Charcot im 21. Jahrhundert – Konversion und Dissoziation im Kleid

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Charcot im 21. Jahrhundert
– Konversion und Dissoziation im Kleid der Neurologie –
Von Freud und Kraepelin zu ICD-10: Wo sind die Neurosen?
Luzerner Psychiatrie - Donnerstag, 03 November 2016
Prof. Dr. med. Roger Schmidt
Bereich Psychotherapeutische Neurologie, Kliniken Schmieder Konstanz & Gailingen
Lurija Institut für Rehabilitationswissenschaften und Gesundheitsforschung an der Universität Konstanz
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1
Affektinkontinenz
58 J. alter Mann
Z.n. Schlaganfall
Hemiparese rechts, leichte kognitive Beeinträchtigung
Initial Angst/Depression
Emotionale
Instabilität
Angst
Katastrophenreaktion
Aphasie
Plötzliches Losweinen,Tränen „ohne Traurigkeit“
Funkt. Behandlungsergebnis ☟
Forcierter Bewältiger
„Vergessen“: anhaltende/frühe Traumatisierung
Körpersymptom ⟲ Körpererfahrung: „Ausgeliefert krank“
Manie
Depression
Kognitive
Defizite
Antriebsmangel
modifiziert n. U. Müller, ZNP 2001
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2
Frau M., 42 J
Ski-Unfall
QS-Syndrom ≈ C6/7, libetont, inkomplett
Syringomyelie
Halbseiten-Schmerz li
sek. Opiat-Missbrauch
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3
Es ist nicht der Arzt, der die Hysterie nicht versteht, nein, sie benutzt die medizinischen Spielregeln,
um ihn zu hintergehen …..
Lucien Israel, Die unerhörte Botschaft der Hysterie
Stone et al. 2008, The ‘disappearance’
of hysteria: historical mystery or illusion?
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4
Wovon soll heute die Rede sein?
Funktionelle neurologische Störungen ….
➡ sind „häufig“ & medizinisch relevant, gerade in der Neurologie
➡ sind Ausdruck einer komplexen somato-psycho-sozialen Störung
➡ werden zu häufig übersehen und/oder (lange) nicht behandelt
➡ benötigen eine der Komplexität angemessene multimodale Versorgung
✴
Integrierte Diagnose
✴
Multimodale Somato- und Psychotherapie
✴
Aktive Beziehungsgestaltung
✴
Simulation & Krankheitsgewinn
✴
Emotionalität
✴
Die Sprache des Körpers
✴
Klinische Verständnis- und Handlungsmodelle
➡
vom Entweder-Oder zum Sowohl-Als-Auch
➡
vom Sowohl-Als-Auch zum Was-Denn-Sonst-Noch
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5
Medizinisch unerklärte Beschwerden
Inanspruchnahme Leistungen
Mittlere Erkrankungsdauer vor 1. psychiatrischer
Intervention: ca. 7 Jahre
Inanspruchnahme Leistungen - unabhängig von
med./psych. Komorbidität - 2,3-fach erhöht1
Inanspruchnahme psychiatrische Behandlung verringert1
Kosten Somatisierung 2008-9: 3 Milliarden £ = 10% Kosten
NHS, 14 Milliarden £ indirekte Kosten2
„High utilizers“: in 2 Jahren durchschnittlich > 10.000 €
Behandlungskosten & an 294 Tagen AU
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6
Somato-psychische Komorbidität in der Neurologie
Psychische Komorbidität bei neurologisch Kranken
Funktionelle neurologische Störungen
Komorbide somatoforme Störung bei neurologischer Störung
1/3-1/2
bei
≈ 5 - 11%
„1/3“
Merskey & Trible 1979, Lempert et al
1990, Moene et al. 2000, Carson et al
2000, Teasell & Shapiro 2002, Fritzsche
et al. 2003, Härter 2000, Reuber et al
2005, Carmosino et al. 2005, Fink et al
2005, Schmidt & Berger 2005, Härter,
Baumeister & Bengel 2007, Stone et al.
2009, Baumeister et al. 2011
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7
“Mimikry“
Funktionelle (Körper-) Störung bei körperlich Kranken
in
Gestalt einer Symptomatik, die durch die körperliche Erkrankung
oder Schädigung bereits hinreichend erklärbar ist (oder scheint)
und
körperlich behandelt wird, ohne dass die psychische Störung
erkannt oder jedenfalls behandelt wird
n. Guillain-Barré-S: Buschbacher 1995; bei hereditärer PN: Strenge et al 1996; bei MS: Morgan et al 2005; mit Anfallsleiden: Kanner et al 1999, als Dejerine-Roussy Syndrom: Ferrante et al 2004.
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8
Somatoforme Störungen bei neurologisch Kranken
Häufig! Übersehen!
