beschäftigung in Europa
Trotz der allmählichen Erholung der Konjunktur in der EU und in der Eurozone steht
Deutschland wegen seiner hohen Leistungsbilanzüberschüsse immer wieder in der
Kritik. Die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft gingen zu Lasten der anderen EUStaaten, so heißt es. Die Kritik geht teilweise so weit, dass gefordert wird, Deutschland
solle seine Wettbewerbsfähigkeit zu Gunsten seiner europäischen Partner gezielt
schwächen.
Eine solche Argumentation ist absurd. Eine Schwächung der deutschen Industrie wäre
ökonomisch unsinnig – gerade auch aus Sicht der anderen EU-Staaten. Für fast alle
EU-Staaten ist Deutschland der wichtigste oder zweitwichtigste Exportmarkt. Die Nachfrage aus Deutschland sorgt für Wertschöpfung und Beschäftigung in ganz Europa:
5 Millionen Arbeitsplätze in den anderen EU-Staaten hängen unmittelbar an der
Güternachfrage aus Deutschland. Allein die Nachfrage der deutschen Industrie nach
Vorleistungs- und Investitionsgütern sichert 3,5 Millionen Jobs bei unseren Partnern.
Szenario-Rechnungen in dieser Studie zeigen, dass eine wirtschaftliche Stagnation
Deutschlands ebenso wie eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit unserer
Wirtschaft auch den anderen europäischen Volkswirtschaften schaden würde. Es wäre
also fatal, sich von unserem Erfolgsmodell der Internationalisierung abzukehren. Dies
wäre nicht nur zum Schaden der deutschen, sondern der gesamten europäischen
Wirtschaft.
Eine starke EU braucht starke Mitgliedsstaaten, eine starke EU braucht ein starkes
Deutschland.
Bertram Brossardt
20. Mai 2016
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
Inhalt
Inhalt
1
Executive Summary .................................................................................... 1
2
Hintergrund ................................................................................................. 3
3
Die Importnachfrage Deutschlands ........................................................... 5
3.1
Güternachfrage Deutschlands aus den übrigen Ländern der EU .................. 5
3.2
Wertschöpfungseffekte der Importnachfrage in den übrigen Ländern der EU 9
3.3
Beschäftigungseffekte der deutschen Importnachfrage in den übrigen
Ländern der EU .......................................................................................... 12
4
Deutschland als Treiber von Wachstum und Beschäftigung in Europa 15
5
Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands....................... 19
5.1
Auswirkungen einer gedämpften Wettbewerbsfähigkeit auf Deutschland .... 19
5.2
Auswirkungen einer gedämpften Wettbewerbsfähigkeit auf die übrigen
Länder der EU ............................................................................................ 21
Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 25
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
1
Executive Summary
1
Executive Summary
Die europäischen Partnerländer profitieren von einer starken deutschen Industrie
Die Länder der Europäischen Union sind in höchstem Maße miteinander verflochten.
Die vorliegende Untersuchung verdeutlicht am Beispiel der Verflechtungen Deutschlands mit den übrigen Mitgliedstaaten, dass die wirtschaftliche Dynamik in einem Land
eng mit der Entwicklung einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland verbunden ist.
Bereits die isolierte Betrachtung des Importbezugs Deutschlands aus den europäischen Partnerländern zeigt die zentrale Bedeutung der größten Volkswirtschaft des
Kontinents. Der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, der durch die Importgüternachfrage Deutschlands generiert wird, liegt in Ländern wie Tschechien, den Niederlanden oder der Slowakei bei mehr als 8 Prozent. EU-weit sorgt die deutsche Importnachfrage für annähernd 5 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Allein auf die
Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungs- und Investitionsgütern entfallen
3,5 Millionen Beschäftigte.
Werden weitere ökonomische Verflechtungen und Transmissionskanäle berücksichtigt
zeigt sich, dass eine dynamische deutsche Industrie die wirtschaftliche Entwicklung in
den Partnerländern keineswegs bremst. Vielmehr stellt sie umgekehrt eine wichtige
Triebfeder für die Wachstumsdynamik in den übrigen europäischen Volkswirtschaften
dar. In einem Szenario, in dem die deutsche Volkswirtschaft bis 2018 stagniert, liegt
die Wirtschaftsleistung der übrigen Länder der Europäischen Union im Jahr 2018 um
50 Mrd.. Euro niedriger als in der Basisprognose, in dem Deutschland zwischen 2016
und 2018 ein Wachstum von durchschnittlich 1,4 Prozent p.a. aufweist.
