Aus der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin (Gf. Direktor Univ.- Prof. Dr. med. Holger N. Lode) der Universitätsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Aktive Immunisierung mit GD2-Peptidmimotopen und anti-Idiotypen zur Immuntherapie beim Neuroblastom Inaugural - Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) der Universitätsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vorgelegt von: Matthias Bleeke geb. am: 19.11.1980 in: Bremen Dekan: Prof. Dr. med. dent. Reiner Biffar 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Holger N. Lode 2. Gutachter: PD Dr. rer. nat. Alexander Schramm, Univ.-Klinikum Essen Ort, Raum: Seminarraum der Kinderklinik, P01.37 Tag der Disputation: 23. Oktober 2013 ii Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................................................... iv 1. Einleitung.............................................................................................................................. 1 1.1. Das Neuroblastom ......................................................................................................... 1 1.2. Das Disialogangliosid GD2 ............................................................................................ 2 1.3. GD2-gerichtete Immuntherapie beim Neuroblastom ..................................................... 3 2. Methoden ............................................................................................................................. 9 2.1. Generierung und Charakterisierung von GD2-Peptidmimotopen .................................. 9 2.2. Optimierung der GD2-Peptidmimotope ......................................................................... 9 2.3. Herstellung von DNA- und Peptidimpfstoffen .............................................................. 10 2.4. Testung der Mimotop-Vakzine in vivo ......................................................................... 10 2.5. Generierung und Charakterisierung eines neues GD2-Anti-Idiotypen ........................ 12 2.6. Impfung mit Ganglidiomab im Tiermodell .................................................................... 13 3. Ergebnisse ......................................................................................................................... 14 3.1. Charakterisierung von GD2-Peptidmimotopen ............................................................. 14 3.2. Affinitätssteigerung durch optimierte Peptidmimotope ................................................ 15 3.3. Nachweis der Wirksamkeit von Peptidmimotop-Vakzinen in vivo ............................... 15 3.4. Generierung und Charakterisierung von Ganglidiomab .............................................. 16 3.5. Induktion einer GD2-spezifischen Immunantwort durch Ganglidiomab ....................... 17 4. Diskussion .......................................................................................................................... 17 4.1. Anti-Idiotypen als Impfstoff bei Tumorerkrankungen ................................................... 18 4.2. Weitere tumorassoziierte Antigene zur aktiven Immunisierung beim Neuroblastom .. 18 4.3. „Tumor Immunoediting“ als Hürde für eine erfolgreiche Immunisierung ..................... 20 4.4. Induktion von protektiver Immunität vs. Immuntoleranz .............................................. 22 4.5. Peptid- vs. DNA-basierte Impfstoffe ............................................................................ 23 4.6. Potentielle Nebenwirkungen einer aktiven GD2-gerichteten Impfung ......................... 24 5. Literatur .............................................................................................................................. 26 5.1. Eigene Publikationen ................................................................................................... 26 5.2. Ergänzende Literatur ................................................................................................... 26 6. Zusammenfassung ............................................................................................................. 35 7. Danksagung ....................................................................................................................... 36 8. Eidesstattliche Erklärung .................................................................................................... 37 9. Anteilserklärung.................................................................................................................. 38 10. Lebenslauf ........................................................................................................................ 39 11. Anhang ............................................................................................................................. 40 iii Vorwort Die vorliegende kumulative Dissertationsarbeit beschreibt präklinische Ansätze zur GD2gerichteten aktiven Immunisierung beim Neuroblastom durch Verwendung von MimotopImpfstoffen und anti-Idiotypen. Die eigenen Beiträge sind in drei publizierten Originalarbeiten dokumentiert. Im Text sind Verweise auf diese Publikationen durch eckige Klammern und Unterstreichung, z.B. [Bleeke, 2009], hervorgehoben. Zitate von Publikationen anderer Autoren sind durch eckige Klammern ohne Unterstreichung, z.B. [Maris, 2007], markiert. Diese Schrift stellt eine Zusammenfassung der geleisteten Arbeiten dar. Für die ausführliche Darstellung insbesondere von Methoden und Ergebnissen wird auf die im Anhang angefügten Originalarbeiten verwiesen. iv 1. Einleitung 1.1. Das Neuroblastom Das Neuroblastom ist mit einem Anteil von 7,2 % unter allen pädiatrischen Neoplasien der häufigste solide, extrakranielle Tumor im Kindesalter [Deutsches Kinderkrebsregister, 2010]. Die Erkrankung manifestiert sich typischerweise im Säuglings- und Kleinkindalter mit einem Inzidenzgipfel im 1. Lebensjahr. Die dem neuroektodermalen Gewebe der Neuralleiste entstammenden Tumoren wachsen häufig ausgehend von den Nebennieren oder den abdominalen oder thorakalen Grenzstrangganglien, können jedoch in sämtlichen sympathischen Geweben entstehen. Entsprechend vielfältig sind die Symptome der Erkrankung: Sie reichen vom symptomlosen Zufallsbefund bei der Abdomenpalpation über neurologische Ausfälle wie ein Horner-Syndrom bei zervikaler Lokalisation oder eine Querschnittssymptomatik bei Myelonkompression durch nach intraspinal wachsende Tumoren bis zu Knochen- und Gelenkschmerzen durch eine Knochenmarksmetastasierung. Paraneoplastische Syndrome sind selten und können in Form von wässriger Diarrhoe durch eine tumorbedingte Sekretion von Vasoaktivem Intestinalen Peptid (VIP) oder als Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom mit unwillkürlichen Augenbewegungen, Ataxie und Myoklonien auftreten. Aufgrund der unspezifischen klinischen Symptomatik erfolgt die Diagnosestellung in mehr als 50 % der Fälle erst in fortgeschrittenen, metastasierten Stadien [Maris, 2007]. Ein Screening im Säuglingsalter zur frühzeitigen Diagnose eines Neuroblastoms durch Bestimmung der Katecholaminmetabolite Homovanillinsäure und Vanillinmandelsäure im Urin, den wichtigsten laborchemischen Tumormarkern für das Neuroblastom, führte zwar zu einem Anstieg der Inzidenz aller Neuroblastomerkrankungen, die Prognose insbesondere für Hochrisiko-Patienten besserte sich jedoch nicht. Die Screening-Programme wurden daher eingestellt [Schilling, 2002]. Der natürliche Verlauf der Erkrankung reicht vom rasch progredienten, in Knochenmark, Knochen und Leber metastasierenden Tumor über Differenzierung zu weniger aggressiven Entitäten wie dem Ganglioneuroblastom oder Ganglioneurom, bis zur spontanen Regression. Einen Sonderstatus nehmen die in Haut, Leber und/oder Knochenmark metastasierten Tumoren bei Säuglingen ein, welche eine hohe Tendenz zur spontanen Regression aufweisen [Maris, 2007]. Die große Variabilität im klinischen Verlauf und die damit verbundene Gefahr einer Überbzw. Untertherapie differenzierter des Modelle zur einzelnen Neuroblastompatienten Risikostratifizierung. Die 2009 führte zur Entwicklung vorgestellte International Neuroblastoma Risk Group- (INRG-) Klassifikation berücksichtigt neben dem Ausmaß von Primärtumor und Metastasierung, histopathologischem Grading und Befunden der bildgebenden Diagnostik (Image Defined Risk Factors, IDRFs) auch das Alter des Patienten 1 bei Diagnosestellung und molekularbiologische Veränderungen der Tumorzellen wie die Amplifikation des proto-Onkogens n-myc, chromosomale Aberrationen wie Deletionen im langen Arm des Chromosom 1 (del1q36) und die Ploidie der Tumorzellen [Cohn, 2009]. Abhängig vom individuellen Risiko des Patienten reicht die Behandlung von engmaschigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen ohne spezifische Therapie bei niedrigem Risiko und hoher Regressionswahrscheinlichkeit über eine moderate Chemotherapie bei intermediärem Risiko bis zur Hochrisiko-Therapie mit Tumorchirurgie, Polychemotherapie, Radiotherapie, myeloablativer Radionuklidtherapie Megatherapie mit mit 131 Jod-MIBG anschließendem (Metajodbenzylguanidin), autologem Stammzellrescue und Differenzierungstherapie mit 13-cis-Retinsäure [Matthay, 1999; Hero, 2008]. Obwohl die Gesamtüberlebensrate für alle Neuroblastompatienten durch Anpassung der Therapieregime an das individuelle Risiko bei über 80 % liegt, ist die Prognose für Hochrisiko-Patienten mit einer Überlebensrate von etwa 40 % noch immer schlecht [Berthold, 2003; Matthay, 2009]. Die Entwicklung neuer Therapiemodalitäten zur Verbesserung der Prognose von Hochrisiko-Neuroblastompatienten ist daher eines der bedeutsamsten Forschungsziele auf dem Gebiet der pädiatrischen Onkologie. Die GD2gerichtete Immuntherapie stellt dabei einen vielversprechenden Ansatz dar. 1.2. Das Disialogangliosid GD2 Ganglioside sind komplexe Glykosphingolipide, welche sich in gesundem