Antioxidantien und Krebs - eine wissenschaftliche Dokumentation

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Antioxidantien und Krebs
- eine wissenschaftliche Dokumentation Epidemiologische Studien, Bevölkerungsstudien und tierexperimentelle Daten
belegen eindeutig, dass antioxidativ wirksame Substanzen in der Prophylaxe
chronischer Erkrankungen wie beispielsweise Krebs eine bedeutende Rolle
spielen. Lange umstritten war dagegen die Frage, ob antioxidative Substanzen
auch in der Behandlung manifester Krebserkrankungen sinnvoll eingesetzt
werden können. Auch diese Frage kann inzwischen als beantwortet gelten.
Aktuelle Publikationen lassen keinen Zweifel daran, dass eine Behandlung mit
Antioxidantien die Chancen des Krebspatienten im Kampf gegen seinen Tumor
deutlich erhöht.
In der folgenden Dokumentation wird zunächst in einer allgemeinen Übersicht die
Bedeutung antioxidativer Schutzsysteme im Organismus erläutert. Insbesondere wird
auf den Zusammenhang zwischen erhöhtem oxidativen Stress und der Entstehung
chronischen Erkrankungen hingewiesen. In einem zweiten Teil werden aktuelle
Forschungsergebnisse aus den vergangenen fünf Jahren vorgestellt, die allesamt die
Bedeutung einer antioxidativen Therapie in der Prävention, insbesondere aber auch
in der Behandlung von Krebserkrankungen belegen.
1. Allgemeine Grundlagen
1.1 Freie Radikale: kurzlebig und aggressiv
Im Organismus entstehen – quasi als Nebenprodukte des Zellstoffwechsels –
permanent aggressive Sauerstoffverbindungen. Diese Verbindungen werden als
freie Radikale bezeichnet. Es handelt sich um hochgradig instabile Verbindungen,
die vor allem im Rahmen der Atmungskette und im Rahmen der PhagozytoseAktivität von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten entstehen. Doch auch
oxidative Enzyme sowie bestimmte Umweltfaktoren fördern die Entstehung der
aggressiven Verbindungen.
2
Freie Radikale entstehen
endogen
•
im Rahmen der Atmungskette
•
durch oxidative Enzyme
•
bei der Phagozytose
exogen
•
durch Luftverunreinigungen
•
durch Chemikalien
•
durch Zigarettenrauch
•
durch Strahlenbelastungen
•
durch bestimmte Arzneimittel
Was freie Radikale für den Organismus so gefährlich macht ist die Tatsache, dass
diese Verbindungen ein oder mehrere ungepaarte Elektronen in ihrer Elektronenhülle
tragen. Moleküle, die solche „freien“ Elektronen besitzen, befinden sich in einem
energetisch sehr ungünstigen Zustand. Deshalb versuchen sie, anderen Molekülen
ein Elektron zu entreißen, um ihr „Loch“ in der Elektronenhülle wieder zu schließen.
Gelingt das, ist zwar das erste Molekül wieder in einem energetisch günstigen
Zustand – dafür ist das zweite, „bestohlene“ Molekül nun selbst zum freien Radikal
geworden und versucht seinerseits, ein Elektron zurück zu erobern. Es entsteht eine
Kettenreaktion an Oxidationvorgängen, die auch als Peroxidation bezeichnet wird
Die freien Sauerstoff-Radikale, die am häufigsten an solchen Kettenreaktion beteiligt
sind, sind die folgenden:
•
das Superoxid-Radikal O2i-
•
der Singulett-Sauerstoff
•
das Hydroxylradikal
•
Wasserstoffperoxid H2O2
•
Das Hydroperoxyradikal HO2i
•
Stickstoffmonoxid
•
Das Peroxylradikal ROOi (R = Lipid)
1
O2
OHi
NOi
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Wird die Kaskade aus radikalischen Reaktionen nicht unterbrochen, können zelluläre
Strukturen erheblichen Schaden nehmen. Radikale sind nämlich in der Lage,
praktisch auf allen zellulären Ebenen oxidative, schädigende Prozesse auslösen.
Einige zelluläre Strukturen sind dabei besonders gefährdet: die Zellmembranen, die
DNA und die Mitochondrien. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren der
Phospholipid-Zellmembranen sind die bevorzugten „Opfer“ freier Radikale. Durch
Peroxidation der Lipide entstehen zytotoxische Produkte – etwa Malondialdehyd oder
4-Hydroxynoneal – die ihrerseits zu Mutationen im Erbmaterial führen können. Nach
dem Angriff freier Radikale auf Zellmembranen erhöht sich zudem deren
Permeabilität. Enzyme werden inaktiviert, Rezeptoren verändert und Phospholipasen
aktiviert. Einige Proteine werden teilweise denaturiert, was sich bei Strukturproteinen,
insbesondere aber bei Enzyme ausgesprochen negativ auswirkt.
All diese radikalischen Reaktionen führen in ihrer Gesamtheit zu Fehlregulationen
der Zelle. So werden etwa Ca-ATPasen in der Zellmembran durch freie Radikale
inaktiviert. Das hat zur Folge, dass die intrazelluläre Kalzium-Konzentration ansteigt
und die Signaltransduktion der Zelle aus dem Ruder gerät. Die Zelle reagiert mit
verstärkter Proliferation. Bestimmte aggressive Sauerstoffverbindungen wie etwa
Wasserstoffperoxid (H2O2) aktivieren zudem Transkriptionsfaktoren im Zytosol – mit
dem fatalen Ergebnis, dass Onkogene aktiviert werden können. Am Erbmaterial
wirken freie Radikale direkt mutagen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei
durchschnittlicher Belastung mit freien Radikalen an jeder Zelle Tag für Tag etwa
10.000 oxidativen DNA-Schäden auftreten, die in der Regel von körpereigenen
Reparaturmechanismen wieder behoben werden. Gelingt es dem Organismus jedoch
nicht, die radikalbedingten Schäden an Erbgut und Zellmembranen zu beheben,
können chronische Entzündungen und Krebs entstehen.
1.2 Antioxidantien entschärfen freie Radikale
Um sich gegen frei Radikale und deren aggressives Verhalten zu schützen, hat der
Organismus Schutzsysteme entwickelt, die so genannten antioxidativen
Schutzsysteme oder Antioxidantien. Antioxidantien haben die herausragende
Eigenschaft, Elektronen abgeben zu können, ohne selbst zu freien Radikalen zu
4
werden. Sie sind also in der Lage, die „Löcher“ in der Elektronenhülle radikalischer
Verbindungen zu stopfen, ohne dabei selbst aggressiv zu werden. Diese Eigenschaft
macht es den Antioxidantien möglich, die Kettenreaktion der Peroxidation zu
unterbrechen.
Unter den antioxidativen Schutzmechanismen unterscheidet man enzymatische und
nicht-enzymatische (nach Hager):
Enzymatisch:
mitochondrial
Cytochrom-Oxidase (Kupfer/Eisen)
Superoxiddismutase (Mangan)
zytosolisch
Superoxiddismutase (Zink/Kupfer)
Glutathionperoxidase (Selen)
Katalase (Eisen)
membranständig
Glutathionperoxidase (Selen)
Nicht enzymatisch:
membranständig
α-Tocopherol (Vitamin E)
β-Carotin (Provitamin A)
mitochondrial
Ubichinon (Coenzym Q10)
L-Carnitin
zytosolisch
Vitamin C
Glutathion
Harnsäure
Allopurinol
Cystein
Coeruloplasmin
Metallothionein
(enthält Zink)
Transferrin (bindet Eisen)
Albumin (bindet Schwermetalle)
Extrazellulär
Ascorbinsäure (Vitamin C)
Transferrin
Laktoferrin (bindet Eisen)
Coeruloplasmin
Albumin
Harnsäure
Haptoglobin (bindet Hämoglobin)
Melatonin
Glutathion
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1.3 Antioxidantien arbeiten Hand in Hand
Zu den bedeutendsten Antioxidantien zählen die antioxidativen Enzyme
Glutathionperoxidase, Superoxiddismutase und Katalase sowie die nichtenzymatischen Antioxidantien α-Tocopherol (Vitamin E), β-Carotin (Provitamin A),
Ascorbinsäure, Melatonin und Glutathion. Das Enzym Superoxiddismutase wandelt
Superoxidradikale in Wasserstoffperoxid um, welches dann seinerseits der
Glutathionperoxidase und der Katalase als Substrat dient. Letztendlich werden durch
die Aktivität der drei Enzyme aggressive Radikale in harmloses Wasser
umgewandelt. Die Glutathionperoxidase kann zudem – eine sehr wichtige Funktion –
Lipidhydroperoxide entgiften. Tatkräftig unterstützt wird das Enzym dabei von Vitamin
E, das als wichtigstes Antioxidans in fetthaltigen Geweben gilt, sowie von β-Carotin.
Bereits an diesen wenigen Beispielen wird deutlich, dass einzelne Antioxidantien
nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Vielmehr hat jeder einzelne Radikalenfänger
seine Bedeutung im großen Netzwerk der antioxidativen Schutzsysteme. Aus diesem
Grunde ist es müßig, eine Rangfolge der Wichtigkeit von Radikalenfängern
aufzustellen. Wissenschaftliche Daten lassen keinen Zweifel daran, dass das
antioxidative Netzwerk im Organismus seine volle Kraft erst dann entfaltet, wenn
verschiedene Antioxidantien in unterschiedlichen Zellkompartimenten oder im
Extrazellulärraum zusammen wirken und Hand in Hand arbeiten.
1.4 Oxidativer Stress – die Schutzsysteme sind überlastet
Freie Radikale sind trotz ihrer Aggressivität im Normalfall kein Problem für den
Organismus – vorausgesetzt die Schutzsysteme zu ihrer Neutralisation funktionieren.