198 konsekutive stationär/ambulant neu behandelte neurologisch Kranke
(Schedules for Clinical Assessment in Neuropsychiatry)
121 = 61%: wenigstens ein medizinisch nicht erklärbares Symptom
42 = 34.9%: ICD-10 somatoforme Störung (27.7% m, 41.3% w)
Somatisierungsstörung
Somatoforme autonome Funktionsstörung
Schmerzstörung
Neurasthenia
jeweils approx. 6-7%
Dissoziative (Konversions-) Störung
Undifferenzierte Somatisierungsstörung
jeweils approx. 2-3%
26 = 60.5%: + andere psychische Störung
21 = 50%: vom Neurologen erkannt
Fink et al., Somatoform disorders among first-time referrals to a neurology service, Psychosomatics 2005
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9
Konversionsstörung (Störung mit Funktionellen Neurologischen Symptomen)
DSM-V 300.11 - Diagnostische Kriterien
A
Eines oder mehrere Symptome veränderter willkürmotorischer
oder sensorischer Funktionen.
B
Klinische Befunde belegen, dass die Symptomatik nicht mit bekannten neurologischen
oder körperlichen Störungen in Einklang steht.
C
Das Symptom oder Defizit können nicht besser durch eine
andere körperliche oder psychische Erkrankung erklärt werden.
D
Das Symptom oder Defizit verursacht in klinisch bedeutsamer
Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen
oder anderen wichtigen Funktionsbereichen oder erfordert eine
medizinische Abklärung.
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10
Funktionell neurologische Bewegungsstörungen
Merkmale*
Hoover’s Sign
✴
Abrupter Beginn / Spontane Remission
✴
Multiple neurologische Auffälligkeiten
✴
Inkonsistente Symptompräsentation
✴
Überdeutliche Antwort auf Plazebo
✴
Zunahme der Störung bei Aufmerksamkeit
✴
Assoziierte (inkongruente) neurologische Merkmale
✴
Abnahme der Störung bei Ablenkung
✴
Assoziierte psychische Auffälligkeiten
✴
Remission unter Psychotherapie
Daum C, Hubschmid M, Aybek S. 2014. The value of ‘positive’ clinical signs for weakness, sensory and gait disorders in conversion disorder: a systematic
and narrative review. J Neurol Neurosurg Psychiatry
Ebel H, Algermissen C. 2007. Diagnose und Therapie von psychogenen Bewegungsstörungen. Neurol Rehabil.
Hopf HC, Deuschl G. 2000. Psychogene Störungen der Motorik, Sensibilität und Sensorik aus der Sicht des Neurologen - „bed-side”-Befunde bei
somatoformen Störungen. Akt Neurol.
Stone J, Carson A, Sharpe M. 2005. Functional symptoms and signs in neurology: assessment and diagnosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry.
!
Stone, J. 2014. Functional neurological disorders: the neurological assessment as treatment. Neurophysiol Clin.
Stone, J., Carson, A., and Hallett, M. 2017. Explanation as treatment for functional neurologic disorders. Handb Clin Neurol.
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!
11
Funktionelle Symptombildung
Symptombildung ≈ Missverhältnis zwischen Anforderungen & Möglichkeiten:
 spezifisch: bedrohte Kompensationsleistung des Organismus
 unspezifisch: erhöhte Neigung, Körpersymptome zu entwickeln
 adaptive / indikative Funktion
 ohne „Umweg“ über die Annahme psychischer Störungen
 catastrophic reaction
V.v. Weizsäcker, K. Goldstein
Der menschliche Organismus ist mit der konkreten
existenziellen Situation untrennbar verknüpft, seinen
Handlungsmöglichkeiten und Selbstaktualisierungen.
n. Henningsen, 2006, Albrecht 2007
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12
Konversionsstörungen
Operationale Definition - Hauptkriterien (Hoffmann 1996)
1) Im Vorfeld seelischer (innerer, seltener sozialer) Konflikt, der in unmittelbare Beziehung zur Symptombildung gebracht werden kann.
2)
Direkter zeitlicher Zusammenhang mit auslösender sozialer Situation, zumeist emotional belastend bis psychisch traumatisierend.
3)
Möglichkeit, Symptomwahl und/oder -Lokalisation über eine
konkrete (oft nicht bewußte) Vorstellung oder eine (biographische) Erfahrung stimmig abzuleiten oder über ein Identifizierungsmodell zu belegen.
4)
Aktuell oder anamnestisch Nachweis dissoziativer Vorgänge, v.a.
Amnesien, massive Verdrängungen, deutliche Fehlleistungen.
