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Schilddrüsenfunktionsstörungen
15.1
Definitionen und Häufigkeiten
Die wichtigsten Fachbegriffe werden wie folgt definiert:
• Primäre Hypothyreose: Schilddrüsen-(SD-)Unterfunktion aufgrund einer unzureichenden SD-Hormonsynthese; 99 % aller Hypothyreosen
• Primäre manifeste Hypothyreose: niedriges freies Thyroxin (fT4) und erhöhtes
Thyreotropin (TSH) i. S.; Prävalenz 0,1–2 %, in der Schwangerschaft 1–3 ‰
• Primäre subklinische/latente Hypothyreose: normales fT4 und Trijodthyronin (fT3)
und erhöhtes TSH i. S.; Prävalenz 4–10 %; Verhältnis Männer zu Frauen 1:5–8
• Zentrale Hypothyreose (selten): SD-Unterfunktion aufgrund einer unzureichenden
zerebralen Stimulation der SD mit Differenzierung in sekundäre (hypophysäre)
und tertiäre (hypothalamische) Hypothyreose: niedriges fT4 und fT3 und fehlender
adäquater TSH-Anstieg
• Primäre Hyperthyreose: SD-Überfunktion aufgrund einer gesteigerten SD-Hormonproduktion
• Primäre manifeste Hyperthyreose: erhöhtes fT4 und fT3 und erniedrigtes Thyreotropin (TSH) i. S.
• Primäre subklinische/latente Hyperthyreose: normales fT4 und fT3 und erniedrigtes TSH i. S.
• Zentrale Hyperthyreose (selten): SD-Überfunktion aufgrund einer gesteigerten
zerebralen Stimulation der SD mit Differenzierung in sekundäre (hypophysäre)
und tertiäre (hypothalamische) Hyperthyreose
• Thyreoiditis: heterogene Gruppe entzündlicher SD-Erkrankungen; verschiedene
Klassifikationen, z. B. nach Ätiologie, Pathogenese oder Klinik (lokale Schmerzen)
• Schmerzhafte Thyreoiditis: akute = infektiöse Thyreoiditis (bakteriell), subakute =
De-Quervain-Thyreoiditis (vermutlich viral), Strahlenthyreoiditis.
• Schmerzlose Thyreoiditis: subakute autoimmune Thyreoiditis, z. B. postpartale
Thyreoiditis (Prävalenz 1–20 %), chronische autoimmune (Hashimoto-) Thyreoiditis mit evtl. postpartaler Exazerbation, fibröse = invasive (Riedel-) Thyreoiditis,
immunogene Thyreoiditis (M. Basedow)
• Struma: morphologische SD-Veränderung unabhängig von der Ursache und der
Funktion; Prävalenz in Deutschland 35 %, v. a. aufgrund von Jodmangel
• Struma diffusa: SD-Vergrößerung ohne Knoten
• Struma nodosa: SD-Veränderung mit Knoten; solide, zystische und gemischte
Knoten; funktionell aktive (z. B. autonome Adenome) und inaktive Knoten (z. B.
Kolloidknoten, Adenome, SD-Karzinome)
• Schilddrüsenautoantikörper: Antikörper, die die Schilddrüsenfunktion durch eine
Störung der Hormonsynthese auf verschiedenen Ebenen beeinflussen; Prävalenz
siehe Tabelle 15-5
– TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK)
Schattauer – Wolff, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin –
Herstellung: Frau Gnädig – 7. Juni 2013 – Druckdaten – Seite 214
15.3 Ätiologie
– Thyreoidea-Peroxydase-Antikörper (TPO-AK) = mikrosomale Antikörper
(MAK)
– Thyreoglobin-Antikörper (TG-AK = TAK)
15.2
Einführung
Schilddrüsenerkrankungen zählen zu den häufigen endokrinen Störungen der Frau.
