1 Justus-Liebig-Universität Gießen II. Physikalisches Institut Physikalisches Grundpraktikum für Diplom, Bachelor und Lehramt (L3) Physik und Materialwissenschaften Versuchsanleitungen Dr. Jens Sören Lange, Akad. Rat basierend auf den Anleitungen von Herrn Prof. W. Seibt SS 2013 Version 4.08 Teil 2: Optik, Elektrodynamik 2 Die Regeln des Physikalischen Grund-Praktikums • Die Dauer eines Kolloquiums beträgt 45 Minuten. • Für die Kolloquien werden Noten vergeben wie folgt: Note 1.0 Note 2.0 Note 3.0 Note 4.0 Note 5.0 Sehr Gut Gut Befriedigend Ausreichend Mangelhaft Diese Noten gehen nicht direkt in die Endnote ein, sondern nur in Form von Bonuspunkten. Für die Note Sehr gut werden 2 Bonuspunkte vergeben, für die Note Gut 1 Bonuspunkt. Die Bonuspunkte werden auf die Klausur angerechnet. Sollte ein Kolloquium mit mangelhaft benotet werden, kann das Kolloquium einmal nach Absprache wiederholt werden. Im Falle von zweimaligen Nichtbestehen dieses Kolloquiums gilt das gesamte Praktikum in diesem Semester als nicht bestanden. • In der Klausur gibt es maximal 60 Punkte zu erreichen. Für das Bestehen sind 30 oder mehr Punkte notwendig. Bei Nichtbestehen kann an der Nachschreibklausur teilgenommen werden. Die Teilnahme an der Nachschreibklausur ist nur für Teilnehmer zugelassen, die (a) an der ersten Klausur teilgenommen und (b) diese nicht bestanden haben. • Protokolle werden mit Punkten benotet. Die Bewertung ist wie folgt: 5.0 Punkte 4.0 Punkte 3.0 Punkte 2.0 Punkte 1.0 Punkte 0.0 Punkte Sehr Gut Gut Befriedigend Ausreichend Mangelhaft, aber bestanden Ungenügend, d.h. nicht bestanden Halbe Punktzahlen sind in der Benotung möglich (z.B. 5.0, 4.5, 4.0, 3.5, etc.). Sollte ein Protokoll mit 0 Punkten benotet werden, gilt das gesamte Praktikum in diesem Semester als nicht bestanden. Abgabefrist für Protokolle: maximal 1 Woche. Evtl. Verlängerung der Abgabefrist kann vom Betreuer gewährt werden (maximal 1 Woche). 3 • Praktikumszeiten sind 8:15-12:30 und 13:30-17:45 Uhr . Evtl. Verlängerungen nach 12:30 Uhr und nach 17:45 Uhr werden vom Betreuer entschieden. • Pünktliches Erscheinen (08:15 und 13:30) ist Pflicht. Verspätung wird negativ auf die Bewertung des Protokolls angerechnet. • Einweisungszeiten sind 09:00-09:20 und 14:15-14:35. Da ein Betreuer 2-3 Versuche betreut, sind in dieser Zeit kurze Wartezeiten möglich. Während dieser Zeit ist es zu unterlassen, unbekannte Apparaturen einzuschalten und somit ggfs. Praktikumseinrichtungen zu beschädigen! • Während der Praktikumszeiten ist Anwesenheit bei den Versuchen Pflicht. Die Praktikumsräume dürfen nur mit Erlaubnis des Betreuers verlassen werden. • Jeder Teilnehmer muß an dem Versuch (d.h. an allen Messungen) aktiv teilnehmen. Passives Verhalten (Desinteresse) wird negativ auf die Bewertung des Protokolls angerechnet. • Keine Bleistifte benutzen! (Ausnahme: Graphische Auswertungen, s.u.). Alle Meßwerte und Versuchsauswertungen müssen mit Kugelschreiber, Füller, Filzschreiber o.ä. geschrieben werden. Bei Fehlern kein Tipex und keinen Tintenkiller benutzen, sondern Fehler einfach durchstreichen. (Anmerkung: Grund ist Dokumentenechtheit, d.h. diese Regel verhindert, daß Meßwerte nachträglich verändert werden). • Graphische Auswertungen auf Millimeter-Papier, DinA4 Format ! (d.h. kein kleineres Format!) • Nach Abschluß der zum Versuch gehörenden Messung sind die Meßwerte mit einem Vortestat vom Betreuer zu kennzeichnen. • Jede Versuchsauswertung muß eine Fehlerbetrachtung enthalten, auch wenn dies nicht explizit in der Versuchsanleitung gefordert wird. Fehler und Meßwert müssen dabei dieselbe Anzahl signifikanter (Nachkomma-)Stellen aufweisen. 4 • Jede Nicht-Beachtung der o.g. Regeln wird vom Betreuer negativ auf die Bewertung des Protokolls angerechnet (d.h. möglicher Punktabzug). • NEU! Für Materialwissenschaftler: im Gegensatz zu den vorherigen Jahren geht die Benotung der Protokolle nun in die Endnote ein! • Sollte das Praktikum aus einem der o.g. Gründen leider mit nicht bestanden benotet werden müssen, besteht in jedem Fall die Möglichkeit einer Modulergänzungsprüfung. 5 Auflagen-Hinweise zu den Literaturangaben: Tipler, Mosca Physik für Wissenschaftler und Ingenieure 2. deutsche Aufl., 2007 Gerthsen Physik 23. Aufl., 2006 ist als EBook verfügbar http://www.springerlink.com/content/wn8495/ 6 Inhaltsverzeichnis 0 Vorbemerkungen 11 0.1 Physikalische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 0.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 0.2.1 Verteilungen und Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . 18 0.2.2 Vorbemerkung zu den Auswertungen: Graphische Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1 Projekt 2.1: Optik I 1.1 1.2 33 Versuch 2.1A: Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.1.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.1.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.1.4 Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Versuch 2.1B: Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.2.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.2.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.2.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.2.4 Auswertung und Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 41 1.2.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 7 8 INHALTSVERZEICHNIS 2 Projekt 2.2: Optik II 2.1 2.2 Versuch 2.2A: Polarisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.1.3 Versuchsdurchführung, Auswertung und Fehlerrechnung . . 46 2.1.4 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Versuch 2.2B: Beugung und Interferenz . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.2.4 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.2.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3 Projekt 2.3: Wellen 3.1 3.2 45 55 Versuch 2.3A: Schallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.1.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.1.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.1.4 Auswertung und Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.1.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Versuch 2.3B: Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.2.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3.2.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 INHALTSVERZEICHNIS 4 Projekt 2.4: Elektrodynamik I 4.1 4.2 5.2 65 Versuch 2.4A: Kapazität und Induktivität . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1.3 Versuchsdurchführung und Auswertung . . . . . . . . . . . 65 4.1.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Versuch 2.4B: Elektrische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5 Projekt 2.5: Elektrodynamik II 5.1 9 73 Versuch 2.5A: Widerstandsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.2 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 5.1.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.1.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Versuch 2.5B: Halleffekt und Magnetfeldmessung . . . . . . . . . . 79 5.2.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.2.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.2.3 Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.4 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.2.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 10 INHALTSVERZEICHNIS Vorbemerkungen 0.1 Physikalische Größen Diese dienen zur Beschreibung von Zuständen und Zustandsänderungen und werden durch einzelne Buchstaben (Symbole) dargestellt. Länge (l), Masse (m), Zeit (t), Kraft (F ), Ladung (Q), Temperatur (T ) usw. Aufgrund von Definitionen können alle physikalischen Größen untereinander verknüpft und so auf eine kleine Zahl von Basisgrößen zurückgeführt werden. Beispiele für solche abgeleitete Größen sind Fläche = Länge · Länge Volumen = (Länge)3 Dichte = Masse/Volumen = Masse · (Länge)−3 Kraft = Masse · Beschl. = Masse · Länge · (Zeit)−2 usw. Hierbei wurden die Größen Länge, Masse und Zeit als Basisgrößen gewählt. Alle in der Physik auftretenden Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen (Formeln) nennt man Größengleichungen. Sie gelten immer, unabhängig vom Einheitensystem, welches für die quantitative Auswertung verwendet wird. So etwa die folgenden Beziehungen: Kinetische Energie Ekin = 21 mv 2 11 12 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Linsengleichung Absorptionsgesetz usw. + 1b = f1 I = I0 e−ax 1 a Einheiten Zur quantitativen Beschreibung einer physikalischen Größe G (z.B. bei ihrer Messung im Praktikum) ist die Wahl einer Einheit erforderlich. Der Wert für die Größe G wird dann in Form eines Produktes aus Maßzahl und Einheit geschrieben symbolisch Phys. Größe = Maßzahl x Einheit G = {G} x [G] Dabei sind abhängig von der Wahl der Einheit verschiedene unter sich jedoch gleichwertige Schreibweisen möglich. Beispiel: l = 0,023 m = 2,3 cm = 23 mm Es ist ratsam, die Einheit stets so zu wählen, daß die Maßzahl etwa zwischen 0,1 und 10 liegt. Dazu können Vorsätze zur Grundeinheit benützt werden, die einen dezimalen Teil oder ein dezimales Vielfaches bezeichnen. Auch die Schreibweise mit Potenzen von 10 in Verbindung mit der Grundeinheit ist möglich und für die Auswertung von Größengleichungen sogar zu empfehlen. Legt man sich von vornherein auf die Verwendung bestimmter Einheiten fest (Einheitensystem), dann erübrigt sich das Mitführen der Einheiten bei der Durchrechnung. Bei der Angabe des Ergebnisses ist die Einheit jedoch unbedingt erforderlich. Beispiel: Mit m = 1, 2 · 103 kg und v = 108 km/h = 30 m/s ergibt sich Ekin = (1, 2 · 103 )302 /2 =5, 4 · 105 kgm2 /s2 = 0,54·106 J = 0,54 MJ. In der folgenden Tabelle sind diese Abkürzungen zusammengestellt: 13 0.1. P HYSIKALISCHE G RÖSSEN Vorsatz Kilo Mega Giga Tera Symbol k M G T Faktor 103 106 109 1012 Vorsatz Deci Zenti Milli Mikro Nano Piko Symbol d c m µ n p Faktor 10−1 10−2 10−3 10−6 10−9 10−12 Man muß beachten, daß diese Vorsätze bei der Bildung von Potenzen immer zur Einheit gehören. 1µm2 = 1(µm)2 = 1 · (10−6m)2 = 1 · 10−12 m2 . Einheitensysteme Die Wahl der Basisgrößen und deren Einheiten ist willkürlich. Sie wird einzig von der Zweckmäßigkeit bestimmt. Heute wird in der Physik in zunehmenden Maße das ”Internationale Einheitensystem” verwendet. Es baut sich auf folgenden Basisgrößen auf: Basisgröße Länge Masse Zeit Elektr. Stromstärke Temperatur Lichtstärke Basiseinheit Meter Kilogramm Sekunde Ampere Kelvin Candela (Symbol) (m) (kg) (s) (A) (K) (cd) Die genauen Werte dieser Basiseinheiten sind durch Definition festgelegt und finden sich in allen einschlägigen Büchern. Die SI–Einheiten (SI = Système International) für alle abgeleiteten Größen können entsprechend ihrer Definition aus diesen Basiseinheiten hergeleitet werden. Einige von ihnen haben Eigennamen. Phys. Größe Definition SI–Einheit Geschwindigkeit v = ∆l/∆t 1 m/s 2 Kraft F = m · ∆l/(∆t) Newton 1 N = 1m· kg/s2 14 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Druck Arbeit, Energie El. Ladung El. Spannung usw. p = F/A W =F ·l Q=I ·t U = W/Q Pascal Joule Coulomb Volt 1 Pa = 1 N/m2 1 J = 1 N· m 1 C = 1 A· s 1 V = 1 J/A· s Neben den SI–Einheiten werden im Praktikum an verschiedenen Stellen zur Übung noch andere systemfremde Einheiten verwendet, da sie in der Fachliteratur noch häufig anzutreffen sind. Es sind dies z.B. cgs–Einheiten wie dyn und erg; Kalorie (cal); Kilopond (kp); Torr; Oersted (Oe); usw. Die Umrechnungsfaktoren der wichtigsten systemfremden Einheiten in SI– Einheiten sind hier zusammengestellt: Einheiten für Kraft: Energie: Druck: Magn.Feldstärke: 1 dyn 1 kp 1 erg 1 m· kp 1 cal 1 eV 1 bar 1 Torr 1 phys. Atm. =760 Torr 1 techn. Atm. = 1kp/cm2 1 Oersted 1 Gauss = 10−5 N = 9,807 N = 10−7 J = 9,807 J = 4,187 J = 1,602· 10−19 J = 105 Pa = 1,333·102 Pa = 1,013· 105 Pa = 0,9807· 105 Pa = (1/4π) · 103 A/m = 10−4 Vs/m2 = 10−4 T (Tesla) Besonders in der Atomphysik sind noch drei weitere Einheiten sehr nützlich und daher in ständigem Gebrauch. 