5)
Nachweis ausgeprägter intrapsychischer Entlastung durch
Symptom und/oder Konversionssymptome in Vorgeschichte.
nach Kößler und Scheidt, 1997
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Hysterie
Klassisches Krankheitsbild P.C. Kuiper
Kern des Syndroms
Konversionserscheinungen & Bewusstseinsstörungen
weitere, unspezifischere Symptome
 Sexuelle
Funktionsstörungen
 Impotenz,
Frigidität, Hypersexualität
 „Ice-cream-love,
 Angst
„dependent & demanding“ love
(nicht mehr geliebt zu werden)
 Schuld-
und Minderwertigkeitsgefühle
 Derealisation
& Depersonalisation
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Funktionelle neurologische Störungen
Interaktionelle Erschwernisse
jede Interaktion durchdringender „Widerstand“
v.a. bei Thematisierung Ätiologie & therapeutische Notwendigkeiten
offen: Meinungsverschiedenheiten, Infragestellungen, Zurückweisungen
verdeckt: mangelnde Teilnahme, Schweigen, „minimale Antworten“
Monzoni et al, Patient Educ Couns, 2011
Mameda et al. BMJ Qual Saf 2016
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15
„ich habe keine Ahnung ….“
…. stattdessen sagt’s der Körper
★
★
★
Wahrnehmung Emotionen
✴
Alexithymie
✴
„belle indifference“
✴
„forcierte Bewältigung“
Körperwahrnehmung
✴
„nichts anderes als körperlich“
✴
Tendenz zur Hypochondrie
Kognition
✴
Mentalisierungsdefizite
✴
(Teil-) Amnesie
✴
Formales Denken (Fokusverschiebung)
✴
Pseudo-Debilität
✴
Medizinisches Krankheitsmodell, Kontext
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45 Patienten & 45 gemachte Kontrollpersonen
psychisch traumatische Kindheitserfahrungen
aktuelle negative life events
Alexithymie
Emotionsregulation
Mehr emotionale Belastung, mehr
Alexithymie & suppressive
Emotionsregulation bei FNS
Alexithymie & aktuelle negative
Lebensereignisse mediieren den
Zusammenhang zwischen emotionalen
Kindheitsbelastungen („ACE“) und FNS
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17
Die Bewältigungsanstrengungen prägen das klinische Bild…..
Bio-Psycho-Soziales Modell, Theoriemodell der Rehabilitation n. Gerdes & Weis, 2000, leicht verändert
Kliniken
Schmieder | Bereich
Psychotherapeutische
FNS im Niemandsland|
Luzerner
Psychiatrie - 03. 11. Neurologie
2016 | RS | Fachtagung Rehaklinik Bellikon 28.01.2016 | RS
18
„.... ich schaffe es alleine!“
Forcierte Bewältigung
Aktive Negation emotionaler (psychischer) Bedürftigkeit sich selber und/oder Anderen gegenüber
✴Übermaß
an äußerer Aktivität
✴Fokussierung
✴aktive
auf eigene Stärke
Abwendung von Aufmerksamkeit / Ablenkung
✴Vermeidung
✴Ringen
von Beziehungsangeboten & Situationen, die eigener Schwäche Raum geben könnten
um Kontrolle der Situation / der Interaktion
✴Forderung
nach instrumenteller Unterstützung
Zwei Prägnanztypen: Verneinung von Bedürftigkeit auf ...
✴
Ebene von Handlungen/Aktivität
✴
Ebene der inneren Wahrnehmung/der nach außen gezeigten inneren Wahrnehmung
Forschungsprojekt Depressive Störungen nach Schlaganfall
R. Schmidt, J. Löttgen, M. Petrovici, J. Bösch 2003
Kliniken
Schmieder | Bereich
Psychotherapeutische
FNS im Niemandsland|
Luzerner
Psychiatrie - 03. 11. Neurologie
2016 | RS | Fachtagung Rehaklinik Bellikon 28.01.2016 | RS
Förderkennzeichen
01 GD 9821/3
19
Forcierte Bewältigung
..... ein Vorteil
Forschungsprojekt Depressive Störungen nach Schlaganfall
R. Schmidt, J. Löttgen, M. Petrovici, J. Bösch 2003
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Förderkennzeichen
01 GD 9821/3
20
Forcierte Bewältigung
..... ein Vorteil ..... bis zum Scheitern der Bewältigung!
Forschungsprojekt Depressive Störungen nach Schlaganfall
R. Schmidt, J. Löttgen, M. Petrovici, J. Bösch 2003
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Förderkennzeichen
01 GD 9821/3
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Migräne: Typus migraenicus# (Typus melancholicus@)
„Abwehrcharakter“
✴ Ausgleich von inneren, oft kaum bewussten Ängsten
✴ Schutz eines kränkbaren & empfindlichen Selbst
Anfallsmanifestation
✴ Scheitern der Bewältigungsanstrengungen
✴ (Unverstandene) Reaktion des Körpers
✴ Schutz des Selbst
#Peters
1977,1978, 1983, @Tellenbach 1983, #Schäfer 1982, 1990, *LL Deutsche Migräne-und Kopfschmerzgesellschaft/DGN 2008
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22
Fatigue: Traumatische Stressverarbeitung
Parasympathische Reaktion: Rückzug und Betäubung*
Schmerzunempfindlichkeit (Analgesie durch endogene Opioide)
Unscharfes Bewusstsein
Körperliche und Emotionale Betäubung
Rückzug/Unterwerfung als Antwort auf Hilflosigkeit
 Risiken
 Sekundärer Opiatabusus
 Schmerz
 Re-Inszenierung
 Tagtraum
Verstrickung Behandler
* n. Anke Nottelmann,/1341274/
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23
„Tu mir nichts, dann heirate ich dich …."