Die hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie führt nicht dazu,
dass die Unternehmen anderer Länder vom Markt verdrängt werden. Vielmehr profitieren die übrigen Volkswirtschaften der Europäischen Union von der deutschen Wettbewerbsfähigkeit über günstigere Importe und einer starken Nachfrage aus Deutschland
nach ihren eigenen Produkten. Das verdeutlicht ein zusätzliches Szenario, in dem die
Auswirkungen von höheren Lohnstückkostensteigerungen in Deutschland untersucht
wurden: Eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit zöge einen niedrigeren deutschen Importbedarf und höhere Preise für deutsche Exportgüter nach sich – und würde
die Wirtschaftsdynamik auch in den übrigen Ländern der Europäischen Union dämpfen. Insbesondere jene Länder, deren Exportsektor stark auf den deutschen Markt ausgerichtet ist, würden unter einer solchen Entwicklung leiden. Die Wirtschaftsleistung
Österreichs, der Slowakei und Tschechiens läge in diesem Szenario im Jahr 2022 zwischen 0,3 Prozent und 0,4 Prozent niedriger als im Basisszenario.
Im Ergebnis der Studie erweisen sich etwaige Befürchtungen, eine dynamische und
wettbewerbsfähige deutsche Industrie würde die wirtschaftliche Erholung nach der
Krise in den übrigen EU-Ländern belasten, als unbegründet. Das Gegenteil ist der Fall.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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2
Hintergrund
3
Hintergrund
Geht die Stärke der deutschen Industrie zulasten der Partner in der EU?
Seit mehreren Jahren ist die wirtschaftliche Entwicklung in Europa geprägt von einer
anhaltend schwachen Dynamik in vielen (süd-)europäischen Mitgliedstaaten und einem
vergleichsweise robusten Wirtschaftswachstum in Zentraleuropa. Besonders die deutsche Wirtschaft ist durch eine überdurchschnittlich stabile und kräftige Wachstumsdynamik gekennzeichnet. Zurückzuführen ist dies nicht zuletzt auf die hohe preisliche und
nichtpreisliche Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Industriesektors.
Diese hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie, so wenden Kritiker ein, ginge
wiederum zulasten des Verarbeitenden Gewerbes in vielen Partnerländern. Insbesondere die mit Deutschland wirtschaftlich eng verflochtenen Volkswirtschaften der Europäischen Union würden darunter leiden. Zumindest ein Teil der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen ökonomischen Schwierigkeiten sei der
hohen Leistungsfähigkeit Deutschlands bzw. der deutschen Industrie geschuldet.
Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Arbeit, welche Bedeutung die deutsche Industrie für Europa hat und inwiefern die deutschen Partnerländer in der Europäischen Union von ihr profitieren oder aber in ihrer Entwicklung gehemmt werden. Dazu
werden drei zentrale Wirkungskanäle analysiert.
Zunächst wird erfasst, in welcher Höhe Deutschland Importgüter aus den Ländern der
Europäischen Union bezieht. Die Produktion dieser nach Deutschland exportierten Güter generiert Wachstum und Beschäftigung bei den Handelspartnern Deutschlands.
Aus der Höhe des jeweiligen Importgüterbezugs werden die dahinter stehende Wertschöpfung sowie die damit verbundene Beschäftigung landes- und branchenspezifisch
abgeleitet – und damit sichtbar gemacht, welche Länder in welchem Umfang unmittelbar von der deutschen Güternachfrage profitieren.
In einem weiteren Schritt gehen wir über diese statische und auf den Güterhandel beschränkte Betrachtung hinaus und untersuchen, welche gesamtwirtschaftlichen Effekte
sich für die anderen europäischen Länder in einem Szenario ergäben, in dem die Wertschöpfung in Deutschland bis 2018 stagnieren würde. Das Szenario veranschaulicht
damit, inwieweit das Wachstum in der Europäischen Union auf eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland angewiesen ist.
Abschließend wird die Rolle der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft für die
wirtschaftliche Entwicklung in Europa analysiert. Es wird untersucht, welche Auswirkungen ein Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf die Exportdynamik und das Wirtschaftswachstum in den europäischen Partnerländern hätte.
Damit lässt sich die Frage, inwiefern die hohe deutsche Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich zulasten des übrigen Europas geht, auf belastbarer Grundlage beantworten.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
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Die Importnachfrage Deutschlands
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Die Importnachfrage Deutschlands
Die deutsche Nachfrage ist für die Exportindustrie vieler Länder von großer Bedeutung.
Die Nachfrage nach Gütern in Deutschland wird zum Teil durch die im Inland produzierenden Unternehmen gedeckt. Ein großer Teil des Nachfragebedarfs wird jedoch über
Importe bedient. Deren Herstellung wiederum generiert in den jeweiligen Bezugsländern Wertschöpfung und Beschäftigung.
Zunächst wird die Bedeutung der deutschen Importnachfrage für den Exportsektor und
nachgelagerte Bereiche des europäischen Auslands untersucht. Im Ergebnis wird
sichtbar, inwiefern die deutsche Importnachfrage für die Produktion – und damit Wertschöpfung und Beschäftigung – in den übrigen Ländern der Europäischen Union verantwortlich ist. Darüber hinaus lassen sich Güter nach ihrer Verwendung in Konsumgüter, Investitionsgüter und Vorleistungsgüter gliedern. Die separate Analyse der deutschen Nachfrage nach Vorleistungen und nach Investitionsgütern aus dem europäischen Ausland erlaubt damit, die unmittelbare Bedeutung der deutschen Industrieproduktion für die wirtschaftliche Entwicklung in den Partnerländern der Europäischen
Union zu quantifizieren.