Schäden sind erst dann zu befürchten, wenn frei Radikale im Übermaß gebildet
werden – etwa wenn Phagozyten aufgrund einer Fehlsteuerung im Immunsystem die
Freisetzung radikalischer Verbindungen nicht mehr „abstellen“ können bzw. der
Mensch langfristig schädlichen Umweltfaktoren ausgesetzt ist – oder wenn die
oxidativen Schutzsysteme versagen. In beiden Fällen können die vorliegenden freien
Radikale nicht ausreichend entgiftet werden – und können demzufolge ihre
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schädlichen Spuren an Membranen und Erbgut hinterlassen. Die möglichen Folgen:
vorzeitige Alterungsprozesse, chronische Entzündungen oder Krebs.
In solchen Situationen besteht ein Mehrbedarf an Antioxidantien, der in der Regel
allein über die Nahrung nicht kompensiert werden kann. Die Antioxidantien, die dem
Körper fehlen, müssen extern zugeführt werden. Doch Vorsicht: Die Wissenschaftler
des Europäischen Instituts für Molekulare Medizin und Angewandte Immunologie der
MedPlus Europe SA (EURIMM) raten dringend davon ab, in Situationen erhöhten
oxidativen Stresses wahllos Antioxidantien oder Antioxidantien-Gemische
einzunehmen. Denn, so die Überzeugung der Wissenschaftler, substituiert werden
sollte nur dort, wo tatsächlich ein Mangel besteht. Denn ein Zuviel an der falschen
Stelle kann sogar eher schaden als nützen. So sieht nach Ansicht der Forscher das
richtige Vorgehen aus: Zunächst durch moderne Labortests detailliert abgeklärt, wo –
und ob überhaupt – beim einzelnen Patienten Defizite vorhanden sind. Erst dann
wird gezielt substituiert (siehe auch Abschnitt 3.3).
2 Antioxidantien in Krebsprävention
Nach Doll und Peto (1981) werden 80 bis 90 Prozent aller Krebserkrankungen beim
Menschen durch Umweltfaktoren hervorgerufen. Dabei schlägt das Rauchen mit
etwa 30 Prozent, die Ernährung mit 30 bis 60 Prozent zu Buche. Eine Vielzahl von
epidemiologischen Studien belegt, dass zwischen der Aufnahme von antioxidativ
wirksamen Substanzen durch die Nahrung (wie Vitamin C, Vitamin E und β-Carotin
den Spurenelementen Selen, Zink und Kupfer) und dem Auftreten von
Tumorerkrankungen eine inverse Korrelation besteht. Ames und Mitarbeiter fanden
bei der Auswertung von 172 epidemiologischen Studien unterschiedlicher
Tumorlokalisationen in 129 Arbeiten einen tumorprotektiven Effekt von frischem Obst
und Gemüse – von Lebensmitteln also, die einen hohen Gehalt an Antioxidantien
aufweisen (Hager, 1996). Es ist unter Experten heute anerkannt, dass vor allem die
antioxidativen Vitamine A, C und E sowie sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide
für den tumorprotektiven Effekt von Obst und Gemüse verantwortlich sind. Doch
auch bestimmte Pflanzenöle, etwa Olivenöl mit seinem hohen Gehalt an der
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antioxidativ wirksamen Substanz Squalen vermindern offensichtlich das Krebsrisiko
(Newmark, 1999).
Kurz: Die präventive Bedeutung von Antioxidantien für die Prävention chronischer
Krankheiten wie Krebs steht heute außer Diskussion. Praktisch alle maßgebenden
Fachgesellschaften wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) oder
die Deutsche Krebsgesellschaft empfehlen heute eine Ernährungsweise, die
ausreichende Anteile an antioxidativ wirksamen Substanzen enthält. Ob
grundsätzlich eine Nahrungsergänzung durch Präparate mit hohem antioxidativen
Potential sinnvoll ist oder ob der Bedarf an Radikalenfängern allein durch die
Ernährung gedeckt werden kann, wird allerdings noch kontrovers diskutiert.
3 Antioxidantien in der Krebstherapie
Inzwischen liegen Untersuchungen vor, die klar belegen, dass Antioxidantien auch in
der Krebstherapie einen hohen Stellenwert besitzen. Selbst die Deutsche
Krebsgesellschaft, ansonsten eher der rein schulmedizinischen Krebsbehandlung
zugetan, empfiehlt Krebspatienten mittlerweile auf ihrer Webseite, auf eine
antioxidantienreiche Ernährung zu achten.
3.1 Kenntnisstand bis Mitte der 90-er Jahre
Bereits bis Mitte der 90-er Jahre gab es gute wissenschaftliche Daten, die für den
Einsatz von Antioxidantien bei der Therapie von Krebserkrankungen sprachen. So
war bereits bekannt, dass speziell der Einsatz von (hochdosiertem) Vitamin A sowohl
das rezidivfreie Intervall als auch die Überlebenszeit von Patienten mit
Mundhöhlenkarzinomen, Lungenkarzinomen, Leukämien und Leukoplakien erhöhen
kann. Ebenso gab es Hinweise darauf, dass extern gegebene Antioxidantien die
Nebenwirkungen einer Zytostatikatherapie verringern. Dies wird insofern
verständlich, als viele Zytostatika (siehe Tabelle) ihre Wirkung über eine Bildung von
freien Radikalen entfalten. Durch die Wirkungsweise der Zytostatika werden große
Mengen an Superoxidradikalen und Hydroxylradikalen gebildet, die sich nicht nur
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gegen Krebszellen richten, sondern ihre schädlichen Spuren auch an normalen
Körperzellen hinterlassen. Durch Radikalenschädigung erklärt sich beispielsweise die
Kardiotoxizität von Adriamycin und Epirubicin sowie die Lungenfibrose-fördernde
Wirkung von Bleomycin.
Zytostatika, die ihre Wirkung über eine Bildung freier Radikale entfalten (nach
Hager):
•
Anthrazykline
- Daunomycin
- Daunorubicin
- Doxorubicin
- Adriamycin
- Epirubicin
•
Bleomycin
•
Procarbazin
•
Etoposid
•
Mitomycin
•
Mitoxantron
•
Vincristin
•
Cyclophosphamid
Diese Zusammenhänge über die radikalen-indizierte Wirksamkeit von Zytostatika
führten bereits in den frühen 90-er Jahren zu der Erkenntnis, dass eine Behandlung
mit Zytostatika die antioxidative Potenz des Organismus empfindlich schwächt und
dadurch zu schweren Nebenwirkungen an gesundem Gewebe führen kann. Man
schloss daraus, dass die gezielte Gabe von Antioxidantien die toxischen
Nebenwirkungen von Zytostatika vermindern und demzufolge die Lebensqualität der
Patienten verbessern kann.
Man stellte sich aber auch die berechtigte Frage, ob durch die Gabe von
Antioxidantien die Wirkung von Zytostatika - die ja auf der Entstehung von Radikalen
beruht - auch gegenüber Krebszellen gemindert wird. Erste Studien sprachen dafür,
das dem nicht so war. Endgültig konnte diese Frage jedoch erst durch neue
Veröffentlichungen der vergangenen sechs Jahre geklärt werden. Diese belegen,
9
dass unter dem Einfluss der Antioxidantien Krebszellen sogar anfälliger gegenüber
einer Behandlung mit Zytostatika sind, während normale Zellen besser geschützt
werden. Diese aktuellen Forschungsergebnisse werden im nächsten Kapitel
dargestellt.
3.2 Aktueller Kenntnisstand
Aktuelle Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre haben unser Wissen über
den Einsatz von Antioxidantien in der Krebstherapie revolutioniert. In-vitro-Studien,
Untersuchungen am Tiermodell und klinische Studien sprechen diesbezüglich eine
deutliche Sprache. Sie alle belegen, dass
1. eine gesunde Antioxidantien-reiche Ernährung vor Krebs schützt und
Krebspatienten bei der Therapie unterstützt
2. definierte Nährstoffe mit antioxidativen Merkmalen die
Therapiemöglichkeiten verbessern, indem sie
die Zyotoxizität gegenüber Krebszellen erhöhen und
normalen Körperzellen einen erhöhten Schutz bieten.
Wie dringend Tumorpatienten unter einer Standard-Krebstherapie eine
Supplementation mit antioxidativen Vitaminen benötigen, zeigt die Arbeit von Weijl et
al. (1998). Die Autoren hatten 36 Krebspatienten, darunter Patienten mit
Osteosarkom und Hodenkarzinom, mit einer Cisplatin-Kombinations-Chemotherapie
behandelt und anschließend deren Plasmalevel an Antioxidantien wie Vitamin E,
Vitamin C, Harnsäure, Coeruloplasmin, Bilirubin und Albumin gemessen. Ergebnis:
Acht bis 15 Tage nach dem Beginn der zytostatischen Behandlung waren die
Plasmakonzentrationen an Vitamin E, Vitamin C, Harnsäure und Coeruloplasmin
signifikant gesunken und erreichten erst zu Beginn eines weiteren ChemotherapieZyklus wieder ihre Ausgangswerte. Noch schlimmer sah es mit Bilirubin und Albumin
aus. Die Plasmalevel der beiden Antioxidantien, ebenso wie das Verhältnis Vitamin
E/Cholesterol plus Triglyceride, verminderten sich unter dem Einfluss der
Chemotherapie nicht nur – sie blieben auch langfristig niedrig. Die Autoren schließen
aus diesen Befunden, dass eine Cisplatin-Kombinations-Chemotherapie die Level an
Antioxidantien im Plasma absenkt. Dies ist nach Ansicht der Wissenschaftler ein
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Hinweis darauf, dass die üblicherweise in der Krebsbehandlung eingesetzten
Chemotherapeutika zu einem Versagen der antioxidativen Schutzmechanismen
gegenüber oxidativem Stress führen.