Steinzeit Frauenraub führte zu Massaker
03.06.2008
Funktionelle neurologische Symptome ⟺
• Antwort (des limbischen Systems) auf extremen Stress
• Biologisch „sinnvoll“: erhöhen Wahrscheinlichkeit des
Überlebens, der Fortpflanzung
• Niederschlag im Genom (Balancierter Polymorphismus)
• Erklärung für Alters- & Geschlechtsverteilung
• Kontextabhängigkeit, sekundärer Krankheitsgewinn
Es war ein Massaker, bei dem vor etwa 7000
Jahren in Talheim bei Heilbronn 34 Menschen
starben........
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24
Das Körpersymptom
…. ein Beziehungsangebot …. & eine Beziehungserfahrung
17
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25
Körper & Persönliche Lebenswirklichkeit
Ein Körper ist ….
….“keine stumme, in sich verharrende Gegebenheit",
sondern auch
Weltzugang
Christian Grüny, Zerstörte Erfahrung. Eine Phänomenologie des Schmerzes, 2004
Das Bewußtsein der Körperlichkeit, das dreidimensionale Bild unserer selbst, das wir in uns tragen, muß
ebenso aufgebaut werden wie die Kenntnis von der Außenwelt. Es wird aus den taktilen,
kinästhetischen und optischen Rohmaterialien immer wieder aufgebaut und konstruiert ...
Das erlebte Körperbild wird so zu Landkarte der Triebregungen.
P. Schilder, n.Thomä, & Kächele 1988
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26
Störungsmodell für somatoforme Störungen
Auslöser / „trigger“
(z.B. Aufmerksamkeitszuwendung,
Physiologische Erregung, Bagatellsymptom)
Körperliche Veränderungen
(Körperreaktionen, Mißempfindungen, Symptome)
Symptomverstärkung
(≈ erhöhte Aufmerksamkeit auf eigenen Körper
≈ physiologische Erregung)
Krankheitsverhaltensweisen
Wahrnehmung
(aufrechterhaltende Funktion)
Checking des Körpers
Übermässige Beschäftigung mit Krankheit & Gesundheit
Arztbesuche und medizinische Untersuchungen
Fehlbewertung
Medikamenteneinnahme
(als bedrohliche Krankheitszeichen,
Schonungsverhalten
als unerträglich/intolerabel, als
nicht durch die eigene Person beeinflussbar)
nach von Hiller, 2005
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Störungsmodell für somatoforme Störungen
bei organischer "Kern"-Schädigung
Auslöser / „trigger“
Organische Schädigung
„somatischer Kern“
Körperliche Veränderungen
(Körperreaktionen, Mißempfindungen, Symptome)
Symptomverstärkung
(≈ erhöhte Aufmerksamkeit auf eigenen Körper
≈ physiologische Erregung)
Krankheitsverhaltensweisen
Wahrnehmung
(aufrechterhaltende Funktion)
Checking des Körpers
Übermässige Beschäftigung mit Krankheit & Gesundheit
Arztbesuche und medizinische Untersuchungen
Fehlbewertung
Medikamenteneinnahme
(als bedrohliche Krankheitszeichen,
Schonungsverhalten
als unerträglich/intolerabel, als
nicht durch die eigene Person beeinflussbar)
nach von Hiller, 2005, verändert
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28
Funktionelle Blindheit - Alles ohne hinreichenden Befund
➡ 62-j. Frau, über 4 Jahre Entwicklung einer zeitweilig nahezu
kompletten Blindheit aus einem "dunkler Fleck" vor dem re. Auge
➡ Umfassend & wiederholt untersucht: Augenärztlich, internistisch,
neurologisch & psychiatrisch - viele Hypothesen, kein Befund
➡ Annahme Katarakt als Ursache, OP ohne Wirkung
➡ Late onset diabetes mit starken BZ-Schwankungen seit 9 J.
