Ausschnitt

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Das Gutachten zum Tierschutzgesetz
Was versteht der Gesetzgeber unter dem Begriff Qualzucht - Welche Tiere sind von der
Zucht auszuschließen?
Seit dem 1.6.1998 ist das neue Tierschutzgesetz in Kraft getreten. Zu diesem Gesetz gib es
seit dem 2.6.1999 das Gutachten zur Auslegung des § 11b des Bundesminsteriums für
Ernährung. Landwirtschaft und Forsten. Dieses Gutachten gibt erläuternde Erklärungen zum
§11b (Qualzuchtparagraph) des Tierschutzgesetzes. Wir möchten unseren Züchter einige
Passagen aus diesem Gutachten vorstellen.
Kursive Schrift gibt den genauen Wortlaut des Gutachtens wieder. Normale Schrift sind
Ergänzungen des Autors.
Aus dem allgemeinen Teil Abschnitt 1.1 zweiter Absatz:
Züchter und Halter von Tieren sind auch Gestalter des Verhältnisses Mensch/Heimtier. Ihr
Wille und ihre Fähigkeiten haben Auswirkungen auf die Tiere. Wenn Züchter die notwendigen
Zusammenhänge und Folgen ihres Tuns nicht kennen, nicht beachten und die gebotenen
Grenzen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten überschreiten (z.B. Zucht mit Defektgenen oder
Übertypisierung), so besteht die Gefahr, dass sie mit ihren Zuchtzielen das Wohlbefinden der
Tiere beeinträchtigen.
Unter 1.3. Begriffe und Definitionen ist nachzulesen:
1.3.1 Qualzüchtung
Der Tatbestand des § 11b des Tierschutzgesetz ist erfüllt, wenn bei Wirbeltieren die durch
Zucht geförderten oder geduldeten Merkmalsausprägungen (Form-, Farb-, Leistungs- und
Verhaltensmerkmale) zu Minderleistungen bezüglich Selbstaufbau, Selbsterhaltung und
Fortpflanzung führen und sich in zuchtbedingten morphologischen und / oder physiologischen
Veränderungen oder Verhaltensstörungen äußern, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden
verbunden sind.
Desweiteren wird der Begriff definiert:
1.3.5 Vererbte Merkmale im Sinne von § 11b des Tierschutzgesetzes
Zuvorderst handelt es sich um züchterisch geduldete, gewollte oder sogar als Zuchtziel
(Rassestandard) festgelegte Merkmale, die selbst tierschutzrelevant sind oder mit
tierschutzrelevanten Merkmalen assoziiert sind oder zu entsprechenden Folgeerscheinungen
(Abiotrophien) führen. Voraussetzung für die Anwendung von § 11b ist die Erblichkeit des
oder der relevanten Merkmale, wobei es auf den Vererbungsmodus nicht ankommt (z.B.
monogen, oliogen, polygen, geschlechtsgekoppelt, polygen mit Schwellencharakter).
Im Falle monogener, teilweise oder vollständig dominant vererbter Merkmale mit
homozygoter Schadwirkung ist mit geschädigter Nachzucht zu rechnen (25%), wenn
heterozygote Merkmalsträger miteinander verpaart werden. Paart man die heterozygoten
Merkmalsträger mit Nichtmerkmalsträgern, so treten in der Nachzucht je 50% heterozygote
Merkmalsträger und nicht Merkmalsträger auf. Negativ zu werten ist eine solche Verpaarung
in jedem Fall, da die belastete Anlage weiterhin verbreitet wird.
Als Qualzucht im Sinne des Gesetzes ist eine Verpaarung von heterozygoten Merkmalsträgern
mit homozygoten Nichtmerkmalsträgern jedoch nur dann anzusehen, wenn auch die
Heterozygoten Nachteile haben oder haben können.
Erbkrankheiten und -schäden, sofern sie bei einer Rasse gehäuft auftreten, fallen auch dann
unter $ 11b, wenn sie mit dem Zuchtziel nicht in Verbindung stehen.