Viele Wissenschaftler ziehen aus den Daten von Weijl et al (1998) und ähnlichen
Untersuchungen den Schluss, dass unter einer Standard-Krebstherapie die
Supplementation von Antioxidantien und Gemischen aus diesem Substanzen eine
therapeutisch sinnvolle Maßnahme ist. Wie sinnvoll – das konnte bereits in einer
Vielzahl aktueller Publikationen bestätigt werden. Im folgenden werden aktuelle
Untersuchungen vorgestellt, in denen antioxidativ wirksame Einzelsubstanzen
und Gemische bestimmter Antioxidantien in der Behandlung von Krebspatienten
ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben.
3.2.1 Vitamin A/Karotinoide in der Krebstherapie
Die Substanzen der Vitamin-A-Gruppe umfassen eine Reihe von fettlöslichen,
lichtempfindlichen Wirkstoffen (etwa Retinol, Retinal und Retinsäure). Sie werden in
der Darmwand durch Spaltung von Provitaminen (Karotinoiden, vor allem β-Karotin)
gebildet, die über die Nahrung aufgenommen werden. Vitamin A wird in der Leber
gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben. Vitamin A dient der Erhaltung der
körpereigenen Abwehrstärke, ist als Bestandteil des Sehpurpurs wichtig für die
Erhaltung der Gesundheit der Augen und verbessert die Infektionsabwehr an den
Schleimhäuten. Im Immunsystem ist Vitamin A an der Stimulation von T- und BZellen sowie an der Funktionstüchtigkeit von Thymusdrüse und Milz beteiligt. Vitamin
A ist auch dafür verantwortlich, dass sich Schleimhäute nach Krankheiten oder
medikamentöser bzw. strahlenbedingter Schädigung im Rahmen einer Krebstherapie
wieder regenerieren. Während einer Krebsbehandlung werden also große Mengen
Vitamin A benötigt, um die antioxidativen Schutzsysteme des Organismus zu
unterstützen.
Für die Onkotherapie sind drei molekulare Wirkmechanismen von Vitamin A
bedeutsam:
•
ein fördernder Effekt auf die Zelldifferenzierung
11
•
ein stabilisierender Einfluss auf die Zellmembranen
•
Veränderungen des Proteinmusters durch direkte Einwirkung auf den Zellkern
und die Gentranskription (Hager, 1996).
Wie aktuelle Untersuchungen zeigen, hängt die Wirksamkeit von Karotinoiden in der
Krebstherapie ganz entscheidend davon ab, in welcher Form die Antioxidantien
verabreicht werden. Wie eine Untersuchung von Ben-Amotz et al. (1989) belegt, ist
etwa β-Karotin natürlicher Herkunft – in diesem Fall aus der Alge Dunaliella bardavil
– erheblich besser bioverfügbar als synthetisches β-Karotin (all-trans-Form). Die
Wissenschaftler hatten Hühner und Ratten mit β-Karotin natürlichen oder
synthetischen Ursprungs gefüttert. Nach zwei Monaten (Hühner) bzw. 2 Wochen
(Ratten) enthielten die Lebern der Tiere, die mit dem Algen-Antioxidans gefüttert
worden waren, mehr als zehnmal so viele β-Karotin-Isomere als die Lebern der mit
synthetischem β-Karotin gefütterten Tiere.
Doch damit nicht genug: β-Karotin natürlichen Ursprung ist nicht nur besser
bioverfügbar als synthetisches β-Karotin – es besitzt auch keinerlei genotoxische
Aktivität. Eine In-Vitro-Untersuchung von Xue et al. (1998) konnte nachweisen, dass
das cis-Stereoisomer, das nur in natürlichem, jedoch nicht in synthetischem β-Karotin
vorkommt, essentiell für die therapeutisch erwünschte Wirksamkeit des Antioxidans
ist. Natürliches β-Karotin (enthält all-trans und cis-Stereoisomere) inhibierte in
menschlichen Lymphozyten signifikant die strahlungsbedingte oder spontane Bildung
von Mikronuklei und unterdrückte gleichzeitig Mitomycin C-indizierte
Chromosomen—Aberrationen. Auch Ma et al (1998) bestätigen in ihren
Untersuchungen an mesnchlichen Lymphozyten, dass β-Karotin natürlichen
Ursprunges (Alge Dunalielle salina) antimutagen wirkt und keinerlei genotoxische
Effekte hat. Anders jedoch synthetisches β-Karotin: Auf der einen Seite, so Xue et al.
(1998) inhibiert das synthetische Antioxidans zwar die strahlungsinduzierte Bildung
von Mikronuklei in menschlichen Lymphozyten, induziert auf der anderen Seite aber
selbst dosisabhängig die Mikronukleus-Bildung. Die Autoren führen diesen
genotoxischen Effekt von synthetischem β-Karotin auf dessen fehlendes cisSteroisomer zurück und vermuten, dass die Genotoxizität von synthetischem βKarotin sogar eine Rolle bei der Karzinogenese spielen könnte.
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Doch nicht nur β-Karotin, auch andere Karotinoide natürlichen Ursprungs besitzen
einen hohen Stellenwert in der Prophylaxe und Therapie von Krebserkrankungen.
Das belegen aktuelle Untersuchungen, die sich mit dem antiproliferativen Potential
des wichtigsten natürlichen Karotinoids in Tomaten – Lycopen - befassen. Studien
von Levy et al. (1995) zeigen, dass Lycopen in vitro die Proliferation von
menschlichen Krebszellen des Endometriums, der weiblichen Brust und der Lunge
etwa zehnfach besser inhibierte als β-Karotin (aus der Untersuchung geht allerdings
nicht hervor, ob das verwendete β-Karotin natürlichen oder synthetischen Ursprungs
war). Menschliche Fibroblasten wurden dagegen kaum in ihrem Wachstum inhibiert.
Ein weiteres Ergebnis der Studie von Levy et al (1995): Lycopen unterdrückt auch
das Zellwachstum, das durch den Wachstumsfaktor insulin-like growth factor-1 (IGF1) induziert wird. Dieser Befund ist insofern interessant, als IGF-1 ein wichtiger
parakriner und autokriner Stimulator des Wachstums von Krebszellen des
Endometriums und der Brustdrüse ist.
Auch die Publikationen von La Vecchia (1998) und Giovannucci (1999) bestätigen
den tumorpräventiven Effekt des natürlichen Karotinoids Lycopen. La Vecchia (1998)
wertete in seiner Untersuchung Fallstudien aus den Jahren 1983 bis 1992 aus und
kam zu dem Ergebnis, dass der regelmäßige Genuss von Tomaten deutlich das
Risiko senkt, an Tumoren im Mund-Rachen-Raum, des Ösophagus, des Magens,
des Kolons und des Rektums zu erkranken. Auch Giovannucci, der 72
epidemiologische Studien auswertete, kam zu einem vergleichbaren Ergebnis. In 57
Studien zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen der Tomaten-Aufnahme
bzw. dem Blut–Level an Lycopen und dem Krebsrisiko definierter Lokalisationen. In
35 der Untersuchungen waren diese Assoziationen statistisch signifikant. Der
Hinweis auf einen Benefit durch regelmäßigen Tomatengenuss war am deutlichsten
für Prostata-, Lungen- oder Magenkrebs zu erkranken. Daneben sprachen die Daten
für einen inversen Zusammenhang zwischen der Versorgung mit Lycopen und dem
Auftreten von Tumorerkrankungen des Pankreas, Kolon, Rektums, des Ösophagus,
des Mund-Rachen-Raumes, der Brust und der Zervix.
All diese genannten Untersuchungen zeigen, dass Karotinoiden als den natürlichen
Vorstufen von Vitamin A eine hohe Bedeutung in der Prävention und Therapie von
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Krebserkrankungen zukommt. Karotinoide natürlichen Ursprungs, so zeigen die
Publikationen, übertreffen dabei ihre synthetischen Pendants in punkto
Bioverfügbarkeit, Wirksamkeit und Nebenwirkungsarmut.
3.2.2 Vitamin C in der Krebstherapie
Vitamin C (Ascorbinsäure) ist das mit Abstand bekannteste Vitamin und eines der
potentesten (wasserlöslichen) Antioxidantien. Es ist vor allem in frischen Früchten
und grünem Gemüse enthalten. Interessanterweise können – neben den Pflanzen –
die meisten Tiere Vitamin C selbst herstellen. Nur dem Affen und letztlich auch dem
Menschen ist diese Fähigkeit als Folge eines Genverlustes abhanden gekommen.
Vitamin C ist ein besonders effektiver Radikalfänger und in dieser Funktion an
zahlreichen Entgiftungsprozessen im Organismus beteiligt. Auch an der Bildung von
Freßzellen und Lymphozyten sowie an der Produktion von Antikörpern ist
Ascorbinsäure beteiligt. Daneben wirkt das Vitamin am Aufbau von Bindegewebe
und Knochen mit und spielt eine wesentliche Rolle bei der Verwertung von Eisen und
Kalzium aus der Nahrung. Da Ascorbinsäure an der Bildung von Kollagen beteiligt
ist, sorgt das Vitamin damit indirekt auch für gesunde Haut sowie für gesunde Zähne
und Zahnfleisch.
Viele Funktionen von Vitamin C auf molekularer Ebene sind für die Anwendung des
Vitamins gerade in der Onkologie von besonderer Bedeutung. Die wohl wichtigste
Fähigkeit des wasserlöslichen Vitamins besteht darin, freie Radikale im Zytoplasma
der Zelle neutralisieren zu können und damit Zellbestandteile vor oxidativem Stress
zu schützen. Daneben ist Ascorbinsäure an der Regeneration von Vitamin E beteiligt
und somit indirekt auch am Schutz von Membranen und Zellkern (Hager, 1996).
In der Onkologie kommen die Radikalenfänger-Eigenschaften von Vitamin C dem
Patienten vor allem dann zugute, wenn er im Rahmen einer StandardKrebsbehandlung einem besonders ausgeprägten oxidativen Stress ausgesetzt ist.
