PDF - Kölner Philharmonie

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Piano 5
GrauSchumacher
Piano Duo
Mittwoch
28. März 2012
20:00
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Bitte beachten Sie:
Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben
Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses
Franz Sauer aus.
Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte
schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus.
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen
Gründen nicht gestattet sind.
Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis,
dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie
möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens
in der Pause einnehmen.
Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen
gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch
für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können.
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Piano 5
GrauSchumacher Piano Duo
Götz Schumacher Klavier
Andreas Grau Klavier
Mittwoch
28. März 2012
20:00
Pause gegen 20:50
Ende gegen 21:50
19:00 Einführung in das Konzert durch Christoph Vratz
Das Konzert im Radio:
Donnerstag 29.03.2012, Deutschlandradio Kultur, 20:03
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PROGRAMM
Johannes Brahms 1833 – 1897
Walzer op. 39 (1865)
Fassung für Klavier zu vier Händen
Nr. 1 H-Dur Tempo giusto
Nr. 2 E-Dur
Nr. 3 gis-Moll
Nr. 4 e-Moll Poco sostenuto
Nr. 5 E-Dur
Nr. 6 Cis-Dur Vivace
Nr. 7 cis-Moll Poco più andante
Nr. 8 B-Dur
Nr. 9 d-Moll
Nr. 10 G-Dur
Nr. 11 h-Moll
Nr. 12 E-Dur
Nr. 13 C-Dur
Nr. 14 a-Moll
Nr. 15 A-Dur
Nr. 16 d-Moll
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Wolfgang Rihm *1952
Mehrere kurze Walzer (1979/88)
für Klavier zu vier Händen
Nr. 1 d-Moll
Nr. 2 d-Moll
Nr. 3 cis-Moll (languido, con tenerezza)
Nr. 4 C-Dur
Nr. 5 C-Dur
Nr. 6 D-Dur (un poco elegante)
Nr. 7 c-Moll (feroce)
Nr. 8 g-Moll (schnell)
Nr. 9 e-Moll (très lent)
Nr. 10 F-Dur
Nr. 11 G-Dur
Nr. 12 c-Moll (zögernd, schwankend)
Nr. 13 C-Dur
Nr. 14 fis-Moll
Nr. 15 F-Dur
Nr. 16 a-Moll (très lent)
Nr. 17 F-Dur
Nr. 18 F-Dur (Ohr- und Wurmwalzer)
Nr. 19 b-Moll
Pause
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Peter Iljitsch Tschaikowsky 1840 – 1893
Walzer aus dem Ballett »Schwanensee« op. 20
Bearbeitung für zwei Klaviere von Victor Babin
Frank Martin 1890 – 1974
Ouverture et foxtrot (1924)
für zwei Klaviere
André Jolivet 1905 – 1974
Hopi Snake Dance (1948)
für zwei Klaviere
Maurice Ravel 1875 – 1937
La Valse. Poème chorégraphique (1919 – 20)
Bearbeitung für zwei Klaviere
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ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS
Johannes Brahms: Walzer op. 39
Als Blütezeit des geselligen Musizierens im Freundeskreis gilt das
Wiener Biedermeier und als ihr Inbegriff die sogenannte Schubertiade. Bei gemeinsamen Landpartien, im Wirtshaus oder im
intimen häuslichen Ambiente spielte Schubert am Klavier mit Vorliebe zu Tanz und Unterhaltung auf – Fantasien und Variationen,
Walzer und Ländler, oft auch vierhändig mit Josef von Gahy oder
Karl Maria von Bocklet, seinen liebsten Duopartnern. Diese Tradition blieb in Wien bis ins späte 19. Jahrhundert ungebrochen
erhalten und auf sie ausdrücklich berief sich Johannes Brahms,
der große Schubert-Verehrer. 1862 war er erstmals nach Wien
gereist, zehn Jahre später ließ er sich endgültig dort nieder. Wie
Schubert wurde Brahms als blendender Walzerspieler gerühmt,
der bei Abendgesellschaften die Zuhörer unwiderstehlich in seinen Bann zog. Und eines der frühesten kompositorischen Zeugnisse dieser geselligen Praxis sind seine Walzer op. 39, die 1865 bei
Rieter-Biedermann in Leipzig erstmals gedruckt erschienen, zum
Teil aber schon früher, während der 1850er Jahre entstanden sind.