0.1. P HYSIKALISCHE G RÖSSEN 15 Das Mol Das Mol ist ein Maß für die Stoffmenge (Symbol ν) und basiert auf der atomaren Struktur der Materie. Die Einheit 1 Mol ist definiert als die Menge eines Stoffes, die aus ebenso vielen Teilchen (Atomen, Molekülen, Ionen usw) besteht, wie Atome in 12 g des reinen Kohlenstoffisotops 12 C enthalten sind. Das heißt 1 mol 12 C = 12,0000 g 12 C Auf die Stoffmenge bezogene Größen bezeichnet man als molare Größen. Die molare Teilchenzahl (Teilchenzahl pro Mol) nennt man Avogadrosche (Loschmidtsche) Konstante. Sie beträgt NA = 6,0225 · 1023 mol−1. Die molare Masse (Molmasse) ist demnach die Masse von NA Molekülen bzw. Atomen, von denen ein jedes die Masse m besitzt. M = NA · m mit der Einheit [g· mol−1 ]. Bei Elektrolyten wird außerdem für die Stoffmenge die Einheit 1 Äquivalent (1 val) verwendet. Man versteht darunter die Stoffmenge, die 1 Mol Elementarladungen transportiert. Bei W–wertigen Ionen eines Stoffes ergibt sich also Stoffmenge = Stoffmenge x Wertigkeit (gemessen in val) (gemessen in mol) Z.B. sind 1 mol Cu++ – Ionen gleich 2 val (1 x 2) Cu++ – Ionen. Für die Äquivalentmasse erhält man Masse Molmasse Masse = = M = Ä (Stoffmenge)in val (Stoffmenge)in mol · Wertigkeit Wertigkeit mit der Einheit [g·val−1]. Molmasse und Äquivalentmasse werden (besonders in der Chemie) häufig als Masseneinheit verwendet und ebenfalls mit 1 mol (bzw. 1 val) bezeichnet. Korrekterweise spricht man in diesem Fall besser von 1 Gramm–Mol und 1 Gramm-Äquivalent. 1 Gramm–Mol entspricht daher M [g] 1 Gramm–Äquivalent entspricht M/W [g]. 16 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Das Elektronenvolt (eV) In der Atom– und Kernphysik wird als Energieeinheit oft das Elektronenvolt verwendet. Man versteht darunter die Energie, die ein einfach geladenes Teilchen (d.h. mit einer Elementarladung e = 1,602· 1019 C, z.B. ein Elektron) besitzt, nachdem es eine Potentialdifferenz von 1 Volt durchlaufen hat. Diese Energie berechnet sich zu E = e · U = (1, 602 · 10−19 C)·(1V) Es gilt daher die folgende Umrechnungsbeziehung: 1 eV = 1,602·10−19J. Atomare Masseneinheit und relative Molekülmasse Die atomare Masseneinheit u ist definiert als der zwölfte Teil der Masse eines 12 C – Atoms. Da nach der Moldefinition 12 g 12 C NA Teilchen enthalten, 1 12(g·mol−1) · = 1, 660 · 10−24 g. 12 6, 02 · 1023 (mol−1) Auf diese Konstante bezieht man alle übrigen Atom– bzw. Molekülmassen. Wenn m die Masse eines Moleküls (Atoms) ist, dann wird die relative Molekülmasse (rel.Atommasse) definiert als u= m Masse eines Teilchens = . u atomare Masseneinheit Diese Größe wurde bislang als Molekulargewicht bezeichnet. Nach internationalen Empfehlungen soll diese Bezeichnung ersetzt werden durch relative Molekülmasse, da es sich bei ihr nicht um ein Gewicht sondern um eine reine Verhältniszahl handelt. Mr = Physikalische Konstanten Vakuumlichtgeschwindigkeit Elektronenmasse Protonenmasse Boltzmann Konstante c me mp k = 2, 9979 · 108 m/s = 9, 10956 · 10−31 kg = 1, 6727 · 10−27 kg = 1, 380 · 10−23 J/K 17 0.1. P HYSIKALISCHE G RÖSSEN Loschmidt Zahl Gaskonstante Elementarladung Plancksches Wirkungsquantum Gravitationskonstante Faradaykonstante Induktionskonstante N R e h G F µ0 Influenzkonstante ǫ0 = 6, 02217 · 1023 mol−1 = 8, 3143 J/mol·K = 1, 602 · 10−19 C = 6, 625 · 10−34 Js = 6, 664 · 10−11 m3 /kg s2 = 9, 649 · 104 C/val = 4π · 10−7 Vs/Am = 1, 2566 · 10−6 Vs/Am = 1/µ0 c2 = 8, 854 · 10−12 As/Vm 18 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN 0.2 Grundlagen 0.2.1 Verteilungen und Fehlerrechnung Alle gemessenen Größen sind mit Fehlern behaftet. Die Ermittlung des möglichen Fehlers bildet daher einen wesentlichen Bestandteil der Versuchsauswertung. Sie setzt uns erst in die Lage, etwas über die Güte des unter den gegebenen Umständen gewonnenen Versuchsergebnissen auszusagen. Die Fehlerrechnung ist daher in jedem Fall geeignet, den Experimentator vor einer Über– oder Unterschätzung seiner Leistung zu bewahren und ihn zur Kritik anzuhalten. Die folgenden Ausführungen genügen für die Anforderungen des Anfängerpraktikums. Die genaueren Einzelheiten sowie die Begründung der angegebenen Formeln sind den einschlägigen Fachbüchern zu entnehmen. Den exakten Fehler kennen wir nicht, sonst könnten wir das Ergebnis korrigieren. Daher darf der Fehler nur auf höchstens 2 signifikante Stellen angegeben werden. Eine exakte Fehlerangabe unsinnig und damit falsch. Gemäß ihres Ursprungs unterscheidet man prinzipiell zwei Arten von Fehlern, den systematischen und den statistischen Fehler. Systematische Fehler können z.B. auftreten bei der Benutzung falsch geeichter Meßgeräte, durch die Verwendung unreiner Substanzen, bei mangelnder Wärmeisolation, aber auch durch die Anwendung von Näherungsformeln außerhalb ihres Gültigkeitsbereiches. Sie verfälschen das Meßergebnis bei gleicher experimenteller Anordnung stets in der gleichen Richtung und sind prinzipiell vermeidbar. Dies erfordert jedoch oft großen Aufwand und ist daher unter Praktikumsbedingungen kaum möglich. Sie werden bei der Fehlerrechnung und bei der zahlenmäßigen Fehlerangabe im Ergebnis nicht berücksichtigt. Das schließt jedoch eine Diskussion von Fehlermöglichkeiten systematischer Herkunft nicht aus. Demgegenüber kann der statistische Fehler das Resultat in beiden Richtungen verändern. Er hat seine Ursache im Beobachter selbst (Einstell- und Ablesefehler) oder in veränderlichen äußeren Einflüssen (Temperatur– und Netzspannungsschwankungen, usw.). Er ist daher prinzipiell unvermeidbar, kann jedoch durch wiederholte Messungen und geeignete Auswertungsmethoden verringert werden. 0.2.1.1 Wahrscheinlichkeit Die mehrfache Wiederholung eines Versuches unter gleichbleibenden Bedingungen kann unterschiedliche Ergebnisse zur Folge haben. Als Versuch definiert man in 19 0.2. G RUNDLAGEN der Wahrscheinlichkeitstheorie allgemein die Realisierung exakt festgelegter Vorschriften und Bedingungen zur Durchführung eines Experimentes, die beliebig oft reproduzierbar sind. Das Ergebnis eines Versuches wird als Ereignis bezeichnet. Die Gesamtheit aller möglichen Ereignisse nennt man die Ereignismenge. Tritt bei Wiederholung eines bestimmtenVersuches das Ereignis r in Hr von insgesamt N Versuchen ein, dann ist Hr hr = N die relative Häufigkeit des Ereignisses r in dieser Versuchsreihe. Im allgemeinen schwankt hr für verschiedene Versuchsreihen. Für N → ∞ strebt der Ausdruck gegen einen Grenzwert. Dieser wird als die Wahrscheinlichkeit Pr des Ereignisses r bezeichnet. Pr = lim N →∞ Hr N (1) 0.2.1.2 Wahrscheinlichkeitsrechnung Die Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht auf einigen elementaren Rechenregeln für die Wahrscheinlichkeiten und sie gestattet es, aus den bekannten Wahrscheinlichkeiten für einfache Systeme (z.B. 1 Würfel) die Wahrscheinlichkeiten für kompliziertere Systeme (z.B. mehrere Würfel) herzuleiten. 1. Normierung: n X Pr = 1 r=1 (Ein Ereignis muß eintreten.) 2. P für sich ausschließende Ereignisse: P (r oder s) = Pr + Ps 3. P für das gleichzeitige Eintreten unabhängiger Ereignisse: P (r und s) = Pr · Ps 20 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN 0.2.1.3 Der Erwartungswert Bei Zufallsexperimenten interessiert weniger das Einzelergebnis als vielmehr die Frage, was ”im Durchschnitt” (oder im Mittel) herauskommt. Wir betrachten den Fall, daß eine Größe xr (Zufallsvariable) bei der Durchführung des Versuches n verschiedene Werte annehmen kann (r = 1, 2, · · · , n). Tritt bei einer Meßreihe (insgesamt N Versuche) jedes Ereignis xr mit der Häufigkeit Hr ein, so erhält man den arithmetischen Mittelwert für die Größe x aus n n X 1 X hr xr Hr xr = x= N r=1 r=1 (2) Ist N eine kleine Zahl, dann erhält man unterschiedliche x–Werte, wenn die Meßreihe wiederholt wird. Lassen wir jedoch N gegen unendlich gehen, dann treten an die Stelle der relativen Häufigkeiten hr die Wahrscheinlichkeiten Pr und wir erhalten eine wohldefinierte Größe: < x >= lim x = N →∞ n X Pr xr (3) r=1 Wir bezeichnen < x > als den Erwartungswert. Er ist identisch mit dem Mittelwert einer unendlich langen Meßreihe. 0.2.1.4 Varianz und Standardabweichung Neben dem Erwartungswert sind zur Beschreibung einer statistischen Größe noch die Begriffe Varianz und Standardabweichung nützlich. Die Varianz ist ein Maß für die Streuung der Einzelwerte um den Erwartungswert ∆xr = xr − < x >. Ihre Definition lautet: V (x) =< (∆x)2 >= n X r=1 Pr (xr − < x >)2 (4) Die Wurzel aus der Varianz bezeichnet man als die Standardabweichung. σ(x) = q V (x) (5) Die Standardabweichung hat die gleiche Dimension wie die Zufallsvariable x selbst und eignet sich daher gut dazu, eine Angabe über die Streuung der einzelnen Meßwerte zu machen. 21 0.2. G RUNDLAGEN 0.2.1.5 Der statistische Meßfehler Bei der Wiederholung der gleichen physikalischen Messung werden die Ergebnisse im allgemeinen in bestimmten Grenzen schwanken, da verschiedene störende Einflüsse mit statistischem Charakter (d.h. ohne erkennbare Gesetzmäßigkeit) auch zu statistisch sich ändernden Meßfehlern führen werden. Das Problem lautet nun: Kann aus diesen Meßwerten auf den ”wahren Wert” der Meßgröße geschlossen werden, d.h. auf den Wert, der sich unter idealen Bedingungen bei Abwesenheit aller Fehlerquellen ergeben würde? Als ”wahren Wert” betrachten wir den Erwartungswert, der sich als Mittelwert einer unendlich langen Meßreihe ergeben würde. Kann die Statistik eine Aussage machen darüber, wie gut der aus einer endlichen Meßreihe (nur solche können in der Praxis durchgeführt werden!) gewonnene Mittelwert als Näherung für den Erwartungswert ist? 0.2.1.6 Mittelwerte Die N–malige Durchführung eines Versuches nennen wir eine Stichprobe vom Umfang N. Der Mittelwert dieser N Meßwerte (x1 , x2 , · · · , xN ) ist definiert als x= N 1 X xi N i=1 (6) Wiederholen wir diese Meßreihe mehrere Male, dann erhalten wir im allgemeinen verschiedene Werte für x. Man kann daher den Mittelwert selbst als Zufallsvariable betrachten, die jedoch den gleichen Erwartungswert besitzt wie die Einzelmeßwerte x. < x >=< x > Da die Mittelwerte identischer Meßreihen (wie wir zunächst nur aus der Erfahrung wissen) weniger schwanken als die Einzelmeßwerte, verwenden wir den arithmetischen Mittelwert einer Meßreihe als Näherungswert für den gesuchten Erwartungswert. N 1 X < x >≈ x = xi (7) N i=1 22 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN 0.2.1.7 Varianz und Standardabweichung Es ist naheliegend, für die Varianz einen analogen Weg einzuschlagen. Dazu betrachten wir die sog. mittlere quadratische Abweichung einer Stichprobe: s2 = N 1 X (xi − x)2 N i=1 Die quantitative Herleitung zeigt, daß zwischen dem für s2 (< s2 >) und V (x) der folgende Zusammenhang besteht: < s2 > = N −1 V (x) N (8) Erwartungswert (9) Die mittlere quadratische Abweichung ist im Mittel etwas kleiner als die Varianz. Das ist auch einzusehen, da die Abweichungen der Einzelwerte einer Stichprobe vom Mittelwert, der ja aus diesen Werten errechnet wurde, stets kleiner sind als die Abweichungen vom Erwartungswert. Wir können aber wiederum näherungsweise die Varianz der Zufallsvariablen aus der Stichprobe errechnen. Dazu lösen wir die Gl.(9) nach V (x) auf und ersetzen den Erwartungswert von s2 durch den sich aus der Meßreihe konkret ergebenden Wert der mittleren quadratischen Abweichung s2 (Gl.8). V (x) = σ 2 (x) ≈ N 1 X (xi − x)2 N − 1 i=1 Damit ergibt sich für die Standardabweichung der Einzelmessung σ(x) ≈ v u u t N 1 X (xi − x)2 N − 1 i=1 (10) 0.2.1.8 Die Standardabweichung des Mittelwerts Da es sich aber um einen Näherungswert handelt, ist die Frage interessant, wie zuverlässig der gefundene Mittelwert ist. Mit anderen Worten, wie groß sind die zu erwartenden Schwankungen für den Mittelwert, wenn ich die Meßreihe unter gleichen Bedingungen wiederhole. Die genaue Rechnung ergibt den folgenden Zusammenhang zwischen der Varianz der Einzelmessung und der Varianz des Mittelwerts: V (x) = 1 V (x) N (11) 23 0.2. G RUNDLAGEN Unter Verwendung von Gl.(10) erhält man damit auch einen Näherungswert für die Standardabweichung des Mittelwerts v u N u X 1 1 σ(x) = √ σ(x) ≈ t (xi − x)2 N(N − 1) N i=1 (12) Man erkennt, daß die√Standardabweichung (d.h. der mittlere statistische Fehler) einer Meßreihe mit 1/ N abnimmt, da σ(x) nicht von der Anzahl der Messungen sondern nur von der Genauigkeit der Meßapparatur abhängt. Zusammenfassung Damit haben wir Formeln gefunden, die uns folgende Größen liefern, wenn wir zur Messung einer Größe eine Meßreihe durchgeführt haben: Den Mittelwert x als Bestwert für das Ergebnis. Die Standardabweichung für die Einzelmessung σ(x). Sie ist ein Maß dafür, wie groß die Streuung der Einzelwerte ist. Die Standardabweichung für den Mittelwert σ(x). Sie ist ein Maß für die Streuung der Mittelwerte, wenn identische Meßreihen mit gleichem Umfang N wiederholt werden. 