Vitamin C, so zeigt eine Vielzahl von In-vitro- und tierexperimentellen
Untersuchungen, ist in der Lage, normale Körperzellen vor der Chemotherapie-
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induzierten oxidativen Belastung zu schützen. So konnten Autunes und Takahashi
(1999) zeigen, dass Vitamin C kultivierte menschliche Lymphozyten signifikant vor
Doxorubicin-induzierten chromosomalen Schäden schützt. Das gleiche konnte auch
für kultivierte Knochenmarkszellen der Ratte nachgewiesen werden (Antunes und
Takahashi, 1998). Die Untersuchung von Giri et al. (1998) belegt am Tiermodell,
dass Mäuse, die mit Cisplatin und Vitamin C behandelt wurden, deutlich weniger
mutagene Parameter – Chromosomenaberrationen, Mikronuklei in
Knochenmarkszellen und Abnormalitäten des Spermienkopfes – aufwiesen als
Mäuse, die nur unter Cisplatin standen. Dies belegt nach Ansicht der Autoren eine
protektive Rolle von Vitamin C gegenüber Cisplatin-induzierten Schäden an
Körperzellen. Gleichzeitig, so stellten die Wissenschaftler fest, erhöhen sich unter
dem Einfluss von Ascorbinsäure auch die Glutathion-Level im Knochenmark. Das
lässt vermuten, dass Vitamin C nicht nur selbst gegen freie Radikale vorgeht,
sondern auch die körpereigenen antioxidativen Schutzsysteme stärkt.
Was Vitamin C für die Anwendung in der Onkologie so interessant macht, ist die
Tatsache, dass das Antioxidans nicht nur normale Körperzellen vor oxidativen
Schäden schützt, sondern auch die antineoplastische Aktivität von
Chemotherapeutika wie Doxorubicin und Cisplatin gegenüber Krebszellen erhöht.
Dies ist umso bemerkenswerter, als Wissenschaftler zunächst befürchtet hatten,
Antioxidantien wie Vitamin C könnten die radikalinduzierte Wirksamkeit von
Zytostatika durch ihre Radikalenfängereigenschaften zunichte machen. Wie die
Untersuchung von Kurbacher et al. (1996) zeigt, ist genau das Gegenteil der Fall.
Unter dem Einfluss von Vitamin C verbesserte sich die Zytotoxizität der
Chemotherapeutika Doxorubicin, Cisplatin und Paclitaxel gegenüber zwei humanen
Brustkrebs-Zelllinien signifikant. Dabei wurden additive bis synergistische Effekte
zwischen den Zytostatika und Vitamin C beobachtet.
Die Ergebnisse der Untersuchung von Kurbacher et al. (1996) sind bereits ein sehr
deutlicher Hinweis darauf, dass Vitamin C viel mehr ist als nur ein potentes
Antioxidans. In die gleiche Richtung weist die Untersuchung von Cooke et al (1998).
Auch diese Wissenschaftler konnten zeigen, dass das therapeutische Potential von
Vitamin C weit über dessen Radikalenfänger-Eigenschaften hinaus geht. Im Rahmen
einer klinischen Studie konnten die Forscher nachweisen, dass Vitamin C
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Erbmaterial direkt zu schützen vermag - unabhängig von jedweder Funktion als
Radikalenfänger. In der Untersuchung hatten Versuchspersonen täglich 500 mg
Vitamin C pro Tag erhalten. Durch die Supplementation stiegen die Plasma-Vitamin
C-Konzentrationen der Probanden deutlich an. Je mehr Ascorbinsäure im Plasma
der Testpersonen vorhanden war, umso niedriger waren auf der anderen Seite die
Abbauprodukte der DNA in den mononukleären Zellen der Probanden. Die Autoren
schließen aus diesen Befunden, dass Vitamin C – neben seiner Funktion als
Radikalenfänger – auch direkt an der Regulation von DNA-Reparaturenzymen
beteiligt ist.
Zusammengenommen belegen die genannten Befunde eindeutig, dass die
therapeutisch günstigen Effekte von Vitamin C in der Krebsbehandlung nicht nur auf
dessen Fähigkeit als Antioxidans beruhen. Vielmehr kommen unterschiedliche
Wirkmechanismen des Vitamins auf molekularer Ebene hinzu, die allesamt zu den
therapeutisch günstigen Effekten des Vitamins in der Onkologie beitragen.
3.2.3 Vitamin E in der Krebstherapie
Vitamine der E-Gruppe (Tokoferole) sind fettlösliche Substanzen. Sie zählen
gemeinsam mit den Vitaminen A und C zu den potentesten Antioxidantien. Vitamin E
wird dem Körper vor allem durch pflanzliche Speiseöle, Getreidekeime, Blattgemüse,
Mandeln und Nüsse zugeführt. Der Organismus ist in jedoch auch der Lage,
Tokoferole zu speichern - etwa in den Nebennieren, in der Milz und im Pankreas. Die
wichtigste Funktion von Vitamin E ist der Oxidationsschutz bei verschiedenen
Stoffwechselvorgängen, vor allem beim Abbau ungesättigter Fettsäuren und bei
Entzündungsprozessen. Vitamin E gilt als das wichtigste Antioxidans in fetthaltigen
Körpergeweben. So fungiert Tokoferol etwa als erste Abwehrlinie gegen die
Lipidperoxidation und beendet die radikalische Kettenreaktion in der Zellmembran.
Im Immunsystem ist das Vitamin daneben an der Produktion von Antikörpern
beteiligt.
Die Bedeutung von Vitamin E in der Prävention von Krebserkrankungen steht heute
außer Diskussion. So zeigt etwa die im Jahr 1999 veröffentlichte Finnlandstudie an
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über 29.000 männlichen Rauchern, dass eine gute Versorgung mit Vitamin E (αTokoferol) die Lungenkrebs-Inzidenz um 19 Prozent zu senken vermag (Woodson et
al., 1999). Besonders deutlich war die Schutzwirkung von Vitamin bei jüngeren
Personen (unter 60 Jahre) und bei Personen, deren kumulative Exposition
gegenüber Zigarettenrauch vergleichsweise gering war. Die Autoren schließen aus
diesen Befunden, dass das Vitamin E möglicherweise Lungenkrebs verhindern kann
– vor allem dann, wenn der Raucher in der kritischen Frühphase der Tumorgenese
mit hohen Leveln des Vitamins versorgt ist.
Doch nicht nur in der Prävention, auch in der Therapie von Krebserkrankungen hat
Vitamin E einen hohen Stellenwert. Gogos et al. (1998) konnten beispielsweise
zeigen, dass Vitamin E (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren) den Immunstatus
von Patienten mit soliden Tumoren im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung
verbessert und auch deren Leben verlängert. Besonders deutlich war dieser Effekt
bei Patienten, die bei Studienbeginn in einem schlechten Ernährungszustand waren.
Der Wirkmechanismus von Vitamin E auf molekularer Ebene, der letztlich die
Grundlage für die klinisch belegte Wirksamkeit des Vitamins darstellt, konnte in den
vergangenen Jahren weitgehend aufgeklärt werden. Dabei stellte sich heraus, dass
das Wirkprinzip von Tokoferol einerseits auf dessen Eigenschaft als Radikalenfänger
beruht, andererseits aber auch – analog zum Vitamin C – radikalen-unabhängige
Effekte von Vitamin E eine Rolle spielen. Jha et al (1999) konnten zeigen, dass
Vitamin E (D-α-Tokoferol-Succinat) kultivierte menschliche Tumorzelllinien, die mit
Röntgenstrahlen behandelt wurden, zusätzlich im Wachstum hemmte und damit die
Wirkung der Strahlenbehandlung verstärkte. Wurden die Tumorzellen allein mit
Vitamin E behandelt, kam es ebenfalls zu einer Wachstumshemmung, die vom
Ausmaß her allerdings nicht an die Hemmung der Kombination Strahlung/Vitamin E
heranreichte. Interessanterweise, so die Ergebnisse der Untersuchung, sind diese
wachstumshemmenden Effekte von Vitamin E auf Tumorzellen beschränkt. Wurden
verschiedenen Zelllinien menschlicher Fibroblasten dem Vitamin ausgesetzt, war
kein Effekt auf deren mitotische Aktivität festzustellen. Auch eine Verstärkung der
strahlungsbedingten Wachstumshemmung durch Vitamin C unterblieb bei den
Fibroblasten. Die Autoren schließen aus den Befunden, dass die Wirkung von
Vitamin E – allein oder in Kombination mit einer Strahlentherapie – selektiv für
17
Tumorzellen ist. Befürchtungen, dass Antioxidantien wie Vitamin E Tumorzellen vor
Radikalschäden während einer Strahlentherapie schützen könnten, halten die
Autoren mithin für unbegründet.
Was für die Kombination Strahlentherapie/Vitamin E gilt, hat für die Kombination
zytostatische Chemotherapie/Vitamin E ebenfalls ihre Berechtigung. Wie Ito et al.
(1995) am Tiermodell zeigen konnten, schützt Vitamin E die empfindliche
Endothelschicht in Ratten-Arterien vor einer radikalbedingten Schädigung durch das
Zytostatikum Cisplatin. Die Autoren schließen aus den Ergebnissen, dass Vitamin E
die radikal-induzierte Peroxidation von Zellmembranen nach Verabreichung von
Cisplation minimieren und auf diese Weise Gefäßschäden vermindern kann.
Dass sich die Wirksamkeit von Vitamin E nicht nur auf dessen Funktion als
Radikalenfänger beschränkt, zeigt die Untersuchung von Chinery et al. (1997). Die
Autoren konnten zeigen, dass Vitamin E in kolorektalen Zellen Apoptose, also ein
genetisch fixiertes Selbstmordprogramm, auslöst. Dieser Effekt wird, so zeigen die
Untersuchungen, durch den Transkriptionsfaktor C/EBP beta vermittelt, der
seinerseits einen starken Inhibitor des Zellzyklus (p21WAF1/CIP1) induziert.