Gewebe vor allem im zentralen Nervensystem finden und dort bis zu 6 % aller Phospholipide ausmachen. Sie bestehen aus einem Ceramidgerüst, einer unterschiedlichen Anzahl an Oligosaccharidresten, N-Acetylneuraminsäure (Sialinsäure) und langkettigen Fettsäuren. Abhängig von der Anzahl der vorhandenen Sialinsäurereste werden Mono-, Di-, Tri- und Quatrosialoganglioside unterschieden. Die Ganglioside sind Bestandteil der äußeren Zellmembran, wobei die langkettigen Fettsäuren das Glykolipid in der Zellmembran verankern während die Saccharid- und Sialinsäurereste in den Extrazellulärraum weisen. Während der neuronalen Entwicklung lassen sich erhebliche Veränderungen im Expressionsprofil der Ganglioside beobachten. So finden sich im embryonalen Gehirn wie auch auf neuronalen Stammzellen vornehmlich einfache Ganglioside wie GM3, während in späteren Entwicklungsphasen komplexe Ganglioside wie GM1 oder GD1b überwiegen [Yu, 2012]. Im Allgemeinen sind die Ganglioside beteiligt an interzellulärem Kontakt, Adhäsion und Signaltransduktion [Cheresh, 1986; Allende, 2002], die biologische Funktion der einzelnen Ganglioside ist jedoch bislang nicht vollständig bekannt. Eine wichtige Rolle scheinen die Ganglioside jedoch beim Erhalt neuronaler Strukturen zu spielen. Im Tierexperiment führt die Störung der Gangliosidbiosynthese durch knock-out spezifischer Glykosyltransferasen beispielsweise zu Myelinisierungsstörungen und axonaler 2 Degeneration sensorischer und motorischer Nerven bei fehlender GM2/GD2-Synthase [Sheikh, 1999; Sugiura, 2005] oder funktionalen Veränderungen an der neuromuskulären Synapse bei zusätzlichem Fehlen der GD3-Synthase [Zitman, 2008]. Es bleibt jedoch fraglich, ob diese beobachteten Störungen durch das Fehlen der jeweiligen Ganglioside zu erklären ist oder ob insbesondere die degenerativen Veränderungen Folge einer unphysiologischen Anreicherung von Gangliosid-Vorstufen im Sinne einer Gangliosidose sind. Das Disialogangliosid GD2 wird in hohem Maße von Tumoren der Neuralleiste wie dem Neuroblastom und dem Melanom sowie in geringerem Maße von Weichteilsarkomen und dem kleinzelligen Lungenkarzinom exprimiert [Schulz, 1984]. In gesundem Gewebe findet sich GD2 auf Oligodendrozyten und Myelinscheiden des zentralen Nervensystems sowie auf peripheren sensorischen Nerven und Melanozyten [Svennerholm, 1994; Marconi, 2005]. GD2 wurde zudem als Oberflächenmarker für mesenchymale Stromazellen im Knochenmark [Martinez, 2007] und Tumorstammzellen des Mamma-Karzinoms [Battula, 2012] beschrieben. Im Rahmen der Tumorgenese fungieren Disialoganglioside wie GD2 als Rezeptor für Proteine der Extrazellulärmatrix wie z.B. Fibronectin und Integrine und fördern so Tumorwachstum und Metastasierung [Cheresh, 1986]. Zudem haben sie immunsuppressive Wirkung auf Lymphozyten und antigenpräsentierende Zellen und helfen bei der tumor immune evasion [Potapenko, 2007]. Die bei pädiatrischen Patienten nahezu exklusive Expression von GD2 als tumorassoziiertem Antigen (TAA) auf Neuroblastomzellen macht GD2 nicht nur zu einem wertvollen diagnostischen Marker, z.B. bei der Detektion von minimaler Resterkrankung (minimal residual disease, MRD), sondern bildet zudem die Grundlage zur Entwicklung spezifischer, GD2-gerichteter Therapieoptionen für Neuroblastompatienten. 1.3. GD2-gerichtete Immuntherapie beim Neuroblastom Passive Immunisierung „Passive Immunisierung“ beschreibt die Applikation präformierter, gegen tumorassoziierte Antigene gerichtete immunologische Mediatoren wie monoklonale Antikörper (mAb) oder adoptiv transferierte Effektorzellen. Passive Immunisierung durch GD2-spezifische monoklonale Antikörper Die passive Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern ist bereits fester Bestandteil der Therapie verschiedener Tumorentitäten. Zu den etablierten monoklonalen Antikörpern gehören Trastuzumab (anti-Her2/neu) beim Mamma-Karzinom, Rituximab (anti-CD20) beim B-Zell-Lymphom oder Cetuximab (anti-EGFR) beim kolorektalen Karzinom. Ihre Wirkung 3 entfalten die Antikörper durch direkte immunologisch vermittelte Zytotoxizität (Rituximab) oder durch Interferenz mit für das Tumorwachstum wichtigen Signalwegen (Trastuzumab, Cetuximab). Seit Beschreibung von GD2 als TAA für das Neuroblastom wurden eine Reihe monoklonaler Antikörper gegen das Disialogangliosid entwickelt und erfolgreich im Rahmen klinischer Studien bei Neuroblastompatienten eingesetzt. 1992 berichteten Handgretinger et al. über den Einsatz des GD2-spezifischen murinen (IgG2-)Antikörper 14G2a bei 9 Patienten mit metastasiertem Neuroblastom im Rahmen einer Phase I-Studie [Handgretinger, 1992]. Zwar zeigte ein Teil der Patienten ein Ansprechen auf die Immuntherapie im Sinne einer Remission, jedoch bildeten alle 9 Patienten während der Therapie eine humorale Immunantwort gegen das murine Immunglobulin (humane anti-Maus-IgG, HAMA). Durch den Austausch des murinen gegen ein humanes Fc-Fragment unter Beibehaltung des murinen Fab-Fragments wurde die weniger immunogene chimäre Variante ch14.18 entwickelt und in klinischen Studien eingesetzt [Handgretinger, 1995; Yu, 1998]. Zwar zeigten Simon et al. eine geringere Rezidivrate von Hochrisikoneuroblastom-Patienten nach einer ch14.18Immuntherapie im Anschluss an die Erstlinien-Therapie mit einer Gesamtüberlebensrate nach 9 Jahren von 46±4 % mit Immuntherapie gegenüber 35±6 % ohne Immuntherapie [Simon, 2011], allerdings trat die erhoffte deutliche Besserung der Prognose von HochrisikoPatienten zunächst nicht ein. Dies änderte sich nach Optimierung der Therapieprotokolle durch adjuvante Gabe von immunstimulatorischen Zytokinen. Die Wirkung des Antikörpers auf GD2-exprimierende Tumorzellen beruht überwiegend auf einer antikörperabhängigen zellulären Zytotoxizität (antibody dependent cellular cytotoxicity, ADCC). Im Neuroblastom-Mausmodell konnte durch Depletion von natürlichen Killerzellen die therapeutische Wirkung einer ch14.18-Therapie vollständig aufgehoben werden, was die Bedeutung dieser Zellpopulation für die Effektivität der Antikörpertherapie unterstreicht [Zeng, 2005]. Eine gezielte Expansion der ADCC-Effektorzellen konnte daher die Wirksamkeit der ch14.18-Immuntherapie deutlich verbessern. Die Children’s Oncology Group in den USA berichtete 2010 über eine randomisierte Studie mit HochrisikoNeuroblastompatienten, welche nach autologer Stammzelltransplantation entweder die Standard-Konsolidierungstherapie mit 13-cis-Retinsäure oder zusätzlich eine Immuntherapie mit ch14.18, GM-CSF (granulocyte macrophage colony-stimulating factor) und Interleukin-2 (IL-2) erhielten. Eine Interimsanalyse ergab ein ereignisfreies Überleben 2 Jahre nach Therapieende von 46±5 % für Patienten ohne gegenüber 66±5 % für Patienten mit Immuntherapie. Die Randomisierung wurde daraufhin vorzeitig beendet [Yu, 2010]. Ein weiterer GD2-spezifischer Antikörper, der murine Antikörper 3F8, zeigte ebenfalls in Kombination mit GM-CSF und 13-cis-Retinsäure einen ähnlichen Überlebensvorteil der auf diese Weise therapierten Neuroblastompatienten [Cheung, 2012]. 4 Die wesentlichen Nebenwirkungen der Immuntherapie mit GD2-Antikörpern und Zytokinen sind neuropathische Schmerzen durch eine Interaktion des Antikörpers mit GD2 auf sensorischen freien Nervenendigungen und ein Kapillarlecksyndrom mit Ausbildung von Ödemen und arterieller Hypotension im Rahmen der vor allem durch die Zytokingabe induzierten systemischen Inflammationsreaktion. Aktuelle Studien verfolgen daher das Ziel, die passive GD2-gerichtete Immuntherapie effektiver und verträglicher zu gestalten. In einer kürzlich an der Klinik für Kinder– und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Greifswald begonnenen multizentrischen Studie wird die Gabe von ch14.18 als Dauer- statt Bolusinfusion in Kombination mit subkutaner statt intravenöser Gabe von Interleukin-2 untersucht. Ziel ist, ein Therapieprotokoll zu etablieren, welches bei vergleichbarer Pharmakokinetik und Immunmodulation ein geringeres Nebenwirkungsprofil insbesondere hinsichtlich der bei Bolusinfusion von ch14.18 regelhaft auftretenden und morphinpflichtigen neuropathischen Schmerzen aufweist (EU Clinical Trials Register, EudraCT-Nummer 2009018077-31). Weitere Ansätze bestehen in der Modifizierung des Antikörpers wie der Humanisierung des chimären Antikörpers ch14.18 (hu14.18). Als „Immunzytokin“ im Verbund mit Interleukin-2 (hu14.18-IL2) ist eine gezielte Anreichung dieses Zytokins im Tumormilieu und die Reduktion systemischer IL-2 bezogener Nebenwirkungen möglich. Auch hu14.18-IL2 wurde bereits im Rahmen klinischer Studien bei Neuroblastompatienten eingesetzt [Shusterman, 2010]. Passive Immunisierung durch adoptiven Zelltransfer Der adoptive Transfer GD2-spezifischer T-Zellen stellt einen weiteren Ansatz zur passiven Immunisierung beim fortgeschrittenen Neuroblastom dar. Autologe T-Zellen können ex vivo durch genetisches Engineering zur Expression GD2-spezifischer chimärer Antigenrezeptoren (chimeric antigen receptors, CARs) modifiziert werden. Diese bestehen aus einer dem ch14.18 entsprechenden, nach extrazellulär weisenden antigenbindenen Domäne sowie der intrazellulären ζ-Kette des T-Zell-Rezeptors und verbinden so die Spezifität des Antikörpers mit der Zytotoxizität einer T-Zelle [Rossig, 2001]. Die Selektion EBV-spezifischer T-Zellen ermöglicht dabei die Nutzung einer vorbestehenden EBV-Infektion als für die Zellproliferation notwendiges endogenes Ko-Stimulans, erreicht eine verlängerte Persistenz der modifizierten Lymphozyten in vivo [Pule, 2008] und führt zu einem längeren Überleben der so behandelten Patienten [Louis, 2011]. Während die passive Immunisierung mit GD2-gerichteten monoklonalen Antikörpern als etablierter Bestandteil der Therapie fortgeschrittener Neuroblastomerkrankungen betrachtet werden kann, beschränken sich die Ansätze zum adoptiven Zelltransfer noch größtenteils auf präklinische Studien und ein breiter Einsatz dieser Therapien findet, auch aufgrund des hierzu erforderlichen erheblichen technischen Aufwands, aktuell noch nicht statt. 