➡ früher: kurz V.a. Epilepsie, Gegenstände fallen gelassen
➡ qualitative & strukturierte Interviews (Strukturiertes Klinisches
Interview für DSM-IV - I,II), Heidelberger Dissoziations-Inventar (HDI),
Symptomcheckliste (SCL-90-R), Beck Depressions-Inventar (BDI-II),
Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen (FDS), State-Trait
Angstinventar (STAI), Skalen zum Erleben von Emotionen (SEE)
M. Eberhardt, Thomas Hassa, Ariel Schoenfeld, R. Schmidt
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
29
Funktionelle Blindheit: Normal-Befunde im fMRT
Primary visual cortex
Calcarine
fissure
Calcarine
fissure
Visual cortex
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
30
Funktionelle Blindheit: EKP im Verlauf 1/2008 - 7/2009
Amplitudenreduktion
der N100 bei einer
Pat. mit funktioneller
Blindheit
Ausdruck einer TopDown-Regulation?
Schoenfeld, M. A., Hassa, T., Hopf,
J. M., Eulitz, C., und Schmidt, R.:
Neural Correlates of Hysterical
Blindness. Cerebral Cortex 2011
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
31
Zur Sprache des Körpers: „Nichts anderes als Schau“
…. werde ich manipuliert …? !?
Simulation#
Artifizielle Störung*
★ Bewusste und absichtliche
★ Vortäuschung, Aggravation, künstliches Hervorrufen körperlicher
★ Vortäuschung & Nachahmung von
resp. seelischer Symptome
Krankheitssymptomen,
★Wiederholte Wundheilungsstörungen bei Ausschluss wesentlicher
★ um für krank gehalten zu werden.
organischer Ursachen
★Symptomverstärkung vor geplanter Entlassung
★Suchtartiges Verlangen nach ständig neuen
Krankenhausaufnahmen
★Auffällige Bereitschaft, sich invasiven diagnostischen &
therapeutischen, incl. operativen Eingriffen zu unterziehen
★Auffallende Gleichgültigkeit bezüglich des Krankheitsverlaufs
★Hinweise auf mehrere vorangegangene Eingriffe & Operationen
★Pathologische Arzt-Patienten-Beziehung
#U.H.Peters,
Wörterbuch der Psychiatrie &
medizinischen Psychologie,
*Diagnostische Merkmale, A. Eckhardt, 1996
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
32
Funktionelle motorische oder sensible Störungen
Bildgebende Studien
Mediale und laterale frontale Areale (medialer Präfrontalcortex & anteriorer cingulärer Kortex;
lateraler Präfrontalcortex DLPFC und OFC) —- M1/S1 —- Corpus striatum/Thalamus —Hyppocampus, SMA, temporoparietale Junction (TPJ) —- Amygdala bei emotionaler Stimulation
Eigene fMRI-Studie
➡Rein sensomotorische Stimulation der
betroffenen Hand: IFG bds bei Patienten
= gleiche Lokalisation wie in Paradigmen der
Motorhemmung [NoGo, vgl. TMS-Studien]
➡Emotionale Stimulation: stärkere Aktivierung
emotionsverarbeitender Areale (=Amygdala)
bei Patienten
➡Gleichzeitige sensomotorische und emotionale
Stimulation: funktionelle Konnektivität zwischen
der aktivierten Amygdala und einem hyperdirektem hemmenden Netzwerk rechtszerebral
mit Einbeziehung von IFG, Pallidum, Nucleus
subthalamicus
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
33
„Simulationsstudie“
12 Probanden (Teil der Kontrollgruppe bei Konversionsparesen)
Instruktion über Verlauf der Studie
Videotraining/Mentales Training über 7 Tage: Erlernen Simulation des re. Armes
Einschätzung der Simulationsgüte durch Fremdrating vor MRT*
13 Patienten mit funktioneller Hemiparese
*alle Probanden: hohes rating
E. De Jel, T. Hassa, V. Nedelko, I. Steppacher, B. Kleiner, A. Schoenfeld, J. Liepert, R. Schmidt
Diagnose & Therapie Funktioneller Neurologischer Störungen | Münsterlingen 22. 02. 2016 | RS
34
„Simulationsstudie“
Passive Bewegung der betroffenen rechten Hand: IFG
a)CONV>CN: IFG
pars triangularis
bilateral
b) CS>CN: re IFG,
pars triangularis
c) CONV>CS, bei
emotionaler Stimulation: IFG li, pars
orbitalis
p<0.05, SVC FWE
The numbers below the
axial slices indicate the
position on z-axis
correspondent to MNIspace, the number below
the coronal slice on the yaxis.
Hassa, T., de Jel, E., Tüscher,
O., Schmidt, R., Schoenfeld,
M. A., Neuroimage Clin. 2016
Diagnose & Therapie Funktioneller Neurologischer Störungen | Münsterlingen 22. 02. 2016 | RS
35
„Simulationsstudie“
Passive Bewegung der betroffenen rechten Hand
CN>CS: Aktivierung im gyrus frontalis medius superior bilateral = Herunterregulierung bei Simulation
p<0.05, SVC FWE.