Dazu wird auf Basis des Prognos Welthandelsmodells der Güterexport aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union nach Deutschland quantifiziert und nach (aggregierten) Gütergruppen ausgewiesen. Mithilfe von landesspezifischen Input-Output-Tabellen der einzelnen EU-Länder wird die dadurch in den jeweiligen Volkswirtschaften
induzierte Wertschöpfung ermittelt. Diese Berechnung nehmen wir separat nach einzelnen Branchen vor. Auf Grundlage der landes- und branchenspezifisch vorliegenden
Produktivitätskennzahlen wird darüber hinaus die mit dieser Wertschöpfung verbundene Beschäftigung bestimmt.
3.1
Güternachfrage Deutschlands aus den übrigen Ländern der EU
Die gesamte Importnachfrage Deutschlands nach Gütern aus anderen EU-Ländern belief sich im Jahr 2014 auf 712 Mrd. US-Dollar (nominal). Hauptlieferanten sind die Niederlande, Frankreich und Belgien mit Exportvolumen in Höhe von 116 Mrd. US-Dollar
beziehungsweise 89 und 72 Mrd. US-Dollar.1 An vierter Stelle folgt mit 65 Mrd. Euro
Italien. Die danach bedeutendsten Güterlieferanten sind mit Exportvolumina in Höhe
1
Neben den engen ökonomischen Verflechtungen zwischen den beiden Benelux-Ländern und Deutschland kommt in
deren hohen Werten auch der sogenannte Antwerpen-Rotterdam-Effekt zum Ausdruck, der die Handelsvolumina nach
oben verzerrt, in seiner Höhe jedoch nicht quantifiziert werden kann. Dieser Effekt – benannt nach den beiden großen
Hafenstädten in den Niederlanden und in Belgien – bezeichnet Verzerrungen in den Handelsdaten aufgrund innergemeinschaftlicher Versendungen von Waren aus Drittländern. Waren, die dort bei Eintritt in die Europäische Union umgeschlagen und dann – unverändert – weiter in das Zielland befördert werden, erscheinen gleichwohl in der Handelsbilanz
dieser Länder gegenüber dem Zielland des Gutes. In der Folge sind die statistisch erfassten Handelsvolumina insbesondere der beiden genannten Länder nach oben verzerrt.
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Die Importnachfrage Deutschlands
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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von 54 Mrd. US-Dollar beziehungsweise 52 Mrd. US-Dollar die beiden mittelosteuropäischen Nachbarländer Polen und Tschechien – noch vor dem Vereinigten Königreich
(50 Mrd. US-Dollar) und Österreich (47 Mrd. US-Dollar). Hier zeigt sich deutlich die Internationalisierungsstrategie der deutschen Industrie, die seit Mitte der 1990er Jahre
ihre Wertschöpfungskette nicht zuletzt in die MOE-Staaten verlängert hat. Unter den
südeuropäischen Ländern ist neben Italien auch Spanien ein bedeutender Güterlieferant für Deutschland. Importe aus Portugal und vor allem aus Griechenland hingegen
spielen für Deutschland nur eine untergeordnete Rolle (Abbildung 1).
Die separate Betrachtung der deutschen Importe nach deren Verwendung zeigt, inwiefern die europäischen Handelspartner vor allem Vorleistungen für die weitere Verwendung in den Produktionsprozessen der deutschen Industrie nach Deutschland liefern.
Innerhalb der Gruppe der zehn größten Handelspartner ist der Anteil der Vorleistungen
an der Gesamtausfuhr nach Deutschland in Belgien und den Niederlanden sowie in
Tschechien und dem Vereinigten Königreich am größten: Bei diesen Ländern entfallen
rund zwei Drittel der deutschen Einfuhr auf Vorleistungen. Bei Frankreich und Spanien
liegt dieser Wert hingegen mit rund 50 Prozent deutlich niedriger. Frankreich liefert in
besonders großem Umfang Investitionsgüter nach Deutschland.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Die Importnachfrage Deutschlands
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Abbildung 1
Deutsche Güterimporte aus der EU, nach Herkunftsländern und Verwendung,
2014, in Mrd. USD
Quelle: UN Comtrade 2016
Deutschland spielt als Absatzmarkt für die einzelnen Länder der Europäischen Union
eine unterschiedlich wichtige Rolle. Während Österreich, Luxemburg, Ungarn und Polen über ein Viertel und Tschechien sogar mehr als 30 Prozent der gesamten Güterexporte in Deutschland absetzen, liegt dieser Anteilswert in zahlreichen anderen Volkswirtschaften deutlich unter 10 Prozent (Abbildung 2).