0.2.1.9 Verteilungen Unter statistischer Physik versteht man die Beschäftigung mit Systemen, die aus sehr vielen gleichen Teilchen bestehen. Um aus dem Verhalten eines Teilchens auf die Eigenschaften des Systems schließen zu können, muß das folgende Problem gelöst werden: Die Wahrscheinlichkeit, daß bei einem Objekt ein bestimmtes Ereignis eintritt, sei p. Wie erhält man daraus die Wahrscheinlichkeit P dafür, daß bei einem System aus n identischen Teilchen, mit denen der gleiche Versuch ausgeführt wird, bei genau x Teilchen dieses Ereignis eintritt? 0.2.1.10 Die Binomialverteilung Wir betrachten ein System aus n Teilchen (Würfeln). Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei einem einzelnen von diesen n Objekten ein bestimmtes Ereignis eintritt, sei p (z.B. 1/6 für eine bestimmte Zahl beim Würfel). q = 1 − p (= 5/6 beim Würfel) 24 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN ist die Wahrscheinlichkeit für das Nichteintreten dieses Ereignisses. Der Fall, daß bei x von den n Teilchen ein positiver Ausgang eintritt, ist (da es sich um voneinander unabhängige Ereignisse handelt) p· p· ... ·p· q ·q · ... · q | {z x Faktoren } | {z } = px q n−x (n − x) Faktoren Durch einen Wichtungsfaktor muß nun noch die Tatsache berücksichtigt werden, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, x Teilchen aus der Gesamtzahl n auszuwählen. Denn für die physikalischen Konsequenzen ist es unwichtig, bei welchen der Teilchen das gewünschte Ereignis eintritt. Wichtig ist lediglich, bei wievielen es eintritt. Die gesuchten Faktoren ergeben sich aus der Anzahl der Möglichkeiten, x Teilchen aus n auszuwählen. Die Gesetze der Kombinatorik liefern uns dafür die sogenannten Binomialkoeffizienten: n x ! = n! x!(n − x)! Damit haben wir die gesuchte Wahrscheinlichkeit gefunden: Pn,p (x) = n! px q (n−x) x!(n − x)! (13) Beispiel: Mit welcher Wahrscheinlichkeit fällt beim Werfen von drei Würfeln 2–mal die 6? Gegeben: n = 3; p = 1/6; q = 5/6; x = 2. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer solchen Kombination (6; 6; nicht 6) ist 5 ppq = (1/6)2(5/6) = 216 Der Wichtungsfaktor (n über x) ist 3, d.h. es gibt genau 3 Möglichkeiten, diesen Fall zu realisieren. Entweder Würfel 1 oder Würfel 2 oder Würfel 3 zeigt keine 6. Das Ergebnis lautet daher: P3;1/6 (2) = 3 2 ! 1 5 5 ( )2 = = 0, 07 6 6 72 0.2.1.11 Erwartungswert und Standardabweichung Mit den bekannten Wahrscheinlichkeiten P können auch Erwartungswert und Standardabweichung für die Binomialverteilung errechnet werden. Der etwas langwie- 25 0.2. G RUNDLAGEN rige aber elementare Rechengang liefert das folgende Ergebnis: < x >= n X P (x)x = np x=0 σ(x) = q V (x) = √ npq (14) (15) Betrachtet man die Binomialverteilung P (x) als Ganzes, dann besitzt sie eine typische Glockenform. Für p = q = 0, 5 liegt das Maximum genau bei x = np = n/2. Die Kurve ist symmetrisch und fällt zu beiden Seiten hin ab. Für p < (>) 0,5 rückt das Maximum zu kleineren (größeren) Werten und die Verteilung wird unsymmetrisch. 0.2.1.12 Näherungsformeln für die Binomialverteilung Für die Anwendung in der Praxis ist die Binomialverteilung in den meisten Fällen ungeeignet, da die Berechnung der Fakultäten schon für relativ kleine Zahlen Schwierigkeiten bereitet. Zwei Näherungsformeln sind daher von großem Nutzen. 1. Die Poissonverteilung Ist n groß, np jedoch klein (Größenordnung 1), dann gilt in guter Näherung die folgende Verteilungsformel (Poissonverteilung): P (x) = ax −a e x! mit a = np (16) Da für diesen Fall q = 1 − p ≈ 1, erhält man für Erwartungswert und Standardabweichung < x >= V (x) = σ 2 (x) = np (17) 2. Die Normal–(Gauss–)Verteilung Sind sowohl n als auch np groß (d.h. p ≈ 0, 5), dann kann die sog. Normalverteilung angewendet werden: P (x) = √ (x−<x>)2 1 − e 2σ2 (x) 2πσ(x) (18) Dabei errechnen sich < x > und σ(x) wie bei der Binomialverteilung: < x >= np und V (x) = σ 2 (x) = npq (19) 26 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Abbildung 1: Gaussverteilung Die Kurve ist symmetrisch zu < x >, dem Erwartungswert (siehe Abb. 1.1). σ charakterisiert die Breite der Verteilung. Bei x =< x > ±σ (den Wendepunkten) ist P (x) auf den (e−1/2 )-ten Teil des Maximalwertes abgefallen. Die Fläche unter der Kurve zwischen +σ und −σ bezogen auf die Gesamtfläche gibt die relative Wahrscheinlichkeit dafür an, daß ein x-Wert in diesem Bereich liegt. Sie beträgt 0,683 (oder 68,3%). 0.2.1.13 Statistischer Fehler bei Meßreihen Wir sind nun auch in der Lage, den in Gl.(12) definierten mittleren Fehler (Standardabweichung) einer Meßreihe σ(x) quantitativ zu interpretieren. Von statistischen Meßfehlern (zum Unterschied zwischen statistischen und systematischen Meßfehlern siehe die Einleitung zum Praktikum) wird angenommen, daß sie voneinander unabhängig sind und in ihrer Gesamtheit gesehen Abweichungen vom ”wahren Wert” bewirken, die durch eine Normalverteilung wiedergegeben werden. Die Angabe eines Meßergebnisses in der Form Gemessene Größe x = x ± σ(x) (20) bedeutet, daß der Mittelwert x einer erneut unter gleichen experimentellen Bedingungen aufgenommenen Meßreihe vom gleichen Umfang mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,3% innerhalb der angegebenen Schranken liegt. 27 0.2. G RUNDLAGEN 0.2.1.14 Fehlerfortpflanzung In der Regel ist die im Experiment zu bestimmende Größe f eine Funktion einer oder mehrerer unmittelbar gemessener Größen x, y, z, usw., die alle mit einem Fehler behaftet sind (∆x, ∆y, ∆z, usw.): f = f (x, y, z, ...) (21) Es stellt sich dann die Frage, wie die Fehler der unmittelbar gemessenen Größen x, y, z, ... den Fehler der Größe f beeinflussen. Liegen die Fehler als Standardabweichungen der Mittelwerte vor, so gilt das Fehlerfortpflanzungsgesetz: σ(f ) = ∆f = s ( ∂f ∂f ∆x)2 + ( ∆y)2 + ..... ∂x ∂y (22) ∂f /∂x usw. sind die partiellen Ableitungen (Ableitungen unter Konstanthaltung der übrigen Variablen). 0.2.1.15 Größtfehler (Maximalfehler) Wird eine Größe nur einmal gemessen, dann kann man auf Grund statistischer Überlegungen keine Aussage über die Größe des Fehlers machen. In diesem Falle ist man auf die Angabe eines geschätzten Größtfehlers angewiesen, der sich aus der Ablesegenauigkeit auf der benutzten Skala und aus anderen Erwägungen ergibt. Die Aufstellung einer Meßreihe und die Berechnung des mittleren Fehlers erfordern jedoch einen erheblichen Zeitaufwand und werden deshalb im Rahmen des Praktikums nicht durchgeführt werden können, wenn zur Ermittlung des Endergebnisses mehr als eine Größe gemessen werden muß. Andererseits bringt die Schätzung eines Größtfehlers nach einer einmaligen Messung oft große Unsicherheiten, da hierbei nur der reine Ablesefehler berücksichtigt wird. Deshalb wird in den Fällen, in denen andere Einflüsse zu erwarten sind, der folgende Kompromiß empfohlen: - Aufnahme einer Meßreihe (3 – 5 Messungen), - Ermittlung des Bestwertes (Mittelwert), - Fehlerangabe aus der größten absoluten Abweichung eines Einzelwertes vom Mittelwert. Außer dem absoluten Fehler ∆x verwendet man oft den relativen Fehler ∆x/x, der üblicherweise in % (∆x/x · 100) angegeben wird. Unter der Voraussetzung ∆x ≪ x, ∆y ≪ y, usw. kann man auf Grund des Taylorschen Satzes den Gesamtfehler wie folgt berechnen: ∆f = | ∂f ∂f |∆x + | |∆y + · · · ∂x ∂y (23) 28 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Die |∂f /∂x| usw. sind die Beträge der partiellen Ableitungen von f nach den gemessenen Größen x, y, z, . . .. Beweis für den Fall einer einzigen Meßgröße: f = f (x) f (x + ∆x) = f (x) + 1 ∂f (x) 1 ∂ 2 f (x) · ∆x + · (∆x2 ) + ... 1! ∂x 2! ∂x2 (24) welches für geng̈end kleine Fehler ∆x (d.h. Abbruch der Taylor-Reihe nach dem ersten Term) führt zu f (x + ∆x) − f (x) = ∆f = ∂f · ∆x ∂x (25) Die Betragsstriche bewirken, daß alle Summanden positiv werden, wodurch eine mögliche gegenseitige Kompensation1 von Einzelfehlern vermieden wird. So erhält man stets den größtmöglichen Fehler der Größe f . Für ein Potenzprodukt f = A · xa · y b · z c . . . (26) erhält man daraus für den Größtfehler den einfachen Zusammenhang: ∆f ∆x ∆y ∆z = |a| + |b| + |c| +··· f x y z (27) Ist eine der mit x, y, z, . . . bezeichneten Größen selbst schon ein zusammengesetztes Ergebnis, dann muß der relative Fehler einer solchen Größe gesondert berechnet werden. Stehen in der Funktion f (x, y, z, ...) Winkelfunktionen, e–Funktionen usw. dann muß bezüglich der im Argument auftretenden Größen die partielle Differentiation tatsächlich ausgeführt werden. 0.2.1.16 Hinweise zur Fehlerangabe Bitte beachten! Die folgenden Anmerkungen gelten für das gesamte Praktikum, d.h. alle Versuche in Teil 1, 2 und 3. 1 Durch die Anwendung der Taylor-Reihe werden alle Fehler nun nur noch linear addiert, und nicht mehr quadratisch wie im Fall der Gaußschen Fehlerfortpflanzung. Deswegen können die Ableitungen positiv oder negativ sein, und sich im letzteren Fall gegenseitig kompensieren. 0.2. G RUNDLAGEN 29 Da der wie oben numerisch ermittelte Fehler nicht als exaktes Ergebnis zu werten ist (weil z.B. für den Größtfehler durch die Taylor-Reihe eine Näherung darstellt), hat eine zu genaue Fehlerangabe keinen Sinn. Fehler werden daher immer in runden Zahlen (auf- oder abrunden!) und mit höchstens zwei zählenden Stellen angegeben. Dies gilt sowohl für den absoluten als auch für den relativen Fehler. Ebenso muß die Stellenzahl im Ergebnis auf den Fehler abgestimmt werden. Es hat keinen Sinn, Stellen anzugeben, die bereits völlig unsicher sind. Es ist üblich, außer den auf Grund der Fehlerrechnung als zuverlässig erkannten Stellen noch die erste unsichere Stelle anzugeben. Da die Auswertung heute fast stets mit elektronischen Taschenrechnern geschieht, ist dieser Hinweis besonders zu beachten. Im übrigen beachte man bezüglich der Fehlerrechnung die speziellen Hinweise in den Versuchsanleitungen. Es empfiehlt sich jedoch, diese Angaben nicht kritiklos zu verwenden, sondern sich stets eigene Gedanken bezüglich der Fehlerformeln und des entstandenen Meßfehlers zu machen. Merke: die korrekte und vernünftige Angabe eines Fehlers ist ebenso wichtig wie die korrekte und vernünftige Angabe eines Ergebnisses! 0.2.2 Vorbemerkung zu den Auswertungen: Graphische Darstellungen 0.2.2.1 Das Zeichnen der Darstellung Die graphische Darstellung dient zur Veranschaulichung des funktionellen Zusammenhangs zweier Größen und zur quantitativen Auswertung einer Meßreihe. Beim Zeichnen einer graphischen Darstellung beachte man die folgenden Punkte: • Verwendung von Millimeterpapier und gespitztem, nicht zu hartem Bleistift • Wahl der Koordinatenmaßstäbe und –nullpunkte nach Möglichkeit so, daß der ganze auf dem Blatt zur Verfügung stehende Achsenbereich ausgenützt wird und ein bequemer Umrechnungsfaktor verwendet werden kann • Korrekte Beschriftung der Achsen (Abb.1a). • Sorgfältiges Eintragen der Meßpunkte (kleine Kreuze) und Zeichnen einer Kurve unter Berücksichtigung eventuell zu erwartender funktioneller Zusammenhänge (Gerade, Parabel, usw.) • Die Darstellung muß mindestens das Format DIN A5 haben 30 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN Abbildung 2: Beschriftung der Achsen (a); Zeichnen der Geraden (b) 0.2.2.2 Die Auswertung einer Geraden Bei der Auswertung (Bestimmung von Steigung und Achsenabschnitten) einer Geraden wird folgendermaßen vorgegangen (Abb.1b): Die Geradengleichung hat die allgemeine Form y =A+S·x (28) A = Achsenabschnitt; S = Steigung Man wähle auf der gezeichneten Geraden etwa in Höhe des ersten und letzten Meßpunktes zwei Punkte P1 (x1 , y1 ) und P2 (x2 , y2 ). Man verwende auf keinen Fall Meßpunkte, die "zufällig" auf der Geraden liegen. Dann ergibt sich die Steigung zu S= y2 − y1 . x2 − x1 (29) Die Achsenabschnitte Ax und Ay erhält man (falls benötigt) aus Ax = x − y und Ay = y − S · x S (x, y) ist ein beliebiges Wertepaar auf der Geraden (z.B. P1 oder P2 ). (30) 31 0.2. G RUNDLAGEN 0.2.2.3 Logarithmische Darstellungen Die Auswertung hinsichtlich S erfolgt hier folgendermaßen: Exponentialgesetze liegen meist in der Form y = y0 · e−ax (31) vor, wobei y0 = y(x = 0). Gemessen wird y als Funktion von x, gesucht wird die Größe a. Um einen linearen Zusammenhang zu erhalten, wird umgeformt und logarithmiert: y log10 ( ) = −ax · log(e), a>0. (32) y0 Man muß hier stets mit dem dekadischen Logarithmus rechnen, da die verfügbaren Papiere dementsprechend unterteilt sind. Ansonsten wäre der natürliche Logarithmus vorzuziehen, da dann der Faktor log e wegfallen würde. Wenn nun log10 (y/y0) gegen x aufgetragen wird, dann erhält man eine Gerade mit der Steigung S= ∆log10 ( yy0 ) ∆x = −a · loge, (33) woraus a leicht zu berechnen ist. Bei der Verwendung eines Taschenrechners ist es möglich, die log(y/y0) für die Meßpunkte zu berechnen und direkt in normales Millimeterpapier einzutragen. Die Auswertung erfolgt dann wie oben beschrieben. Bei Verwendung von halblogarithmischem Millimeterpapier werden die (y/y0 ) – Werte direkt auf der logarithmischen Achse gegen die entsprechenden x–Werte aufgetragen und die beste Gerade eingezeichnet. Um die Steigung ermitteln zu können, braucht man ∆log(y/y0 ). Dazu mißt man diese Strecke zwischen den beiden Punkten, die für die Auswertung auf der Geraden eingezeichnet wurden (Abb.2), mit dem Lineal (= b b [mm]) und setzt sie ins Verhältnis zur "Einheit" (∆log10 (y/y0 ) = 1= b E [mm]). Diese entspricht einer Dekade. b mm y )=− [ ] y0 E mm Für die Steigung ergibt sich damit: ∆log10 ( S= ∆log10 ( yy0 ) ∆x =− b 1 1 · [ ]. E ∆x A (34) (35) [A] ist die Einheit von x. Die Einheit E ist auf jedem Bogen Logarithmenpapier angegeben oder sie kann ebenfalls gemessen werden. 