Die Widmung trug Brahms dem Wiener Kritiker Eduard Hanslick
mit folgenden Worten an: »… Ich dachte an Wien, an die schönen Mädchen, mit denen Du vierhändig spielst, an Dich selbst,
den Liebhaber von derlei, den guten Freund – kurz, ich fühlte die
Notwendigkeit, Dir es zuzuschreiben«. Und Hanslick bedankte
sich artig mit einer ausführlichen Rezension: »… Die Walzer von
Brahms sind eine Frucht seines Wiener Aufenthalts, und wahrlich von süßester Art. Nicht umsonst hat dieser feine Organismus
sich Jahr und Tag der leichten, wohligen Luft Österreichs ausgesetzt – seine ›Walzer‹ wissen nachträglich davon zu erzählen. Fern
von Wien müssen ihm doch die Straußschen Walzer und Schuberts Ländler, unsere Gstanzel und Jodler, selbst Farkas‹ Zigeunermusik nachgeklungen haben, dazu die hübschen Mädchen,
der feurige Wein, die waldgekrönten Höhen und was sonst noch.
Welch reizende, liebenswürdige Klänge! Wirkliche Tanzmusik
wird natürlich niemand erwarten: Walzer-Melodie und Rhythmus
sind in künstlerisch freier Form behandelt und durch vornehmen
Ausdruck gleichsam nobilitiert.«
Im Brief an Hanslick hatte Brahms die sechzehn Tanzminiaturen als
»kleine unschuldige Walzer in Schubertscher Form« annonciert,
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doch sind neben dem Vorbild Schuberts – manifest in Form und
Harmonik wie auch in der charakterstückartigen Ausprägung –
manche weiteren Allusionen und Reminiszenzen erkennbar: So
erinnert Nr. 1 deutlich an Schumanns Papillons und in Nr. 11, noch
prononcierter aber in Nr. 13 und 14, spielt Brahms virtuos mit ungarischen Färbungen und Csárdás-Rhythmen. Besonders auffällig
erscheint die Vorliebe für geschmeidige Terzen- und Sextengänge
(Nr. 10, 12 und 15), überraschend im Gesamtgefüge wirken nicht
zuletzt die häufigen Moll-Sätze (Nr. 3, 4, 7, 9, 11 und 16). Brahms
hat den Zyklus op. 39 auch in zwei Fassungen für Klavier zweihändig vorgelegt, die im späteren 19. Jahrhundert, nicht nur in Wien,
überaus populär wurden.
Wolfgang Rihm: Mehrere kurze Walzer
Seit seinem spektakulären Debüt als 22jähriger beim Festival in
Donaueschingen 1974 hat Wolfgang Rihm, der nunmehr 60jährige, sein Publikum immer wieder überrascht und verführt. Wie
kein anderer Komponist in Deutschland hat er zudem die musikalische Fachwelt stets in Atem gehalten und zu kontroversen
Diskussionen provoziert. Konnte man ihn noch in den siebziger
Jahren der neuen »Postmoderne«, den Neo-Spätromantikern
und Neo-Expressionisten zurechnen, so zeichnete sich seit den
achtzigern eine kontinuierliche Abkehr von solchen Traditionen,
eine zunehmend experimentelle Haltung ab, die sich oft auch
in verschärfter Diktion und formaler Verdichtung artikuliert. Sein
opulentes, inzwischen auf annähernd fünfhundert Kompositionen angewachsenes Œuvre ist von beispielloser Vielseitigkeit,
umfasst Lieder, Klavier- und Kammermusik der unterschiedlichsten Besetzung (darunter allein zwölf Streichquartette), Konzertstücke für einen und mehrere Solisten, acht abendfüllende Bühnenwerke und eine fast unübersehbare Zahl großer orchestraler und
vokal-orchestraler Werke. Der Akzent liegt auf groß, und damit
sind nicht nur Partiturumfang, Aufführungsdauer und Interpretenaufwand gemeint, vielmehr vor allem der großgedachte, der
hochgreifende, oft grenzüberschreitende Entwurf.