Überraschend für die Autoren verläuft dieser Apoptose-auslösende Effekt von
Vitamin E völlig ohne Beteiligung des Tumorsuppressors p53 ab. Nach Ansicht der
Autoren können die neuen Befunde über die Vitamin E-induzierte Auslösung des
programmierten Zelltods erklären, weshalb Tokoferol in vitro und in vivo die
Zytostatika(5FU)-vermittelte Wachstumshemmung in kolorektalen Tumorzellen noch
weiter verstärken kann. Die Autoren sehen in der gemeinsamen Verabreichung von
hochwirksamen Chemotherapeutika wie 5FU und Antioxidantien wie Vitamin E sogar
einen völlig neuen Ansatz in der Behandlung des kolorektalen Karzinoms.
3.2.4 Selen in der Krebstherapie
Selen ein Spurenelement, das an wichtigen physiologische Abläufen im Organismus
beteiligt und aus diesem Grund für den menschlichen Körper unverzichtbar ist. So ist
das Selen Bestandteil vieler Redoxsysteme – etwa der Enzyme GlutathionPeroxidase und Thioredoxinreduktase -, die allesamt oxidative Schutzfunktionen
18
erfüllen. Aus diesem Grund kann Selen auch als Antioxidans in weiterem Sinne
bezeichnet werden (Hager, 1996). Daneben stärkt das Spurenelement auch die
Abwehrkraft des Immunsystems. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass
unter dem Einfluss von Selen mehr Antikörper gebildet wurden, während gleichzeitig
Immunzellen wie natürlichen Killerzellen, Granulozyten, Makrophagen und
zytotoxische T-Zellen aktiviert wurden. Ein Einfluss von Selen auf DNAReparaturmechanismen wurde ebenfalls beschrieben. Nicht zuletzt sprechen aktuelle
Forschungsdaten dafür, dass das Spurenelement möglicherweise auch in der Lage
ist, den Selbstmord (Apoptose) von Tumorzellen zu fördern.
Leider liegt die Versorgung der Bevölkerung mit dem wichtigen Spurenelement nicht
selten im Argen. Deutschlands Böden etwa – und demzufolge auch die auf diesen
Böden gewachsenen Feldfrüchte - sind selenarm. Selenmangel kann daher bereits
bei einer in Mitteleuropa üblichen Ernährungsweise auftreten. Chronische
Entzündungsprozesse im Körper und malignen Erkrankungen erhöhen den Bedarf
weiter.
Dass Selen in der Prävention von Tumorerkrankungen eine herausragende
Bedeutung zukommt, konnte mittlerweile in drei großen Interventionsstudien belegt
werden. Die jüngste und gleichzeitig aussagekräftigste ist die im Jahr 1998
veröffentlichte Studie von Clark et al. In der randomisierten, placebokontrollierten
Doppelblindstudie waren knapp 1000 ältere Patienten mit behandeltem
Nichtmelanom-Hautkrebs entweder mit 200 µg Selen pro Tag oder mit einem
Placebo behandelt worden. Nach einer Behandlungszeit von im Mittel 4,5 Jahren und
einer Beobachtungszeit von etwa 6,5 Jahren stellte sich heraus, dass in der
Selengruppe deutlich weniger Patienten an Krebs verstorben waren als in der
Placebogruppe. Auch die Anzahl der Neuerkrankungen ging erheblich zurück. Der
Schutzeffekt des Selens war am deutlichsten bei Prostata- (um 63 Prozent
verminderte Inzidenz), Kolorektal- und Lungenkrebs (die Grunderkrankung der
Patienten, der Hautkrebs, zeigte dagegen keine Reaktion auf die Behandlung mit
dem Spurenelement). Auch Nelson et al (1999) bestätigen in ihrem Review-Artikel
die Bedeutung einer Selen-Supplementation zur Vorbeugung von
Krebserkrankungen, insbesondere zur Vorbeugung des Prostatakarzinoms.
19
Nicht nur in der Krebsprävention, auch in der Behandlung von Patienten, die bereits
an Krebs erkrankt sind, hat sich Selen einen Namen gemacht. Aus gutem Grund:
Bereits 1992 konnten Jiang et al. in Untersuchungen in der Zellkultur und am
Mausmodell einen anti-leukämischen Effekt von Selen (als Natrium-Selenit)
nachweisen. So überlebten etwa Mäuse, denen L797-Leukämiezellen inokuliert
worden waren, unter einer gleichzeitigen Supplementation mit Selen signifikant
länger als Kontrollmäuse. Gleichzeitig konnten die Autoren nachweisen, dass der
anti-leukämische Effekt offensichtlich mit einer Inhibition der DNA-Replikation, der
Transkription und der Translation zusammen hing.
Wie aktuelle Untersuchungen zeigen, geht Selen nicht nur gegen Krebszellen vor,
sondern schützt die Körperzellen auch vor den Nebenwirkungen einer Chemo- oder
Strahlentherapie. Dies ist möglich, da Selen den Organismus bei der Entsorgung der
großen Mengen an freien Radikalen unterstützt, die unter einer konventionellen
Krebstherapie gebildet werden. So konnte Sieja (1998) zeigen, dass Frauen mit
Ovarialkarzinom, die unter einer Chemotherapie standen, von der täglichen Gabe
von 200 µg Selen profitierten. So war etwa nach einer Supplementations-Dauer von
drei Monaten die Aktivität des antioxidativ wirksamen Enzyms Glutathion-Peroxidase
signifikant höher als in der Kontrollgruppe ohne Selen. Bereits einen Monat nach
Beginn der Selen-Supplementation waren zwischen beiden Gruppen Unterschiede in
der MDA-Konzentration festzustellen. Aufgrund dieser Befunde empfiehlt der Autor,
dass Frauen mit Ovarialkarzinom, die unter einer Chemotherapie stehen, durch die
Gabe von Selen zusätzlich unterstützt werden sollten.
Auch bei Krebspatienten, die unter einer Radiotherapie stehen, wirkt sich die
zusätzliche Verabreichung von Selen günstig aus. Hehr et al. (1997) behandelten
Patienten mit fortgeschrittenem Rektumkarzinom, die unter einer adjuvanten
Radiochemotherapie standen, zusätzlich mit Selen. Nach jedem Zyklus der
Chemotherapie mit Fluorouracil erhielten die Patienten täglich 2000 und nach jeder
Bestrahlung des Tumors und der Lymphknoten 400 µg Natrium-Selenit. Einmal
wöchentlich wurden die Auswirkungen der Krebstherapie auf bestimmte Parameter
erfasst. Von besonderem Interesse waren dabei Durchfall, Dysurie, Hunger Appetit,
Übelkeit und Erbrechen. Die Autoren kamen in ihrer Untersuchung, die nach eigenen
Angaben noch vorläufigen Charakter hat, zu dem Ergebnis, dass sich ein
20
radioprotektiver Effekt von Selen sowohl auf In-vivo- als auch auf In-vitro-Ebene
belegen lässt. Rodemann et al. führten 1999 die Studien über die Radioprotektion
von Selen weiter fort. Die Wissenschaftler führten In-vitro-Experimente an kultivierten
Plattenepithelkarzinom-Zellen und normalen Haut Fibroblasten durch. Beide
Zelltypen wurden in Anwesenheit von Natrium-Selenit nach einem bestimmten
zeitlichen Schema bestrahlt. Dabei stellte sich heraus, dass die Fibroblasten unter
dem Einfluss des antioxidativ wirksamen Spurenelements vor den Auswirkungen der
Strahlung geschützt wurden, nicht jedoch die Krebszellen. Die Autoren schließen
daraus, dass der radioprotektive Effekt des Selens sich allein auf normale, nicht
maligne veränderte Zellen beschränkt. Therapeutisch erwünschte Strahlenschäden
an Krebszellen, so lässt sich aus den Untersuchungsergebnissen schließen, werden
dagegen durch die Anwesenheit von Selen nicht vereitelt.
3.2.5 Glutathion in der Krebstherapie
Die antioxidativ wirksame Substanz Glutathion hat sowohl in der Prävention als auch
in der Therapie maligner Erkrankungen ihren Stellenwert. Schwartz et al. gelang es
1996, ansatzweise den Wirkmechanismus aufzuklären, der vermutlich vor allem für
die krebspräventive Wirksamkeit des Antioxidans verantwortlich ist. Die
Wissenschaftler konnten am Tiermodell nachweisen, dass reduziertes Glutathion
(GSH) eine experimentelle erzeugte orale Karzinogenes inhibiert, indem es die
Expression des Tumor- Suppressors p53 ebenso wie die Angiogenese beeinflusst.
Im Rahmen der Untersuchungen erhielten 10 von 20 Goldhamstern, die mit der
krebsauslösenden Substanz 7,12-Dimethylbenz[a]anthrazen (DMBA) behandelt
wurden, zusätzlich dreimal wöchentlich 10 mg/kg reduziertes Glutathion. Weitere 20
Tiere fungierten als DMBA-unbehandelte Kontrollen. Ergebnis: Die Tiere der DMBAGruppe, die zusätzlich GSH erhalten hatten, hatten signifikant weniger Tumore als
die Hamster ohne GSH. Zudem waren die vorhandenen Tumoren deutlich kleiner.