5 Aktive Immunisierung Ziel der aktiven Immunisierung ist die Erzeugung einer gegen tumorassoziierte Antigene gerichteten humoralen und/oder zellulären Immunität. Die aktive Immunisierung weist gegenüber der passiven Immunisierung, z.B. mit monoklonalen Antikörpern, einige Vorteile auf. Hierzu zählen antigenspezifischer die Erzeugung Memory-B- und einer dauerhaften T-Zellen, ein Immunität geringeres durch Risiko Induktion der Induktion neutralisierender Antikörper, das Ausbleiben akuter antikörperbezogener Nebenwirkungen durch hohe Spitzenspiegel (wie das Auftreten von Schmerzen während der Bolusinfusion von ch14.18) sowie schließlich geringere Therapiekosten. Dagegen steht das Risiko der Erzeugung von Autoimmunität durch eine Impfung gegen die in der Regel körpereigenen tumorassoziierten Antigene. Verschiedene Ansätze zur aktiven Immunisierung beim Neuroblastom erwiesen sich im Rahmen klinischer Studien bereits als wirksam bei der Induktion einer neuroblastomspezifischen Immunität. Die Immunisierungen können spezifisch für ein bestimmtes Antigen, z.B. GD2, erfolgen oder eine Mischung aus verschiedenen Tumorantigenen enthalten. Zum Letzteren zählt die ex vivo-Stimulation dendritischer Zellen und deren Beladung mit Tumorzelllysat [Chang, 2002] oder die Modifikation von Tumorzellen zur Expression lymphotaktisch wirkender Zytokine wie IL-2 [Russell, 2008]. Zu den GD2spezifischen Vakzinierungen gehören die Impfung mit Peptidmimotopen und die Immunisierung mit anti-Idiotypen. Aktive Immunisierung durch GD2-Peptidmimotope Als Glykolipid gehört GD2 zu den T-Zell-unabhängigen Antigenen [Mond, 1995] und seine immunologische Verarbeitung unterliegt nicht der proteasomalen Degradation und MHC(major histocompatibility complex) gebundener Antigenpräsentation. Immunisierungen von Melanom-Patienten mit dem Glykolipid GD2 im Verbund mit keyhole limpet hemocyanin (KLH) und dem Saponin QS-21 als Adjuvans erbrachten ein nur mäßiges humorales Ansprechen mit Bildung von anti-GD2-IgM bzw. –IgG bei lediglich 45 % der geimpften Patienten [Chapman, 2000]. Zudem ist die Herstellung bzw. Aufreinigung von Glykolipiden sehr aufwendig und kostenintensiv. Mimotope sind Peptidstrukturen, welche eine immunologische Ähnlichkeit (molecular mimikry) mit einem Nicht-Peptidantigen haben und über die Bildung kreuzreaktiver Antikörper eine Immunität gegen das Nicht-Peptidantigen erzeugen. Im Gegensatz zu Glykolipidantigenen unterliegen sie einer effektiveren immunologischen Prozessierung mit MHC-gebundener Präsentation und Aktivierung kostimulatorischer Signale über Rezeptoren wie CD40 oder Zytokine (Abb. 1). Die Verwendung von Peptidmimotopen als SurrogatAntigen ist somit ein eleganter Weg, die geringe Immunogenität von Glykolipid-Antigenen zu 6 umgehen und eine wirksame Vakzinierung zu erzielen. Dies konnte in präklinischen Studien bereits für mehrere Glykolipidantigene, wie z.B. das mit dem Mamma-Karzinom assoziierte Lewis Y [Kieber-Emmons, 1999], das N-Acetylglucosamin (GlcNAc) [Monzavi-Karbassi, 2004] und das High-Molecular-Weight Melanoma-Associated-Antigen (HMW-MAA) [Riemer, 2005] gezeigt werden. Für das Disialogangliosid GD2 wurden bereits Peptidmimotope durch Screening von Dekabzw. 15mer-Peptide exprimierenden Phagenbibliotheken mit anti-GD2-Antikörpern identifiziert [Förster-Waldl, 2004; Bolesta, 2005] und erwiesen sich als wirksam bei der Induktion GD2-spezifischer Antikörper [Riemer, 2006, Bolesta 2005]. Mimotop BCR CD 40L CD 40 B-Lymphozyt TCR MHC-II CD 4 T-Lymphozyt IL-4 Abb. 1: T-Zellabhängige Aktivierung von B-Zellen durch Peptidmimotope. Im Gegensatz zu Glykolipidantigenen werden Peptidantigene nach Bindung an spezifische BZell-Rezeptoren (BCR) durch die B-Zelle prozessiert und MHC-II-gebunden präsentiert. Die Bindung spezifischer T-Zellrezeptoren (TCR) an den Mimotop-MHC-II-Komplex und die Bereitstellung kostimulatorischer Signale wie die Bindung von CD40-Ligand (CD40L) an CD40 oder die Sekretion von Zytokinen, z.B. Interleukin-4 (IL-4), bewirkt die effiziente Aktivierung der B-Zelle und Differenzierung in antikörpersezernierende Plasmazellen und Gedächtnis-B-Zellen. Aktive Immunisierung durch anti-Idiotypen Der dänische Mediziner Niels Kaj Jerne, der für seine Arbeiten zu Aufbau und Steuerung des Immunsystems 1984 den Nobelpreis für Medizin erhielt, vermutete bereits in den 1970er Jahren in seiner „Netzwerktheorie des Immunsystems“, dass die antigenbindende variable Region eines Antikörpers (Ab’1) als Epitop zur Bildung eines gegen diese antigenbindende Region gerichteten anti-Idiotypen-Antikörpers (Ab’2) dienen kann. Das Paratop des antiIdiotypen bzw. Ab’2 besitzt also eine immunologische „Ähnlichkeit“ mit dem nominalen Antigen und kann wiederum die Bildung eines anti-anti-Idiotypen-Antikörpers (Ab’3) induzieren. Dieser weist die gleiche Antigenspezifität wie Ab’1 auf [Jerne, 1974]. Der Ab’2 7 wirkt also wie ein endogenes Vakzin und führt zur Induktion einer entsprechenden humoralen Immunität (Abb. 2). Bei Hochrisiko-Neuroblastompatienten, die mit dem murinen GD2-spezifischen Antikörper 3F8 behandelt wurden, konnte in einem Teil der Fälle die Induktion von anti-Idiotypen und auch GD2-spezifischem Ab’3 nachgewiesen werden. Interessanterweise war die Entstehung von anti-Idiotypen und Ab’3 mit einem signifikant besseren Langzeit-Überleben der behandelten Patienten assoziiert, während die Bildung von humanen anti-Maus-Antikörpern (HAMA) ohne Eigenschaften von anti-Idiotypen keinen Einfluss auf das Überleben der Patienten hatte [Cheung, 2000]. Abb. 2: Theorie des anti-Idiotypen-Netzwerks am Beispiel von GD2-anti-Idiotypen. Die Immunisierung mit dem neuroblastomassoziierten Antigen GD2 führt zur Ausbildung einer humoralen Immunität durch Induktion GD2-spezifischer Antikörper (Ab‘1). Die variable Region (VR) des GD2-Antikörpers dient als Epitop zur Bildung von anti-Idiotypen (Ab‘2). Diese beinhalten in ihrer variablen Region ein internes Abbild der GD2-bindenden variablen Region des Ab‘1. Eine Immunisierung gegen die variable Region des anti-Idiotypen erzeugt wiederum anti-anti-Idiotypen (Ab‘3), welche wie Ab‘1 GD2-spezifisch sind. Die vorliegende Arbeit beschreibt die Charakterisierung sowie Optimierung von GD2Peptidmimotopen sowie die Generierung eines neuen GD2-anti-Idiotypen zur aktiven Immuntherapie des Neuroblastoms. 8 2. Methoden 2.1. Generierung und Charakterisierung von GD2-Peptidmimotopen Die Identifizierung geeigneter GD2-Peptidmimitope erfolgte in Kooperation mit der Arbeitsgruppe um Frau Prof. Jensen-Jarolim in Wien. Hierfür wurde eine auf dem filamentösen Phagen M13 basierende, zirkuläre Dekapeptide exprimierende Phagenbibliothek [Mazzucchelli, 1999] eingesetzt, die durch Screening mit dem GD2spezifischen Antikörper ch14.18 auf die Expression von Peptiden mit GD2-Mimikry geprüft wurde. Nach Isolierung und Sequenzierung positiv getesteter Klone konnten 13 Peptide identifiziert werden, die den GD2-Antikörper ch14.18 binden [Förster-Waldl, 2005]. Zwei dieser Peptide mit hoher Spezifität und guter GD2-Mimikry wurden zur weiteren Charakterisierung ausgewählt: Das Peptid „MD“ (Aminosäuresequenz c-DGGWLSKGSW-c) und das Peptid „MA“ (Aminosäuresequenz c-GRLKMVPDLE-c). Über die endständigen Cysteinreste dieser Peptide erfolgt die Ausbildung von Disulfidbrücken, um eine zirkuläre Tertiärstruktur der Peptide zu erhalten. Zur Beurteilung der Bindungsstärke zwischen den Mimotopen und GD2-spezifischen Antikörpern wurden anschließend die Dissoziationskonstanten (KD) bestimmt. Die KD zwischen löslichem Liganden (ch14.18, Konzentration 90 µM bis 1,4 µM) und immobilisiertem Rezeptor (Peptide MD bzw. MA) wurde nach dem Prinzip der Oberflächenplasmonresonanz (SPR) im System BiacoreX (BiaCore, Uppsala, Schweden) nach Standardprotokoll durchgeführt. Als Referenz diente ein nicht ch14.18-bindendes Peptid (Aminosäuresequenz SATPWDLKTSL). Die Auswertung erfolgte nach der Equilibrium-Methode in der Software BiaEvaluation 3.0 [Fest, 2006; Bleeke, 2009]. Zusätzlich wurde die Bindung zwischen ch14.18 und MA bzw. MD im Computermodell analysiert. Nach dreidimensionaler Modellierung der variablen Domäne von ch14.18 anhand passender „Schablonen“-Strukturen aus der Protein Data Base (PDB) (Struktur 1f3d für die variable schwere Kette und Struktur 1jgu für die variable leichte Kette) [Berman, 2000] sowie Strukturen aus der Loops-in-Proteins (LIP)-Datenbank [Michalsky, 2003] wurden computergestützte Docking-Versuche mit Hilfe des Programms GRAMM [Tovigrechko, 2005] mit Modellen der Mimotope MA und MD durchgeführt. Die Bindungsstärke wurde anhand der berechneten freien Bindungsenergie zwischen Mimotop und ch14.18 bestimmt [Fest, 2006]. 2.2. Optimierung der GD2-Peptidmimotope Zur Verbesserung der ch14.18-Affinität von MA und MD wurden beide Peptidsequenzen einer gezielten Mutationsanalyse unterzogen. Hierzu wurde jede einzelne Aminosäure der Peptidsequenzen gegen jede der 19 übrigen natürlich vorkommenden Aminosäuren ausgetauscht. Die entsprechenden Peptidarrays wurden computerunterstützt generiert und mit Hilfe eines semiautomatischen Pipettierroboters unter Verwendung von 9 Fluoromethoxycarbonyl (fmoc)-geschützen Aminosäureestern auf eine mit β-Alanin als Basis der Peptidsynthese beschichteten Zellulosemembran synthetisiert [Wenschuh, 2000]. Nach Abschluss der Synthese wurde die Bindung von ch14.18 an die einzelnen Peptid-Spots überprüft und die Mutationsanalyse mit den Peptiden mit der besten ch14.18-Bindung wiederholt. Nach Austausch von zwei Aminosäuren wurden schließlich zehn neu entstandene Peptide einer Affinitätsanalyse durch Bestimmung der KD im BiaCore-Assay unterzogen. Das Peptid mit der geringsten Dissoziationskonstante und damit höchsten Affinität zu ch14.18 (Peptid „C3“) wurde zur Erstellung einer Peptidvakzine ausgewählt [Bleeke, 2009]. 