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Umso verblüffender – und doch nur folgerichtig – erscheint es, den
Komponisten, der sonst so gern die »Pranke des Löwen« schwingt,
hier nun als Meister der kleinen Form, des geistreichen Aperçus,
der poetischen Marginalie zu entdecken. Mehrere kurze Walzer
lautet der Titel einer Sammlung von neunzehn vierhändigen Klavierminiaturen, die zwischen 1979 und 1982 entstanden sind – die
meisten kaum mehr als 16 Takte umfassend, der längste gerade
einmal 87 Takte lang. Es sind Finger- und Entspannungsübungen
der vergnüglichsten Art, kapriziös und verspielt, tiefgründig und
sarkastisch, auf kunstvolle Weise kunstlos und voller Anspielungen auf die große Wiener Tradition der nobilitierten Unterhaltungsmusik von Schubert über Strauß und Brahms bis Mahler
und Berg. Nur die wenigsten Walzer hat Rihm durch Charaktertitel (»Ohr- und Wurmwalzer« bei Nr. 18) oder Vortragsanweisungen (»quasi ›Böser Wolf‹ / quasi ›Rotkäppchen‹« bei Nr. 8) näher
bezeichnet. Allesamt aber sind sie Gelegenheitswerke im wörtlichsten Sinn, wie der Komponist uns in einem kurzen Vorwort
verrät, das in seiner durchtriebenen Mischung von Selbstbewusstsein und Selbstironie für ihn durchaus typisch ist: »Diese kleinen
Walzer schrieb ich mit einer der beiden freien linken Hände, meist
zwischen Tür und Angel oder zwei Mahlzeiten – oder währenddessen oder während gar nichts. Oft fastend auch, jawohl. Sie
sind meist als Mitbringsel gemeint. Oder wurden zur Degustation
soeben eingetroffener komponierender Gäste gereicht. Fast alle
entstanden 1979 in Rom, als ich als Stipendiat die Villa Massimo
beglückte. Einige Nachzügler verdanken sich gänzlich ähnlicher
ephemerer Entstehungsweisen und erwähnensunwerter Anlässe.
Wobei mir jedesmal große Lust daraus erwuchs, mit Kunstverstand und dennoch nichtig zu gestalten. Das hat man selten, nicht
wahr!?«
Peter Iljitsch Tschaikowsky:
Walzer aus dem Ballett Schwanensee
Tschaikowskys Ballett Schwanensee, das bald nach der Premiere
1894 im Petersburger Marijnsky-Theater seinen Siegeszug über
die internationalen Bühnen antrat, dem Liebhaber klassischer
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Musik vorstellen zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen. Und
das gilt namentlich für das berühmte Tempo di Valse aus dem
ersten Akt, musikalisch eine der Schlüsselszenen, die in mannigfachen Reprisen die gesamte Partitur durchwirkt. In unzähligen
Arrangements avancierte dieser Walzer zum unverwüstlichen
Evergreen des populären Klassikrepertoires. Nützlich sein mag
hier ein Hinweis auf den Autor der vorliegenden Bearbeitung für
zwei Klaviere Victor Babin (1908 – 72). Der aus Moskau gebürtige
Künstler studierte zunächst in Riga, dann in Berlin bei Franz Schreker (Komposition) und Arthur Schnabel (Klavier). Bekannt wurde
Babin primär als Duo-Pianist mit Vitya Vronsky, ebenfalls einer
Schnabel-Schülerin, die er 1933 heiratete. Das Paar machte rasch
Karriere in Europa und übersiedelte 1937 in die USA, wo Babin sich
auch als Kammermusiker und Pädagoge (u. a. in Aspen, Tanglewood und Cleveland) große Verdienste erwarb. Als Komponist,
der zeitlebens ein postromantisches Idiom bevorzugte, hat Babin
vor allem für »sein« Instrument geschrieben, Solo- und Duowerke,
darunter zwei große Konzerte für zwei Klaviere und Orchester.
Frank Martin: Ouverture et foxtrot
Frank Martin, ein Generationsgenosse Milhauds und Honeggers,
hatte auf Wunsch seiner Eltern zunächst Mathematik und Physik
studiert, bevor er sich definitiv der Musik zuwandte. Erst relativ
spät, während der 1930er Jahre, entwickelte er in der Auseinandersetzung mit Impressionismus und Neoklassik, mit asiatischen
Musikkulturen und vor allem mit Schönbergs Zwölftontechnik
eine höchst eigenwillige »synthetische« Musiksprache, geprägt
von gestischer Präsenz, zartfarbener Poesie und einer eigentümlich schwebenden Tonalität – Charakteren, die sich besonders
nachdrücklich in Meisterwerken wie den Oratorien Le vin herbé
(1938 – 41) und Golgotha (1945 – 48), dem Cornet nach Rilke (1943)
und der Petite Symphonie Concertante (1945) manifestieren.