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Die Importnachfrage Deutschlands
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Abbildung 2
Anteil der Ausfuhr nach Deutschland an der Gesamtausfuhr der Länder der Europäischen Union, 2014, in Prozent
Quelle: UN Comtrade 2016, Eigene Berechnungen Prognos AG
Eine Betrachtung der aus den übrigen Ländern der Europäischen Union importierten
Industriegüter nach Branchen zeigt, dass der Kraftwagenbau mit einigem Abstand an
erster Stelle liegt. Mit einem Importvolumen in Höhe von 99 Mrd. US-Dollar ist allein
dieser Wirtschaftszweig für fast 14 Prozent aller Güterimporte der deutschen Industrie
aus der Europäischen Union verantwortlich. An zweiter Stelle steht mit 74 Mrd. US-Dollar die Chemische Industrie. Hinsichtlich der Verwendung der importierten Güter zeigen
sich deutliche Unterschiede zwischen den Branchen: Während die eingeführten chemischen Güter fast ausschließlich aus Vorleistungen bestehen, liegt dieser Wert im Kraftwagenbau bei unter 50 Prozent (Abbildung 3). An dritter Stelle folgt der Maschinenbau.
Hier werden verstärkt Investitionsgüter importiert. In der Branche Nahrungs- und Genussmittel werden vor allem Konsumgüter nachgefragt.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Die Importnachfrage Deutschlands
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Abbildung 3
Deutsche Güterimporte aus der EU, nach Branchen und Verwendung, 2014, in
Mrd. USD
Quelle: UN Comtrade 2016
3.2
Wertschöpfungseffekte der Importnachfrage in den übrigen Ländern der EU
Der vorangehende Abschnitt zeigt, dass Deutschland in großem Umfang Güter aus
den übrigen Ländern der Europäischen Union bezieht. Ein Teil des Industriesektors in
diesen Ländern produziert dementsprechend für die Deckung der Güternachfrage aus
Deutschland. Die mit dieser Produktion verbundene Wertschöpfung und Beschäftigung
lässt sich auf Basis einer Input-Output-Analyse sichtbar machen – und damit die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Güternachfrage in den übrigen Ländern der Europäischen Union darstellen.
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Die Importnachfrage Deutschlands
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Bei der Berechnung der Bruttowertschöpfung ist zu berücksichtigen, dass der Produktionswert der exportierten Güter nur zum Teil aus eigener Wertschöpfung der jeweiligen
Branche und des jeweiligen Landes stammt. Vielmehr beruht ein Teil des Produktionswerts auf Vorleistungen aus anderen Wirtschaftszweigen (auch jenseits der Industrie)
oder aus anderen Ländern. Diese Verflechtungsstruktur ist in länderspezifischen InputOutput-Tabellen statistisch abgebildet. Auf dieser Grundlage lässt sich für jedes Land
und für jeden Wirtschaftszweig von den erfassten Vorleistungen auf die dahinter stehende Wertschöpfung schließen.2 Dabei kann die Relation von Vorleistung zu damit
verbundener Wertschöpfung länder- und branchenspezifisch durchaus sehr unterschiedlich ausfallen.
Die Analyse zeigt, dass die deutsche Güternachfrage – gemessen am Anteil der durch
den Export nach Deutschland induzierten Bruttowertschöpfung an der gesamten Wirtschaftsleistung – vor allem für Tschechien, die Niederlande und die Slowakei von sehr
großer Bedeutung ist. In diesen Ländern werden mehr als 8 Prozent der gesamten
Wirtschaftsleistung durch die Güternachfrage aus Deutschland induziert. In Österreich
und Ungarn beläuft sich dieser Wert auf mehr als 6 Prozent. Die separate Betrachtung
nach der Verwendung der Exportgüter verdeutlicht, dass die europäischen Länder
zwar auch in nennenswertem Umfang von der deutschen Konsumgüternachfrage profitieren. Der überwiegende Teil der Bruttowertschöpfungseffekte resultiert aber aus der
Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungs- und Investitionsgütern (Abbildung 4).
Während Frankreich und Italien gemessen am absoluten Wert ihrer Ausfuhr nach
Deutschland zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands zählen (vgl. Abschnitt
3.1), liegt der dadurch induzierte Anteil der Wertschöpfung in den beiden Ländern bei
lediglich 1,8 Prozent. Die Abhängigkeit von der deutschen Güternachfrage ist damit
nicht so hoch, wie es die reinen Exportzahlen vermuten ließen. Neben der Größe der
Länder liegt das überwiegend an der – im Vergleich zu kleineren, offenen Volkswirtschaften wie beispielsweise Tschechien – geringeren Exportquote, also dem Verhältnis
der Exporte zum Bruttoinlandsprodukt (siehe Einschub, Seite 11).