2.3. Herstellung von DNA- und Peptidimpfstoffen Mittels überlappender PCR wurden DNA-Sequenzen, welche für die Primärstruktur von MA bzw. MD kodieren, hergestellt, sequenziert und in den Expressionsvektor pSecTag2A (pSA, Fa. Invitrogen) kloniert. Der Vektor enthält zur Verbesserung der immunologischen Verarbeitung des Translationsproduktes den sekretorischen Signalteil der murinen Ig-κ-Kette sowie ein mit dem Mimotop durch einen flexiblen Glycin-Serin-Linker verbundenes T-ZellHelferepitop T1 des HIV1-gp120 als Stimulans zur Verbesserung der Bindung an MHC-1 und MHC-2 [Fest, 2006]. Die Funktion der DNA-Vakzine wurde zunächst durch Nachweis der Proteinexpression nach transienter Transfektion in Ovarienzellen des Chinesischen Hamsters (CHO-1) und Nachweis der im Expressionsvektor enthaltenen myc- und 6xhis-Sequenzen im Western-Blot überprüft. Die GD2-Mimikry des exprimierten Proteins wurde nach Blot der Zelllysate auf eine Nitrozellulosemembran durch Bindung des murinen anti-GD2-Antikörpers 14G2a analysiert. Zur oralen Applikation der Impfplasmide wurden diese durch Elektroporation in attenuierte Salmonella typhimurium (SL7207) transformiert. Die Peptidimpfstoffe wurden durch Konjugation der synthetisch hergestellten Mimotope MA, MD und C3 an keyhole limpet hemocyanin (KLH) als immunogenes Trägermolekül konjugiert und die Mimotop-KLH-Konjugate an Aluminiumhydroxid als Adjuvans adsorbiert [Fest, 2006; Bleeke, 2009]. 2.4. Testung der Mimotop-Vakzine in vivo Die Tierversuche wurden im gut etablierten syngenen, GD2-exprimierenden NXS2Mausmodell [Lode, 1997] in A/J-Mäusen sowie nach den Vorgaben des Deutschen Tierschutzgesetzes in der Tierexperimentellen Einrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Campus Virchow Klinikum, durchgeführt. 10 Die DNA-Vakzine wurden als insgesamt drei intraösophageale Gaben von 1 x 108 mit Impfplasmid transformierten SL7207 im Abstand von 2 Wochen verabreicht. Nach oraler Gabe gelangen die Bakterien über die Darmwand in Kontakt mit der großen immunologisch aktiven Fläche des mucosa-assoziierten lymphatischen Gewebes (MALT), werden in den Peyer’schen Plaques von antigenpräsentierenden Zellen (APC) aufgenommen und bewirken durch die auf der Bakterienwand lokalisierten Lipopolysaccharide über den Toll-like Rezeptor (TLR) 4 eine effiziente Aktivierung der APC. Die auxotrophen Salmonella typhimurium SL7207 sind aufgrund einer Mutation des Gens für Aromatase (aroA) auf die exogene Zufuhr von Paraaminobenzoesäure angewiesen, welche in Säugerorganismen nur in geringen Mengen vorkommt. Aus diesem Grund sind die Bakterien nach Phagozytose nicht replikationsfähig, sterben innerhalb der Phagosomen ab und setzen das Impfplasmid frei, welches dann zur Transkription zur Verfügung steht [Darji, 1997] (Abb. 3). Impfplasmid Salmonella typhimurium SL 7207 Phagosom ER Proteasom B A Nukleus MHC-II Abb. 3: Orale DNA-Vakzinierung durch attenuierte Salmonella typhimurium. Nach Invasion des Darmepithels werden die mit Impfplasmid transduzierten Salmonellen von antigenpräsentierenden Zellen innerhalb der Peyer-Plaques phagozytiert und gehen innerhalb der Phagosomen zugrunde. Das Impfplasmid wird in das Zytosol freigesetzt und innerhalb des Nukleus transkribiert. Das im endoplasmatischen Retikulum (ER) synthetisierte Genprodukt kann nach proteasomaler Prozessierung MHC-gebunden präsentiert (A) oder durch entsprechende posttranslationale Modifikation, z.B. durch Expression sekretorischer Signale wie Igκ-Kette, in den Extrazellulärraum sezerniert werden (B). 11 Die Peptid-KLH-Konjugate wurden, adsorbiert an Aluminiumhydroxid, ebenfalls dreimal in 2wöchigem Abstand subkutan oder intraperitoneal (jeweils 10µg Peptid-KLH-Konjugat pro Injektion) injiziert. In einzelnen Versuchen wurde als zusätzlicher immunologischer Stimulus zur Peptid-KLH-Injektion eine orale Gabe von 1 x 108 Salmonella typhimurium (SL7207), welche mit dem (leeren) Expressionsvektor pSecTag2A transformiert waren, gegeben. Vor der ersten Impfung sowie im Verlauf des Tierversuchs wurden mehrfach Serumproben entnommen und im GD2-ELISA auf die Ausbildung GD2-gerichteter IgG-Antikörper untersucht. Die Immunisierungen wurden prophylaktisch durchgeführt. Zwei Wochen nach der letzten Impfung erfolgte die Applikation von syngenen, GD2-exprimierenden NXS2 Neuroblastomzellen, entweder als intravenöse Gabe von 1 x 105 NXS2 oder als subkutane Gabe von 2 x 106 NXS2. Nach subkutaner Tumorzellapplikation wurde das Wachstum des Primärtumors mittels Mikrokaliper-Messung verfolgt und die Tumoren 12-14 Tage nach Implantation chirurgisch in Narkose entfernt. Im weiteren Verlauf wurden die Tiere auf Anzeichen für das Vorliegen von Metastasen beobachtet. Zeigten sich Anzeichen für eine metastasierte Tumorerkrankung (wie reduziertes Aktivitätsniveau, rauhes Fell oder durch die rasierte Bauchhaut sichtbare Lebermetastasen), wurden die Tiere durch Asphyxie in einer CO2-Atmosphäre getötet und das Ausmaß der abdominalen Metastasierung bestimmt. Die Milzen der Tiere wurden entnommen und durchflusszytometrisch hinsichtlich der Anteile an CD4- bzw. CD8-positiven T-Lymphozyten und die Ausbildung der pro- bzw. antiinflammatorisch wirksamen Zytokine Tumornekrosefaktor (TNF)-α bzw. Interleukin-10 sowie durch ELISA auf die Bildung von Interferon-γ in Anwesenheit von bestrahlten NXS2Zellen untersucht. Die zytotoxische Aktivität von T- bzw. NK-Zellen wurde in einem 51 Chrom- Freisetzungsassay an NXS2 sowie an murinen Lymphomzellen (YAC-1) mit hoher Sensibilität für NK-Zell-vermittelte Lyse untersucht [Fest 2006; Bleeke, 2009]. 2.5. Generierung und Charakterisierung eines neues GD2-anti-Idiotypen Zur Generierung eines neuen GD2-anti-Idiotypen wurden Balb/c-Mäuse mit dem GD2Antikörper 14G2a immunisiert und auf die Ausbildung einer gegen 14G2a gerichteten humoralen Immunantwort getestet. Zur Erstellung einer anti-14G2a sezernierenden Hybridomzelllinie wurden die Milzzellen von serologisch positiv getesteten Tieren mit murinen Myelomzellen (SP2/0) fusioniert und über eine Limiting-Dilution-Klonierung weiter selektioniert. Hierbei wurde durch Screening mit dem humanisiertem GD2-Antikörper hu14.18 sichergestellt, dass das Screening auf Antikörper gegen die antigenbindende Region (complementarity defining region, CDR) der auf 14G2a basierenden Antikörperfamilie beschränkt ist. 12 Der so generierte Antikörper („Ganglidiomab“) wurde hinsichtlich typischer Eigenschaften von anti-Idiotypen charakterisiert. Im ELISA wurde die Bindung von Ganglidiomab an die GD2-Antikörper 14G2a, ch14.18 und hu14.18 sowie die Immunzytokine ch14.18-IL2 und hu14.18-IL2 sowie in einem zweiten Schritt die kompetitive Hemmung der Bindung zwischen dem Glykolipid GD2 und den o.g. GD2-Antikörpern nach Hinzugabe von Ganglidiomab untersucht. Da alle verwendeten GD2-Antikörper trotz struktureller Unterschiede in Fab- und Fc-Fragment die gleiche CDR aufweisen, konnte so die Spezifität von Ganglidiomab für die GD2-spezifische Bindungsstelle als wesentliche Eigenschaft eines anti-Idiotypen sichergestellt werden. Die weitere Charakterisierung bestand in der Bestimmung der KD zwischen Ganglidiomab und den o.g. GD2-Antikörpern nach dem Prinzip der Oberflächenplasmonresonanz im System BiaCoreX100. Dies erfolgte auch im Vergleich zum bereits etablierten murinen GD2-anti-Idiotypen 1A7. Die weitere Charakterisierung erfolgte durch den Nachweis einer kompetitiven Inhibition der Zytotoxizität einer humanen NK-Zelllinie (NK-92 scFv(ch14.18)-zeta), welche einen chimären, auf ch14.18 basierenden NK-Rezeptor exprimiert, gegenüber der GD2exprimierenden Neuroblastomzelllinie LAN-1 im 51 Chrom-Freisetzungsassay sowie durch molekulare Sequenzierung der variablen schweren und leichten Kette von Ganglidiomab nach PCR-Amplifikation mittels degenerierter Primer [Lode, 2013]. 2.6. Impfung mit Ganglidiomab im Tiermodell Die Tierversuche erfolgten an A/J-Mäusen (jeweils 7 Tiere pro Versuchsgruppe), welche entsprechend dem Deutschen Tierschutzgesetz in der Tierexperimentellen Einrichtung der Universitätsmedizin Greifswald gehalten wurden, vorgenommen. Nach Adsorption von Ganglidiomab an Aluminiumhydroxid (AlOH) erfolgte die intraperitoneale Injektion von jeweils 100 µg Ganglidiomab-AlOH bzw. Ganglidiomab bzw. AlOH insgesamt viermal in zweiwöchigem Abstand. Serum wurde vor der ersten und nach jeder weiteren Immunisierung entnommen und auf die Bildung GD2-spezifischer IgGAntikörper im GD2-ELISA untersucht. Die Bestimmung einer komplementabhängigen GD2-spezifischen Zytotoxizität (CDC) wurde mit Serum geimpfter Mäuse und syngenen NXS2-Neuroblastomzellen im nichtradioaktiven Calceinfreisetzungsassay antikörperabhängigen untersucht. zellulären Entsprechend Zytotoxizität erfolgte (ADCC) mit die den Bestimmung nach einer Versuchsende entnommenen Milzzellen und hitzeinaktiviertem Serum der Versuchstiere [Lode, 2013]. 13 3. Ergebnisse 3.1. Charakterisierung von GD2-Peptidmimotopen Die Bestimmung der Dissoziationskonstanten KD ergab für die Bindung von MA an ch14.18 eine KD von 12,3 µM und für die Bindung von MD an ch14.18 eine KD von 5,3 µM. MD zeigte sich damit als affiner gegenüber ch14.18 als MA. Die Interaktion zwischen den GD2-Peptidmimotopen MA bzw. MD und der variablen Kette des ch14.18 wurde zudem in computerassistierten Docking-Experimenten untersucht (Abb. 4). Für die Bindung von MA und MD wurde eine freie Bindungsenergie von -41,23 kJ/mol bzw. -48,06 kJ/mol berechnet. Die berechnete freie Bindungsenergie bei der Bindung des Glykolipids GD2 an ch14.18 lag bei -0,17 kJ/mol. Die Analyse der an der Bindung zwischen Mimotop und Antikörper beteiligten Aminosäuren ergab für die Peptidmimotope eine Übereinstimmung von acht potentiellen Bindungsstellen, welche sowohl auf der schweren als auch auf der leichten Kette des Antikörpers lokalisiert sind. Im Gegensatz hierzu befinden sich die mit GD2 interagierenden Bindungsstellen vorwiegend auf der leichten Kette des Antikörpers. Abb. 4: Computermodell der Bindung von Mimotopen an ch14.18 Anhand von Schablonenstrukturen wurde ein dreidimensionales Homologiemodell der variablen Regionen des GD2-Antikörpers ch14.18 generiert (blau) und die Bindung der GD2-Peptidmimotope MA (gelb) und MD (rot) untersucht. Mit freundlicher Unterstützung von Elke Michalsky und Ines Jäger. Die im Vergleich zu MA höhere Affinität von MD zu ch14.18 bestätigte sich in der Proteinexpressionsanalyse nach Transfektion des für MA bzw. MD kodierenden Impfplasmids (pSA-MA bzw. pSA-MD) in CHO-1-Zellen. Im Dot-Blot zeigte sich im Lysat von 14 pSA-MD transfizierten Zellen eine im Vergleich zu Lysat aus pSA-MA transfizierten Zellen eine höhere Bindung von anti-GD2 Antikörpern. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass die Peptide MA und MD im Sinne einer molekularen Mimikry den GD2-spezifischen Antikörper ch14.18 binden. Zudem zeigte sich eine in allen Experimenten nachweisbare im Vergleich zu MA höhere Affinität von MD zu ch14.18. Es konnte außerdem die erfolgreiche Transfektion und Translation der für MA und MD kodierenden Impfplasmide pSA-MA und pSA-MD nachgewiesen werden [Fest, 2006]. 3.2. Affinitätssteigerung durch optimierte Peptidmimotope Zur Optimierung der GD2-Peptidmimtope erfolgte eine Aminosäuresubstitutionsanalyse mit gezieltem Austausch jeder einzelnen Aminosäure der Mimotop-Dekapeptide gegen jede andere der 19 weiteren natürlichen Aminosäuren und nachfolgender Testung des so generierten Peptids auf Bindung von ch14.18. Die Peptide wurden in Form von Proteinarrays auf eine Cellulosemembran synthetisiert. Nach Austausch einer Aminosäure in der MASequenz (Austausch von Methionin gegen Leucin an Position 5) zeigte sich eine um den Faktor 23,5 höhere Bindung von ch14.18 durch das neue Peptid. Zur weiteren Verbesserung der Antikörperbindung wurde dieses Peptid einer weiteren Aminosäuresubstitutionsanalyse unterzogen. Nach Austausch von Lysin durch Histidin an Position 4 der Aminosäuresequenz zeigte sich ein weiterer Anstieg der anti-GD2-Bindung um den Faktor 1,6. Die höhere Affinität dieses zweifach veränderten Peptidmimotops (Peptidmimotop „C3“) zu ch14.18 konnte sowohl durch Bestimmung der Dissoziationskonstanten KD als auch nach Konjugation an KLH im Dot-Blot nachgewiesen werden. Es ist also gelungen, durch gezielte Veränderung der Aminosäuresequenz eines durch Phage-Display identifizierten Peptidmimotops dessen Affinität zum Antikörper zu erhöhen. 3.3. Nachweis der Wirksamkeit von Peptidmimotop-Vakzinen in vivo Die Peptidmimotope MA und MD wurden in Form von DNA- bzw. Peptidimpfstoffen als prophylaktische Vakzierung im gut etablierten syngenen NXS2-Neuroblastom-Mausmodell getestet. Während die mit DNA-Impfstoff behandelten Tiere eine deutliche Suppression der spontanen Lebermetastasierung von subkutan applizierten Tumoren zeigten, führte die intraperitoneale Impfung mit MA- bzw. MD-KLH-Konjugaten zunächst zu einer deutlich stärkeren Metastasierung. Wir führten dies auf das Fehlen eines suffizienten immunologischen Ko-Stimulans, wie es bei der DNA-Vakzinierung in Form unmethylierter CpG-Motive im Impfplasmid sowie Lipopolysaccharide (LPS) auf der Membran der als Impfvehikel genutzten attenuierten Salmonella typhimurium appliziert wird, zurück [Krieg, 1998]. 15 Durch Zugabe von mit dem pSA-Leervektor transformierten Salmonella typhimurium sowie Änderung der Applikationsroute auf subkutane Injektion des Mimotop-KLH-Konjugats konnte der protektive Effekt in Bezug auf die Ausbildung von Lebermetastasen wiederhergestellt werden. Ebenso kam es nach diesem Impfschema zu einem messbaren Anstieg des GD2spezifischen IgG im Serum geimpfter Tiere. Die Untersuchungen an den nach Versuchsende isolierten Milzzellen der geimpften Tiere ergaben einen deutlichen Anstieg sowohl der CD4+ als auch der CD8+ T-Lymphozyten mit erhöhter Produktion von TNFα und verminderter Produktion von IL-10. Dies legt eine eher Th1-gewichtete zelluläre Immunreaktion auf den Impfstoff nahe. Zudem fanden wir nach Mimotop-DNA-Impfung eine erhöhte Sekretion von IFN-γ sowie eine stärkere Lyse von YAC1-Zellen durch die Milzzellen geimpfter Tiere als Hinweis auf eine Beteiligung von NKZellen an der zellulären Immunantwort [Fest, 2006]. Das optimierte GD2-Peptidmimotop C3 wurde als Peptid-KLH-Konjugat ebenfalls im prophylaktischen Impfversuch getestet. Es zeigte sich ein im Vergleich zum ursprünglichen Mimotop MA vermindertes Wachstum der subkutanen Lokaltumoren sowie eine geringere Lebermetastasierung bei C3-KLH geimpften Tieren. Als Parameter des serologischen Impfansprechens zeigte sich ein deutlich höherer Anstieg der GD2-spezifischen IgG nach Impfung mit C3 im Vergleich zu MA mit einem Überwiegen von IgG-Subklasse IgG1 [Bleeke, 2009]. 3.4. Generierung und Charakterisierung von Ganglidiomab Die nach Impfung von Balb/c-Mäusen mit 14G2a isolierten und mit SP2/0-Zellen fusionierten Milzzellen zeigten im ELISA eine Sekretion von Antiköpern, welche sowohl ch14.18 als auch hu14.18 binden konnten. Im Rahmen einer Limiting-Dilution-Klonierung wurde nach insgesamt 5 Klonierungsschritten eine Hybridomzelllinie („Klon 17“) zur Produktion von GD2anti-Idiotypen der IgG-Subklasse IgG1 („Ganglidiomab“) selektiert. Im ELISA zeigte sich eine konzentrationsabhängige Bindung von Ganglidiomab an die GD2-Antikörper 14G2a, ch14.18, hu14.18, ch14.18-IL2 und hu14.18-IL2, nicht jedoch an Rituximab- oder IgGIsotypkontrollen. Im kompetitiven ELISA konnte eine ebenfalls konzentrationsabhängige Inhibition der Bindung von GD2 an die o.g. Antikörper durch Ganglidiomab nachgewiesen werden. Dies wiederum im Gegensatz zu Rituximab- und Isotypkontrollen. Entsprechend der erwarteten anti-Idiotypen-Eigenschaften von Ganglidiomab konnte durchflusszytometrisch eine konzentrationsabhängige Bindung von Ganglidiomab an NK92scFv(ch14.18)-zeta, nicht jedoch an native NK92, gezeigt werden. Diese Bindung konnte kompetitiv durch den GD2-anti-Idiotypen 1A7 teilweise, jedoch nicht vollständig inhibiert werden, was auf unterschiedliche Bindungstellen der beiden anti-Idiotypen an die variablen Regionen von ch14.18 hinweist. Außerdem konnten wir nachweisen, dass die Lyse von 16 GD2-positiven LAN-1 durch NK92-scFv(ch14.18)-zeta durch Zugabe von Ganglidiomab um bis zu 80% reduziert werden konnte. Die Amplifikation von framework- (FR) und complementarity determining regions (CDR) aus der kodierenden DNA von Ganglidiomab-Hybridomzellen ergab im Vergleich zu den entsprechenden Sequenzen des GD2-anti-Idiotypen 1A7 deutliche Unterschiede in DNAbzw. Proeinsequenz. Es handelt sich bei Ganglidiomab und 1A7 somit um zwei unterschiedliche GD2-anti-Idiotypen. Zusammenfassend konnte mit Ganglidiomab ein neuer monoklonaler Antikörper generiert werden, welcher die typischen Eigenschaften eines GD2-anti-Idiotypen besitzt [Lode, 2013]. 3.5. Induktion einer GD2-spezifischen Immunantwort durch Ganglidiomab Ganglidiomab wurde als Surrogat-Antigen zur Induktion einer GD2-spezifischen humoralen Immunantwort in A/J-Mäusen getestet. Nach intraperitonealer Injektion von Ganglidiomab mit oder ohne Aluminiumhydroxid als Adjuvans zeigten die geimpften Tiere einen signifikanten Anstieg GD2-spezifischer IgG im Verlauf. Die funktionale Aktivität dieser humoralen Immunreaktion konnte als komplementvermittelte Zytotoxizität (CDC) sowie antikörperabhängige Zytotoxizität (ADCC) an NXS2-Zellen nachgewiesen werden [Lode, 2013]. Mit Ganglidiomab steht daher ein neuer GD2-anti-Idiotyp zur aktiven GD2-gerichteten Immunisierung zur Verfügung. 4. Diskussion Die unverändert schlechte Prognose von Patienten mit fortgeschrittenem Neuroblastom unterstreicht die Dringlichkeit, neue Therapieoptionen für diese Patienten zu entwickeln. Die Immuntherapie stellt hier einen viel versprechenden Ansatz dar. Die passive Immunisierung mit anti-GD2-Antikörpern kann mittlerweile als etablierte Therapieform für HochrisikoNeuroblastompatienten betrachtet werden, wobei jedoch einige Nachteile wie das Ausbleiben eines dauerhaften immunologischen Schutzes und damit die Notwendigkeit repetitiver Antikörpergaben verbunden mit akuten antikörperbezogenen Nebenwirkungen und dem Risiko der Induktion einer gegen den Antikörper gerichteten humoralen Immunantwort bestehen. Diese Nachteile könnten durch die Entwicklung einer wirksamen und sicheren aktiven neuroblastomspezifischen Immunisierung überwunden werden. Die dieser Dissertation zugrunde liegenden Arbeiten beschreiben die Generierung, Charakterisierung und durch gezielten Aminosäurenaustausch erreichte Optimierung von GD2-Peptidmimotopen sowie deren erfolgreiche Anwendung als Vakzine in einem syngenen GD2-exprimierenden Neuroblastom-Mausmodell. Darüberhinaus wird die Generierung und Charakterisierung eines neuen GD2-anti-Idiotypen, Ganglidiomab, sowie dessen erfolgreiche 17 Anwendung als Impfung zur Induktion einer humoralen, GD2-gerichteten Immunität beschrieben. 4.1. Anti-Idiotypen als Impfstoff bei Tumorerkrankungen Die Generierung und Impfung von bzw. mit anti-Idiotypen gegen tumorassoziierte Antigene wurde bereits für eine Vielzahl onkologischer Erkrankungen im Rahmen klinischer Studien beschrieben. Beispiele sind das karzinoembryonale Antigen (CEA) beim kolorektalen Karzinom [Chong, 2006] und CA125 beim Ovarialkarzinom [Grisham, 2011]. Auch für die Anwendung von GD2-anti-Idiotypen konnten bereits klinische Erfahrungen gesammelt werden. Foon et al. publizierten 1998 eine Studie an 12 Melanompatienten, welche mit dem GD2-anti-Idiotypen 1A7 und dem Saponin QS-21 als Adjvans subkutan geimpft wurden. Alle geimpften Patienten bildeten Antikörper gegen 1A7, vornehmlich vom Subtyp IgG1, welche eine Kreuzreaktion mit GD2 zeigten. Klinisch zeigte ein Patient eine Komplettremission, sechs weitere eine stabile Erkrankung ohne Progredienz über einen Beobachtungszeitraum zwischen 9 und 23 Monaten [Foon, 1998]. In einer Folgestudie bildeten 40 von 47 Melanompatienten nach Impfung mit 1A7 und QS-21 GD2-reaktive Antikörper, klinisch zeigte ein Patient eine Remission und zwölf Patienten eine stabile Erkrankung über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 37 Monaten [Foon, 2000]. Die beobachteten Nebenwirkungen beschränkten sich auf kutane Lokalreaktionen an der Impfstelle sowie Fieber. Leider wurde die Weiterentwicklung von 1A7 (Produktname „TriGem“) als GD2-spezifischer Impfstoff seitdem nicht fortgeführt und der Antikörper ist aus patentrechtlichen Gründen nicht für die freie Forschung verfügbar. Mit Ganglidiomab steht nun ein neuer GD2-anti-Idiotyp zur Weiterführung dieses vielversprechenden Ansatzes insbesondere für Neuroblastompatienten zur Verfügung. 