Gewiss untypisch für diesen so persönlich formulierten Stil Martins
ist hingegen sein heute abend gespieltes Stück – ein Frühwerk aus
dem Jahr 1924 und zugleich seine erste Klavierkomposition, die
er später auch in zwei Bearbeitungen, als Konzert für Klavier und
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Bläser und als orchestrale Ballettpartitur (Entr’acte) vorgelegt hat.
Sie spiegelt etwas von der wildbewegten Aufbruchsstimmung der
Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, die auch für Martin unstete
Lehr- und Wanderjahre waren – mit Stationen in Zürich, Rom und
Paris. Und in Paris, der europäischen Hochburg des Enthusiasmus für amerikanische Jazz- und Tanzmusik, schrieb Martin die
beiden Sätze seines Klavierduos nieder: eine flott synkopierte
›Ouverture‹ (Allegro) und einen als elegischen Blues stilisierten
›Foxtrot‹ mit der Vortragsbezeichnung »dolce e languido«. Unter
dem Einfluss seines Pariser Freundeskreises beschäftigte er sich
damals intensiv mit »rhythmischen Verfahren verschiedener Epochen und Länder«, was zwei Jahre später in dem Orchesterwerk
Rythmes seinen stärksten Niederschlag fand. Spuren davon finden
sich freilich schon in Ouverture et foxtrot. Denn bei allem Flirten
mit dem Zeitgeist wirkt die Musik durchaus authentisch – überzeugend durch Frische, Pointenreichtum und Klangsinnlichkeit.
André Jolivet: Hopi Snake Dance
Neben dem wenig jüngeren Freund und Mitstreiter Olivier Messiaen war André Jolivet wohl der profilierteste Vertreter der
Gruppe »La Jeune France«, die ab Mitte der 1930er Jahre in Paris
Furore machte und ihre kompositorische Ästhetik aus der dezidierten Abkehr vom Neoklassizismus entwickelte. Wie Messiaen
begeisterte sich Jolivet für Mystik und Naturmagie, für modale
Skalen und komplexe Rhythmen, generell für die faszinierende
Klangwelt außereuropäischer Musikkulturen. Entscheidende
Impulse für sein eigenes Komponieren verdankte er jedoch vor
allem Edgard Varèse, den er 1929 anlässlich einer Pariser Aufführung von Amériques kennengelernt hatte und dessen einziger
europäischer Schüler er wurde. Auf Varèse geht auch die Idee zu
Hopi Snake Dance zurück, wie Hilda Jolivet in ihrem Erinnerungsbuch Avec – André Jolivet notierte. Nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs unternahm Varèse auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen eine Reise in den »wilden Westen« der USA und
schilderte den Freunden in Paris auf farbigen Ansichtspostkarten begeistert seine Eindrücke aus dem geheimnisvollen Land
der Indianer. Von einer der Fotopostkarten, die mit Schlangen
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tanzende Indianer zeigte, war Jolivet so fasziniert, dass er sich
spontan entschloss, eine Komposition für zwei Klaviere zu skizzieren, die den Titel der Postkarte erhielt. Hopi Snake Dance, eine Art
Tondichtung en miniature, zeigt in ihrer Verbindung von rhapsodisch freizügiger Rhythmik, virtuosem Klangraffinement und farbig suggestiven Bewegungsmustern durchaus charakteristische
Züge für Jolivets Stil. Die 1948 ausgearbeitete Partitur schickte der
Komponist nach Kalifornien, mit einer Widmung an den Freund
Darius Milhaud, der am Mills College in Oakland unterrichtete und
das sommerliche Musikfestival in Tanglewood leitete. Dort wurde
Hopi Snake Dance am 10. August 1948 zum ersten Mal aufgeführt.