2
Um für diese länderspezifischen Berechnungen eine vergleichbare Datenbasis zu erhalten, verwenden wir Input-Output-Tabellen von Eurostat, die auf der europäischen Wirtschaftszweigklassifikation NACE Rev.2 beruhen.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
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Die Importnachfrage Deutschlands
Abbildung 4
Anteil der durch den Güterexport nach Deutschland induzierten Bruttowertschöpfung in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung, nach
Ländern, 2014
Tschechien
Niederlande
Slowakei
Österreich
Ungarn
Slowenien
Polen
Dänemark
Belgien
Rumänien
Litauen
Lettland
Bulgarien
Finnland
Schweden
Frankreich
Italien
Estland
Irland
davon Investitions- und Vorleistungsgüter
Spanien
davon Konsumgüter
Portugal
Vereinigtes Königreich
Griechenland
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
Quelle: Prognos
Gemessen in absoluten Werten hängt in den Niederlanden die höchste Bruttowertschöpfung an der Ausfuhr nach Deutschland. Die deutsche Gütereinfuhr generiert in
dem Nachbarland Bruttowertschöpfung in Höhe von 47 Mrd. Euro. Dahinter folgen
Frankreich (33 Mrd. Euro) und Italien (24 Mrd. Euro) sowie Polen und das Vereinigte
Königreich mit jeweils 20 Mrd. Euro. In der Summe über alle Länder der Europäischen
Union beläuft sich der Wert auf annähernd 250 Mrd. Euro. Allein 186 Mrd. Euro entfallen davon auf die Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungen und Investitionsgütern.
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Die Importnachfrage Deutschlands
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Erläuterung der länderspezifischen Unterschiede am Beispiel von Frankreich
und der Tschechischen Republik
Sowohl Frankreich als auch die Tschechische Republik gelten als Länder, die eng mit
der deutschen Volkswirtschaft verflochten sind. Wodurch lassen sich die großen Unterschiede bei der Bedeutung der deutschen Industrie für diese beiden Länder erklären?
Der wichtigste Einflussfaktor ist dabei die unterschiedlich hohe Exportorientierung der
beiden Volkswirtschaften. Die Exportorientierung lässt sich mithilfe der Exportquote,
das heißt dem Verhältnis der Exporte zum Bruttoinlandsprodukt, messen. Je höher
diese Quote ist, umso größer ist der Anteil der Exporte an der wirtschaftlichen Leistung
und desto stärker ist die (positive wie negative) Abhängigkeit von der ausländischen
Nachfrage. Tschechien zeichnet sich als eine kleine, offene Volkswirtschaft mit einer
hohen Exportquote von 80 Prozent (2014) aus. Für Frankreich liegt dieser Wert bei lediglich 29 Prozent (Prognos Weltreport 2015). Zudem ist die unterschiedliche Handelspartnerstruktur von großer Bedeutung. Tschechien ist sehr stark auf den deutschen
Absatzmarkt ausgerichtet. 31 Prozent aller tschechischen Exporte gehen in die Bundesrepublik. Auch für Frankreich ist der deutsche Markt mit einem Anteil von 16 Prozent sehr wichtig, das Land hat seinen Absatzmarkt jedoch weit stärker diversifiziert
(Prognos Welthandelsmodell 2016).
3.3
Beschäftigungseffekte der deutschen Importnachfrage in den übrigen Ländern der EU
Die durch die Güternachfrage aus Deutschland in den einzelnen Ländern der Europäischen Union induzierte Wertschöpfung geht mit positiven Beschäftigungseffekten einher. Auf Basis branchen- und länderspezifischer Produktivitäten, die den Input-OutputModellen zugrunde liegen, kann aus den Wertschöpfungseffekten unmittelbar auf die
dafür erforderliche Beschäftigung geschlossen werden. Das „Scharnier“ der Produktivität bewirkt, dass Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte über Länder und Branchen nicht in einem festen Verhältnis zueinander stehen: Je beschäftigungsintensiver
in einer Branche bzw. einem Land produziert wird, desto größer fallen die Effekte der
deutschen Güternachfrage auf die Beschäftigung im Verhältnis zur Produktivität aus.3
Auch hinsichtlich der Beschäftigung spielt die deutsche Güternachfrage für kein anderes europäisches Land eine so große Rolle wie für Tschechien. Über 9 Prozent der Beschäftigten in dem mitteleuropäischen Land arbeiten direkt oder indirekt für die Produktion von Gütern, die nach Deutschland exportiert werden. Ähnlich hoch ist der Anteil
mit gut 8 Prozent für die Slowakei (Abbildung 5). Insgesamt zeigt sich, dass die Bedeutung der deutschen Güternachfrage für die Beschäftigung in den europäischen Län-
In unseren Berechnungen legen wir jeweils – vereinfachend – die Durchschnittsproduktivität in einer Branche und einem Land zugrunde, da die Grenzproduktivität nicht direkt beobachtbar ist.
3
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Die Importnachfrage Deutschlands
dern ähnlich ausgeprägt ist, wie ihre jeweilige Bedeutung hinsichtlich der Bruttowertschöpfung. Wieder entfällt der weitaus größte Teil der Wertschöpfungseffekte auf die
Vorleistungs- und Investitionsgüternachfrage aus der Industrie.