4.2. Weitere tumorassoziierte Antigene zur aktiven Immunisierung beim Neuroblastom Ansätze zur aktiven Immuntherapie des Neuroblastoms umfassen neben GD2 weitere neuroblastomspezifische Antigene. Es sind bereits erfolgreiche Immunisierungen gegen Tyrosinhydroxylase, das Schrittmacherenzym der Katecholaminbiosynthese, sowohl im murinen [Huebener, 2008] als auch im xenogenen humanen Mausmodell [Huebener, 2009] mit Induktion einer starken zellulären, neuroblastomgerichteten Immunität ohne Autoimmunität gelungen. Durch DNA-Vakzinierung gegen das inhibitor of apoptosis-Protein Survivin konnte ebenfalls eine starke zelluläre Immunantwort mit supprimiertem Tumorwachstum im syngenen A/J-Mausmodell erreicht werden [Fest, 2009]. In beiden Fällen gelang die Immunisierung durch DNA-Impfung mit Minigenen, welche nur für einen kleinen Teil des Gesamtproteins kodieren. Die Gefahr, durch die Impfung ein potentiell gefährliches Onkogen zu transferieren, besteht somit nicht. Durch Epitop-Vorhersagealgorithmen wie 18 SYFPEITHI oder BIMAS ist es außerdem möglich, diese Abschnitte gezielt nach ihrer Affinität zum MHC-1 auszuwählen und so eine optimale Präsentation des Antigens für CD8+ T-Lymphozyten zu ermöglichen [Rammensee, 1999]. Ein weiteres attraktives tumorassoziiertes Antigen ist das häufig in Hochrisiko- Neuroblastomen amplifizierte Onkogen n-myc. Eine erfolgreiche in vitro-Kultivierung n-mycspezifischer, zytotoxischer CD8+ T-Zellen durch Stimulation mit n-myc-Epitope wurde bereits beschrieben [Sarkar, 2000; Himoudi, 2008]. Ein DNA-Impfstoff, welcher n-myc-Epitope exprimiert, zeigte Wirksamkeit in einem n-myc überexprimierenden syngenen NeuroblastomMausmodell [Stermann, 2012]. Aktivierende Mutationen der Anaplastisches-Lymphom-Kinase ALK werden in ca. 8-10% der Neuroblastome gefunden, vor allem bei den seltenen familiären Formen. Die Therapie von ALK-positiven Neuroblastompatienten mit dem Kinaseinhibitor Crizotinib ist derzeit Gegenstand einer klinischen Phase I/II-Studie [National Cancer Institute (NCI), 2012]. Aufgrund seiner in gesundem Gewebe nur geringen Expression ist es jedoch auch für immuntherapeutische Ansätze durch passive [Carpenter, 2012] oder aktive Immunisierung [Chiarle, 2008] interessant. Das Preferentially Expressed Antigen in Melanoma (PRAME) gehört zu den Tumor-HodenAntigenen (cancer-testis antigens) und wird von einer Reihe maligner Erkrankungen wie dem Melanom, Prostatakarzinom oder Nierenzellkarzinom sowie im gesundem Gewebe der Hoden exprimiert. Beim Neuroblastom findet sich eine nahezu regelhafte Expression, die mit einer schlechten Prognose assoziiert ist [Oberthuer, 2004]. Als tumorassoziiertes Antigen ist es daher ebenfalls Kandidat für eine PRAME-gerichtete Immuntherapie. In einer Phase-IStudie wurde ein aus PRAME-Epitopen bestehender Minigen-DNA- bzw. Peptid-Impfstoff bereits bei Patienten mit Melanom, Protatakarzinom und Nierenzellkarzinom eingesetzt und bewirkte eine Induktion sowie anhaltende Persistenz PRAME-spezifischer T-Zellen [Weber, 2011]. Die Antigene GD2, Tyrosinhydroxylase, Survivin, n-myc, ALK und PRAME sind nur einige Beispiele bekannter tumorassoziierter Antigene beim Neuroblastom. Die Vielfalt an potentiellen Zielen einer aktiven Immunisierung für Neuroblastompatienten wird es in Zukunft ermöglichen, Impfstoffe durch Kombination verschiedener Epitope auf das biologische bzw. zytogenetische Profil der Tumoren einzelner Patienten abzustimmen und sp die Therapie individueller zu gestalten. Dies vermindert nicht nur das Risiko einer immune escape des Tumors durch reduzierte Expression einzelner Antigene sondern minimiert auch die mit der Therapie assoziierten Risiken und Nebenwirkungen. 19 4.3. „Tumor Immunoediting“ als Hürde für eine erfolgreiche Immunisierung Die zum Teil sehr guten Erfolge bei der aktiven Immunisierung mit tumorspezifischen Antigenen in präklinischen (Maus-)Modellen lassen sich im Rahmen klinischer Studien oder individueller Heilversuche nur selten erreichen. Der Grund hierfür liegt in der immune evasion, dem „immunologischen Entkommen“, das viele maligne Tumoren auszeichnet. Insbesondere das Neuroblastom interagiert auf vielfältige Weise mit dem Immunsystem und die sehr unterschiedlichen klinischen Verlaufsformen können als Ausdruck dieser Interaktion angesehen werden. Entsprechend dem Konzept des „cancer immunoediting“ [Dunn, 2004] können in der Interaktion zwischen Tumor und Immunsystem drei Phasen unterschieden werden: In der ersten Phase („Elimination“) erkennt das Immunsystem entartete Zellen und zerstört diese. Die häufig beobachtete spontane Regression auch metastasierter Neuroblastome wurde dieser immunologischen Elimination zugeschrieben [Pritchard, 1994]. In der zweiten Phase („Äquilibirum“) befinden sich Tumorzellproliferation und Elimination im Gleichgewicht, die Erkrankung ist klinisch stabil. Unter dem fortdauernden Selektionsdruck bilden sich jedoch im weiteren Verlauf Tumorzellklone mit veränderter Antigenstruktur, reduzierter Immunogenität oder immunsuppressiven Eigenschaften, was schließlich zur dritten Phase („Escape“) mit ungehinderter Proliferation des Tumors und klinischem Fortschreiten der Erkrankung führt. Neuroblastomzellen nutzen eine Reihe von immunologischen escape-Mechanismen. Durch die typischerweise geringe oder fehlende Expression von MHC- 1 auf der Zelloberfläche ist die immunologische Präsentation von Peptidantigenen und damit die Aktivierung zytotoxischer T-Zellen erheblich gestört [Wölfl, 2005]. Eine fehlende CD1d-Expression verhindert zudem die Präsentation von Glykolipidantigenen an NKT-Zellen [Metelitsa, 2001]. Störungen der Antigenprozessierung durch verminderte Aktivitäten der immunoproteasomalen low molecular weight proteins (LMP)-1 und -7 oder des transporter associated with antigen processing (TAP)-1 und -2 verhindern zusätzliche eine effektive Antigenpräsentation [Raffaghello, 2005]. Durch membrangebundene Expression von z.B. Fas-Ligand [Shurin, 1998] und die Sekretion löslicher Faktoren wie sHLA-G, sMICA oder Galektin-1 [Morandi, 2007; Raffaghello, 2004; Soldati, 2012] durch Neuroblastomzellen bzw. tumorassoziierte „M2“-Makrophagen entsteht ein immunsuppressives Tumormikromilieu, welches die Aktivierung von T-Lymphozyten, NK-Zellen und dendritischen Zellen hemmt bzw. Apoptoseprogramme in diesen Zellen induziert. Diese nur beispielhaft genannten Mechanismen der immune evasion erschweren die Entwicklung einer effektiven Immuntherapie beim Neuroblastom. GD2 ist ein attraktives Zielantigen für die Immuntherapie beim Neuroblastom, da seine Expression MHC-unabhängig und auch unter dem Selektionsdruck einer GD2- Immuntherapie sehr stabil erfolgt. Der Verlust der GD2-Expression wurde lediglich in 20 Einzelfällen beobachtet: In einer Serie von 62 Patienten mit Hochrisiko-Neuroblastom zeigten die Tumoren nach einer Immuntherapie mit dem murinen GD2-Antikörper 3F8 bei 61 Patienten (98%) weiterhin eine stabile GD2-Expression. Interessanterweise wies der Tumor bei dem einzigen Patienten mit GD2-Verlust histologisch einen veränderten Phänotyp im Sinne eines phäochromozytomähnlichen Tumors ohne Überreste von Neuroblastomzellen auf. Die Autoren vermuteten, dass durch die Immuntherapie die GD2-positiven Neuroblasten eliminiert wurden, die Therapie jedoch auf die sich entwickelnden und in der Regel GD2negativen Phäochromozytomzellen keinen Einfluss hatte [Kramer, 1998]. In einer weiteren Serie von insgesamt 191 Patienten mit GD2-positivem Neuroblastom konnte bei nur zwei Patienten im Rezidiv nach vorangegangener Chemotherapie sowie einem bzw. zwei Zyklen Immuntherapie mit dem GD2-Antikörper ch14.18 immunzytologisch keine GD2-Expression mehr nachgewiesen werden [Schumacher-Kuckelkorn, 2005]. Der Verlust der GD2-Expression beim Neuroblastom ist also ein seltenes Ereignis und die GD2-Expression lässt sich pharmakologisch sogar steigern. Das synthetisch hergestellte Retinsäureanalogon Fenretinid erzeugt in Neuroblastomzellen durch Akkumulation toxischer Ceramide oxidativen Stress, welcher die Zelle in die Apoptose führt. Eine Reihe von Neuroblastomzelllinien weist jedoch im Rahmen einer Multidrug-Resistenz auch eine Resistenz gegenüber Fenretinid durch enzymatischen Abbau der fenretinidinduzierten Ceramide, u.a. zu Gangliosiden wie GD2, auf. Shibina et al. konnten zeigen, dass eine Behandlung von fenretinidresistenten Neuroblastomzellen mit Fenretinid zu einer erhöhten GD2-Expression führt, welche in vitro mit einer erhöhten GD2-antikörperabhängigen zellulären sowie komplementvermittelten Zytotoxizität verbunden ist [Shibina, 2012]. Durch die Zusammensetzung des Impfstoffs, insbesondere durch den Einsatz potenter Adjuvantien, kann ebenfalls ein günstiger Einfluss auf den Impferfolg genommen werden. Aluminiumsalze wie Aluminiumhydroxid oder Aluminiumphosphat sind gängige Adjuvantien, welche ihre Wirkung vor allem durch eine Aktivierung von antigenpräsentierenden Zellen entfalten [Flach, 2011]. Sie werden in der medizinischen Praxis breit angewendet, unter anderem in den Impfstoffen Infanrix hexa© (Fa. GlaxoSmithKline) und Prevenar 13© (Fa. Pfizer), und gelten insbesondere bei der Anwendung an pädiatrischen Patienten als sicher. Obwohl für präklinische Versuche vermeintlich potentere Adjuvantien wie z.B. Freund’sches Adjuvans zu Verfügung stehen, sind diese für die Anwendung beim Menschen aufgrund ihrer erheblichen Toxizität nicht geeignet bzw. zugelassen. Die Verwendung von Aluminiumhydroxid als Adjuvans im Tierversuch erleichtert somit die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Anwendung beim Menschen. 