Maurice Ravel: La Valse
Die Entstehung von La Valse geht auf eine Anregung Sergej Diaghilews, des berühmten Impresarios der Pariser Ballets Russes,
zurück. Er bat Ravel 1919 um Musik für ein neues Ballett, das er
– zusammen mit Strawinskys Pulcinella – in der folgenden Saison
herausbringen wollte. Im Winter 1919 – 20 entwarf Ravel zunächst
zwei Versionen für Klavier solo und für zwei Klaviere und arbeitete
dann bis zum Frühjahr die Orchesterpartitur aus. Im April 1920 fand
im Pariser Salon der Misia Sert (der La Valse gewidmet ist) eine
Voraufführung in Anwesenheit Diaghilews, Massines, Poulencs
und Strawinskys statt, wobei Ravel und Marcelle Meyer die Fassung für zwei Klaviere spielten. Nach der Aufführung, so berichtet
Poulenc in seinen Memoiren, habe Diaghilew geäußert, La Valse
sei »ein Meisterwerk … aber kein Ballett; es ist das Portrait eines
Balletts, das Gemälde eines Balletts«. Die Ablehnung kränkte den
Komponisten tief; es kam zum Bruch zwischen Ravel und Diaghilew, der nie mehr gekittet werden konnte. So wurde La Valse, mit
dem Untertitel »choreographische Dichtung für Orchester«, im
Dezember 1920 zunächst konzertant uraufgeführt, die szenische
Premiere brachte erst Ida Rubinstein mit ihrer Truppe 1929 in der
Pariser Oper heraus.
Bei der Komposition griff Ravel auf alte Pläne einer Verherrlichung
des Wiener Walzers zurück – Skizzen zu einem Tongemälde mit
dem Titel »Wien« hatte er bereits 1906 entworfen. In Briefen aus
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den ersten Kriegsjahren notierte er indes, ihm sei die Lust an
seinem »Wien«-Projekt, das man ja nicht einfach in »Petrograd«
umtaufen könne, gründlich vergangen. Das Nachkriegsstück
La Valse geriet dann zu einer »Apotheose des Wiener Walzers«
mit durchaus tragischen Untertönen. Ravels eigener Kommentar lässt daran keinen Zweifel: Es handle sich, so schrieb er, um
einen »fantastischen, schicksalhaft unabwendbaren Wirbel«, und
der Schauplatz sei »ein kaiserlicher Hof um 1855«. Musikalisch ist
La Valse, ähnlich wie der acht Jahre jüngere Boléro, eine Crescendo-Studie, freilich mit mehrfach angesetzten, dynamisch
gestaffelten Steigerungsprozessen. Aus dunklem, geräuschhaftem Nebelklang schälen sich in der Introduktion allmählich Walzermelodien heraus, zunächst wie flüchtige Erinnerungsbilder
vorüberziehend, dann immer klarer und intensiver hervortretend.
Ein Crescendo von Bewegung und Dynamik, von rhythmischer
und harmonischer Komplizierung wird zunächst ganz behutsam,
dann immer steiler und aggressiver angesetzt und entfaltet sich
– nach einem Intermezzo der Suspension vor dem Höhepunkt –
mit unerbittlicher Konsequenz zu einem rasenden, keuchenden
Taumel, in dem auch die letzten Reste von nobler Ballatmosphäre
und nostalgischer Walzerseligkeit untergehen.
Monika Lichtenfeld
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Vom Eigenwert der zweiten Partitur
Diskographische Anmerkungen zu Brahms’
Klavierwerken zu vier Händen
Er liebte alte Formen und Tanzrhythmen. Die Ungarischen Tänze
zeugen davon, oder auch die Liebeslieder und deren Nachfolger
Neue Liebeslieder. Der 1866 entstandene Zyklus der Walzer op. 39
ist Brahms‘ erster kompletter Walzer-Zyklus: sechzehn kleine
Schmankerl, die man in erster Linie vor zu viel Sirup, zu viel Süße
bewahren muss. Brahms hat gleich drei Versionen angefertigt: für
Klavier zu zwei und zu vier Händen sowie – in einer Auswahl von
sechs Walzern – für zwei Klaviere.