Polygen vererbte Merkmale mit graduell unterschiedlicher Ausprägung werden von § 11b
erfasst, wenn ihre Ausprägung und Häufung in einer Rasse eine verantwortbare Zucht
ausschließt.
Zuchtformen, bei denen nur durch besondere Maßnahmen und Eingriffe das Auftreten von
Schmerzen, Leiden oder Schäden zuverlässig und nachhaltig verhindert werden kann, fallen
ebenfalls unter das Zuchtverbot des § 11b. Eine vorbeudende Tötung von Tieren, bevor diese
relevante Merkmale ausprägen, kann die Einstufung einer Rasse als Qualzucht nicht
verhindern.
Dieser Abschnitt ist für Züchter, die sich noch nie oder nur wenig mit der Vererbung
beschäftigt haben, nur schwer zu verstehen. Deshalb ein paar kurze Erläuterungen:
Merkmalsträger sind Tiere, die dieses Merkmal selber nicht sichtbar oder erkennbar tragen,
genetisch aber diese Merkmal bereits vorhanden ist.
Homozygot: Reinerbig, die Anlagen werden in jedem Fall an alle Nachkommen
weitergegeben
Homozygote Schadwirkung: Eine Schädigung tritt bei betroffenen Tieren nur bei vorliegender
Reinerbigkeit vor, d.h., das nur bei den Tieren eine Schädigung auftritt, die von beiden
Elternteilen das schädigende Gen vererbt bekommen haben.
Heterozygot: mischerbig, die Anlagen der Eltern werden nur an 50% der Nachkommen
weitergegeben.
Von großer Bedeutung sind auch die Begriffsdefinitionen von Schmerzen, Leiden und
Schäden. Sie werden im Abschnitt 1.3.7 behandelt.
1.3.7 Schmerzen, Leiden Schäden
Wenn die Begriffe auch meist im Plural gebraucht werden, so bedeutet dies nicht, dass ein
einzelner Schmerz oder ein einzelner Schaden hingenommen werden kann. Schmerz setzt
keine unmittelbare Einwirkung auf das Tier voraus und muss auch nicht zu erkennbaren
Abwehrmaßnahmen führen.
Der Begriff Leiden darf im Zusammenhang mit § 11b keinesfalls nur medizinisch gesehen
werden. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen Begriff des Tierschutzrechtes, der
auch alle von dem Begriff des Schmerzes nicht erfassten länger andauernden Unlustgefühle
einschließt. Häufig findet hierfür auch der Begriff "Disstress" Verwendung. Leiden werden
auch durch instinktwidrige, der Wesensart eines Individuums zuwiderlaufende und gegenüber
seinem Selbst- oder Arterhaltungstrieb als lebensfeindlich empfundene Beeinträchtigungen
verursacht. Hierzu gehören im Hinblick auf § 11b auch dauerhafte Entbehrungen bei der
Befriedigung ererbter arttyischer Verhaltensbedürfnisse. Die Erblichkeit von Schmerzen,
Leiden oder Schäden braucht für die Erfüllung des Verbotstatbestandes nach § 11b nicht
gegeben sein.
Ein Schaden liegt bereits vor, wenn der Zustand eines Tieres dauerhaft auch nur geringfügig
zum Negativen verändert ist. Der Schaden kann auf körperlicher oder psychischer Grundlage
erfolgen. Gleichzeitiges Leiden und Schmerzempfinden muss nicht gegeben sein. So sind
zuchtbedingte geringfügige Gleichgewichtsstörungen bereits als Schaden nach §11b
anzusehen, ebenso wie Folgeschäden, die aufgrund von Zuchtmerkmalen auftreten, z.B. die
Häufung von Gehirntumoren bei kurzköpfigen Hunderasse.
Der maximale Schaden, den ein Lebewesen nehmen kann, ist der Tod.
Schäden an inneren Organen sind nicht immer sofort erkennbar. Sie zeigen oftmals erst mit
zunehmendem Alter des Tieres ihre Wirkung. Das Tierschutzgesetz verlangt jedoch einen
artgerechten Gebrauch aller Organe und Organsysteme. Im Abschnitt 1.3.8 ist der Artgemäße
Gebrauch erläutert:
1.3.8
Organe und Organsysteme und Körperteile eines Individuums haben bestimmte, genetisch
festgelegte, für die Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit notwendige Funktionen zu erfüllen.