Abbildung 5
Anteil der durch den Güterexport nach Deutschland induzierten Beschäftigten,
nach Ländern, 2014, in Prozent der insgesamt Beschäftigten
Tschechien
Slowakei
Österreich
Slowenien
Niederlande
Ungarn
Polen
Belgien
Dänemark
Rumänien
Litauen
Lettland
Bulgarien
Finnland
Italien
Frankreich
Schweden
Portugal
Estland
davon Investitions- und Vorleistungsgüter
Irland
davon Konsumgüter
Spanien
Vereinigtes Königreich
Griechenland
0%
1%
2%
3%
4%
5%
6%
7%
8%
9%
10%
Quelle: Prognos
Gemessen in absoluten Zahlen sind in Polen die meisten Beschäftigten von der deutschen Güternachfrage abhängig. Über 870.000 Beschäftigte arbeiten rechnerisch direkt oder indirekt für den Export nach Deutschland. An zweiter Stelle folgen mit mehr
als 530.000 Beschäftigten die Niederlande. Auch in Tschechien, Frankreich und Italien
sind jeweils zwischen 300.000 und 400.000 Beschäftigungsverhältnisse von der deutschen Güternachfrage abhängig (Abbildung 6).
Insgesamt zeigt sich die Güternachfrage aus Deutschland für annähernd 5 Millionen
Beschäftigungsverhältnisse in den übrigen Ländern der Europäischen Union verant-
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Wirtschaft für Europa
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wortlich. Dies entspricht etwa 2,8 Prozent der Gesamtbeschäftigung in der Union. Allein auf die Nachfrage der deutschen Industrie nach Vorleistungs- und Investitionsgütern entfallen EU-weit annähernd 3,5 Millionen Beschäftigte.
Abbildung 6
Anzahl der durch den Güterexport nach Deutschland induzierten Beschäftigten,
nach Ländern, 2014, in Tsd.
Quelle: Prognos
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Deutschland als Treiber von Wachstum und
Beschäftigung in Europa
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Deutschland als Treiber von Wachstum und
Beschäftigung in Europa
Eine Stagnation der deutschen Wirtschaft dämft das Wachstum im übrigen Europa
Die Input-Output-Analysen auf Grundlage von Daten zum Handel Deutschlands mit
seinen europäischen Partnerländern zeigen die Bedeutung der deutschen Güternachfrage für die übrigen Länder der Europäischen Union. Diese statische Sicht lässt sich
um einen Blick in die Zukunft ergänzen: Eine dynamische, modellgestützte Analyse auf
Basis von Szenarienrechnungen kann die Rolle der deutschen Industrie für die wirtschaftliche Dynamik im übrigen Europa sichtbar machen. Im Ergebnis wird deutlich,
welchen Beitrag Deutschland zur Entwicklung von Wertschöpfung und Beschäftigung
in Europa leistet. Hierfür werden im Prognos Weltwirtschaftsmodell VIEW verschiedene
Szenarien miteinander verglichen.
-
Das Basisszenario entspricht der aus heutiger Sicht wahrscheinlichsten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union sowie den wichtigsten übrigen Industrie- und Schwellenländern. Als Datenquelle für das Basisszenario dient der aktuelle Prognos Weltreport 2015.
-
Im Alternativszenario „Stagnation“ wird das deutsche VIEW-Modell so modifiziert, dass die Wertschöpfung Deutschlands in der mittleren Frist von 2016 bis
2018 praktisch stagniert.
Der zentrale Wirkungskanal auf die anderen Länder ist dabei die reduzierte Importnachfrage Deutschlands. Zum einen sinkt im Szenario „Stagnation“ die Vorleistungsnachfrage der deutschen Industrie aus Europa. Zum anderen wirkt sich die schwächere Entwicklung in Deutschland (etwa aufgrund geringerer Einkommen) auch dämpfend auf die heimische Nachfrage nach aus dem Ausland bezogenen Konsumgütern
aus.
In unserer Basisprognose erwarten wir für Deutschland zwischen 2016 und 2018 ein
durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent p.a. Im Szenario „Stagnation“
verharrt die deutsche Wirtschaftsleistung hingegen drei Jahre lang auf dem Niveau des
Jahres 2015. Im Stagnationsszenario weist damit das deutsche Bruttoinlandsprodukt
im Jahr 2018 einen um knapp 5 Prozent bzw. 140 Mrd. Euro niedrigeren Wert auf als in
der Basisprognose.
Im Weltwirtschaftsmodell VIEW sind alle beteiligten Länder über Exporte, Importe,
Wechselkurse etc. systematisch miteinander verbunden. Dementsprechend übertragen
sich die fehlenden Wachstumsimpulse der deutschen Volkswirtschaft auf die wirtschaftliche Entwicklung in den übrigen Modellländern. Im Ergebnis liegt die Wirtschaftsleistung in den übrigen Ländern der Europäischen Union 2018 um über 50 Mrd.
Euro bzw. 0,5 Prozent niedriger als im Referenzszenario.
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Es zeigt sich – wie schon im vorhergehenden Abschnitt die statische Analyse der Bedeutung der Güterexporte nach Deutschland – auch in dieser Betrachtung, dass vor allem die exportorientierten östlichen EU-Länder die (bezogen auf die Größe der jeweiligen Volkswirtschaft) größten Verluste hinnehmen müssten. Auch Österreich würde im
Falle einer dreijährigen deutschen Stagnation im Niveau im Jahr 2018 mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verlieren (Abbildung 7). Die anderen großen westeuropäischen Volkswirtschaften Italien, Frankreich und Großbritannien wären weniger stark
betroffen. Das jeweilige Bruttoinlandsprodukt liegt im Stagnationsszenario 2018 um lediglich 0,3 Prozent bzw. 0,4 Prozent niedriger. In Griechenland, dessen Exportwirtschaft nur schwach aufgestellt ist, wäre eine Stagnation Deutschlands kaum spürbar.