Die Solo-Version ist oft genug auf Platte dokumentiert, in erster Linie natürlich innerhalb der Zyklen von Gerhard Oppitz Ende
der 80er Jahre (RCA) und von Julius Katchen in den 60er Jahren
(Decca), eine Aufnahme, die bis heute nichts von ihrem Zauber,
ihrer Anschlagsfinesse, ihrem leidenschaftlichen Zugriff verloren
hat. Aus der Zahl einzelner Brahms-Alben seien die frühe WilhelmBackhaus-Aufnahme (Urania, Naxos oder M&A), die Einspielung
mit Leon Fleisher Ende der 50er Jahre (Sony) und die Fassungen
der jungen Pianisten Antti Siirala von 1994 (Ondine) und Cédric
Tiberghien von 2008 (harmonia mundi) erwähnt. Vor zwei Jahren
schließlich hat Ragna Schirmer diese Walzer aufgenommen (Berlin Classics) und sich dabei einen kleinen chirurgischen Eingriff
erlaubt: sie hat einige Noten der vierhändigen Fassung in ihre
Version für zwei Hände übernommen; so klingt dieser Brahms
etwas fülliger, orchestraler, ohne seine tänzerische Leichtigkeit
aufzugeben.
Kurios, dass gerade einige Klavier-Duos, deren Repertoire
sich scheinbar auf eine überschaubare Zahl von Kernstücken
beschränkt, diese Walzer nur in Auswahl aufgenommen haben:
Martha Argerich und Alexandre Rabinovitch beispielsweise haben
sich auf fünf Titel beschränkt (Warner) – ein Jammer! Auch die
Schwestern Güher und Süher Pekinel haben sich in ihrer Produktion von 2003 ebenfalls auf eine kleine Kollektion beschränkt (Warner). Komplette Zyklen hält die Einspielung des Duo Crommelynck
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bereit (Claves), dessen Brahms-Affinität auch in Aufnahmen der
Sinfonien Nr. 1 und 4 glänzend eingefangen ist.
Eine Sonderstellung nehmen Silke-Thora Matthies und Christian
Köhn ein. Dieses Duo hat nicht nur die Walzer-Fassungen für
vier Hände und für zwei Klavier eingespielt, sondern gleich alle
Brahms-Werke für diese Besetzungen (Naxos). Dieses Œuvre ist
keineswegs so schmal, wie es scheinen mag. Brahms hat einen
Großteil seiner Werke für Klavier zu vier Händen bearbeitet, darunter die vier Sinfonien, die beiden Serenaden und Klavierkonzerte, das Triumphlied, Ein Deutsches Requiem sowie die Streichquartette, -quintette und -sextette. Bereits in jungen Jahren hat
Brahms, um seine Finanzen aufzubessern, zahlreiche Klavierarrangements geschrieben: Opernmelodien, Potpourris, Märsche,
Walzer etc. Nahezu vergessen sind etwa die Bearbeitungen von
Werken Joseph Joachims, die Brahms zwischen 1853 und 1856
vornahm – wahrscheinlich um dem Freund und viel beschäftigten Geigen-Virtuosen den Rücken freizuhalten. Dazu zählen die
Ouvertüren zu Shakespeares Hamlet und Heinrich IV. sowie die
Ouvertüre zu Hermann Grimms Demetrius.
Im Frühjahr 1854 beginnt Brahms mit einem Werk, das die klanglichen und gestalterischen Dimensionen einer ›normalen‹ Klaviersonate rasch übersteigen sollte. Dies erkennend, entscheidet er
sich für eine Umarbeitung für zwei Klaviere. Aus dieser Sonate
erwächst schließlich das erste Klavierkonzert. Die Klavier-Version
liegt gleich in mehreren Versionen auf CD vor: neben der packenden Lesart durch Matthies/Köhn mit den italienischen Pianisten
Stefania Redaelli und Sergio Lattes (Warner, 2000), in der ungleich
dichteren Aufnahme mit Lilya Zilberstein und Cord Garben (hänssler, 2001) sowie in der geradezu brillanten Einspielung mit Yaara
Tal und Andreas Groethuysen (Sony, 2009).
Auch das »Deutsche Requiem« hat Brahms in mehreren Fassungen hinterlassen: neben der bekannten Orchesterversion auch
in einer Klavierfassung mit Sängern (›Londoner Version‹; hier
die Aufnahme mit Brigitte Engerer und Boris Berezovsky sowie
accentus unter Laurence Equilbey / naïve) sowie in einer reinen
Klavierversion (Matthies/Köhn). Markant, dass es ihm dabei nicht
um ein Surrogat ging, sondern – vor allem im Hinblick auf die
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zusätzlich einzuarbeitenden Chorstimmen – um eine möglichst
vollständige und die mikrokosmischen Stimm-Strukturen adäquat
widerspiegelnde zweite Partitur. Brahms hatte sich (spätestens
jetzt) vom Übertragungskünstler aus Geldnot zu einem Bearbeitungsspezialisten mit fast hohem Kunstanspruch entwickelt.