Histologisch wiesen die DMBA-GSH-Hamster weniger Dyplasien, weniger Carcinoma
in situ-Stadien und weniger invasive epidermoide Karzinomstadien auf. Der
immunhistochemische Nachweis ergab zudem, dass in den Tumoren der Tiere, die
DMBA plus GSH erhalten hatten, im Vergleich zu den DMBA-Hamstern die
Expression des Tumorsuppressors p53 (Wildtyp) deutlich erhöht war. Dabei konnten
die Wissenschaftler eine Korrelation zwischen der Inhibition der oralen
21
Karzinogenese und dem hohen p53-Wildtyp-Level feststellen, was nach Ansicht der
Autoren für eine Beteiligung des Tumorsuppressors an der GSH-induzierte
Chemoprävention spricht. Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler fest, dass unter
dem Einfluss von GSH in den DMBA-behandelten Tieren eine deutliche Inhibition der
Tumorangiogenese zu verzeichnen war. Auch dieser Effekt trägt nach Ansicht der
Autoren zum antioxidativ- präventiven Gesamteffekt von Glutahion bei.
Auch bei bereits bestehenden Tumorerkrankungen hat sich die Gabe von GSH
zusätzlich zu Zytostatika als sinnvoll erwiesen. Wie Di Re et al. (1003) zeigen
konnten, wiesen 52 Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, die
zusätzlich zu hochdosiertem Cisplatin (fünf Zyklen) und Cyclophosphamid auch
Glutathion (2500 mg als Kurzzeit-Infusion vor Cisplatin-Gabe) erhalten hatten,
lediglich moderate Nebenwirkungen auf. Nur bei vier Prozent der Patientinnen traten
Nebenwirkungen auf, die Grad 3 der WHO Klassifikation für Neurotoxizität
entsprechen. Das ist nach Ansicht der Autoren für Behandlungsschemata mit
hochdosiertem Cisplatin sehr ungewöhnlich. Die gute Verträglichkeit von Cisplatin bei
gleichzeitiger Anwesenheit von GSH eröffnet nach Ansicht der Wissenschaftler die
Möglichkeit, die Cisplatin-Dosis in Zukunft möglicherweise noch steigern zu können.
So könnte unter dem Schutz des Antioxidans eine noch bessere Zytotoxizität
gegenüber Tumorzellen erreicht werden. Der Schutzeffekt des Glutathions (und
damit verbunden die Möglichkeit, die Zytostatika-Dosis zu steigern) kam auch dann
zum Tragen, wenn Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom mit Cisplatin
in Kombination mit Carboplatin behandelt wurden (Bohm et al., 1999).
3.2.6 N-Acetylcystein in der Krebstherapie
Das Thiol M-Acetylcystein (NAC), ein Analogon und Vorläufer von Glutathion,
entfaltet nicht nur in frühen, sondern auch in fortgeschrittenen Stadien der
Karzinogenese eine therapeutisch günstigen Einfluss. Dabei wirkt NAC in der
Krebstherapie gleich zweifach: einerseits schützt es normale Körperzellen vor
schädlichen Auswirkungen einer Chemotherapie (D´Agostini et al., 1998),
andererseits geht es auf äußerst vielfältige Weise gegen die maligne veränderten
Zellen selbst vor.
22
Eine Facette des Anti-Tumor-Effekts von NAC wird in der Arbeit von Chinery et al.
(1998) deutlich. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass NAC die Proliferation
kultivierter kolorektaler Karzinomzellen inhibiert, indem es die Expression der
Cyclooxygenase-II (COX-2) in den Zellen herunter schraubt. Diese NAC-bedingte
Inhibition von COX-2 erfolgt also, anders als etwa die Inhibition durch nichtsteroidale
Antirheumatika, auf transkriptionaler und nicht auf katalytischer Ebene. Als Folge der
reduzierten COX-2-Expression wurde auch die Produktion von Prostaglandinen
vermindert und –besonders bemerkenswert – in den Krebszellen der programmierte
Zelltod (Apoptose) ausgelöst.
Doch NAC kann auch noch auf andere Weise gegen Krebszellen vorgehen. Flora et
al. (1996) am Tiermodell zeigen, dass das Thiol in Nacktmäusen, denen Krebszellen
injiziert wurden, ebenso wie Zytostatikum Doxorubicin die Bildung von
Lungenmetastasen inhibierte. Besonders effektiv – nämlich synergistisch - war die
Hemmung, wenn NAC gemeinsam mit Doxorubicin verabreicht wurde. In einem
anderen murinen Testsystem hemmten NAC und Doxirubicin in Kombination äußerst
effektiv die Häufigkeit und das Gewicht von Primärtumoren und Lokalrezidiven in den
Tieren. Die Bildung von Lungenmetastasen wurde in diesem Modell sogar komplett
unterbunden (Flora et al., 1996; D´Agostini et al., 1998).
Weiterhin, so berichten Albini et al. (1995) und Morini et al. (1999), ist NAC in der
Lage, die chemotaktische und invasive Potenz von Tumorzellen zu reduzieren. Albini
et al. (1995) fanden heraus, dass NAC latente Metalloproteinasen inhibiert, die von
den Tumorzellen freigesetzt werden und mit dem Prozess der Metastasierung
assoziiert sind. Verantwortlich für diese Fähigkeit des Thiols ist offensichtlich ein
ungepaarter Cysteinrest im NAC-Propeptid. Des weiteren, so konnten Albini et al.
(1996) an Zellkulturen und am Mausmodell zeigen, ist NAC in der Lage, mit Hilfe
seiner Sulhydrylgruppen die gelatinolytische Aktivität von tumorassoziierten Typ-IVKollagenasen komplett zu inhibieren. Auch dieser Effekt lässt nach Meinung der
Autoren den Schluss zu, dass NAC den Prozess der Tumorzell-Invasion und
Metastasierung therapeutisch günstig beeinflusst.
23
Untersuchungen von Cai et al. (1999) brachten noch einen weiteren Anti-TumorEffekt von NAC zutage. Die Autoren konnten anhand von In-vitro-Untersuchungen
zeigen, dass NAC dosisabhängig die Fähigkeit kultivierter Endothelzellen vermindert,
in eine rekonstituierte Basalmembran einzuwandern. Gleichzeitig wurde die
chemotaktische Aktivität der Endothelzellen vermindert. Da das Wachstum von
Endothelzellen - als Reaktionen auf einen angiogenen Reiz der Krebszellen - der
elementare Schritt einer Neovaskularisierung von Tumoren ist, schließen die Autoren
aus den Befunden auf einen antiangiogenen Effekt von NAC. In der Tat konnten sie
in einem zweiten Testansatz, einem In-vivo System (In –vivo-Matrigel—Test)
bestätigen, dass NAC die Neovaskularisierung von Matrigel-Schwämmen als Antwort
auf einen starken angiogenen Reiz (Kaposi´s Sarkoma Zellprodukte) stark inhibierte.
Die Tatsache, dass NAC neben seiner Fähigkeit als Antioxidans auf vielfältige Weise
die invasive Potenz von Tumorzellen inhibiert, in den Zellen möglicherweise
Apoptose auslöst und zudem noch antiangiogen wirkt, macht die Substanz endgültig
zu einem der „vielversprechendsten chemopräventiven Agenzien“ in der
Krebsbehandlung (Albini et al., 1999).
3.2.7 α-Liponsäure in der Krebstherapie
Bereits wissenschaftliche Untersuchungen der frühen 90-er Jahre kamen zu dem
Ergebnis, dass die Substanz α-Liponsäure Einfluss auf den intrazellulären
Glutathion-Spiegel zu und damit auch auf die körpereigenen antioxidativen
Schutzsysteme nimmt. Busse et al. (1992) konnten zeigen, dass α-Liponsäure den
Gehalt an intrazellulärem Glutathion (GSH) in kultivierten Neuroblastom- und
Melanomzellen dosisabhängig erhöht. Auch im Mausmodell ließ sich dieser Effekt
bestätigen. Das Lungengewebe von Mäusen, die mit α-Liponsäure behandelt wurden
waren, enthielt etwa 50 Prozent mehr Glutathion als das Gewebe unbehandelter
Tiere. Der erhöhte Glutathion-Gehalt nach Gabe von α-Liponsäure war korreliert mit
einem verbesserten Schutz vor Strahlenschäden. Unter dem Einfluss von 16 mg αLiponsäure pro kg Körpergewicht überlebten doppelt so viele Tiere eine
Ganzkörperbestrahlung mit 5 und 8 Gy. Die Autoren schließen aus diesen Befunden,
24
dass α-Liponsäure das intrazelluläre Verhältnis von GSH zu GSSG erhöht und auf
diese Weise die Körperzellen vor den schädlichen Einflüssen von Strahlung schützt.
Rybak et al. ergänzten (1999 a und b), dass α-Liponsäure den Organismus nicht nur
vor Strahlenschäden, sondern auch vor oxidativen Schäden durch Zytostatika
bewahrt – und zwar ebenfalls über seinen Einfluss auf intrazelluläre oxidative
Schutzsysteme. Die Wissenschaftler konnten am Tiermodell (Ratte) zeigen, dass
α-Liponsäure dosisabhängig die Cytotoxizität des Chemotherapeutikums Cisplatin
vermindert. In Cisplatin-behandelten Tieren war der Gehalt an Glutathion in der
Cochlea auf 69 Prozent des Wertes unbehandelter Tiere reduziert – als Zeichen für
einen erhöhten oxidativen Stress. Die Cochlea von Tieren, die zusätzlich zu Cisplatin
auch α-Liponsäure erhalten hatten, wiesen dagegen Glutathionspiegel auf, die
praktisch dem Niveau der Kontrolltiere entsprachen. Auch andere Bestandteile des
antioxidativen Schutzsystems in der Cochlea (etwa die Enzyme Superoxiddismutase,
Katalase, Glutathion-Peroxidase und Glutathion-Reduktase), deren Aktivität durch
Cisplatin erheblich vermindert wurde, konnten durch die gleichzeitige Anwesenheit
von α-Liponsäure rekonstituiert werden. Der unter Cisplatin im Vergleich zu
unbehandelten Tieren nahezu verdoppelte Gehalt an Malondialdehyd (MAD) wurde
durch α-Liponsäure ebenfalls normalisiert. Die Autoren schließen aus den Befunden,
dass die Cisplatin-induzierte Cytotoxizität offensichtlich durch eine Schädigung der
intrazellulären oxidativen Schutzsysteme in der Cochlea zustandekommt. Die
gemeinsame Gabe von α-Liponsäure und Cisplatin, so die Autoren, kann die
oxidativen Verteidigungssysteme stärken und auf diese Weise Zytostatika-bedingte
Schäden am Ohr verhindern.