32 K APITEL 0. VORBEMERKUNGEN 0.2.2.4 Fehlerrechnung bei graphischen Darstellungen Für die Bestimmung des Fehlers von S, Ax und Ay benötigt man zunächst die absoluten Fehler der Einzelmessungen ∆x und ∆y. Man verwendet dazu zweckmäßigerweise die größte Abweichung eines Meßpunktes von der gezeichneten Geraden (Abb.1a). Beachte: Diese dürfen nicht verwechselt werden mit der Abszissendifferenz ∆x = x2 − x1 bzw. der Ordinatendifferenz ∆y = y2 −y1 bei der Bestimmung von S, die oft genau so bezeichnet werden! Wenn man annimmt, daß jeder Punkt der Geraden mit der gleichen Unsicherheit behaftet ist (also auch P1 und P2 ), dann ergibt sich für die Änderung von S, die innerhalb dieser Grenzen möglich ist ∆S 2∆x 2∆y ∆S bzw. . = = S x2 − x1 S y2 − y1 (36) Die Werte im Zähler (d.h. die Größen mit einem ∆) sind dabei von dem Datenpunkt mit der größten Abweichung, und die Differenzen im Nenner aus dem Steigungsdreieck. Diese Fehler sind annähernd gleich. Man wähle den, der sich leichter berechnen läßt. Bei logarithmischen Darstellungen etwa den ersteren. Die Unsicherheit ∆S der Steigung bewirkt auch einen Fehler bei den Achsenabschnitten. Diese sind ∆Ax = ( y1 + y2 ∆S x1 + x2 ) 2 und ∆Ay = ( )∆S 2 S 2 (37) Projekt 2.1: Optik I 1.1 Versuch 2.1A: Linsen 1.1.1 Aufgabenstellung 1. Bestimmung der Brennweite einer Zerstreuungslinse 2. Bestimmung der Brennweite und der Lage der Hauptebenen eines Linsensystems 1.1.2 Grundlagen 1.1.2.1 Dünne Linsen Hat man ein System von mehreren dünnen Linsen, die auf einer optischen Achsen hintereinander angeordnet sind, so ergibt sich seine Brechkraft aus der Summe der Brechkräfte der Einzellinsen. Eine etwas genauere Formel für die Kombination aus zwei dünnen Linsen berücksichtigt den (nicht zu großen) Abstand d ihrer Mittelebenen. 1 1 d 1 = + − (1.1) f f1 f2 f1 f2 Dieser Zusammenhang ermöglicht die Bestimmung der negativen Brennweite einer Zerstreuungslinse, indem man sie mit einer stärkeren Sammellinse kombiniert und die Brennweite des Systems mißt. 33 34 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I Abbildung 1.1: Bildkonstruktion bei dicken Linsen 1.1.2.2 Dicke Linsen Hier kann nicht mehr eine einzelne Mittelebene als Bezugsebene verwendet werden. Man führt daher zwei Hauptebenen (die gegenstandsseitige Hg und die bildseitige Hb ) ein, von denen aus die entsprechenden Größen gerechnet werden (Abb. 1.1). Alle Beziehungen zwischen den Größen b, g, G, B und f bleiben auch in diesem Fall gültig. Allerdings kann die Reihenfolge der beiden Hauptebenen vertauscht sein. Bei der Bildkonstruktion laufen die Strahlen (unabhängig von der Lage der Hauptebenen) immer von G nach Hg und von Hb nach B. 1.1.2.3 Messung der Brennweite von dünnen Linsen Man erzeugt mittels der Linse eine scharfe Abbildung eines Gegenstandes, mißt g und b und errechnet daraus die Brennweite mit Hilfe der Linsenformel 1 f = 1 g + 1 b Handelt es sich um eine Zerstreuungslinse, dann muß sie mit einer Sammellinse größerer Brechkraft kombiniert werden. Für dieses System kann prinzipiell das gleiche Verfahren angewendet werden. Aus der Brennweite des Systems f und der bekannten Brennweite fs der Sammellinse kann die Brennweite der Zerstreuungslinse fz berechnet werden. Für eine genaue Bestimmung ist folgendes zu beachten: Obwohl auch für dieses Zweilinsensystem noch mit guter Näherung angenommen 35 1.1. V ERSUCH 2.1A: L INSEN Abbildung 1.2: Das Besselsche Verfahren werden kann, daß die beiden Hauptebenen zusammenfallen, ist die genaue Lage dieser Bezugsebene unbekannt. Hier hilft das sogenannte Besselsche Verfahren. 1.1.2.4 Das Besselsche Verfahren zur Messung der Brennweite Bei diesem Verfahren bezieht man alle Ablesungen für die Linse auf eine willkürliche Marke am Schlitten der optischen Bank. Bei festem Abstand a zwischen Gegenstand und Bild sucht man nun die beiden Stellungen der Linse, die eine scharfe Abbildung ergeben. Stellung I ergibt ein vergrößertes, Stellung II ein verkleinertes Bild. a muß dabei größer sein als die vierfache Brennweite des Systems (Abb. 1.2). Nun mißt man die Größe der Verschiebung der Linse beim Übergang von I nach II. Hierzu wird jeweils der Ort der Marke am Schlitten abgelesen. Die Abweichung der Lage der Hauptebene von der Marke fällt durch die Differenzbildung heraus, der Hauptebenenabstand wird vernachlässigt, was bei dünnen, eng zusammenstehenden Linsen möglich ist. Wie aus der Abbildung abzulesen ist, gelten folgende Beziehungen: e = bI − bII = bI − gI und a = bI + gI Löst man nach bI und gI auf und setzt die Linsenformel ein, so ergibt sich f= a2 − e2 4a Durch Einsetzen in Gl.1 erhält man die gesuchte Brennweite fz . (1.2) 36 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I 1.1.2.5 Bestimmung der Lage der Hauptebenen von Linsensystemen Dieses Verfahren ist auch für dicke Linsen verwendbar (Abb. 1.1). Auch hier wird zunächst eine willklürliche Bezugsebene E gewählt und die Lage der Hauptebenen bezüglich derselben bestimmt. Aus der Abbildung kann leicht die folgende Beziehung entnommen und durch die Vergrößerung V ausgedrückt werden: G B B G = und = g−f f b−f f V = f b−f B = = G g−f f Daraus ergeben sich die Gegenstandsweite g und die Bildweite b g = f (1 + 1/V ) und b = f (1 + V ) Da die Lage der Hauptebenen unbekannt ist, können g und b nicht direkt gemessen werden sondern nur die Abstände von Gegenstand und Bild von einer Bezugsebene ′ ′ E (g und b ). Dazu eignet sich z.B. die Markierung am Stativ des Linsensystems. ′ ′ g = g + hg und b = b + hb Befindet sich die Bezugsebene E zwischen Hg und Hb wie in der Abbildung, so ist hg positiv1, hb jedoch kann positiv oder negativ sein. Faßt man die letzten beiden Gleichungen zusammen, so erhält man ′ ′ g = f (1 + 1/V ) + hg und b = f (1 + V ) + hb ′ (1.3) ′ Die grafische Darstellung von g als Funktion von (1 + 1/V ) bzw. von b als Funktion von (1 + V ) liefert Geraden, aus deren Neigung die Brennweite f und aus deren Ordinatenabschnitten die Abstände hg und hb (Vorzeichen beachten!) der Hauptebenen von der gewählten Bezugsebene folgen. 1.1.3 Versuchsaufbau Optische Bank mit Linsen. 1 hg kann nicht negativ sein. Falls Sie dieses Ergebnis erhalten, bitte den Betreuer benachrichtigen (Sie haben in dem Fall höchstwahrscheinlich eine falsche Fokusposition benutzt und müssen den Versuch wiederholen). 37 1.1. V ERSUCH 2.1A: L INSEN Versuchsdurchführung Zu 1) Man kombiniert die Zerstreuungslinse mit der vorhandenen Sammellinse und bestimmt die Brennweite dieses Systems mit Hilfe des Besselschen Verfahrens. Die Entfernung a muß größer sein als die vierfache Brennweite. Die Stellungen I und II der Linse werden je fünfmal gesucht und die abgelesenen Werte gemittelt. fs ist am Arbeitsplatz angegeben, d wird ungefähr gemessen. Zu 2) Nach der Messung verschiedener Gegenstandsweiten g ′, der entsprechenden Bildweiten b′ und der Bildgrößen B (10 Messungen) und der Berechnung von V (Gegenstand G ausmessen!) trage man g ′ als Funktion von (1 + 1/V ) und b′ als Funktion von (1 + V ) in einem Diagramm auf Millimeterpapier auf. Für Messung und Auswertung lege man sich eine Tabelle an, die alle Größen (g ′ , b′ , B, G, (1 + 1/V ), (1 + V )) in übersichtlicher Form enthält. Aus der Steigung und den Ordinatenabschnitten der beiden Geraden ergibt sich die Brennweite f und die Lage der Hauptebenen (hg und hb ) des Systems nach Gl. 1.3. Schließlich fertige man eine maßstäbliche Zeichnung des Strahlengangs durch dieses System bei Abbildung eines Gegenstandes in doppelter Brennweite an. Wie groß ist dann die Vergrößerung V ? 1.1.4 Fehlerrechnung Zu 1) Man setze ∆a = 0; ∆e = ∆b + ∆g (größte Abweichung in den Meßreihen vom Mittelwert); ∆d = ∆fs = 0. ∆f ∆e 2e2 = ( ) f e a2 − e2 und ∆f fs ∆fz = ( ) fz f fs − f Zu 2) Nach den Angaben im Abschnitt über Fehlerrechnung errechne man die Fehler für die Brennweite f . 38 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I 1.1.5 Literatur 1.1.5.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 32 • Gerthsen, Physik, Kapitel 9.2 1.1.5.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium 1. Geometrische Optik 2. Brechungsgesetz 3. Fermat’sches Prinzip 4. Geometrische Bildkonstruktion bei Linsen, Linsengesetz 5. Brechkraft, Reelles und virtuelles Bild 6. Dünne Linsen, Kleinwinkelnäherung 7. Linsenfehler 8. Optische Instrumente 9. Auflösungsvermögen 1.1.5.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Wie ist es zu erklären, daß ein Teleobjektiv wesentlich kürzer sein kann als seine Brennweite? 2. Nach welchem Prinzip könnte man Objektive bauen mit veränderlicher Brennweite (sog. Zoom-Objektive)? 3. Wie läßt sich begründen, daß es zu jedem Abstand Gegenstand - Bild zwei Linsenstellungen gibt, die ein scharfes Bild liefern? 1.2. V ERSUCH 2.1B: D ISPERSION 39 1.2 Versuch 2.1B: Dispersion 1.2.1 Aufgabenstellung Bestimmung der Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl (Dispersion). Anhand der minimalen Ablenkung in einem Prisma (symmetrischem Strahlengang) wird der Brechungsindex für die fünf hellsten Linien des Heliumspektrums bestimmt. 667,8 nm 587,6 nm 501,6 nm 492,2 nm 471,3 nm 447,2 nm (rot) (gelb) (grün) (grün-türkis, falls sichtbar, bitte nicht benutzen!) (blau) (violett) 1.2.2 Versuchsaufbau 1.2.2.1 Der Prismenspektralapparat (Abb. 1.3) Abbildung 1.3: Schema des Prismenspektralapparates Ein Spalt S, der von der Lichtquelle L beleuchtet wird, steht in der Brennebene einer Sammellinse L1 , die ein paralleles Lichtbündel erzeugt. Dieses wird im Prisma spektral zerlegt, d.h. verschiedene Wellenlängen verlassen es unter verschiedenen Winkeln. Eine zweite Linse L2 vereinigt die Bündel gleicher Richtung (= gleiche Wellenlänge) und erzeugt auf diese Weise Bilder des Spaltes in den Farben der verschiedenen Wellenlängen. 40 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I In der technischen Ausführung eines Spektralapparates werden Spalt und Linse L1 im sog. Spaltrohr zusammengefaßt. Die von der Linse L2 entworfenen Spaltbilder werden durch eine Okularlinse O betrachtet, in deren Brennebene F sich ein Fadenkreuz befindet. Linse und Okular bilden zusammen ein Fernrohr. Die Entfernungen Spalt – Linse 1 und Linse 2 – Okular müssen so justiert sein, daß paralles Licht durch das Prisma fällt und die Spaltbilder der Linse 2 mit dem Fadenkreuz des Okulars in einer Ebene liegen, d.h. gleichzeitig scharf zu sehen sind. 1.2.3 Versuchsdurchführung In der Auswertung sollen die in der Mustertabelle 1.1 und Abb.1.4 dargestellten Bezeichnungen verwendet werden: Für die Versuchsdurchführung ist die Behandlung des symmetrischen Strahlenganges von besonderer Bedeutung. Hier nimmt der Brechungswinkel δ einem minimalen Wert δmin an und ermöglicht nach dessen Messung die einfache Bestimmung der Brechzahl: n= sin( δmin2 +γ ) sin( γ2 ) (1.4) wobei der brechende Winkel γ und der Winkel der minimalen Ablenkung δmin leicht gemessen werden können. Verwendet man Licht verschiedener Wellenlänge λ, erhält man die Dispersionskurve n(λ) für das Prismenmaterial. 