Meistens werden sie multidisziplinär behandelt. Der Schwerpunkt der gynäkologischen Endokrinologie liegt auf der (subklinischen/latenten) Hypothyreose. Abbildung 15-1 zeigt das diagnostische Vorgehen bei klinischem Verdacht auf SD-Funktionsstörung oder lokale Veränderung (Struma; Kap. 15.5.1), welches die körperliche
Untersuchung (Kap. 15.5.2), Labordiagnostik (Kap. 15.5.3) und bildgebende Verfahren
(Kap. 15.5.4) umfasst. Die Therapie richtet sich nach der Ursache (Kap. 15.6). Bei unerfülltem Kinderwunsch und in der Schwangerschaft ist eine Anpassung der Therapie
und ein intensiviertes Monitoring (Kap. 15.6.5) indiziert.
15.3
Ätiologie
15.3.1 Schilddrüsenhormonsynthese
Für ein besseres Verständnis der verschiedenen Schilddrüsenfunktionsstörungen
wird vorab die SD-Hormonsynthese stichpunktartig zusammengefasst:
• Stimulation der folgenden Hormonsyntheseschritte durch die Bindung von TSH
(Thyreotropin) an den TSH-Rezeptor*
• Aufnahme von Jodid (J–) aus dem Serum, Oxidierung von Jodid durch die Peroxydase* zu J2 und Transport durch die Follikelzelle der Schilddrüse ins Kolloid,
dort Bildung von T3 und T4
• Speicherung von T3 und T4 im Thyreoglobulin*
• Nach Proteolyse des Thyreoglobulins Sekretion von T4 und T3 (Verhältnis 40:1)
ins Blut
• Im Blut Bindung von T4 (99,97 %) und T3 an thyroxinbindendes Globulin (TBG),
thyroxinbindendes Präalbumin (TBPA) und Albumin
• Durch Proteolyse Gewinnung der freien Hormone fT4 und fT3 (»bioaktives Hormon«)
• 30 % des T4 werden in T3 umgewandelt, das 3-mal so hohe biologische Aktivität
besitzt wie T4 (Halbwertszeit T4 = 7 Tage, T3 = 1 Tag)
Anmerkung: Gegen die mit * gekennzeichneten Eiweiße sind die in Kap. 15.1 genannten Antikörper gerichtet.
Schattauer – Wolff, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin –
Herstellung: Frau Gnädig – 7. Juni 2013 – Druckdaten – Seite 215
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Zentrale
Hypothyreose
Zentrale
Hypothyreose
Entscheidungskriterium
Therapie
Diagnose
Diagnostik
ƒ MRI Schädel
ƒ Labordiagnostik
Hypophysenhormone
fT4 niedrig
(Tab. 15-4)
Ja
Therapie
(Kap. 15.6)
Nein
fT3, TPO-AK, TGAK, Bildgebung
(Tab. 15-5)
Manifeste primäre
Hypothyreose
fT4 niedrig
(Tab. 15-4)
Keine weitere
Diagnostik
und Therapie
Euthyreose
fT4 normal
(Tab. 15-4)
Verlaufskontrolle
TSH normal
Körperliche Untersuchung und TSH i. S., fT4 i. S. (Kap. 15.5)
V.a. Hypothyreose
ƒ Klinische Symptomatik
ƒ Anamnestisch erhöhtes Hypothyreoserisiko
ƒ Hypothalamus- bzw. Hypophysenerkrankung
ƒ Medikamente (Tab. 15-3)
fT4 niedrig
(Tab. 15-4)
TSH niedrig
Sterilität und TSH im
oberen Normbereich
(ca. 2,5–4,5 mU/l)
Therapie: Kap. 22.3.3
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Kinderwunsch
Schwangerschaft
Klinische Symptomatik
Anti-TPO-AK positiv etc.
TSH
≤ 10 mU/l
Subklinische
Hypothyreose
fT4 normal
(Tab. 15-4)
TSH
> 10 mU/l
TSH hoch
Schwangerschaft:
ƒ Diagnostik: Kap. 15.5.6
ƒ Therapie: Kap. 15.6.5
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15 Schilddrüsenfunktionsstörungen
Abb. 15-1 Diagnostisches Vorgehen bei klinischem Verdacht auf Hypothyreose
Schattauer – Wolff, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin –
Herstellung: Frau Gnädig – 7. Juni 2013 – Druckdaten – Seite 216
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