3.2.8 Glutamin in der Krebstherapie
Auch die antioxidativ wirksame Substanz Glutamin hat ein ganzes Repertoire an
Anti-Tumor-Wirkungen zu bieten, die in der Krebstherapie sinnvoll eingesetzt werden
können. Bereits 1995 konnten Rouse et al. am Tiermodell (Ratte) zeigen, dass
Glutamin die Selektivität einer Chemotherapie mit Methotrexat (MTX) erhöht, indem
es Einfluss auf den Glutathion-Metabolismus der Tiere nimmt. Die Forscher stellten
fest, dass unter dem Einfluss von Glutamin die Glutathion-Spiegel in den Geweben
25
der MTX-behandelten krebskranken Tiere konstant blieben oder erhöht wurden,
während der Glutathion-Spiegel im Tumor selbst deutlich erniedrigt war. Die
niedrigen Tumor-Glutathion-Level waren korreliert mit einer erhöhten Sensitivität der
malignen Zellen gegenüber dem Zytostatikum MTX, was sich in einem reduzierten
Tumorwachstum widerspiegelte. Die Autoren schließen aus den Befunden, dass
Glutamin – via Glutathion – Tumorzellen sensitiver gegenüber einer zytostatischen
Behandlung macht, während normale Körperzellen gleichzeitig geschützt werden.
Fast noch interessanter sind die Untersuchungsergebnisse der Arbeitsgruppe um
Rubio et al. (1998). Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Glutamin nicht nur
seine schützende Wirkung entfaltet, indem es körpereigene antioxidative
Schutzsysteme aktiviert, sondern direkt Einfluss auf die Verteilung des Zytostatikums
im Organismus nimmt. Unter dem Einfluss von Glutamin, so konnten die Forscher
am Tiermodell zeigen, kommt es zu einer dreifachen Erhöhung des MTX-Gehaltes im
Tumorgewebe der Tiere, während MTX im Darm der Tiere gleichzeitig deutlich
abgereichert wird. Das bedeutet nach Auffassung der Autoren nichts anderes, als
dass GLN die Aufnahme von MTX in den Tumor erhöht und demzufolge vermutlich
das „therapeutische Fenster“ dieses Zytostatikums erhöht.
Dass Glutamin den Organismus nicht nur vor den schädlichen Effekten von MTX,
sondern auch vor anderen Zytostatika schützt, zeigen die Ergebnisse von Tavares et
al (1998) und Cao et al (1999). Die Arbeitsgruppe um Tavares konnte nachweisen,
dass GLN in vitro sowohl Knochenmarkszellen (der Ratte) als auch Ovarialzellen
(des Hamsters), die mit Doxorubicin behandelt wurden, vor zytostatikabedingten
chromosomalen Schäden schützte. Diesen Schutzeffekt von Glutamin konnten Cao
und Mitarbeiter auch in vivo am Tiermodell (Ratte) bestätigen. Sie konnten
nachweisen, dass die Kardiotoxizität von Doxorubicin unter dem Einfluss von GLN
deutlich vermindert wird. Die Autoren schließen aus den Ergebnisse, dass eine
Supplementation mit GLN die Doxorubicin-induzierten Schäden am Herzen
offensichtlich vermindern kann – vermutlich via Hochregulation des kardialen GSHMetabolismus.
Was die In-vitro- und tierexperimentellen Daten zur chemopräventiven Wirksamkeit
von Glutamin so wertvoll macht, ist die Tatsache, dass sie bereits durch klinische
26
Studien am Menschen untermauert werden konnten. 1998 führten Rubio et al. eine
Pilotstudie an neun Patientinnen mit Brustkrebs durch. Die Patientinnen, die unter
einer Behandlung mit MTX, gefolgt von einem Doxorubicin-Behandlungsschema
standen, erhielten zusätzlich GLN in einer Dosierung von täglich 0,5 g pro kg
Körpergewicht. Bis auf eine Patientin zeigten alle eine therapeutisch erwünschte
Antwort auf das Chemotherapie-Behandlungsschema. Bei keiner Patientin, so
betonen die Autoren, gab es dabei Hinweise auf eine Chemotherapie-indizierte
Toxizität. Aussagekräftiger sind die Ergebnisse der randomisierten Doppelblindstudie
von Anderson et al (1998). Die Wissenschaftler hatten 24 Krebspatienten (16 Kinder
und acht Erwachsene), die unter einer Chemotherapie mit unterschiedlichen
Zytostatika standen, zusätzlich mit Glutamin oder Placebo behandelt. Es sollte
untersucht werden, ob die Glutamin-Supplementation einen Einfluss auf die
schmerzhafte Stomatitis hatte, eine besonders häufige Nebenwirkung zytostatischer
Therapien. Ergebnis: In der GLN-Gruppe waren sowohl die Schwere als auch die
Dauer von schmerzhaften Veränderungen im Mundbereich gegenüber der
Placebogruppe signifikant vermindert. Decker-Baumann et al. (1999) konnten in einer
randomisierten Studie an 24 Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom
ebenfalls nachweisen, dass unter dem Einfluss von GLN Chemotherapie-induzierte
Mukositiden signifikant seltener auftraten. Daneben stellten die Autoren bei GLNbehandelten Patienten eine signifikante Reduktion peptischer Ulzera sowie
Ulzerationen der duodenalen Mukosa fest.
3.2.9 Melatonin in der Krebstherapie
Melatonin ist ein aus der Epiphyse stammendes Gewebshormon. In jüngster Zeit
erregte Melatonin durch seine Fähigkeit Aufsehen, eine gestörte Tagesrhythmik beim
Menschen –etwa beim Jet Lag –harmonisieren zu können. Doch auch der
Krebsbehandlung hat Melatonin einen bedeutenden Stellenwert. Bei der Anwendung
in der Onkologie kommt zum einen die antioxidative Potenz von Melatonin zum
Tragen. Gleichzeitig so, zeigen Untersuchungen, ist das Gewebshormon jedoch auch
in der Lage, direkt gegen Krebszellen vorzugehen. So konnten Mediavilla et al.
(1999) etwa zeigen, dass Melatonin in der Lage ist, die Proliferation kultivierter
Brustkrebszellen zu hemmen, indem es deren Zellzyklus stoppt. Dieser modulierende
27
Eingriff von Melatonin und intrazelluläre Signaltransduktionswege läuft mit hoher
Wahrscheinlichkeit über ein Aktivierung des Tumorsuppressors p53 sowie des
Proteins p21WAF1 (Mediavilla et al., 1999) ab.
Dass sich die vielfältigen Wirkmechanismen von Melatonin für die Anwendung in der
Onkologie nutzen lassen, belegen diverse Studien an Krebspatienten. Lissoni et al.
(1997) führten eine randomisierte kontrollierte Studie an 80 Patienten durch, die an
unterschiedlichen soliden Tumoren litten: 35 an Lungenkrebs, 31 an Brustkrebs und
14 an Tumoren des Gastrointestinaltraktes. Die Patienten erhielten eine
chemotherapeutische Standardtherapie – Lungenkrebspatienten mit Cisplatin und
Etoposid, die Brustkrebspatientinnen mit Mitoxantron und die Patienten mit
gastrointestinalen Tumoren 5-Fluorouracil plus Folate – und randomisiert zusätzlich
Melatonin (20 mg/Tag). Ergebnis: Diejenigen Patienten, die neben ihrem
Zytostatikum Melatonin erhalten hatten, litten signifikant seltener an
Thrombozytopenie, Missbehagen und Schwäche. Auch Stomatitis und Neuropathie
waren seltener zu beobachten. Lediglich die Parameter Alopezie und Erbrechen
wurden durch die Zusatzbehandlung mit Melatonin nicht beeinflusst. Auch Lissoni et
al (1999) konnten in ihrer Phase-II-Studie an 14 Patientinnen mit Brustkrebs
bestätigen, dass Melatonin die Zytostatika (in diesem Fall Epirubicin)-bedingte
Thrombozytopenie deutlich vermindert. Auf Grund dieser Befunde sprechen sich die
Autoren dafür aus, die Krebstherapie mit Melatonin nicht länger als Alternative zur
Chemotherapie anzusehen, sondern vielmehr als Möglichkeit, diese sinnvoll zu
unterstützen.
Auch in Kombination mit einer Strahlentherapie hat sich die zusätzliche Gabe von
Melatonin als sinnvoll erwiesen. Wie Lissoni et al. (1996) zeigen konnten, sprachen
Glioblastom-Patienten besser auf eine Radiotherapie an, wenn sie gleichzeitig täglich
20 mg Melatonin erhielten. Das schlug sich in einer signifikant längeren
Überlebenszeit nieder. Gleichzeitig litten die Glioblastom-Patienten, die unter einer
Zusatztherapie mit Melatonin standen, seltener an Radiotherapie-bedingten
Nebenwirkungen. Fazit der Autoren: Melatonin verlängert offenbar nicht nur das
Leben von radiotherapeutisch behandelten Glioblastompatienten, sondern verbessert
gleichzeitig auch deren Lebensqualität.
28
3.2.10 Sonstige antioxidativ wirksame Substanzen in der Krebstherapie
Neben den bereits genannten gibt es noch weitere antioxidativ wirksame
Einzelsubstanzen, die in der Behandlung von Krebspatienten sinnvoll eingesetzt
werden können und die betroffenen Patienten einen Benefit bringen.