The numbers below the axial slices indicate the position on z-axis correspondent to MNI-space, the number below the coronal slice on the y-axis.
Hassa, T., de Jel, E., Tuescher, O., Schmidt, R., and Schoenfeld, M. A. 2016. Functional networks
of motor inhibition in conversion disorder patients and feigning subjects. Neuroimage Clin.
Diagnose & Therapie Funktioneller Neurologischer Störungen | Münsterlingen 22. 02. 2016 | RS
36
Funktionelle neurologische Störungen
Der hysterische Modus (S. Mentzos 1982)
spezifisches Merkmal:
Inszenierung für ......
den äußeren Beobachter
den inneren Beobachter (Über-Ich)
Ziel: anders erscheinen als man ist
pseudoregressiv - pseudoprogressiv
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
37
Funktionelles Neurologisches Symptom
Dramatisierung & Krankheitsgewinn
≉ Simulation ↔︎bewusste & absichtliche Vortäuschung & Nachahmung von Krankheitssymptomen, um für krank gehalten zu werden
Inszenierung für den äußeren
Dramatisierung
&! den inneren ! Beobachter
Primärer „Krankheitsgewinn“
Sekundärer „Krankheitsgewinn“
TERTIÄRER „Krankheitsgewinn“
Intrapsychische Entlastung
Plombenfunktion des Symptoms
sozialer Vorteil
= Hindernis für die Therapie*
Stabilisierung familiärer Beziehungen
= Hindernis für die Therapie
*Kernberg 2014
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
38
Negative Therapeutische Reaktion
„dies Schuldgefühl ist für den Kranken stumm, es sagt ihm nicht, dass er schuldig ist, er fühlt sich nicht
schuldig, sondern krank“
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
39
Psychophysiologie
NeutA
Fiess J, Rockstroh B, Schmidt R, Steffen A. Emotion regulation and functional neurological symptoms: Does
emotion processing convert into sensorimotor activity? Journal of Psychosomatic Research. 2015
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
40
Zum „rätselhaften Sprung vom Seelischen ins Körperliche*“
* SF GW 1916/17, S. 265; 1926d, S.141
Fiess J, Rockstroh B, Schmidt R, Steffen A. Emotion regulation and functional neurological symptoms:
Does emotion processing convert into sensorimotor activity? Journal of Psychosomatic Research. 2015
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
41
Funktionelle Neurologische Störungen
… zur Therapie
In neuerer Zeit ist man
sogar vor sehr
eingreifenden
Operationen, bis zur
Castration,
nicht
kraepelin
zurückgeschreckt, um
auf diese Weise den
Hysterischen Hilfe zu
bringen.
Psychiatrie : ein Lehrbuch für Studirende und Aerzte (5e Auflage, 1896) S. 746-7
FNS im Niemandsland| Luzerner Psychiatrie - 03. 11. 2016 | RS
42
Funktionelle neurologische Störungen
Herstellen der therapeutischen Beziehung
Aktiv Zugehen
Aktiv Beziehung herstellen
Aktiv Halten

!
 Anerkennung
als krank
 Wertschätzende Konfrontation
 Sachliche Information
 Einbeziehung als Akteur
 Aufgreifen der „Not dahinter“
 Offenheit für „Unerhörtes“
 Brücken bauen
Integrierte
Therapie Funktioneller
Neurologischer
Störungen
| DGNR & DGNKN | 06.12. 2014 | RS
FNS im Niemandsland|
Luzerner Psychiatrie
- 03. 11.
2016 | RS
43
Funktionelle neurologische Störung
Mental-kognitive Funktionsbeeinträchtigungen: angepasste Interventionen
Funktion
Funktionsbeeinträchtigung
Intervention
Wahrnehmung
globale/selektive
Unaufmerksamkeit
Details erfragen/ Wiederholen
Repräsentation
eher impressionistisch
Abreagieren von Erinnerungen,
Rekonstruktion
Verbalisierung von
Bildern & Handlungen
begrenzt
zum Reden ermutigen, Benennungen
anbieten
Assoziationen
begrenzt durch Hemmungen; auf
Stereotypien beruhende Mißdeutungen; Wunsch- & Furchtstatt Realitäts-bezogen
Assoziationen ermutigen; Klärung,
Differenzierung von Realität und
Phantasie
Problemlösung
Kurzschluss zu raschen, aber
falschen Schlüssen; Vermeidung
affektiv unerträglicher Themen
Thema offen halten; Deutung des
Sinns & der Ursache-Wirkungsbeziehungen; Stützung durch
Sicherheit & Kohärenz der Therapie
Horowitz 1991 n. Küchenhoff 1996
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Funktionelle neurologische Störungen
Funktionelle Behandlung der körperlichen Symptomatik
➡ „direkte“ Behandlung
➡ „implizite“ Behandlung
➡ „psychotherapeutische Kontextualisierung“ der somatischen Behandlung
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*Tess, 2007, Physical Therapy Management for Conversion
Disorder,
Edwards et al. 2012, Nielsen et al. 2013
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Psychogene Blindheit: Funktionstherapie
Nach Aufforderung zu malen, „was Sie - (nicht) sehen“ im Verlauf gemalte Bilder.