1.2.3.1 Messung des brechenden Winkels γ des Prismas Wir drehen das Prisma mit der brechenden Kante F gegen das Spaltrohr (vgl. Abb. 1.4) und schwenken das Fernrohr so lange, bis wir das Spiegelbild des Spaltes sehen. Der Winkel zwischen den beiden Spiegelbildern des Spaltes, die von der rechten und linken Seite des Prismas herkommen, ist genau 2γ. Bitte 2 Messungen durchführen! Der Fehler der Einzelmessung ergibt sich aus der Ablesegenauigkeit. 1.2.3.2 Messung des Ablenkwinkels δ Wir drehen die brechende Kante zur Seite und führen das Fernrohr nach, bis das Spektrum erscheint. 1.2. V ERSUCH 2.1B: D ISPERSION 41 Abbildung 1.4: Links: Darstellung des zu bestimmenden Winkels. Bitte beachten: Lichtquelle (Spaltrohr) ist hier oben über Position F . Man nutzt hier die Reflexion an den Prismenkanten. Rechts: Skizze der Versuchsanordnung für die Messung der Dispersion (Ablenkwinkel δ). Dazu beachte man die rechts in Abbildung (1.4) angedeutete Stellung von Prisma und Fernrohr. Die Stellung der minimale Ablenkung haben wir dann, wenn beim Drehen des Prismas die betreffende Linie gerade im Schnittpunkt des Fadenkreuzes umkehrt. Die dazugehörende Winkelstellung auf dem Teilkreis wird notiert. Nun dreht man die Kante F auf die andere Seite und wiederholt die Messung. Der Winkel zwischen den beiden Stellungen ist der doppelte Ablenkwinkel 2δ. Für alle Winkelablesungen muß der Nonius an der Skala benutzt werden (eventuell vom Betreuer erklären lassen), da sonst die erreichbare Genauigkeit nicht ausgeschöpft wird. Für jeden Wert von 2δ sollen zwei Messungen durchgeführt werden, von denen das Mittel zu bilden ist. Es ist ratsam, zwischen den beiden Messungen die Skalenscheibe in eine andere Stellung zu bringen. 1.2.4 Auswertung und Fehlerrechnung Für die Messung des Ablenkwinkels und die anschlies̈sende Auswertung empfiehlt sich eine Tabelle, die etwa folgendermaßen aussehen könnte: Nach der Berechung der jeweiligen Brechzahl (siehe Gleichung 1.4) ist zum Schluß mit den gewonnenen Werten die Dispersionskurve (n als Funktion von λ) zu zeichnen. Der absolute Fehler von n errechnet sich aus: 42 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I rot gelb 1.Messung 2.Messung 1.Messung 2.Messung 250,700 226,400 usw. 0 0 155,35 131,10 0 95,35 95,300 95,3250 47,6620 1,6147 Winkelstellung I Winkelstellung II I - II 2δ (Mittelwert) δ Brechzahl n (Gl. 1.4) Tabelle 1.1: Mustertabelle ∆n = | ∂n ∂n |∆δ + | |∆γ ∂δ ∂γ (1.5) wobei aus Gl. 1.4 folgt: und ∂n n δ+γ = cot ∂δ 2 2 (1.6) ∂n n γ δ+γ = − (cot − cot ) ∂γ 2 2 2 (1.7) ∆δ und ∆γ erhält man aus der größten Abweichung bei den Einzelmessungen. Sie müssen im Bogenmaß (1 rad = 1800 /π) in die Fehlerformel eingesetzt werden. Man berechne den Fehler einmalig für eine mittlere Wellenlänge. 1.2.5 Literatur 1.2.5.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 31.6, 31.8 • Gerthsen, Physik, Kapitel 9.1.3, 9.1.5, 10.3.2 1.2.5.2 Themenkreise für das Vorbereitungskolloquium • Geometrische Optik • Brechung und Reflexion 1.2. V ERSUCH 2.1B: D ISPERSION 43 • Brechzahl und Brechungsgesetz • Fermat’sches Prinzip • normale und anomale Dispersion • Prismenspektralapparat 1.2.5.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Wie lassen sich Reflexion und Brechung auf Grund der Wellentheorie des Lichts erklären? 2. Was versteht man unter geometrischer Optik und unter welchen Bedingungen ist sie anwendbar? 3. Was versteht man unter Totalreflexion? 4. Wie funktioniert ein Nonius? 5. Was versteht man unter dem Auslösungsvermögen eines Spektralapparates? Wovon hängt es ab? 6. Wie läßt sich die chromatische Aberration vermindern ? 44 K APITEL 1. P ROJEKT 2.1: O PTIK I Projekt 2.2: Optik II 2.1 Versuch 2.2A: Polarisation 2.1.1 Aufgabenstellung 1. Bestimmung der Konzentration einer Zuckerlösung mit dem Polarimeter 2. Aufnahme der Rotationsdispersionskurve bei Quarz und Bestimmung der spezifischen Drehwinkel für die Wellenlängen 589 nm und 527 nm. 2.1.2 Versuchsaufbau 2.1.2.1 Messung des Drehwinkels mit dem Polarimeter Abb. 2.1 zeigt das Schema eines Polarimeters. Zuckerlösung R Q P A S Abbildung 2.1: Aufbau eines Polarimeters 45 46 K APITEL 2. P ROJEKT 2.2: O PTIK II Das von Q ausgehende einfarbige Licht durchsetzt den Polarisator P , die Küvette mit der Zuckerlösung R und den Analysator A. Im Versuch wird das durchgehende Licht mittels eines Schirmes dargestellt. Wir betrachten die Anordnung zunächst ohne R. Stehen P und A parallel zueinander, dann ist das Gesichtsfeld hell, dreht man A um 900 , so erhält man Dunkelheit. Wird nun die Küvette mit der zu untersuchenden Lösung in den Strahlengang gebracht, dann hellt sich das Gesichtsfeld auf, da die Schwingungsebene des Lichtes um einen Winkel α gedreht wurde und nicht mehr senkrecht zu A ist. Durch Nachführen von A bis zur völligen Auslöschung kann man α bestimmen. 2.1.2.2 Rotationsdispersion Eine senkrecht zur optischen Achse geschnittene Quarzplatte dreht linear polarisiertes Licht ebenfalls, wenn es den Quarz in Richtung der optischen Achse durchsetzt. Der Drehwinkel hängt stark von der Wellenlänge des Lichts ab: Mit zunehmender Wellenlänge nimmt der Drehwinkel ab. Abbildung 2.2: Skizze zur Rotationspolarisation Eine Quarzplatte Qu befindet sich zwischen zwei Polarisationsfiltern P und A. Das von L kommende Licht wird durch P polarisiert und durchsetzt den Quarz und dann A. Anschließend wird das Licht in einem Prismenspektralapparat spektral zerlegt. Im kontinuierlichen Spektrum beobachtet man nun dunkle Streifen. Es sind dies gerade diejenigen Wellenlängen, deren Schwingungsebenen um soviel gedreht wurden, daß sie senkrecht zur Schwingungsebene (Durchlaßrichtung) von A stehen, wenn sie den Quarz verlassen und deshalb vom Analysator nicht durchgelassen werden. Für diesen Zweck wird ein geeichter Spektralapparat verwendet, der die Bestimmung der Wellenlängen erlaubt. 2.1.3 Versuchsdurchführung, Auswertung und Fehlerrechnung 1 Man mache je 10 Ablesungen des Winkels ohne und mit Zuckerlösung (α0 und αm ). Die Differenz dieser beiden Winkel α = αm −α0 liefert den gesuch- 2.1. V ERSUCH 2.2A: P OLARISATION 47 ten Drehwinkel. Aus diesem erhält man auch die Konzentration der Lösung, denn α ist proportional zum Konzentration k und proportional zur Länge l der durchstrahlten Schicht. α = α∗ lk (2.1) α∗ bezeichnet das spezifische Drehvermögen der gelösten Substanz. Für Rohrzucker beträgt es 0,0667 Grad pro Zentimeter und Gewichtsprozent. Als Ergebnis sollen hier Mittelwert und Standardabweichung berechnet werden. Es empfiehlt sich eine Tabelle mit den folgenden Spalten: α0 αm α ∆α/10−2 (∆α)2 /10−4 -0,35 3,95 4,30 -16 256 usw. Mittel: 4,46 Summe der (∆α)2 : 1860·10−4 2 Man bestimmt die Wellenlänge der dunklen Streifen. Es handelt sich um max. 7 Wellenlängen. Für die grafische Darstellung ist folgendes zu beachten: Zunächst weiß man nur, daß bei einer beliebigen aber festen Analysatorstellung die Drehwinkel von einem dunklen Streifen zum nächsten mit steigender Wellenlänge um 1800 abnehmen. Auf einen Millimeter Quarzlänge bezogen sind dies 180/d [0 /mm] (d = Quarzlänge). Wählt man bei beliebigem Nullpunkt auf der Ordinate als Einheit den Betrag 180/d [0 /mm], so entsprechen denjenigen Ordinatenpunkten auf der Abszisse diejenigen Wellenlängen, die im Spektrum fehlen. Durch die Angabe, daß der spezifische Drehwinkel bei 486 nm 32,76 [0 /mm] beträgt, läßt sich der Nullpunkt auf der Ordinate festlegen. Man nehme so die Rotationsdispersionskurve für Quarz auf und bestimme daraus den spezifischen Drehwinkel für die Wellenlängen 589 nm und 527 nm. Außerdem überlege man sich, ob es sich um einen rechts- oder linksdrehenden Quarz handelt (Hinweis: Bezugsrichtung ist in Richtung der Lichtquelle). Durch Drehen am Analysator wandern die dunklen Streifen je nach Drehrichtung zum kurz- oder langwelligen Ende des Spektrums. 3 Der Fehler ergibt sich hier im wesentlichen aus der Zeichengenauigkeit beim Erstellen des Diagramms. Daraus resultiert ein Fehler für die beiden abzulesenden Drehwinkel. Man schätze ihn ab. 48 K APITEL 2. P ROJEKT 2.2: O PTIK II 2.1.4 Grundlagen 2.1.4.1 Literatur • Tipler, Physik, Kapitel 31.7 • Gerthsen, Physik, Kapitel 10.2 2.1.4.2 Themen für das Vorbereitungskollquium • Polarisation • Dichroismus • Doppelbrechung • Optische Aktivität • Gesetz von Malus • Kerr- und Faradayeffekt 2.1.4.3 Fragen, mit denen sie rechnen müssen 1. Werden Polarisationseffekte bei Schallwellen in Luft beobachtet? In Festkörpern? 2. Durch welche Effekte kann man aus unpolarisiertem Licht polarisiertes Licht erzeugen? 3. Wie groß sind Amplitude und Intensität von unpolarisiertem Licht, nachdem es einen idealen Polarisator durchlaufen hat? 4. Was ist ein λ/4 (bzw. λ/2) Plättchen? Wozu kann es verwendet werden? 2.2. V ERSUCH 2.2B: B EUGUNG 49 UND I NTERFERENZ 2.2 Versuch 2.2B: Beugung und Interferenz 2.2.1 Aufgabenstellung 1. Durch Beugung am Einzelspalt bestimme man die Wellenlänge des verwendeten Lasers. 2. Aus der Beugungfigur eines Doppelspalts bestimme man den Spaltabstand und die Spaltbreite. 3. Mittels verschiedener Mehrfachspalte bestimme man die Abhängigkeit der Schärfe des Hauptmaximums von der Anzahl der Spaltöffnungen. 2.2.2 Grundlagen 2.2.2.1 Intensität am Einfachspalt Eine ebene Welle falle senkrecht auf einen Spalt, dessen Breite b die Größenordnung der Lichtwellenlänge λ hat. Die Intensitätsverteilung (Herleitung siehe Vorlesung) des gebeugten Lichtes auf einem Schirm ist gegeben durch sin ϕ) sin2 ( πb I ∝ πb λ ( λ sin ϕ)2 . (2.2) Anmerkung: bitte die exakte Herleitung für die Vorbereitungskolloquien nachschlagen! 2.2.2.2 Intensität am Mehrfachspalt Die Intensitätsverteilung an einer Spaltanordnung mit N Spalten der Breite b im Abstand d voneinander ergibt sich als Produkt eines Terms, der die Intensitätsverteilung durch einen einzelnen der Spalte darstellt und eines zweiten Terms, der das Zusammenwirken der N Spalte beschreibt. I∝ sin2 ( πb sin ϕ) sin2 ( Nλπd sin ϕ) λ · sin ϕ)2 sin ϕ) ( πb sin2 ( πd λ λ Für kleine Winkel ϕ kann sin(ϕ) direkt durch den Winkel ϕ ersetzt werden. (2.3) 50 K APITEL 2. P ROJEKT 2.2: O PTIK II Wir betrachten jetzt speziell den Fall des Doppelspalts (N=2). Hier kann der zweite Term mit Hilfe eines Additionstheorems umgeschrieben werden, so daß sich die Intensitätsverteilung wie folgt beschreiben läßt sin2 ( πb ϕ) πd I ∝ πb λ 2 · 4 · cos2 ( ϕ) λ ( λ ϕ) (2.4) Für die Lage der Intensitätsmaxima ergibt sich im Fall des Doppelspalts aus dem zweiten Term die Bedingung d · sin ϕ = m · λ m = 1, 2, . (2.5) 2.2.2.3 Halbwertsbreite der Hauptmaximums 0.ter Ordnung Betrachtet man den Winkel ϕ, bei dem die Intensität I auf die Hälfte der Intensität I0 im Hauptmaximum abgefallen ist, ergibt sich mit der Kleinwinkelnäherung sin(ϕ)≃ϕ sin( πb ϕ)2 sin( Nλπd ϕ)2 1 I = I0 = πbλ 2 · 2 ( λ ϕ) sin( πd ϕ)2 λ Die Bestimmung von I0 (ϕ → 0) kann hierbei mit den Regeln von de L’Hospital erfolgen. Hieraus läßt sich für die verwendeten Mahrfachspalte eine Näherung gewinnen, die bei der Versuchsdurchführung verwendet wird, um eine ungefähre funktionale Abhängigkeit der Breite des Haupmaximums von der Spaltanzahl zu erhalten: ϕ≈k· λ Nπd (2.6) 2.2.3 Versuchsaufbau 2.2.3.1 Aufnahme der Beugungsbilder mit dem VideoCom-System Als Lichtquelle wird ein Laser verwendet. Mit einem Polarisator kann die Intensität des Licht so geregelt werden, daß für jede Versuchsanordnung der dynamische Bereich der CCD-Kamera optimal ausgenutzt wird. Durch eine Anordnung zweier Linsen wird das Laserlicht so aufgeweitet, daß die verwendeten Spaltanordnungen in voller Breite gleichmäßig ausgeleuchtet werden. Die verwendeten Einfach- und 2.2. V ERSUCH 2.2B: B EUGUNG UND I NTERFERENZ 51 Abbildung 2.3: Versuchsaufbau zur Beugung an Mehrfachspaltanordnungen. Der gezeigte Doppelspalt wird in den anderen Versuchsteilen durch Einzel- bzw. Mehrfachspalte ersetzt. Mehrfachspalte sind auf Diapositiven aufbelichtet, jeweils mehrere auf einem Dia. Eine Blende sorgt dafür, daß nur die jeweils verwendete Spaltanordnung beleuchtet wird. Hinter den Spalten wird mit einer weiteren Linse das Beugungsbild auf die einzeilige CCD (Charged Coupled Device) des VideoCom-Systems abgebildet. 