21 4.4. Induktion von protektiver Immunität vs. Immuntoleranz Ein interessantes Ergebnis unserer Vakzinierungsversuche war das starke Wachstum der Tumoren nach intraperitonealer Peptidvakzinierung [Fest, 2006]. Es ist beschrieben, dass eine Impfung mit Peptidantigenen sowohl eine protektive Immunität als auch eine Immuntoleranz induzieren kann. Dies ist abhängig von Antigendosis, Applikationsweg und Applikationsfrequenz sowie dem verwendetem Adjuvans. Aichele et al. konnten am Beispiel einer Peptidimpfung gegen das Lymphozytäre-Choriomeningitis-Virus (LCMV) im C57BL/6Mausmodell nachweisen, dass die repetitive, intraperitoneale Injektion hoher Dosen des Peptidimpfstoffs eine zeitlich begrenzte Anergie LCMV-spezifischer T-Zellen induzieren, während die subkutane Gabe geringerer Dosen eine protektive Immunität erzeugt [Aichele, 1996]. Als Ursache dieses Phänomens wird vermutet, dass es nach rascher Anflutung von Antigen im gesamten Organismus nach intraperitonealer Injektion zur praktisch zeitgleichen Aktivierung aller antigenspezifischen CTL kommt. Durch das Fehlen kostimulatorischer Signale, z.B. durch antigenpräsentierende Zellen, folgt eine klonale Deletion und buchstäbliches „Ausbrennen“ dieser peripheren Zellpopulation, was eine vorübergehende Immuntoleranz zur Folge hat. Demgegenüber erfolgt die Antigenfreisetzung aus subkutanen Depots langsamer, was eine effektivere Immunkostimulation durch antigenpräsentierende Zellen ermöglicht. Unterstützt wird diese These durch das Wiederkehren der antigenspezifischen CTL ca. sieben Wochen nach Antigeninjektion in euthymen Mäusen [Aichele, 1996]. Diese diametral gegensätzlichen Effekte der subkutanen und intraperitonealen Peptidinjektion sind jedoch nicht grundsätzlicher Natur. In anderen Arbeiten bewirkte die subkutane Impfung geringer Dosen synthetischer Peptide ebenfalls eine Immuntoleranz durch klonale Deletion tumorspezifischer CTL gegenüber einer Adenovirustransformierten Tumorzelllinie in C57BL/6-Mäusen [Toes, 1996]. Riemer et al. konnten wiederum bei Balb/c-Mäusen durch intraperitoneale Impfung der GD2-Peptidmimotope MA und MD eine stabile, GD2-gerichtete humorale Immunantwort erzeugen [Riemer, 2006], Brämswig et al. berichteten über die erfolgreiche intraperitoneale Peptidvakzinierung mit Mimotopen des karzinoembryonalen Antigens (CEA), ebenfalls in BALB/c-Mäusen [Brämswig, 2007]. Diese Unterschiede bei der Vakzinierung mit Peptiden können zum Teil durch die verwendeten unterschiedlichen immunkompetenten Mausstämme (A/J, C57BL/6, Balb/c) erklärt werden. Interessanterweise konnten wir nach intraperitonealer Impfung mit Ganglidiomab in A/J-Mäusen eine humorale GD2-spezifische Immunantwort nachweisen, so dass auch die Art des applizierten Antigens einen Einfluss auf die Erzeugung einer entsprechenden Immunantwort zu haben scheint. Eine Aussage über eine antiTumorwirkung der durch Ganglidiomab induzierten humoralen Immunität ließ sich anhand dieser Versuche jedoch nicht ableiten, da aktuell keine Tumoren appliziert wurden. 22 Die unterschiedlichen Ergebnisse bei der aktiven Immunisierung in Mausmodellen unterstreichen die Schwierigkeit bei der Übertragung von Ergebnissen präklinischer Studien auf die Anwendung beim Menschen. Zudem können Unterschiede bei der Verimpfung viraler, also immunologisch „fremder“ Antigene, bzw. tumorassoziierter, also „körpereigener“ Antigene, und Unterschiede in der Vakzinformulierung durch Verwendung unterschiedlicher Adjuvantien die voneinander abweichenden Ergebnisse erklären. In unseren Versuchen konnten wir nach Änderung der Applikationsroute für die Peptidmimotop-KLH-Konjugate von intraperitoneal auf subkutan sowie Verwendung von oral appliziertem bakteriellen Antigen als zusätzlichem immunologisches Stimulans eine protektive GD2-gerichtete Immunität erzeugen. 4.5. Peptid- vs. DNA-basierte Impfstoffe Die Impfung mit DNA-Impfstoffen bietet gegenüber der Peptid- oder Proteinvakzinierung besondere Vorteile. DNA ist zum Beispiel sehr stabil und lässt sich unkompliziert transportieren und lagern. Der größte Vorteil von DNA-basierten Vakzinen ist jedoch ihre Vielseitigkeit. In Expressionsvektoren mit multiplen cloning sites lassen sich verschiedene Antigene, welche z.B. dem Expressionsmuster individueller Tumoren entsprechen können, oder zusätzliche immunologische Stimulantien, wie z.B. Gene für Interleukine oder CD40Ligand, exprimieren. Die Applikationswege für DNA-Impfstoffe sind ebenso vielseitig. Die intradermale oder intramuskuläre Injektion „nackter“ DNA stellt hier den einfachsten Weg dar, erfordert jedoch erheblich Mengen des Impfplasmids. Wirksam ist auch die transdermale Applikation von an Goldpartikel gebundener DNA mittels einer „gene gun“, was die Impfung jedoch aufwendig und teuer macht. Die Verwendung attenuierter Salmonella typhimurium als Vehikel für DNA-Impfstoffe bietet neben dem einfachen oralen Applikationsweg den Vorteil einer effizienten Bakterienoberfläche immunologischen aktivieren über Ko-Stimulation. Bindung an toll Lipopolysaccharide like-Rezeptor auf (TLR) 4 der die antigenpräsentierende Zelle, durch die im Impfplasmid enthaltenen unmethylierten CpGInseln erfolgt eine weitere immunologische Stimulation der APC über den TLR 9. Die so aktivierte APC ist nun in der Lage, das translatierte Antigen MHC-gebunden zu präsentieren und bietet zusätzlich die für eine effektive zelluläre Immunantwort erforderlichen kostimulatorischen Signale. Im syngenen NXS2-Neuroblastommausmodell konnte gezeigt werden, dass die Applikation von Survivin-gerichteten DNA-Vakzinen mittels attenuierter Salmonella typhimurium (SL7207) der Applikation durch ex vivo kultivierte dendritische Zellen oder gene gun im Hinblick auf die tumorsupprimierende Wirkung überlegen ist [Berger, 2013]. Während attenuierte Salmonellen als Schluckimpfung gegen Typhus, z.B. als Salmonella typhi Ty21a (Vivotif®, Fa. Berna Biotech), bereits für die Anwendung am Menschen 23 zugelassen sind [Engels, 1998; WHO, 2008], bestehen für die Anwendung als Impfvektor für onkologische Patienten bislang keine Erfahrungen. Die weitere Erforschung dieser Art der Applikation von DNA-Impfstoffen ist daher zur Entwicklung eines sicheren, auch für die besonderen Anforderungen pädiatrisch-onkologischer Patienten geeigneten Vektors dringend erforderlich, um die Vorteile dieser Applikationsmethode nicht nur im präklinischen sondern auch im klinischen Kontext nutzbar zu machen. 4.6. Potentielle Nebenwirkungen einer aktiven GD2-gerichteten Impfung Die aktive Impfung mit dem Ziel, eine anhaltende Immunität gegen ein tumorassoziiertes und damit „körpereigenes“ Antigen zu erzeugen, birgt auch das Risiko der Induktion von Autoimmunität. Obwohl die Expression von GD2 in gesundem Gewebe nur sehr gering ausgeprägt ist, findet sich GD2 zum Beispiel in der weißen Substanz des zentralen Nervensystems. Zwar ist dieser Raum durch eine intakte Blut-Hirn-Schranke immunologisch privilegiert, dennoch müssen bei der Entwicklung einer GD2-gerichteten Immuntherapie auch potentielle autoimmunologische Wirkungen einkalkuliert werden. Typische Nebenwirkungen der passiven Immunisierung mit GD2-Antikörpern wie das transiente Auftreten neurogener Schmerzen, Sehstörungen oder EEG-Veränderungen sind direkter Ausdruck einer Interaktion von Antikörper und GD2 auf Nerven des peripheren bzw. zentralen Nervensystems. Gangliosid-Antikörper lassen sich jedoch häufig auch im Serum gesunder Probanden nachweisen. Mizutamari et al. fanden in einer Untersuchung in den Seren von 40 klinisch gesunden Menschen in allen analysierten Proben IgM-Antikörper gegen GM1, in 85% bzw. 80% auch IgM-Antikörper gegen GD1b und GM2 [Mizutamari, 1994]. Die Entwicklung von anti-GM1 kann Folge einer Infektion mit bestimmten Serotypen von Campylobacter jejuni, zwischen deren oberflächengebundenen Lipopolysacchariden (LPS) und dem Monosialogangliosid GM1 ein molekulares Mimikry besteht, sein [Prendergast, 1998]. Ebenfalls assoziiert mit einer Campylobacter jejuni-Infektion sowie dem Vorhandensein von GM1-spezifischen Antikörpern ist jedoch auch das Auftreten akut verlaufender inflammatorischer Neuropathien. Der Nachweis von Gangliosid-Antikörpern wie anti-GM1, anti-GM3 oder anti-GQ1b ist ein etablierter Bestandteil in der Diagnostik verschiedener neuroinflammatorischer Erkrankungen wie dem Guillan-Barré-Syndrom, dem Miller-FisherSyndrom oder der multifokalen motorischen Neuropathie. Zwar gehören disialogangliosidspezifische Antikörper nicht zu den typischen und in der Routinediagnostik dieser Erkrankungen untersuchten Autoantikörper, jedoch ist auch der Nachweis von GD2spezifischen Antikörpern bei Patienten mit neuroinflammatorischen Erkrankungen beschrieben. In einer Studie von Marconi et al. an 100 Patienten mit Multipler Sklerose (MS) wurde bei 30% der Patienten eine serologische Aktivität von anti-GD2-IgM nachgewiesen. 