1
4
2
5
Integrierte
Therapie Funktioneller
Neurologischer
Störungen
| DGNR & DGNKN | 06.12. 2014 | RS
FNS im Niemandsland|
Luzerner Psychiatrie
- 03. 11.
2016 | RS
3
6
46
Funktionelle neurologische Störungen
Untersuchte Therapeutische Interventionen
Paradoxe Intention
Ataoglu et al 2003
Transkranielle Magnetsimulation
Schönfeldt-Leucona et al 2003, Feinstein 2009,
Garcin et al. 2013
Arbeit mit imaginärem Begleiter
Sawa et al 2004
Hypnose
Moene et al 2002, 2003
EKT
Giovanoli 1988
Schamanismus
Razali 1999, Pineros et al 1998, Iancu et al 1998
narcoanalytic Interview
Hurwitz 1988, 2004; Poole et al 2010
Strategische Intervention (Doppelbindung)
Teasell & Shapiro 1994
EMG-biofeedback
Fishbain et al 1988, Espay et al., 2014
Kognitive Verhaltenstherapie
LaFrance et al., 2014
Mobilisation unter therapeutischer Sedierung
(propofol)
Stone et al. 2014
If psychosocial interventions are available for people with conversion disorder then at present they
should be viewed as experimental with slight evidence in favour of help rather than harm (......)
Ruddy, R. and House, A. 2005. Psychosocial interventions for conversion disorder. Cochrane Database Syst Rev. 4, CD005331.
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You can't wake a person who is pretending to be asleep.
Navajo Proverb
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Die Lösung des Rätsels …
„liegt im Auge des Betrachters“
Funktionelle neurologische Störungen sind
aufgrund
„von
nur
als
von Abwehrprozessen
der bewußten Verarbeitung abgehalten“e (SF)
noch partiell & pars pro toto
fragmentarische, sensorische oder motorische Akte
zum
Ausdruck gebrachte ubw Phantasien & Gefühlsregungen
…
„als rudimentäre und ursprünglich sinnvolle Leistungen in ihrer Psycho-
physiologie nicht rätselhafter {….} als zielgerichtete Handlungen“.
Rangell 1959
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Funktionelle Neurologische Symptomatik
Primärer inhaltlicher Fokus der Therapie
„.... das Symptom ist gewissermaßen der Henkel des Patienten {....} Was machen sie mit einem Topf?
Sie fassen ihn am Henkel an {....} Sie bleiben mit Ihrer Hand am Henkel, und was Sie auch immer mit
dem Topf tun, Sie haben immer noch Ihre Hand am Henkel.“
Milton Erickson n. Haley 1985
➡ Krankheitserleben des Kranken, Trauma
➡ Beziehungsangebot
➡ Gemüts- und Ausdrucksbewegung, Handlungsfragment
➡ Inszenierung erlebter Beziehungsgeschichte
➡ Wiederholung einer Körpererfahrung (Körpergedächtnis)
➡ Versuch einer Bewältigung
➡ Ausdruck einer psychischen Struktur / eines Konfliktes
➡ ……
➡ ……
➡ Körperliche Beeinträchtigung
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Kopfschmerz nach SAB
Der Kopfschmerz?
.... meist beginnt er mit einem
leichten Ziehen. Ich weiß dann
gleich, dass ich mich
überanstrengt habe. Das
Ziehen wird schnell stärker, mir
wird übel und ich muss mich
gleich hinlegen .............. Dann
tut es fürchterlich weh ......
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Unerhört!
Was unerhört ist, bleibt leicht unerhört
Lucien Israel, Die unerhörte Botschaft der Hysterie, 1983
http://synonyme.woxikon.de/synonyme/unerh%C3%B6rt.php
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Funktionelle Lähmung / Sensibilitätsstörung
...... mein Bett stand längs an der
Wand, ..... ich konnte nicht weg,
..... lag eng an die Wand gepresst
..... spürte sie auf meiner Haut .......
war vollständig gelähmt
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Bw-werdung eigener Affekte/Vorstellungen - Scham & Schuld
•
Infragestellung/Deutung: hohes Taktgefühl
•
Therapie: „Empathy for the devil“
• Stärkung Identität/Selbstwert
• „Philosophieren“ über Schuld & Scham
Schattenseiten wertschätzen und nutzen lernen
• „Geständnis“-möglichkeiten schaffen
•
•
„seed and switch“
Risiko:
• Ausblenden v.a. Scham besetzter Inhalte
• Beschämung/Verurteilung
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Funktionelle Lähmung / Sensibilitätsstörung
… eine „unerhörte Botschaft“?