2.2.4 Versuchsdurchführung Neben der Datenaufnahme mit Hilfe des PCs ist auch die Auswertung rechnergestützt und wird z.T. mit der Tabellenkalkulation EXCEL durchgeführt. Der Auswertung sind Ausdrucke aller mit dem Videocom-System aufgenommenen Beugungsfiguren sowie der in EXCEL erzeugten Darstellungen beizulegen. Wichtiger Hinweis: Vermeiden Sie es, direkt in den Laser zu schauen! Zuerst wird der Aufbau eingerichtet und mit Hilfe der Videocom-Software das Beugungsbild eines Einzelspalts dargestellt. Eine Einführung in das Videocom-System erfolgt am Arbeitsplatz durch den Assistenten. Für die Darstellung wird eine Winkelkalibrierung vorgenommen, hiernach können die benötigten Winkelangaben direkt aus der Bildschirmdarstellung abgelesen werden. Zu 1) Für zwei verschiedene Spaltbreiten werden die Lagen der ersten drei Maxima (jeweils links und rechts) der Beugungsfigur bestimmt. Von den Winkeln der 52 K APITEL 2. P ROJEKT 2.2: O PTIK II Maxima gleicher Ordnung wird der Mittelwert gebildet, der Sinus dieser Winkel wird gegen die Ordnung des Maximums aufgetragen. Aus der Steigung der Geraden kann mit Hilfe der aus der Literatur bekannten Bedingung für die Lage der Intensitätsmaxima die Wellenlänge des verwendeten Laserlichts bestimmt werden. Zu 2) Der Einzelspalt wird durch einen Doppelspalt ersetzt. Aus der Lage der ersten drei Intensitätsmaxima wird der Abstand der Spalte voneinander bestimmt. Hierbei wird wie in Teil 1 vorgegangen. Der Spaltabstand kann hierbei mit Hilfe von Gleichung (2.4) ermittelt werden. Zusätzlich werden die Intensitäten der Maxima als Funktion des Winkels aufgetragen. Hieraus läßt sich mit Hilfe der Gleichung (2.3) die Spaltbreite durch Variation der Parameter in EXCEL bestimmen. Zu 3) Für einen Drei-, Vier- und Fünffachspalt wird jeweils die Halbwertbreite des Maximums 0.ter Ordnung bestimmt. Der Mittelwert(rechts/links) der zugehörigen Winkel wird gegen den Kehrwert der Spaltanzahl 1/N aufgetragen. Mit Hilfe von Gleichung (2.5) wird aus diesen Werten die Konstante k bestimmt. Beantworten Sie mit Hilfe dieses Ergebnisses die folgende Frage: Wie groß muß die Spaltanzahl N sein, um zwei Lichtquellen mit einem Abstand von 0,01 Grad aufzulösen? 2.2.5 Literatur 2.2.5.1 Grundlagen Tipler, Physik, Kapitel 33 Gerthsen, Physik, Kapitel 10.1 2.2.5.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Huygenssches Prinzip, Elementarwellen • Interferenz • Kohärenz • Beugung 2.2. V ERSUCH 2.2B: B EUGUNG UND I NTERFERENZ 53 • Diskussion des Beugungsbilds an Einzelspalt, Doppelspalt, Gitter • Auflösungsvermögen des Gitters und optischer Geräte 2.2.5.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Für den Einzelspalt, ist die Breite des Hauptmaximums kleiner, gleich oder größer als die Breite eines Nebenmaximums? Haben alle Nebenmaxima die gleiche Breite? 2. Wie verändert sich das Beugungsbild eines Spaltes, wenn der Raum zwischen Spalt und Schirm in Wasser getaucht würde? 3. Ist das Beugungsbild des Doppelspalts gleich der Überlagerung zweier Einzelspaltbilder mit der gleichen Spaltbreite? 4. Welche Bedeutung hat die Beugung für das Auflösungsvermögen optischer Geräte? 5. Die Energie einer Welle ist proportional zum Quadrat der Amplitude. Werden zwei Wellen mit gleicher Amplitude A phasengleich überlagert, dann besitzt die resultierende Welle die Amplitude 2A, die Energie müßte daher das vierfache der Energie einer Welle sein. Wie ist das möglich? 6. Was ist ein Laser? Warum läßt sich die Intensität des Laserlichts durch einen Polarisator variieren? 7. Was ist ein Phaser und wie ist Warp-Geschwindigkeit definiert? 54 K APITEL 2. P ROJEKT 2.2: O PTIK II Projekt 2.3: Wellen 3.1 Versuch 2.3A: Schallgeschwindigkeit 3.1.1 Aufgabenstellung Man bestimme 1. die Frequenz ν und die Geschwindigkeit vG der im Glas angeregten Schallwelle. 2. den Elastizitätsmodul E von Glas 3. die Schallgeschwindigkeit in CO2 vCO2 4. den Adiabatenkoeffizienten von Luft und CO2 . 3.1.2 Versuchsaufbau Mit Hilfe von stehenden Wellen in einem Glasrohr läßt sich die Schallgeschwindigkeit in Gasen und festen Stoffen durch Vergleichsmessung mit einem Gas bekannter Schallgeschwindigkeit bestimmen. Das Kundtsche Rohr Ein Glasrohr ist an einem Ende mit einem verschiebbaren Metallstempel S verschlossen (Abb. 3.1). Am anderen Ende befindet sich ein Glasstab der Länge L mit 55 56 K APITEL 3. P ROJEKT 2.3: W ELLEN Abbildung 3.1: Das Kundtsche Rohr einer ebenen Platte P (als schallabstrahlende Fläche) an der in das Rohr hineinragenden Stirnseite des Stabes. Dieser ist in der Mitte eingeklemmt. Reibt man den Stab mit einem mit Alkohol befeuchteten Lappen, so gerät er in stehende Longitudinalschwingungen (Reflexion der im Stab laufenden Welle an den freien Enden ohne Vorzeichenumkehr). Die festgeklemmte Stelle ist ein Schwingungsknoten im Glasstab. Die stehende Welle im Stab hat dann eine Wellenlänge λ’, die gleich der doppelten Stablänge L ist (Grundschwingung). Die von P in das Rohrinnere laufende Welle wird an S reflektiert und läuft zurück. Wenn der Abstand SP gerade ein Vielfaches von λ/2 der im Gas laufenden Welle ist, bildet sich im Rohr eine stehende Welle aus. Um die stehende Welle sichtbar zu machen, verteilt man trockenes Korkpulver in einem langen, gleichmäßig dünnen Strich unten in der Röhre. An den Knotenstellen ist das Gas dauernd in Ruhe; dort bleibt das Korkpulver liegen. In den Schwingungsbäuchen (starke Gasbewegung) wird das Korkpulver verweht. Man dreht am besten das Rohr etwas um seine Achse, so daß das Pulver angehoben wird. In den Bäuchen fällt es dann herab, und es entstehen girlandenartige Bögen. Das Abstimmen durch Verschieben des Stempels S geschieht während des Reibens am Glasstab. Mit einem Maßstab mißt man dann den Abstand a von der ersten zur Messung geeigneten Knotenstelle bis zur letzten möglichen. Wenn n Bögen dazwischen liegen, ist λ= 2a . n • Es ist auf sparsamen Verbrauch des Gases zu achten. Nach der Messung muß das Flaschenventil sofort geschlossen werden, wobei auf die richtige Bedienung des Reduzierventils zu achten ist (Betreuer fragen!). 57 3.1. V ERSUCH 2.3A: S CHALLGESCHWINDIGKEIT • Beim Reiben des Stabes ist darauf zu achten, daß keine Vertikalbewegung durchgeführt, sondern nur horizontal in Stabrichtung gerieben wird. Es besteht ansonsten große Bruchgefahr. 3.1.3 Versuchsdurchführung Zunächst mißt man auf die beschriebene Weise die Schallwellenlänge in Luft (λL ) und CO2 (λCO2 ) sowie die Länge des Glasstabes L = λG /2. Das CO2 läßt man während der Messung langsam durch das Rohr strömen. Bitte sparsam umgehen mit dem Gas und nach der Messung das Flaschenventil sofort schließen. Der Lappen wird zum Reiben des Glasstabes etwas mit Alkohol angefeuchtet. Der Alkohol ist NICHT für den menschlichen Verzehr bestimmt! Jede Messung wird fünfmal wiederholt, indem das Korkpulver wieder sorgfältig zusammengeklopft wird und man von neuem mit S eine Resonanzstelle sucht. Der Mittelwert ergibt die gesuchte Wellenlänge λ, die größte Abweichung den Fehler ∆λ. 3.1.4 Auswertung und Fehlerrechnung Zu 1.) Nach der allgemein gültigen Beziehung v = λν gilt für die Luft im Rohr vL = λL ν (3.1) vG = λG ν. (3.2) und für den Glasstab Durch Elimination der Frequenz erhält man daraus vG = λG vL . λL (3.3) Die Schallgeschwindigkeit in Luft ist temperaturabhängig und kann aus der folgenden Beziehung berechnet werden: q vL = 331 1 + 0, 004t m/s (t in o C) Mit bekanntem vG kann aus Gl.(3.2) auch die Frequenz berechnet werden. (3.4) 58 K APITEL 3. P ROJEKT 2.3: W ELLEN Zu 2.) Eine Betrachtung für Longitudinalwellen in Festkörpern liefert für v folgenden Ausdruck: s E (3.5) v= ρ mit E = Elastizitätsmodul; ρ = Dichte. Hiermit kann unmittelbar der Elastizitätsmodul E für Glas bestimmt werden. Es gilt für die Dichte des Glases: ρGlas = 2, 6 g/cm3 . Zu 3.) Da die anregende Frequenz ν konstant ist, gilt analog zu Gl.(3.3) vCO2 = λCO2 vL . λL (3.6) Zu 4.) Aus der Adiabatengleichung (pV κ = konstant) und der allgemeinen Gasgleichung (pV = nRT ) folgt s s κp κRT v= bzw. v = (3.7) ρ M Danach hängt die Schallgeschwindigkeit in Gasen ab vom Adiabatenkoeffizienten κ = cp /cV , der absoluten Temperatur T und der Molmasse M des Gases. Mit dieser Formel kann aus den gemessenen Geschwindigkeiten der jeweilige Adiabatenkoeffizient κ berechnet werden. Es ist: M M(Luft) M(CO2 ) R = Molmasse in [g/mol] = 29 g/mol = 44 g/mol = allgemeine Gaskonstante = 8,314 J/mol·K Die Fehlerrechnung ergibt sich unmittelbar aus dem Rechengang! 3.1.5 Literatur 3.1.5.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kap. 15, 16 • Gerthsen, Physik, Kap. 4 3.1. V ERSUCH 2.3A: S CHALLGESCHWINDIGKEIT 59 3.1.5.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Wellengleichung und deren Lösung • longitudinale und transversale Schwingungen • Ebene Wellen • Reflexion von Wellen (festes / loses Ende) • Wellenwiderstand • Superpositionsprinzip • Stehende Wellen • Schallwellen • Adiabatenexponent und Freiheitsgrade 3.1.5.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Welche Eigenschaften muß ein Gas besitzen, damit es eine große Schallgeschwindigkeit hat? 2. Bei stehenden Schallwellen muß zwischen Druck- und Bewegungsknoten (bzw. Bäuchen) unterschieden werden. Welche relative Lage haben sie gegeneinander und was liegt unmittelbar an den Reflektoren? 3. Wie kann die Gleichung (3.7) hergeleitet werden? 4. Wie sind die Eigenfrequenzen eines schwingenden Seiles (Saite) bestimmt? 5. Wie lautet die Formel für den Wellenwiderstand in Gasen und Festkörpern? 6. Wieviele Freiheitsgrade besitzen CO2 und Luft? Welche Werte erwartet man daher für κ ? 60 K APITEL 3. P ROJEKT 2.3: W ELLEN 3.2 Versuch 2.3B: Lichtgeschwindigkeit 3.2.1 Aufgabenstellung Mit Hilfe der Methode von Foucault-Michelson soll die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes in Luft gemessen werden. 3.2.2 Versuchsaufbau 3.2.2.1 Das Meßprinzip nach Foucault-Michelson Das Licht eines Lasers fällt auf einen Drehspiegel D und von dort auf einen weiteren Spiegel S (Abb. 3.8). el ieg Sp S L2 alpha s 2 alpha Laser D L1 Abbildung 3.2: Drehspiegelmethode 3.2. V ERSUCH 2.3B: L ICHTGESCHWINDIGKEIT 61 Die Abstände betragen L1 vom Laser zu D und L2 von D zu S. Bei ruhendem Drehspiegel (in geeigneter Stellung) wird das Licht von S in sich zurückreflektiert und von D in Richtung Laser laufen. Rotiert der Drehspiegel mit hoher Drehzahl f , dann dreht er sich während der Zeit, die das Licht braucht, um die Entfernung D - S - D (= 2L2 ) zurückzulegen, um den Winkel α weiter, wobei gilt: t= 2L2 2L2 4πf L2 undα = 2πf = . c c c Der an D reflektierte Strahl wird daher um den Winkel 2α von seiner ursprünglichen Richtung abweichen, was zu einer Verschiebung des Spaltbildes um die Strecke s führt. Es gilt 2α = s/L1 . Aus diesen Zusammenhängen kann c berechnet werden: c= 8πf L1 L2 s (3.8) 3.2.2.2 Der optische Aufbau der Anordnung In der Praxis enthält der Versuchsaufbau noch drei weitere Elemente: Eine Linse L, einen zusätzlichen Umlenkspiegel und eine halbdurchlässige Glasplatte G unmittelbar hinter dem Spalt (Abb.3.3). Ihre Funktionen sind die folgenden: Das Laserlicht welches aus dem Laser kommt ist nicht absolut parallel. Die Linse sorgt dafür, daß auch nach einem Weg von ca. 30 m noch immer ein scharfer Punkt auf dem Schirm abgebildet wird. Die Brennweite der Linse beträgt ungefähr 5 m. Damit sind jedoch erst die Entfernungen richtig einjustiert. Der Spiegel S muß das Licht auch genau in sich zurückreflektieren. Dies ist dann der Fall wenn der Spiegel genau senkrecht zum einfallenden Licht eingestellt ist. Der Drehspiegel wird genau im Brennpunkt der Linse aufgestellt. Mit Hilfe des Spiegelbildes des Drehspiegels kann S so gerichtet werden, daß dieses mit dem Drehspiegel genau zusammenfällt (Prinzip der Autofokussierung). Die Brennweite der Linse beträgt ungefähr 5 m. Um eine gut meßbare Verschiebung s zu erreichen, muß L2 ca. 15 m betragen. Aus Platzgründen wird daher ein zusätzlicher Umlenkspiegel zwischsen L und S aufgestellt, der den Platzbedarf auf die Hälfte verringert. Für