Abbildung 7
Prozentuale Abweichung des realen Bruttoinlandsprodukts im Szenario „Stagnation“ im Jahr 2018, in Prozent
Quelle: Prognos 2016
Die fehlende deutsche Wachstumsdynamik wirkt sich dabei in den einzelnen Branchen
unterschiedlich stark aus. Es zeigt sich dabei in sämtlichen betrachteten Ländern, dass
besonders die Dynamik im Verarbeitenden Gewerbe gedämpft würde – wenig überra-
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
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Deutschland als Treiber von Wachstum und
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schend vor dem Hintergrund der europaweit sehr eng verflochtenen Wertschöpfungsketten und Vorleistungslieferungen. Besonders die Metallbranche, die Elektroindustrie,
der Fahrzeugbau sowie der Bereich Gummi und Kunststoffe sind in vielen Ländern eng
mit Deutschland verzahnt und würden überproportional von einer deutschen Wachstumsschwäche in Mitleidenschaft gezogen (Abbildung 8).
Abbildung 8
Prozentuale Abweichung des realen Bruttoinlandsprodukts im Szenario „Stagnation“ im Jahr 2018 in den am stärksten betroffenen Ländern und Branchen, in
Prozent
Quelle: Prognos 2016
Die meisten Dienstleistungsbranchen sind hingegen viel weniger stark betroffen. Hier
werden die wirtschaftlichen Tätigkeiten in deutlich höherem Umfang im Inland erbracht
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Deutschland als Treiber von Wachstum und
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– dementsprechend ist im Tertiären Sektor die Abhängigkeit vom Außenhandel und damit von der deutschen Importnachfrage geringer ausgeprägt. Im Dienstleistungsbereich
machen sich vor allem Zweitrundeneffekte durch eine über die gesamte Volkswirtschaft
hinweg geringere Nachfrage bemerkbar.
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Wirtschaft für Europa
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Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
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Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
Die übrigen EU-Staaten profitieren von der hohen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands
Die deutsche Industrie war in der jüngeren Vergangenheit, insbesondere im Vergleich
zur durchschnittlichen Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes in Europa, sehr erfolgreich. Die hohe preisliche wie nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Produkte, so wird wiederholt kritisiert, schade jedoch dem übrigen Europa, da sie die in
anderen europäischen Ländern hergestellten Produkte sukzessive verdrängen würden.
Um diese Hypothese zu untersuchen, ermitteln wir in einem weiteren Szenario, welche
Rolle die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie für die Entwicklung in den
übrigen Ländern der Europäischen Union spielt.
Dazu modellieren wir in VIEW einen im Vergleich zum Basisszenario stärkeren Anstieg
der deutschen Lohnstückkosten zwischen den Jahren 2016 bis 2018. Dies wird sowohl
durch eine Beschleunigung der Stundenlohndynamik als auch durch eine Reduktion
des Produktivitätsfortschrittes umgesetzt. Dieser Impuls pflanzt sich auf verschiedenste
Weise im deutschen VIEW-Modell fort. Einer der primären Effekte ist eine Reduktion
der deutschen Exportdynamik und damit auch eine Dämpfung des Wachstums der exportorientierten Industriebranchen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der übrigen
EU-Länder verbessert sich entsprechend. Sofern in Deutschland die Importnachfrage
aufgrund des ungünstigeren realen Wechselkurses geringer ausfällt, können die übrigen EU-Länder trotz ihrer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit weniger nach Deutschland exportieren. Gleichzeitig erhöhen sich für diese Länder die Preise für die Importe
aus Deutschland und insbesondere für ihre importierten Vorleistungen. Damit entsteht
bei den deutschen Handelspartnern ein inflationärer Impuls. Der Gesamteffekt für die
übrigen Länder der Europäischen Union setzt sich also aus zwei gegenläufigen Teileffekten zusammen und ist in seinem Vorzeichen a priori unklar.
5.1
Auswirkungen einer gedämpften Wettbewerbsfähigkeit auf Deutschland
Im Alternativszenario „Lohnstückkosten“ wird mittels exogener Faktoren das Stundenlohnwachstum in Deutschland zwischen 2016 und 2018 im Vergleich zum Basisszenario „künstlich“ um jeweils 0,5 Prozentpunkte beschleunigt und die Veränderung der
Stundenproduktivität um ebenfalls jährlich 0,5 Prozentpunkte gedämpft.