24 Unter den ebenfalls untersuchten 106 gesunden bzw. nicht an MS erkrankten Patienten war anti-GD2-IgM nur bei einem Patienten nachweisbar [Marconi, 2006]. Ob zwischen dem Nachweis von GD2-Antikörpern und dem Auftreten einer MS jedoch ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist umstritten. Die Bildung von gangliosidspezifischen Antikörpern kann auch eine Folge des aufgrund der inflammatorischen Erkrankung ausgelösten Gewebsschadens sein. Durch die Freisetzung von damage associated molecular patterns (DAMPs) wie beispielsweise freigesetzter DNA oder Harnsäure aus geschädigten Zellen erfolgt die Bereitsstellung von „Danger Signals“, welche die Aktivierung von T-Lymphozyten und dendritischen Zellen unterstützen und so die immunologische Verarbeitung eigentlich tolerogener Autoantigene fördern [Matzinger, 1994; Shi, 2003]. Tatsächlich wurden in den oben genannten klinischen Studien zur Induktion GD2spezifischer Antikörper durch Impfung mit dem GD2-anti-Idiotypen 1A7 lediglich Lokalreaktionen und Fieber als Nebenwirkungen beobachtet. Klinische Anzeichen von Autoimmunität ergaben sich auch nach einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 3 Jahren nicht. Die Auslösung von insbesondere das ZNS betreffenden Autoimmunphänomenen erscheint also eher eine theoretische als eine praktische Gefahr der GD2-gerichteten Vakzinierung zu sein. Bis zu einem breiten klinischen Einsatz von neuroblastomspezifischen Impfstoffen ist jedoch weiterhin eine intensive Forschungsarbeit zur Optimierung von Antigenen, Impfstoffzubereitung und –applikation sowie Untersuchungen zu unerwünschten Wirkungen erforderlich. Die vorliegende Arbeit beschreibt daher nur einen Schritt auf dem Weg zu einer effektiven und sicheren aktiven Immuntherapie des Neuroblastoms, des noch immer tödlichsten Tumors im Kindesalters. 25 5. Literatur 5.1. Eigene Publikationen Lode HN, Schmidt M, Seidel D, Huebener N, Brackrock D, Bleeke M, Reker D, Brandt S, Mueller HP, Helm C, Siebert N. Vaccination with anti-idiotype antibody ganglidiomab mediates a GD2 specific anti-neuroblastoma immune response. Cancer Immunol Immunother. 2013; DOI: 10.1007/s00262-013-1413-y. Bleeke M, Fest S, Huebener N, Landgraf C, Schraven B, Gaedicke G, Volkmer R, Lode HN. Systematic amino acid substitutions improved efficiency of GD2-peptide mimotope vaccination against neuroblastoma. 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Zusammenfassung Das Neuroblastom ist der häufigste solide, extrakranielle Tumor des Kindesalters. Die schlechte Prognose von Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung macht die Entwicklung neuer Therapiemodalitäten zu einem der wichtigsten Forschungsziele auf dem Gebiet der pädiatrischen Onkologie. Durch die passive Immuntherapie mit Antikörpern gegen das Glykolipidantigen Disialogangliosid GD2, welches von Neuroblastomen hoch exprimiert wird, konnte die Überlebensrate von Hochrisiko-Neuroblastompatienten zuletzt deutlich verbessert werden. Dennoch ist die passive Immuntherapie mit Nachteilen verbunden: Das Ausbleiben einer langfristigen Immunität erfordert repetitive Antikörpergaben mit akuten antikörperbezogenen Nebenwirkungen und dem Risiko, eine humorale Immunreaktion gegen den applizierten Antikörper zu entwickeln. Eine aktive GD2-gerichtete Immunisierung erscheint daher vorteilhaft. Die schwache Immunogenität des Glykolipids ist hierbei ein wesentliches Hindernis bei der Induktion einer effektiven GD2-gerichteten Immunität. Dieses Problem kann durch die Verwendung von Proteinantigenen wie GD2-Peptidmimotopen oder anti-Idiotyp-Antikörpern umgangen werden. Zunächst beschreibt diese Arbeit die Charakterisierung von zwei GD2-Peptidmimotopen („MA“ und „MD“), welche durch Screening von Phagenbibliotheken identifiziert wurden, sowie den Nachweis der erfolgreichen Induktion einer neuroblastomspezifischen Immunität im syngenen Mausmodell. In einem zweiten Schritt wurden die Peptidmimotope durch Austausch einzelner Aminosäuren in ihrer Affinität zu GD2-Antikörpern optimiert und das so geschaffene neue Peptidmimotop („C3“) im Hinblick auf die Induktion einer humoralen GD2spezifischen Immunität erfolgreich im Mausmodell getestet. Zudem gelang es, einen neuen monoklonalen GD2-anti-Idiotyp-Antikörper („Ganglidiomab“) zu erzeugen. Ganglidiomab weist typische Eigenschaften eines anti-Idiotypen wie die kompetitive Inhibition der Bindung von GD2 an GD2-Antikörper auf und erwies sich im Mausmodell als wirksam bei der Induktion einer GD2-spezifischen humoralen Immunantwort. Das optimierte GD2-Peptidmimotop C3 und der neue monoklonale GD2-Anti-Idiotyp Ganglidiomab bilden somit eine Basis zur weiteren Entwicklung einer wirksamen und sicheren Vakzine zur Behandlung von Hochrisiko-Neuroblastompatienten. 35 7. Danksagung Ich hatte in den vergangenen Jahren das Glück, mit sehr vielen großartigen Menschen aus unterschiedlichen Arbeitsgruppen und Fachgebieten zusammenarbeiten zu können. Mein Dank gilt allen Freunden und Kollegen, die mich mit ihrem Enthusiasmus und ihrer Geduld begleitet und unterstützt haben. Durch sie wurde diese Arbeit für mich weit mehr als die Summe von Laborzeit und bedrucktem Papier. Prof. Dr. Holger N. Lode danke ich für die stets unkomplizierte und über die Jahre sehr großzügige und geduldige Betreuung dieser Promotionsarbeit sowie für die unschätzbare Starthilfe für mein Berufsleben als Kinderarzt. Dr. Nicole Hübener danke ich für ihr stets offenes Ohr und die vielen guten Ratschläge in der täglichen Arbeit sowie für die Durchsicht dieses Manuskripts. Bianca Baykan danke ich für die niemals abreißende gute Laune und die ständigen Motivationsschübe bei der zum Teil leider auch frustrierenden Arbeit in Labor und Klinik. Ich werde unsere Zusammenarbeit vermissen. Dr. Rudolf Volkmer-Engert und Christiane Landgraf aus der Abteilung Molekulare Bibliotheken am Institut für Immunologie der Charité sowie Elke Michalsky und Ines Jäger von der Structural Bioinformatics Group am Institut für Physiologie der Charité danke ich ihre unschätzbare Hilfe und ihren großen Einsatz bei der Analyse von Antikörpern und Mimotopen auf Cellulosemembranen und Computerplatinen. Manuela Schmidt, Diana Brackrock und Diana Seidel danke ich für ihre tolle Arbeit und Ausdauer bei der Fortführung des Ganglidiomab-Projekts. Ich danke außerdem allen anderen Mitarbeitern der Arbeitsgruppen in Berlin und Greifswald für die immer unkomplizierte gegenseitige Hilfe und die schöne Zusammenarbeit: Alex, Silke, Rike, Björn, Catha, Stefanie, Lena, Anja und Niko. Danke auch allen! Mein besonderer Dank gilt PD Dr. Stefan Fest, der mich mit seiner ansteckend enthusiastischen Art für das Thema und das experimentelle Arbeiten begeistern konnte und der - trotz zeitweise mehreren tausend Kilometern Distanz – immer zu Diskussionen, Ratschlägen und tatkräftiger Hilfe bereit war. Einen engagierteren Betreuer kann sich ein Doktorand nicht wünschen. 36 8. Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Dissertation ist bisher keiner anderen Fakultät, keiner anderen wissenschaftlichen Einrichtung vorgelegt worden. Ich erkläre, dass ich bisher kein Promotionsverfahren erfolglos beendet habe und dass eine Aberkennung eines bereits erworbenen Doktorgrades nicht vorliegt. Hamburg im April 2013 Matthias Bleeke 37 9. Anteilserklärung Dieser kumulativen Dissertationsarbeit liegen drei publizierte Originalarbeiten unter Mitarbeit von Herrn Bleeke zugrunde: 1. Fest S, Huebener N, Weixler, S, Bleeke M, Zeng Y, Strandsby A, Volkmer-Engert R, Landgraf C, Gaedicke G, Riemer AB, Michalsky E, Jaeger IS, Preissner R, Förster-Waldl E, Jensen-Jarolim E, Lode HN. Characterization of GD2 peptide mimotope DNA vaccines effective against sponateous neuroblastoma metastases. Cancer Research 2006; 66(21):10567-75. Herr Bleeke war im Rahmen dieser Arbeit an der Planung und Durchführung der tierexperimentellen Arbeiten sowie der Untersuchung der humoralen und zellulären Immunantworten beteiligt. Sein Anteil an der veröffentlichten Arbeit betrug 20 %. 2. Bleeke M, Fest S, Huebener N, Landgraf C, Schraven B, Gaedicke G, Volkmer R, Lode HN. Systematic amino acid substitutions improved efficiency of GD2-peptide mimotope vaccination against neuroblastoma. Eur J Cancer. 2009; 45(16):2914-21. Herr Bleeke war maßgeblich an der Planung und Durchführung der Mutationsanalysen, Charakterisierung der Peptidmimotope, tierexperimentellen Arbeiten, der Auswertung der Immunantworten sowie der Erstellung des Manuskripts beteiligt. Sein Anteil an der veröffentlichten Arbeit betrug 80 %. 3. Lode HN, Schmidt M, Seidel D, Huebener N, Brackrock D, Bleeke M, Reker D, Brandt S, Müller HP, Helm C, Siebert N. Vaccination with anti-idiotype antibody ganglidiomab mediates a GD2 specific anti-neuroblastoma immune response. Cancer Immunology Immunotherapy. 2013; DOI: 10.1007/s00262-013-1413-y. Herr Bleeke war an der Erstellung des Hybridoms sowie der Etablierung von Methoden zur Charakterisierung des anti-Idiotypen beteiligt. Sein Anteil an der veröffentlichten Arbeit betrug 10%. Prof. Dr. Holger N. Lode Matthias Bleeke 38 10. Lebenslauf Der Lebenslauf ist aus Datenschutzgründen in der online-Dissertation nicht enthalten. 39 11. Anhang Fest S, Huebener N, Weixler, S, Bleeke M, Zeng Y, Strandsby A, Volkmer-Engert R, Landgraf C, Gaedicke G, Riemer AB, Michalsky E, Jaeger IS, Preissner R, Förster-Waldl E, Jensen-Jarolim E, Lode HN. Characterization of GD2 peptide mimotope DNA vaccines effective against sponateous neuroblastoma metastases. Cancer Research. 2006; 66(21):10567-75. Der Originalartikel ist online verfügbar unter: http://cancerres.aacrjournals.org/content/66/21/10567.full?sid=e5c64cd0-b7ca-43a1-a6b4d30a8350df3b 40 Bleeke M, Fest S, Huebener N, Landgraf C, Schraven B, Gaedicke G, Volkmer R, Lode HN. Systematic amino acid substitutions improved efficiency of GD2-peptide mimotope vaccination against neuroblastoma. European Journal of Cancer. 2009; 45(16):2914-21. Der Originalartikel ist online verfügbar unter: http://www.ejcancer.com/article/S0959-8049%2809%2900580-2 41 Lode HN, Schmidt M, Seidel D, Huebener N, Brackrock D, Bleeke M, Reker D, Brandt S, Mueller HP, Helm C, Siebert N. Vaccination with anti-idiotype antibody ganglidiomab mediates a GD2 specific antineuroblastoma immune response. Cancer Immunology, Immunotherapy. 2013; 62(6):999-1010. Der Originalartikel ist online verfügbar unter: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00262-013-1413-y 42