die Beobachtung der Verschiebung wird unmittelbar hinter dem Laser eine Glasplatte unter 450 in den Strahlengang gebracht, so daß der Leuchtpunkt auf einer Skala erscheint, die durch eine Lupe betrachtet wird. Tatsächlich sieht man ein doppeltes Bild, da das Licht an Vorder- und Rückseite reflektiert wird. 62 Lin se Spie ge l Spiegel K APITEL 3. P ROJEKT 2.3: W ELLEN alpha 2 alpha Laser halbdurchlässiger Spiegel s Schirm Abbildung 3.3: Der Versuchsaufbau 3.2.3 Versuchsdurchführung 1. Als erstes muß die Position des Drehspiegels, der Linse und der zwei Spiegel überprüft werden. Dazu wird der Laser eingeschaltet, der den Drehspiegel beleuchtet. Mit Hilfe des am Drehspiegel angehängten Schlüssels, der sich von oben aufstecken läßt, wird dieser so gedreht, daß das reflektierte Lichtbündel auf die Linsenmitte von L fällt. Unmittelbar vor S muß nun ein scharfer Leuchtpunkt liegen (mit Papier nachprüfen). Auf dem Drehspiegel muß sein eigenes Bild liegen. Dieses läßt sich durch Einschieben einer Papierecke in das Lichtbündel kurz vor dem Drehspiegel auffinden. Kleine Seiten- und Höhenverstellungen an S erlauben eine genaue Überdeckung von Spiegel und Bild. 2. Bevor nun der Drehspiegel in Rotation versetzt wird, muß man sich überzeugen, daß der Schlüssel abgenommen wurde. Dann wird der Schiebewi- 3.2. V ERSUCH 2.3B: L ICHTGESCHWINDIGKEIT 63 derstand langsam hochgeschoben. Bei langsamen Drehzahlen ist der Leuchtpunkt (wenn auch lichtschwächer) an der gleichen Stelle zu sehen wie vorher. Man steigert nun die Drehzahl, bis eine meßbare Verschiebung zu erkennen ist. Gleichzeitig wird nun auch die Frequenz abgelesen, die über ein Lichtsignal am Drehspiegel elektronisch registriert wird. 3. Insgesamt wird bei drei verschiedenen Frequenzen jeweils die Verschiebung s gemessen. Die Wertepaare werden in ein Diagramm eingetragen und daraus ein Bestwert für f /s auf grafischem Wege ermittelt. 4. Zum Schluß werden die Entfernungen L1 und L2 mit einem Bandmaß gemessen (nach Möglichkeit Spiegel und Linse nicht verschieben) und c errechnet (Gl.3.8). 5. Abschließend ist eine Fehlerrechnung für c durchzuführen. Wichtige Hinweise: • Vermeiden Sie es direkt in den Laser zu schauen! • Es ist unbedingt darauf zu achten, daß vor dem Einschalten des Motors für den Drehspiegel der Steckschlüssel abgezogen wird. • Die Oberflächen von Spiegeln und Linsen dürfen nicht mit den Fingern berührt werden. 3.2.4 Literatur 3.2.4.1 Grundlagen 1. Tipler, Physik, Kapitel 31, insbesondere 31.4 2. Gerthsen, Physik, Kapitel 9.3 3.2.4.2 Themenkreise für das Vorbereitungskolloquium • Maxwellsche Gleichungen 64 K APITEL 3. P ROJEKT 2.3: W ELLEN • Wellengleichung • Eigenschaften der Lichtgeschwindigkeit • Brechzahl • Dispersion 3.2.4.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Wie würde die Gl.(3.8) lauten, wenn zwischen D und S das Licht auf einer Länge l durch ein Medium mit der Brechzahl n laufen würde? 2. Was versteht man unter dem Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit? Wie ist dieses Prinzip experimentell überprüft worden? 3. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum hat den Charakter einer Grenzgeschwindigkeit. Was ist damit gemeint? Projekt 2.4: Elektrodynamik I 4.1 Versuch 2.4A: Kapazität und Induktivität 4.1.1 Aufgabenstellung Bestimmung der Zeitkonstanten für RC- und RL-Schaltungen 4.1.2 Versuchsaufbau Ein Elektronenstrahloszillograf (EO) wird zur Frequenzmessung genutzt. Man erzeugt ein stehendes Bild der Wechselspannung, deren Frequenz gemessen werden soll. Nun liest man die Strecke s zwischen zwei phasengleichen Punkten (z.B. zwischen zwei Maxima) ab und multipliziert sie mit der Zeit τ , die der Elektronenstrahl braucht, um in horizontaler Richtung eine Strecke von 1 cm zurückzulegen. Diese Zeit kann am Einstellknopf für die Horizontalablenkung abgelesen werden (z.B. 3 µs/cm). Das ergibt unmittelbar die Schwingungsdauer T T = sτ und damit auch die Frequenz und Kreisfrequenz. 4.1.3 Versuchsdurchführung und Auswertung Es werden die Schaltungen von Abb. 4.1 (oben und Mitte) aufgebaut. Benutzen Sie z.B. R=10 kΩ, C=220 pF und L=50 mH. Mit Hilfe eines Generators legen wir eine Rechteckspannung an den RC-Kreis und beobachten die Spannung am Kondensator 65 66 K APITEL 4. P ROJEKT 2.4: E LEKTRODYNAMIK I R EO U C R EO U L L EO U EO C R Abbildung 4.1: Versuchsaufbau zum RC (oben), RL (Mitte) und RLC (unten) Schwingkreis. 4.1. V ERSUCH 2.4A: K APAZITÄT UND I NDUKTIVITÄT 67 (bzw. an der Spule). Wichtig ist, daß die Periodendauer der Rechteckspannung viel größer ist als die Zeitkonstante der untersuchten Schaltung! Aus der Kurve am EO kann man die Zeit ablesen, in der die Spannung auf den halben Wert abnimmt (Halbwertszeit T1/2 ). Die Zeitkonstante errechnet sich daraus nach der Beziehung T1/2 τC = RC = . (4.1) ln 2 Das gleiche tue man für eine Kombination von Widerstand R und Spule L. 4.1.4 Literatur 4.1.4.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 24, 28.6 • Gerthsen, Physik, Kapitel 6.1.5, 6.2 , 7.1.5 4.1.4.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Kondensatoren (Kapazität, Q(t), RC–Kreis, Zeitkonstante τ , ...) • Spulen (Induktivität, RL–Kreis, Zeitkonstante τ , ...) • Wechselstromkreise (mit ohmschem, kapazitivem und induktivem Widerstand => Phasen zwischen U(t) und I(t) ) • Wirk- und Blindwiderstand • Zeigerdiagramme 4.1.4.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen 1. Zeigen Sie, daß RC und L/R die Dimension einer Zeit haben! 2. Am Eingang des EO sind ein R und ein C-Wert angegeben. Welche Bedeutung haben diese? 3. Leiten Sie den in Formel (4.1) verwendeten Zusammenhang zwischen τ und T1/2 her. 68 K APITEL 4. P ROJEKT 2.4: E LEKTRODYNAMIK I 4.2 Versuch 2.4B: Elektrische Schwingungen 4.2.1 Aufgabenstellung 1. Bestimmen Sie die Eigenfrequenz sowie die Abklingzeit eines RLCSchwingkreises 2. Bestimmen Sie die Resonanzkurve für einen elektrischen Schwingkreis. Ermitteln Sie mit Hilfe der Resonanzkurve die Eigenfrequenz sowie den Gütefaktor der Schaltung. 3. Bestimmung der Feldkonstanten ǫ0 des Vakuums und der Dielektritzittskonstanten eines Materials (Plexiglas), unter Benutzung von Resonanz eines Sender- und eines Empfänger-Schwingkreises und eines Plattenkondensators. 4.2.2 Versuchsaufbau Nutzen Sie z.B. R=270 Ω, C=220 pF und L=50 mH. 4.2.3 Versuchsdurchführung 1. Der in Abbildung 4.1 (unten) schematisch dargestellte RLC-Kreis wird zunächst mit einer Rechteckspannung zu freien gedämpften Schwingungen angeregt, wobei darauf zu achten ist, daß die Frequenz der erregenden Rechteckspannung viel kleiner ist als die Eigenfrequenz des Kreises. Nur so kann er eine größere Anzahl von freien Schwingungen ausführen. Bestimmen Sie aus dem Oszillografenbild die Eigenfrequenz, und die Zeit T1/2 nach der die Amplitude auf die Hälfte ihres Wertes abgefallen ist. Unter Verwendung von T1/2 berechnen Sie die Abklingzeit τA der Amplitude sowie die Abklingzeit τE der Energie. Für die Abklingzeit τE gilt: τE = 1 T1/2 2 ln 2 2. Bestimmen Sie die Resonanzkurve des Schwingkreises indem Sie den Kreis mit einer sinusförmigen Spannung zu erzwungenen Schwingungen anregen. Dazu messen Sie die Spannungsamplitude UC am Kondensator als Funktion der Frequenz. Aus dem Resonanzdiagramm kann neben der Resonanzfrequenz ω0 auch der Gütefaktor des Schwingkreises entnommen werden: ω0 G= 2∆ω 4.2. V ERSUCH 2.4B: E LEKTRISCHE S CHWINGUNGEN 69 Abbildung 4.2: Sender und Empfängerkreis Wobei ∆ω der Abstand der √ beiden Punkte ist, an denen die Spannung im Resonanzdiagramm den Wert UM ax / 2 erreicht hat. 3. Bestimmung von ǫ0 . Im nächsten Schritt werden zwei Schwingkreise (ein Sender und ein Empfänger) miteinander gekoppelt über räumlich voneinander getrennte Induktivitäten. Der Sender (Abb. 4.2) besteht aus einem Schwingkreis, der über eine Rückkopplungsspule R und eine Röhrenschaltung phasenrichtig zu Schwingungen erregt wird (Meißnerscher Sender). Die elektromagnetischen Wellen, die von der Sendespule S ausgehen, erregen als Empfänger einen Resonanzkreis, der aus der Empfangsspule E und einem Drehkondensator Cd besteht, mit dessen Hilfe der Kreis abgestimmt werden kann. Beachten Sie, daß in diesen Schwingkreisen Kondensator und Induktivität ebenfalls parallel geschaltet sind. Ist die Induktivität (L) des Schwingkreises bekannt, dann kann über die Frequenzmessung eine Kapazität bestimmt werden. Parallel zu diesem Drehkondensator liegen noch zwei Kapazitäten: Die (konstante) Kapazität von Oszillograf und Kabel (Cz ) und ein Meßkondensator (Cm ), welcher nun ein Plattenkondensator ist. Es kann nun mit dem Drehkondensator auf Resonanz abgestimmt werden, indem auf dem Oszillografen O die maximale Amplitude der Spannung am Kondensator gesucht wird. Da sich parallel geschaltete Kondensatoren addieren, kann für die Gesamtkapazität geschrieben werden: C = Cd + Cz + Cm (4.2) Zunächst wird aus dem Oszillografenbild die Schwingungsdauer und daraus die Frequenz (ω) der Schwingung ermittelt. Man tue dies für drei verschieden Werte der horizontalen Ablenkgeschwindigkeit und bilde das Mittel. Unter Benutzung des 70 K APITEL 4. P ROJEKT 2.4: E LEKTRODYNAMIK I bekannten Wertes für die Induktivität L kann daraus die Gesamtkapazität C des Resonanzkreises berechnet werden. Nun wird eine Messreihe von vier Messwerten aufgenommen, in der die Kapazität des Drehkondensators als Funktion des Plattenabstandes des Messkondensators aufgenommen wird. Zur Einstellung eines bestimmten Plattenabstandes wird zwischen die Kondensatorplatten jeweils eine Isolatorplatte eingeklemmt und vorsichtig herausgezogen. Die Dicke dieser Platte wird mit einer Mikrometerschraube gemessen. Für jeden Plattenabstand (d) wird sodann auf Resonanz abgestimmt und der Wert des Drehkondensators Cd abgelesen. Nun formen wir die obige Gleichung so um, daß wir Cd als Funktion von 1/d auftragen können. 1 Cd = (C − Cz ) − ǫ0 A( ) d Damit erhalten wir eine Gerade, deren Steigung gleich ǫ0 A und deren Achsenabschnitt Ay gleich (C − Cz ) ist, wobei A die Plattenfläche und ǫ0 die elektrische Feldkonstante ist. Da die Gesamtkapazität C bekannt ist, muß lediglich noch die Plattenfläche A gemessen werden, um die gesuchten Größen zu berechnen. Bestimmen Sie ǫ0 und führen Sie eine graphische Fehlerbestimmung über Variation der Geradensteigung durch. 4. Entsprechend der Definition der Dielektrizitätskonstanten kann sie für einen Stoff bestimmt werden, indem man die Kapazität (C) eines Kondensators (in diesem Falle des Messkondensators Cm ) mit und ohne Dielektrikum mißt. Das Verhältnis dieser Werte liefert die gesuchte Größe. Man bestimme so die Dielektrizitätskonstanten ǫr für Plexiglas. Führen Sie die Fehlerrechnung unter Abschätzung des Größtfehlers der Terme im Nenner durch. 4.2.4 Literatur 4.2.4.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 29 • Gerthsen, Physik, Kapitel 7.3, insbesondere 7.3.7 4.2.4.