So gibt es etwa Hinweise darauf, dass Nicotinamid bzw. Niacin das Wachstum von
Tumorzellen hemmen und gleichzeitig gesunde Körperzellen vor Strahlenschäden
schützen können. Slade et al. (1999) konnten zeigen, dass Nicotinamid-AdeninDinukleotid (NADH) in der Zellkultur auf sehr potente Weise die Proliferation
humaner Tumorzellen hemmt. Die Untersuchungen von Gensler et al. (1999) am
Mausmodell ergaben, dass oral verabreichtes Niacin die durch Bestrahlung mit UVLicht ausgelöste Photokarzinogenese verhindert und die Tiere vor Hautkrebs schützt.
Gleichzeitig wird die unter Bestrahlung häufig zu beobachtende Immunsuppression
in verschiedenen Hautbereichen unterbunden. Die Autoren konnten zudem
nachweisen, dass Niacin den NAD-Gehalt der Haut erhöht. NAD seinerseits ist
maßgeblich an der Reparatur UV-geschädigter DNA beteiligt.
Auch Folsäure, vor allem in Kombination mit Chemotherapeutika, ist mittlerweile zu
einem festen Bestandteil vieler Behandlungsschemata in der Onkologie geworden.
Doch auch bei der Krebsprävention spielt Folsäure offensichtlich eine bedeutende
Rolle. Zhang et al konnten 1999 in einer großen prospektiven Studie an fast 90.000
Frauen zeigen, dass eine gute Versorgung mit Folsäure das durch Alkohol-Abusus
erhöhte Brustkrebsrisiko deutlich vermindert.
3.2.11 Gemische antioxidativ wirksamer Substanzen in der Krebstherapie
Eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen sprechen dafür, dass extern
verabreichte Antioxidantien in der Krebsbehandlung ihre volle Wirkung erst dann
entfalten, wenn sie in Kombination eingesetzt werden. Denn, so legen viele
Forschungsergebnisse nahe, unterschiedliche Antioxidantien arbeiten bei ihrer
radikalentschärfenden Tätigkeit quasi „Hand in Hand“. So konnten etwa Passtori et
29
al. (1998) zeigen, dass das natürliche Karotinoid der Tomate (Lycopen) dann
besonders effektiv gegen Krebszellen vorgeht, wenn es nicht allein, sondern in
Kombination mit Vitamin E verabreicht wird. In der Studie hemmten die beiden
Antioxidantien, sobald sie simultan gegeben wurden, in vitro das Wachstum von
Prostatakrebszellen geradezu dramatisch (bis zu 90 Prozent). Die Autoren sprechen
von einem synergistischen Effekt der beiden Antioxidantien. In eine ähnliche
Richtung weist die klinische Studie von Lissoni et al (1998) an 50 Krebspatienten. Die
Autoren konnten zeigen, dass das antioxidativ wirksame Epiphysen-Hormon
Melatonin das Ansprechen der Patienten auf eine Chemotherapie dann besonders
deutlich verbessert, wenn Melatonin gemeinsam mit pflanzlichen Substanzen aus
Aloe vera verabreicht wird.
Warum eine Kombination aus Antioxidantien besser wirkt als antioxidativ wirksame
Einzelsubstanzen, macht der Review-Artikel von Prasad et al. (1999) deutlich. Die
Autoren beschreiben, dass Gemische antioxidativer Wirksubstanzen in der Lage
sind, gleich auf mehreren Ebenen gegen das komplexe Phänomen Krebs
vorzugehen. Jede Substanz steuert dabei ihr individuelles Wirkprinzip bei (siehe
auch Kapitel 1.3). Die Wissenschaftler berichten, dass Antioxidantien – vor allem,
wenn sie kombiniert eingesetzt werden - auf der einen Seite direkt gegen Krebszellen
vorgehen, indem sie deren Differenzierung induzieren und Wachstum inhibieren.
Dies ist möglich, weil die Antioxidantien mehrfach hemmend auf die überschießende
Proliferation der Krebszellen einwirken. So inhibieren antioxidative Substanzen etwa
bestimmte Schlüsselproteine, die das Zellwachstum maßgeblich bestimmen, etwa
die Proteinkinase C und die Prostaglandin E1-stimulierte Adenylatzyklase.
Gleichzeitig wird die Expression wichtiger „second messenger“, Botenstoffe und
Transkriptionsfaktoren wie etwa c-myc, H-ras, E2F, TGF-β und p21 inhibiert. Cole
und Prasad (1997) ergänzen, dass Antioxidantien zudem in der Lage sind,
Tumorzellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) zu treiben. Normale
Körperzellen bleiben dagegen von diesem Selbstmordprogramm, ausgelöst durch die
Antioxidantien, grundsätzlich verschont. Gleichzeitig, so Prasad et al. (1999),
entfalten Antioxidantien ihre Wirkung in der Krebsbehandlung auch indirekt, indem
sie etwa den wachstumsinhibierenden Effekt von Röntgenstrahlen,
Chemotherapeutika, Hyperthermie und bestimmten Immunmodulatoren gegenüber
Tumorzellen verbessern. Fazit der Autoren: Supplemente verschiedener
30
antioxidativer Vitamine, vor allem aber Kombinationen der Substanzen, verbessern
die Effizienz von Standard- und experimentellen Krebstherapien, - vor allem dann
wenn eine gesunde Ernährungsweise und Veränderungen des Lebensstiles als
flankierende Maßnahmen hinzu kommen.
Auch Lamm et al. bestätigen in einer randomisierten kontrollierten Studie aus dem
Jahr 1994, dass hochdosierte Antioxidantien-Kombinationen den Erfolg einer
Standard-Krebstherapie verbessern. In der Studie waren 65 Patienten mit
Harnblasenkarzinom, die unter einer Immuntherapie mit dem Bacillus-Calmette
Guérin (BCG-Therapie) standen, zusätzlich mit Vitamingemischen behandelt worden:
entweder mit Dosierungen laut RDA-Empfehlung oder mit Dosierung laut RDAEmpfehlung plus 40.000 IE Vitamin A, 100 mg Vitamin B6, 2000 mg Vitamin C 400 IE
Vitamin E und 90 mg Zink. Ergebnis der Studie: Bei den Patienten, die Megadosen
an Vitaminen erhalten hatten, flammte die Krebserkrankung signifikant seltener
wieder auf als bei den RDA-Patienten. Bei 80 Prozent der RDA-Patienten, jedoch nur
bei 40 Prozent der Hochdosis-Patienten war eine Progression der Erkrankung
festzustellen. Die Autoren schließen aus diesen Daten, dass Megadosen der
Vitamine A, B6, C und E plus Zink die Tumorprogression bei Patienten mit
Blasenkrebs unter einer BCG-Therapie vermindern.
Allerdings – und das ist das Entscheidende: Ob Vitamine oder Vitamingemische in
der Lage sind, ihre Wirksamkeit voll zu entfalten, hängt ganz wesentlich davon
ab, in welcher Dosierung, in welcher Kombination und in welcher
Applikationsform die antioxidativen Substanzen verabreicht werden. Es ist also
nicht damit getan, standardmäßig bei allen Patienten bestimmte Einzelvitamine oder
die gleichen Vitamingemische zu supplementieren. Cole und Prasad (1997)
beschreiben in ihrem Fachartikel, dass Einzelvitamine in der Regel in Tumorzellen
den programmierten Zelltod (Apoptose) induzieren, unter bestimmten Bedingungen –
etwa bei einer falsch gewählten Dosierung - jedoch genau das Gegenteil. Sie wirken
dann eher antiapoptotisch (ganz nebenbei: Selbst eine so harmlose Substanz wie
Calcium kann in einer falschen Dosierung das Risiko erhöhen, an Prostatakrebs zu
erkranken.) Von Vitaminmischungen sind solche unerwünschten Dosiseffekte
allerdings nicht bekannt. In allen bisherigen Studien wurde festgestellt, dass
31
Vitaminmischungen stets nur bei Krebszellen, niemals jedoch bei normalen
Körperzellen ein Selbstmordprogramm auslösten.
3.3
Modernste wissenschaftliche Erkenntnisse – in die Praxis umgesetzt
Da die Dosierung, Applikation und Art der Kombination von Antioxidantien
offensichtlich ein kritischer Punkt für deren Wirksamkeit bei onkologische
Fragestellungen ist, sollten Therapeuten hier besondere Sorgfalt walten lassen.
Das Europäische Institut für Molekulare Medizin und Angewandte Immunologie der
MedPlus Europe SA (EURIMM) wertet stets die aktuellen Erkenntnisse der
Onkologie, Gentechnik, Molekularmedizin und Immunologie – auch und vor allem im
Bereich der Antioxidantien-Forschung - aus uns setzt sie umgehend in die Praxis um.
Das hat zur Folge, dass (entsprechend der neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse) Vitamine und Vitaminmischungen nicht wahllos eingesetzt werden.
Vielmehr wird gezielt supplementiert, und zwar dann, wenn tatsächlich Defizite
vorhanden sind und/oder die antioxidativen Schutzsysteme – etwa bei einer
Standard-Krebsbehandlung – besondere Unterstützung brauchen. Praktisch
bedeutet das, dass die EURIMM-Wissenschaftler und –Ärzte für jeden Patienten
einen speziellen „Cocktail“ aus verschiedenen Antioxidantien erstellen, dessen
Zusammensetzung exakt den Bedürfnissen des Patienten entspricht.
Denn auch im Bereich der Antioxidantien-Therapie halten sich die EURIMMWissenschaftler konsequent an ihr Grundprinzip. Dieses lautet: Chronisch kranke
Patienten können nur dann optimal behandelt werden, wenn jedem einzelnen
Patienten ein Therapiekonzept geradezu auf den Leib geschneidert wird (Prinzip der
„personalised medicine“). Denn - so die Überzeugung der Forscher - StandardTherapien, die alle Krankheiten über einen Kamm scheren, können der Vielfalt und
Variabilität gerade chronischer Erkrankungen nicht einmal ansatzweise gerecht
werden.
32
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