Christoph Vratz
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BIOGRAPHIE
GrauSchumacher Piano Duo
Klug zusammengestellte Programme sind das Markenzeichen,
mit dem sich Andreas Grau und Götz Schumacher als eines der
international renommiertesten Klavierduos profiliert haben. Mit
ihrem weit reichenden Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten sind
sie regelmäßig bei diversen Festivals und in namhaften Konzerthäusern zu hören, so unter anderem in der Kölner Philharmonie,
der Berliner Philharmonie, der Cité de la Musique Paris, bei den
Schwetzinger Festspielen, den Salzburger Festspiele, in der Tonhalle Zürich und beim Klavierfestival La Roque d’Anthéron. Sie
arbeiteten mit Dirigenten wie Michael Gielen, Lothar Zagrosek,
Emanuel Krivine, Heinz Holliger, Kent Nagano, Bertrand de Billy,
Andrej Boreyko, Georges Prêtre und Zubin Mehta zusammen.
Zu den jüngeren Projekten gehören Konzerte mit dem Deutschen
Symphonie-Orchester, dem Konzerthausorchester Berlin, dem
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und dem Bayerischen Staatsorchester München, dem Radiosymphonieorchester Wien und
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dem Orchestre National de Lyon sowie Auftritte beim Lucerne
Festival, im Wiener Konzerthaus, in der Cité de la Musique, im
Gewandhaus Leipzig und im Concertgebouw Brügge.
In die Saison 2011/12 starteten Andreas Grau und Götz Schumacher mit der erfolgreichen Aufführung von Peter Eötvös‘ Konzert
für zwei Klaviere und Orchester beim Eröffnungskonzert der Biennale di Venezia mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden
und Freiburg unter der Leitung des Komponisten. Weitere Konzerte führen die beiden Pianisten unter anderem in das Beethovenhaus Bonn, die Philharmonie Krakau und zu Festivals wie dem
Rheingau Musik Festival, dem Feldkirch Festival oder dem Festival
Musica Strasbourg.
Den Hang zu ausgefeilten Programmkonzepten dokumentieren
auch die CD-Einspielungen des Duos. Ihre Aufnahme von Stockhausens Mantra wurde von Le monde de la musique und Diapason
ausgezeichnet. The Gramophone kürte die CD Visions de l’Amen
mit Werken von Messiaen und Schütz/Kurtág zur Editor’s Choice.
Innerhalb der letzten Jahre erschienen die CDs mehrere kurze
walzer (Schubert, Brahms, Grieg, Hindemith, Rihm), variations
and fugues (Mozart, Reger, Beethoven), Fantasia contrappuntistica
(Bach, Kurtág, Busoni), Ligeti-Schubert-Ligeti, Grand Duo (Schubert, Schostakowitsch) sowie La musique creuse le ciel (Wolfgang
Rihm). Produktionen mit Orchesterwerken von Luciano Berio und
Strawinskys Le Sacre du printemps wurden von der Kritik euphorisch aufgenommen. In der Saison 2010/11 erschienen unter anderem die CD Schrift-Um-Schrift (Bartók, Rihm) und die mit dem
Deutschen Symphonie-Orchester Berlin produzierte Aufnahme
Concerti I mit Konzerten für zwei Klaviere und Orchester von
Mozart und Bartók, die dem Concerto Pathétique von Franz Liszt
gegenübergestellt werden. In der Kölner Philharmonie war das
GrauSchumacher Piano Duo zuletzt im November 2008 zu Gast
und wird in wenigen Wochen, am 5. Mai – im Rahmen des Festivals
ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln – wieder bei uns zu hören sein.