Diese Eingriffe führen im Alternativszenario zu einer höheren Dynamik der Lohnstückkosten in Deutschland. Während die Lohnstückkosten im Basisszenario um 1,6 Prozent p.a. zulegen, beträgt die entsprechende Veränderung im Alternativszenario 2,8
Prozent p.a. Diese Wachstumsdifferenz lässt sich auf im Vergleich stärkere Lohnimpulse und die schwächere Produktivitätsentwicklung zurückführen (Abbildung 9). Nach
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Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
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Wirtschaft für Europa
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2018 laufen auf Seiten der Preise und Löhne die Wirkungen des Impulses langsam aus
und die Dynamik der beiden Größen passt sich wieder der des Basisszenarios an.
Abbildung 9
Prozentuale Abweichungen ausgewählter Variablen im Szenario „Lohnstückkosten“ in Deutschland, 2015 bis 2022, in Prozent
Quelle: Prognos 2016
Der Eingriff in die Lohn- und Produktivitätsdynamik pflanzt sich im deutschen Ländermodell über verschiedene Wirkungskanäle fort. Auf die einzelnen Verwendungsaggregate wirkt sich der Eingriff auf unterschiedliche Weise aus: Der private Konsum profitiert zunächst spürbar vom stärkeren Lohnwachstum, da die Inflation und das Einsatzverhältnis der Produktionsfaktoren unterproportional auf die höhere Lohndynamik reagieren. Zudem reduziert die Verschiebung der primären Einkommensverteilung von
Gewinn- und Vermögenseinkommen hin zu Lohneinkommen die aggregierte Sparquote der privaten Haushalte. Auch dies wirkt förderlich auf die Privaten Konsumausgaben. Demgegenüber wird die Investitionsdynamik ab dem ersten Simulationsjahr
durch die geringere Kapitalrendite und das leicht gestiegene Zinsniveau gedämpft.
Von Beginn an klar negativ wirken sich die geänderten Rahmenbedingungen auf den
deutschen Export aus. Aufgrund der höheren Lohnstückkostendynamik verteuern sich
die deutschen Produkte auf dem Weltmarkt. In der Folge der ungünstigeren relativen
Lohnstückkostenentwicklung sinkt der Anteil Deutschlands an den Importen der übrigen Länder, Deutschland verliert Handelsanteile. Etwas zeitverzögert reagieren auch
die Importe deutlich negativ auf den Eingriff.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
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Abbildung 10
Abweichungen der Verwendungsaggregate im Szenario „Lohnstückkosten“ in
Deutschland, 2015 bis 2022, in Prozent
Quelle: Prognos 2016
5.2
Auswirkungen einer gedämpften Wettbewerbsfähigkeit auf die übrigen Länder der EU
Die anderen EU-Länder sind von der abweichenden Entwicklung in Deutschland ebenfalls betroffen. Hinsichtlich ihres Außenhandels bedeutet das, dass sie zum einen auf
dem Weltmarkt Handelsanteile zulasten Deutschlands gewinnen. Zum anderen sinkt
die deutsche Importgüternachfrage, auch aus den Ländern der Europäischen Union.
Im Ergebnis überwiegen in sämtlichen Ländern der Europäischen Union die Negativeffekte auf den jeweils eigenen Exportsektor. Im Alternativszenario liegt die Ausfuhr
sämtlicher EU-Länder unter dem Referenzniveau. Besonders stark negativ betroffen
sind wiederum jene Länder, die gemessen am Anteil Deutschlands an ihrer Gesamtausfuhr besonders enge Handelsbeziehungen zur Bundesrepublik aufweisen (Abbildung 11).
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Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
Abbildung 11
Abweichungen der realen Exporte im Szenario „Lohnstückkosten“ nach EU-Ländern, 2022, in Prozent
Quelle: Prognos 2016
Auch abgesehen von den Effekten, die sich direkt auf den Außenhandel zurückführen
lassen, sind die Länder der Europäischen Union von der schwächeren wirtschaftlichen
Entwicklung betroffen. So liegen etwa die deutschen Exportpreise über dem Referenzniveau, sodass sich die Importe aus Deutschland verteuern und die übrigen Länder
darüber einen inflationären Impuls erfahren. Der Preisanstieg für importierte Vorleistungen bedingt auf der einen Seite einen Kostendruck auf die dortige Produktion. Höhere
Inflationsraten dämpfen darüber hinaus die realen Einkommen und erhöhen das Zinsniveau. Im Ergebnis ist die Wirtschaftsleistung in sämtlichen EU-Ländern im Alternativszenario leicht niedriger als in der Basisprognose. Am stärksten betroffen sind mit
Österreich, der Slowakei und Tschechien solche Länder, die besonders exportorientiert
und stark auf den deutschen Markt ausgerichtet sind (Abbildung 12). Insgesamt liegt
für die Länder der Europäischen Union exklusive Deutschland die Wirtschaftsleistung
im Jahr 2022 in diesem Szenario um 24 Mrd. Euro bzw. 0,2 Prozent niedriger.
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands
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Abbildung 12
Abweichungen des Bruttoinlandsprodukts im Szenario „Lohnstückkosten“ nach
EU-Ländern, im Jahr 2022, in Prozent
Quelle: Prognos 2016
Studie – Die Bedeutung der deutschen
Wirtschaft für Europa
vbw – Mai 2016
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© vbw Mai 2016
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