Der artgemäße Gebrauch ist dann nicht gegeben, wenn eine dieser Funktionen durch
züchterische Einflussnahme nicht mehr ausreichend erfüllt oder ausgeführt werden kann.
Dies gilt besonders für erbliche Beeinträchtigungen an Sinnesorganen. Auch negative
Veränderungen an Organen oder Körperteilen, die mit Zuchtmerkmalen im Zusammenhang
stehen, nicht aber mit den durch Zuchtziele beeinflussten Organen oder Körperteilen
identisch sind und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden einhergehen, fallen unter § 11b.
Gleiches gilt für negative Verhaltensänderungen von Tieren, sofern diese durch Zucht bedingt
sind.
Des weiteren geht das Gutachten jetzt auf Einzelheiten problematischer Zuchtziele ein. Wir
verzichten an dieser Stelle auf den Wortlaut und geben nur eine tabellarische Übersicht
darüber, was unter Qualzucht nach dem Gutachten zu verstehen ist.
Rasse
Manx, Cymric
Merkmale
Zucht
(Leitsymptome)
(Verbot bei Verstoß nach § 11b des
Tierschutzgesetzes)
Verbot
Kurzschwanzigkeit bzw.
Schwanzlosigkeit (Verkürzung
des Schwanzes bis hin zur
Stummelschwänzigkeit oder
völligen Schwanzlosigkeit)
Türkisch Angora,
Farbaufhellungen des Felles
Perser, Foreign White, und der Iris (weißes, bzw,
Orientalisch Kurzhaar, vorwiegend weißes Fell,
Verbot für Tiere, deren weiße
Fellfarbe durch das Gen W
determiniert ist
Russian White, VanKatze u.a.
variable Augenfarbe)
Scottish Fold,
Highland Fold,
Pudelkatze
Rex Katzen (Devon-,
Cornish-, German Rex
u.a.) Sphinx
Anomalien des äußeren Ohres
(Ohrmuscheln nach vorne
abgeknickt)
Anomalien / Abweichungen des Verbot für Tiere, bei denen die
Haarkleides (gestörtes
Tasthaare fehlen
Haarwachstum bis hin zur
nahezu völligen Haarlosigkeit,
Verkürzung bzw. Fehlen der
Tasthaare)
Polydaktelie (überzählige Zehen Verbot
an den Pfoten)
Verbot für Tiere mit Hör- oder
Sehstörungen
Verbot
diverse und Maine
Coon,
"Superscratcher"
Perser Katzen, Exotic Brachyzephalie, großer,
Shorthair u.a.
rundlicher Kopf, kräftige
Backenpartie, kurze breite
Nase, ausgeprägter Stop
gehäuft bei
brachyzephalen
Rassen (z.B. Perser)
Verbot für extrem kurznasige Tiere
= oberer Rand des Nasenspiegels
liegt über dem unteren Augenlidrand
Verbot für brachyzephale Katzen mit
Geburtsstörungen oder Anomalien
im Bereich des Gesichtsschädels
(Oberkieferverkürzung, Verengung
der Tränennasenkanäle oder / und
der oberen Atemwege etc)
Entropium (einwärtsdrehen des Verbot
Augenlidrandes)
Ein Gutachten ist kein Gesetz. Dieses Gutachten lag aber bereits im Entwurf bei den
Gesetzesgebern des Tierschutzgesetzes vor. Die Züchter sind gehalten sich nach diesem
Gutachten zu richten. Ein Richter wird es bei möglichen bei Verstößen gegen das
Tierschutzgesetz nicht unbeachtet lassen können und bei seiner Urteilsfindung auf dieses
Gutachten zurückgreifen!
Das Gutachten kann kostenlos bezogen werden beim:
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Referat für Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 140270
53107 Bonn
Fax: 0228 529-4424
Internet: http://www.bml.de/service/bestellformular.htm
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