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Maurice Ravel
Konzert für Klavier
und Orchester G-Dur
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 4 G-Dur
Sonntag
13. Mai 2012
20:00
Riccardo Chailly Dirigent
Hélène Grimaud Klavier
Gewandhausorchester Leipzig
Luba Orgonášová Sopran
»Die himmlischen Freuden«
Erstmalig gastiert Hélène Grimaud gemeinsam mit dem Gewandhausorchester Leipzig in der Kölner Philharmonie. Dass nun Grimaud als Pianistin, die auch für ihren Eigensinn berühmt ist, das Ravel’sche Klavierkonzert spielt, passt besonders gut. So wurde die Uraufführung 1932 auch
von einer eigensinnigen Pianistin übernommen: Marguerite Long. Mit
dieser Darbietung brachte sie ihre frauenfeindlichen Widersacher am
Pariser Konservatorium endgültig zum Verstummen. Riccardo Chailly,
seit 2005 Chefdirigent des Orchesters, dirigiert in der zweiten Hälfte
Gustav Mahlers 4. Sinfonie. Das Werk, dem das Publikum bei seiner
Uraufführung vor 80 Jahren nur wenig Respekt zollte, wurde nicht allein
wegen seines letzten Satzes später zu einem der beliebtesten Mahlers.
Beachten Sie auch das Kombiangebot Kurt Masur – Riccardo Chailly
mehr dazu unter: koelner-philharmonie.de/paket/62/
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KÖLNMUSIK-VORSCHAU
IHR NÄCHSTES
ABONNEMENT-KONZERT
März
DO
10
Mai
20:00
MI
28
Murray Perahia Klavier
20:00
Filmforum
Ludwig van Beethoven
Sonate für Klavier Nr. 14
cis-Moll op. 27,2 (1801)
»Sonata quasi una Fantasia«
(»Mondscheinsonate«)
Friedrich Wilhelm Murnau
City Girl (USA 1930)
Stummfilm mit Live-Musik von
Wilfried Kaets Klavier
Robert Schumann
Faschingsschwank aus Wien op. 26
(1839 – 1840)
für Klavier
Präsentiert von Choices
Karten an der Kinokasse
KölnMusik gemeinsam mit Kino Gesellschaft Köln
Franz Schubert
Sonate für Klavier A-Dur op. 120 D 664
(1819 oder 1825)
SA
Frédéric Chopin
Polonaise cis-Moll
aus: Deux Polonaises op. 26 (1835)
für Klavier
31
20:00
Martin Grubinger Schlagzeug
Martin Grubinger sen. Schlagzeug
Slavik Stakhov Schlagzeug
Benjamin Schmid Violine
Clemens Hagen Violoncello
Ferhan Önder Klavier
Prélude fis-Moll
aus: 24 Préludes op. 28 (1836?/39)
für Klavier
Mazurka cis-Moll
aus: Mazurken op. 63 (1846)
für Klavier
Maki Ishii
Thirteen Drums op. 66 (1985)
für Percussion Solo
Scherzo h-Moll op. 20 (1835)
für Klavier
19:00 Einführung in das Konzert
durch Christoph Vratz
Zoltán Kodály
Duo für Violine und Violoncello op. 7
Piano 6
Dmitrij Schostakowitsch /
Viktor Derevianko
Sinfonie Nr. 15 A-Dur Op. 141
Bearbeitung für Violine, Violoncello,
Klavier/Celesta und drei Schlagzeuger
Gefördert durch das Kuratorium
KölnMusik e.V.
Philharmonie für Einsteiger 5
Portrait Martin Grubinger 3
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Philharmonie-Hotline 0221.280 280
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Herausgeber: KölnMusik GmbH
Louwrens Langevoort
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Redaktion: Sebastian Loelgen
Corporate Design: hauser lacour
kommunikationsgestaltung GmbH
Textnachweis: Die Texte von
Monika Lichtenfeld und Christoph Vratz
sind Originalbeiträge für dieses Heft.
Fotonachweis: Dietmar Scholz S. 15
Gesamtherstellung:
adHOC Printproduktion GmbH
22.03.12 15:09
Grażyna Bacewicz
Quintett für Klavier und
Streichquartett Nr. 1
Leoš Janáček
Streichquartett Nr. 1
Robert Schumann
Quintett für Klavier und
Streichquartett Es-Dur op. 44
Krystian
Zimerman
Hagen
Quartett
Foto: Joachim Ladefoged / VII
Klavier
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Roncalliplatz, 50667 Köln
direkt neben dem Kölner Dom
(im Gebäude des RömischGermanischen Museums)
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Neumarkt-Galerie
50667 Köln
(in der Mayerschen
Buchhandlung)
Donnerstag
14.06.2012
20:00
Philharmonie-Hotline
0221-280 280
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