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Funktionelle Neurologische Störungen
Therapie
„Kontextualisierung“ = Förderung der Wahrnehmung von ….
➡ Körperreaktionen (gestörte Funktion, Schmerz, Sensorische Phänomene)
➡ Emotionen
➡ dissoziativer Phänomene
➡ begleitender Kognitionen
„Haben Sie gemerkt, was ...gerade/eben/vorhin ..... passiert ist?“
Kliniken
Schmieder | Bereich
Psychotherapeutische
FNS im Niemandsland|
Luzerner
Psychiatrie - 03. 11. Neurologie
2016 | RS | Fachtagung Rehaklinik Bellikon 28.01.2016 | RS
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„.... haben Sie gemerkt, was gerade passiert ist!?“
Affektives Leiden wird in der Versprachlichung des Körpers kommunizierbar*
Familie: über 2 Generationen mütterlicherseits jeweils früher Tod
aller zahlreichen Kinder bis auf eines.
✴
Tragischer, unerwarteter Tod des Bruders, dann des Vaters der
Patientin in ihrem 11 LJ
✴
„Strudel“: im 11 LJ mit Angst verbundenes Bild eines sie gleich
verschlingenden Strudels bei Schließen der Augen
✴
Emotionale Deprivation, unerledigte Trauer, forcierte Autonomie &
Schuld: Für die Mutter da sein!
✴
Altruistische Abtretung: im Dienste der Anderen leben, blind für sich
selbst … (vs den Bedürfnissen anderer gegenüber)
✴
✴Manifestation
der Symptomatik: Todesfälle in Familie und
Freundeskreis - erneut für die anderen da sein müssen
✴
Übertragung: Rezidiv der Sehstörung bei Wahrnehmung einer
Traurigkeit des Therapeuten
*B. Nitschke, Die Zeit 1996 / R. Schmidt & R. Lütgehetmann, Seminar „Psychologie in der Neurologie“
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Integrierte (implizite) Behandlung
Zusammenführen somato- & psychotherapeutischer diagnostischer & therapeutischer
Maßnahmen in ein umfassendes Behandlungsangebot
Aufgreifen relevanter somatischer Fragen im Rahmen der Psychotherapie
Aufgreifen relevanter psychischer Fragen im Rahmen der somatischen Therapie
aaaa
Optimal sind integrierte Versorgungsangebote, die medizinisch-somatische und
psychotherapeutische Behandlungsressourcen in interdisziplinären Behandlungsteams umsetzen,
und auch organisatorisch-strukturell unmittelbar miteinander kombinieren.
Kütemeyer 1992; Schmeling-Kludas et al. 2000, Schmidt et al. 2007, Aybek et al. 2012
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Multimodale Therapie
Integration von Verständnis- und Handlungsmodellen
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vom „nichts-anderes-als“ zum „was-denn-sonst-noch“?
Ein pragmatisches somato-psycho-soziales (Meta-) Modell
F.B. Simon 1988, J. Glatzel 1981
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✴Aufbau von Komplexität
✴Reduktion von Komplexität
✴Spezialisierung
✴Integration
✴Halt gebender Rahmen
✴Therapeutisches Milieu
✴Federführung: Neurologie
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
AKTIVER Perspektivenwechsel & Integration von Perspektiven
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Dissoziative / Funktionelle Neurologische Störungen
Prävalenzen
Prävalenz, dissoziative Symptome allgemein bei
 bis zu 30% stat. aufgenommener Patienten
 1,4 bis 4,6% der Allgemeinbevölkerung
Prävalenz, funktionelle neurologische Symptome bei
 6-8% psychiatrisch stationär aufgenommener Patienten
 bei 8-10,5% neurologisch stationär aufgenommener Patienten
M:W=1:3
Erkrankungsbeginn
 vor Beginn/Anfang 3. Lebensjahrzehnt
 in ca. 75% zwischen 17. und 32. Lebensjahr
nach Freyberger & Spitzer 2000, Freyberger & Stieglitz 1999
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Dissoziative / Funktionelle neurologische Störungen
Komorbidität
Komorbidität bei dissoziativen Störungen




ca. 30% - Persönlichkeitsstörungen
12-25% - Phobien u.a. Angsterkrankungen
15% - somatoforme Störungen
3-17% - neurologische Erkrankungen
Komorbidität bei Konversionsstörungen
 ca. 30% - dissoziative Störungen
 reale Traumatisierung
nach Freyberger & Spitzer 2000, Freyberger & Stieglitz 1999, Tezcan et al 2003, Roelofs et al 2002
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Körper: Funktionsstörung
Psychogene Blindheit: Funktionstherapie
Nach Aufforderung zu malen, „was Sie - (nicht) sehen“ im Verlauf gemalte Bilder.
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