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Kapazitiver, induktiver Widerstand 4.2. V ERSUCH 2.4B: E LEKTRISCHE S CHWINGUNGEN • Elektrische Schwingkreise • Zeigerdiagramme • Gedämpfter harmonischer Oszillator • Erzwungene Schwingungen • Gütefaktor • Gekoppelte Oszillatoren • Resonanz 71 72 K APITEL 4. P ROJEKT 2.4: E LEKTRODYNAMIK I Projekt 2.5: Elektrodynamik II 5.1 Versuch 2.5A: Widerstandsmessung 5.1.1 Aufgabenstellung 1 Messung des spezifischen Widerstandes von Eisen und Konstantan 2 Bestimmung der Temperaturkoeffizienten des elektrischen Widerstandes von Kupfer 5.1.2 Versuchsaufbau 5.1.2.1 Widerstandsmessung durch Strom- und Spannungsmessung Abbildung 5.1: Bestimmung eines Widerstandes durch Strom- und Spannungsmessung 73 74 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II Bei diesem Verfahren müssen die Spannung UR zwischen den Enden des Widerstandes und der Strom IR durch diesen Widerstand gemessen werden. Zwei Schaltungen sind möglich (Abb.5.1). Im ersten Fall zeigt der Spannungsmesser UR an, dagegen mißt der Strommesser die Summe aus IR und IV (IV ist der Strom durch das Voltmeter). R kann jedoch ermittelt werden, wenn RV bekannt ist: R= UR UR = IR I − (UR /RV ) (I = IR + IV ) (5.1) Nur für den Fall, daß RV sehr groß ist gegenüber R, ist IR gleich I, d.h. gleich dem Verhältnis aus den abgelesenen Werten: R = UR /I. Bei der zweiten Schaltungsmöglichkeit zeigt der Strommesser den richtigen Strom IR an, der Spannungsmesser jedoch U = UR + UI , wenn UI die am Meßgerät abfallende Spannung bezeichnet. Auch hier kann der richtige Wert für R errechnet werden, wenn RI der Innenwiderstand des Amperemeters bekannt ist: R= U UR = − RI IR IR (5.2) Ist RI gleich null, dann ergeben die Meßwerte unmittelbar den richtigen Wert für R. 5.1.2.2 Die Wheatstonesche Brückenschaltung Zur genauen Messung unbekannter Widerstände verwendet man eine sogenannte Brückenschaltung. Diese besteht aus vier Widerständen, an die in den Punkten a und c eine Spannung U angelegt wird (Abb.5.2). R1 sei der zu messende unbekannte Widerstand, R2 sei regelbar. Zwischen b und d befindet sich ein Strommeßgerät. Durch Verändern von Widerstand R2 kann man stets erreichen, daß der Strom durch das Meßgerät und damit auch die Spannung u zwischen den Punkten b und d null wird; die Brücke ist dann abgeglichen. In diesem Zustand gelten die folgenden Beziehungen, wenn man den oberen und unteren Zweig ac als Spannungsteiler betrachtet: U2 R2 = und U1 R1 U3 R3 = U4 R4 (5.3) 75 5.1. V ERSUCH 2.5A: W IDERSTANDSMESSUNG Wegen u = 0 ist U2 = U3 und U1 = U4 . Für die abgeglichene Brücke gilt daher R3 R2 = R1 R4 (5.4) Daraus kann der unbekannte Widerstand sofort errechnet werden: R1 = R2 R4 R3 (5.5) Die Wheatstonesche Brücke wird meist in Form der Schleifdrahtbrücke verwendet (Abb.5.3). Abbildung 5.3: Schleifdrahtbrücke Abbildung 5.2: Wheatstonesche Brücke Zwei der vier Widerstände werden durch einen homogenen, überall querschnittsgleichen Metalldraht der konstante Länge L = l+l′ ersetzt (spezifischer Widerstand ρ, Querschnitt A). Für diesen Fall sind die Teilwiderstände Rl und Rl′ proportional 76 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II zu den Längen l und l′ . Bei abgeglichener Brücke gilt dann für den unbekannten Widerstand Rx : l′ (5.6) Rx = Rv l Rv ist ein Vergleichwiderstand (z.B. ein Stöpselrheostat). 5.1.2.3 Zur Meßgenauigkeit der Wheatstoneschen Brücke Die Meßgenauigkeit der Brücke hängt davon ab, an welcher Stelle des Schleifdrahtes der Abgleich der Brücke erfolgen kann. Um den günstigsten Ort zu finden, muß die folgende Frage beantwortet werden: Für welche Stelle des Schleifers (d.h. für welches l′ ) ist der relative Fehler des Ergebnisses ∆Rx /Rx am kleinsten, wenn ein bestimmter Einstellfehler ∆l′ gemacht wurde? Mathematische formuliert müssen wir das Minimum der Funktion ′ l ∆( L−l L∆l′ ∆Rx (L − l′ )∆l′ + l′ ∆l′ ′) = = f (l ) = = l′ Rx (L − l′ )l′ l′ (L − l′ ) L−l′ ′ (5.7) finden. f (l′ ) wird ein Minmum, wenn der Nenner N(l′ ) des letzten Terms maximal wird, d.h. wenn die Ableitung nach l′ verschwindet. dN(l′ ) L = −l′ + (L − l′ ) = 0 und l′ = ′ dl 2 (5.8) Die Einstellung sollte also möglichst in der Mitte des Schleifdrahtes erfolgen. Dies kann erreicht werden durch geeignete Wahl des Vergleichswiderstandes Rv . 5.1.3 Versuchsdurchführung 1 Für diesen Teil der Aufgabe werden verwendet — ein Niedervoltnetzgerät als Spannungsquelle — ein Digitalmeßgerät zur Spannungsmessung und — ein Vielfachmeßgerät mit analoger Anzeige für die Strommessung. Da der Innenwiderstand des Digitalgerätes sehr hoch ist (> 10 MΩ), kann die linke Schaltung von Abb. 5.1 verwendet werden. Für die beiden Metalldrähte wird nun jeweils eine Meßreihe U(I) aufgenommen und durch grafische Auswertung der Widerstand ermittelt. 77 5.1. V ERSUCH 2.5A: W IDERSTANDSMESSUNG Um die spezifischen Widerstände zu erhalten, werden noch Länge und Durchmesser der Drähte (mit Maßstab bzw. Mikrometerschraube) gemessen, wobei auch der maximale Meßfehler dieser Größen abzuschätzen ist. 2 Man baue die Schaltung in Abb. 5.3 auf. Mit ihr kann der Widerstand Rx einer Spule als Funktion der Temperatur gemessen werden. Die Spule ist aus Isolationsgründen in Öl getaucht, das in einem Wasserbad mit einem elektrischen Kocher langsam erhitzt wird. Der Rührer ist während der Messung ständig zu betätigen. Es werden etwa alle 5 Grad (10 Meßwerte) die Temperatur t, der Widerstand Rv und das Verhältnis l′ /l abgelesen, wobei darauf zu achten ist, daß letzteres immer in der Nähe von 1 liegt. Die ermittelten Werte für Rx werden gegen t in ein Diagramm eingetragen. Entsprechend den Angaben im Abschnitt über grafische Darstellungen wird zunächst der Achsenabschnitt (= R0 ) berechnet. Dieser wird benötigt, um aus der Steigung die gesuchte Größe α= Steigung R0 (5.9) zu erhalten. Für die Ermittlung des Fehlers bestimmt man zunächst den größten vertikalen Abstand eines Meßpunktes von der gezeichneten Geraden (∆R entspricht ∆y). Damit kann mit bekanntem ∆S nach der bekannten Fehlerrechnung (siehe Einführung Teil 1) auch ∆Ay = ∆R0 berechnet werden. Der relative Fehler des Endergebnisses ist dann gleich ∆S ∆R0 ∆α = + α S R0 5.1.4 Literatur 5.1.4.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 25 • Gerthsen, Physik, Kapitel 6.3 (5.10) 78 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II 5.1.4.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Elektrischer Widerstand, elektrische Leitfähigkeit, Leitwert, spezifischer elektrischer Widerstand • Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Regeln, Parallel- und Serienschaltung von Widerständen • Leitungsmechanismen in Metallen und Elektrolyten • Supraleitung • Drehspulgalvanometer, Meßbereichserweiterung, Spannungsteiler, Brückenschaltung 5.1.4.3 Fragen, mit denen sie rechnen müssen 1. Was versteht man unter einer Brückenschaltung? 2. Was ist eine Kompensationsschaltung? 3. Nach welchem Prinzip arbeiten Drehspul- bzw. Digitalinstrumente? 4. Wie kann der Meßbereich einer Instrumentes verändert werden? 5. Die Brücke kann auch mit Wechselspannung betrieben werden. Was müßte dann eventuell gegenüber der vorhandenen Meßapparatur geändert werden? 6. Welche Ursachen kann es haben, wenn bei Verwendung von Wechselstrom kein vollständiger Abgleich erreicht werden kann? Wie kann dies behoben werden? 7. Mit einer Brücke kann auch der spezifische Widerstand eines Elektrolyten gemessen werden. Verwendet man in diesem Fall besser Gleich- oder Wechselspannung? 8. Welche Größenordnung haben in einem Metall a) die mittlere thermische Geschwindigkeit der Elektronen? b) die mittlere Driftgeschwindigkeit der Elektronen bei Anlegen eines elektrischen Feldes? Wie kann man diese Geschwindigkeiten abschätzen? 5.2. V ERSUCH 2.5B: H ALLEFFEKT UND M AGNETFELDMESSUNG 79 5.2 Versuch 2.5B: Halleffekt und Magnetfeldmessung 5.2.1 Aufgabenstellung 1. Bestimmung der Hallkonstante verschiedener Materialien. 2. Kalibrierung eines Magnetometers (Hall-Sonde) 3. Aufnahme der Hystereseschleife und Angabe der maximal erreichten magnetischen Feldstärke für einen Eisenkern. 5.2.2 Grundlagen Abbildung 5.4: Hall Effekt Befindet sich ein quaderförmiger von einem Gleichstrom I durchflossener elektrischer Leiter in einem homogenen Magnetfeld der magnetischen Flußdichte B (Abbildung 5.4) , so bewirkt die auf die Ladungsträger wirkende Lorentzkraft den Aufbau eines elektrischen Querfeldes der Feldstärke EH . Im stationären Fall ergibt sich zwischen den Punkten P1 und P2 eine konstante Spannung UH . Aus dem damit vorliegenden Kräftegleichgewicht zwischen Lorentzkraft und elektrostatischer Kraft ergibt sich: QEH = QvB (5.11) 80 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II Wobei v die Geschwindigkeit der Ladungsträger in Stromrichtung ist. Unter der Annahme eines homogenen elektrischen Querfeldes ergibt sich UH = vBa (5.12) die sogenannte Hallspannung. Unter Verwendung der elektrischen Stromdichte j = nev erhält man. UH = 1 1 IB ajB = ne ne d (5.13) Darin sind e die Elementarladung und n die Ladungsträgerkonzentration. Die Größe RH = 1 ne (5.14) wird auch als Hallkonstante bezeichnet. 5.2.3 Versuchsaufbau Die Bestimmung der Hystereseschleife erfolgt mit Hilfe eines Verbindungshalbleiters aus Galliumarsenid (GaAs), der als Magnetometer verwendet wird. Bei Verwendung der Halbleiter-Hallsonde ist darauf zu achten, daß ein maximaler Versorgungsstrom Imax von 7mA nicht überschritten wird. Im Meßbereich 0T bis 0, 5T beträgt die Linearität der verwendeten Halbleiter-Hallsonde ≤ 0, 2%. Bei den im Experiment verwendeten Magneten (#1 bzw. #2) ergeben sich bei einem Spulenstrom von 5A und einem Abstand der Polschuhe von 20mm folgende Werte für die magnetische Flußdichte B. Magnet#1 : 0, 15 T Magnet#2 : 0, 13 T 5.2.4 Versuchsdurchführung 1. Bestimmen Sie durch Messung der Hallspannung bei bekannter magnetischer Flußdichte die Hallkonstanten für Gold, indem Sie 10 Messungen bei verschiedenen Hallströmen von 0,5 A bis 5 A durchführen. Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, sollten folgende Punkte beachtet werden: 5.2. V ERSUCH 2.5B: H ALLEFFEKT UND M AGNETFELDMESSUNG 81 • Der Messbereich des Voltmeters ist so einstellen, dass ein stabile und gleichzeitg möglichst genaue Anzeige für die Spannung vorhanden ist. • Den Offset des Verstärkers für eine mittlere Stromstärke zu Beginn einmalig anpassen. • Für jeden Messpunkt die Spannung erst außerhalb und dann innerhalb des Magnetfeldes messen. Die Differenz ergibt die zugehörige Hallspannung (Vorzeichen beachten). Die Messung erfolgt mit der in Abbildung 5.5 (oben) gezeigten Schaltung für die Metall-Hallsonden. Die Dicke der verwendeten Gold-Hallsonde beträgt 11 µm. Eine Einweisung in die Meßapparatur erfolgt durch den Assistenten. Anm.: Beachten Sie hier den Faktor 1000 des Meßverstärkers (d.h. die Hallkonstante liegt in der Grössenordnung 10−9 m3 /C, nicht 10−6 m3 /C). 2. Kalibrieren Sie unter Verwendung der in Abbildung 5.5 (unten) gezeigten Schaltung sowie der bekannten Werte für die magnetische Flußdichte die am Arbeitsplatz vorhandene Halbleiter-Hallsonde (HHS). Führen Sie hierzu eine Messung ohne Magnetfeld durch und jeweils eine für die beiden möglichen, bekannten Magnetfelder. Die Dicke der Sonde ist nicht bekannt, daher ist der Quotient RH /d zu bestimmen. Fertigen Sie in der Auswertung eine Kalibrationskurve an und bestimmen Sie anhand dieser eine Formel zur direkten Umrechnung von Hallspannung in magnetische Flussdichte. Überprüfen Sie mit Hilfe der kalibrierten HHS die Homogenität des B-Feldes. Anm.: Beachten Sie hier den Vorwiderstand R=3.3 kΩ. 3. Ermitteln Sie unter Beibehaltung der Schaltung mit der Halbleiter-Hallsonde die Hysteresekurve des Magneten. Zur Durchführung dieser Messung steigert man in sinnvollen Schritten den Magnetstrom bis zu einem Maximalwert von Imax = 5A und mißt dann bei abnehmender Stromstärke wieder bis zum Ausgangswert I0 = 0A. Bei entgegengesetzter Stromrichtung (negatives I) führt man eine Meßreihe durch. Abschließend wird mit der anfänglichen Stromrichtung noch einmal bis zum Maximalwert Imax gemessen. Bestimmen Sie durch die ermittelte Kurve die maximal erreichte Feldstärke des Eisenkerns. Anm.: Zu Beginn der Hysteresemessung sollte der Eisenkern entmagnetisiert werden. Hierzu kann kurzzeitig ein Gegenfeld angelegt werden. 82 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II 5.2.5 Literatur 5.2.5.1 Grundlagen • Tipler, Physik, Kapitel 26.4 • Gerthsen, Physik, Kapitel 6.7.4 5.2.5.2 Themen für das Vorbereitungskolloquium • Elektrischer Widerstand, elektrische Leitfähigkeit und Leitwert, spezifischer elektrischer Widerstand, Ohmsches Gesetz, Kirchhoffsche Regeln, Parallelund Serienschaltung von Widerständen, Leitungsmechanismen in Metallen und Elektrolyten, Supraleitung, Drehspulgalvanometer, Meßbereichserweiterung, Spannungsteiler, Brückenschaltung. • Magnetischer Dipol, Magnetisierung, Magnetische Suszeptibilität, Permeabilitästszahl, Magnetischer Fluß, Dia-, Para- und Ferromagnetismus, Hysterese, Spulen, Hall-Effekt 5.2.5.3 Fragen, mit denen Sie rechnen müssen • Wie ist ein Amperemeter aufgebaut? Wie funktioniert es? • Warum ist die Kenntnis der Dicke der HHS bei der Kalibrierung nicht notwendig? • Was eignet sich besser als Material für eine Hallsonde, Germanium oder Silber? Warum? 5.2. V ERSUCH 2.5B: H ALLEFFEKT UND M AGNETFELDMESSUNG 83 Abbildung 5.5: Schaltplan für die Metall-Hallsonde (oben) und die HalbleiterHallsonde (unten) 84 K APITEL 5. P ROJEKT 2.5: E LEKTRODYNAMIK II Wir möchten insbesondere Stefanie Bonnet, Erik Etzelmüller und Jonas Friedrich Schäfer für Korrekturen an diesem Skript herzlich danken.