Mamma I Anatomie, Diagnostik, Benigne Erkrankungen Susanne Briest Brustzentrum am Universitätsklinikum Leipzig Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 1 Anatomie © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 2 Anatomie auf der Fascia pectoralis zwischen 3. und 7. Rippe, Linea parasternalis und vorderer Axillarlinie in Fettgewebe eingebetteter Drüsenkörper (DK), durchzogen von Blut- und Lymphgefäßen DK ist symmetrisch und konvergiert zur Mamille mit ausgeprägter Variation in Größe, Form und Zusammensetzung DK besteht aus 15-20 radiär angeordneten, verzweigten tubulösen Einzeldrüsen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 3 Anatomie Lobus: unterschiedlich großen Zahl an Lobuli, von kollagenem Binde-und Stützgewebe umschlossen Lobulus: ca. 30 Acini oder Ductuli, umgeben von lockerem Mesenchym Terminale duktulo-lobuläre Einheit: 1 Lobulus mit den Ductuli, einem intra- und einem kurzen extralobulären Gangsegment © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 4 Lymphabfluß in die Nodi lymphatici axillares (Vasa thoracica lateralia) in die Nodi lymphatici parasternales (A/V thoracica interna) klinische Einteilung der axillären LK: Level I-III © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 5 Kongenitale Anomalien der Mamma ohne pathologischen Wert Agenesie keine Mamille, kein DK Aplasie Mamille ohne DK Hypoplasie (Mikromastie) Mamille mit rudimentärem DK Polythelie überzählige Mamille Polymastie glandularis Mamma aberrata: zusätzlicher DK completa Mamma accessoria: zusätzliche Mamille mit DK © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 6 Kongenitale Anomalien der Mamma ohne pathologischen Wert Anisomastie häufigste Normvariante Größenasymmetrie Makromastie Volumenzunahme von > 50% über dem als physiologisch bezeichneten Wert (> 600g) Pubertätsmakromastie Graviditätsmakromastie M. im Rahmen einer Adipositas © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 7 Kongenitale Anomalien der Mamma © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 8 Veränderungen der Brustdrüse im hormonellen Zyklus 3.-7.d post menstruationem Estrogenphase - Proliferation 8.-14.d post menstruationem follikuläre Phase - Phase der relativen Ruhe 15.-20.d post menstruationem Gelbkörperphase - Sekretion © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 9 Veränderungen der Brustdrüse im Verlauf des Lebens mit großer morphologischer und zeitlicher Variabilität Thelarche Stadien der Brustentwicklung nach Tanner (B1-B5) Involution Reduktion der azinären und lobulären Zellen sowie deren Ersatz durch Binde- und Fettgewebe Okklusion atrophischer Milchgänge Kalzifikation des Inhaltes der Drüsenausführungsgänge oder des umgebenden Bindegewebes © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 10 Wie wird die Brustdrüse beeinflusst? Hormone Steroidrezeptoren © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 11 Estrogenrezeptoren Nukleäre Rezeptoren, zu einem geringen Anteil im Bereich der Zellmembran/des Zytoplasmas Estrogenrezeptor α/ß – ESR1/2 Erstbeschreibung in den späten 50-er Jahren durch Jensen und Jacobsen, Clonierung von ESR1 durch Greene 1986 und von ESR2 durch Kuiper 1996 Levin. Mol Endocrinol 19(8):1951-1959 2005 Dahlmann-Wright et al. Pharmacol Rev 58:773-781. 2006 © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 12 Funktionsweise der ER 1.Bindung von Estrogen führt zur Modulation der Transkription durch Bindung des Steroid-RezeptorKomplexes an DNA in estrogen-responsiblen Elementen im Promotor von Zielgenen 2.Interaktion von nukleärem Estradiol mit Transcriptionsfaktoren, die an DNA binden, führt zu epigenetischen Modulationen (via z.B. Histone) 3. Interaktion von Steroiden mit dem membranständigen ER (via Kinase-kaskaden, sec. Messenger wie Calcium) Levin. Mol Endocrinol 19(8):1951-1959 2005 © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 13 Vorkommen der ER Expression der ER-subtypen variiert in den Geweben bzw. Zelltypen einzelner Gewebe ESR1 z.B. Mamma, Uterus, Ovar (Thekazellen). Hypophyse, Hypothalamus ESR2 z.B. Ovar (Granulosazellen), Knochen, Gefäße, Hippocampus ER dimerisieren und benötigen Co-aktivatoren und Co-repressoren Einfluß posttranslationaler Prozesse auf die Aktivität des Rezeptors (Phosphorylierung, Acetylierung etc) Levin. Mol Endocrinol 19(8):1951-1959. 2005 Riggs & Hartmann(2003): NEJM 348:618-629. 2003 Dahlmann-Wright et al. Pharmacol Rev 58:773-781. 2006 © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 14 Liganden haben eine unterschiedliche Affinität zu den Isoformen des Rezeptors Estradiol ESR1/2 Estron, Raloxifen ESR1 Estriol ESR2 Levin. Mol Endocrinol 19(8):1951-1959. 2005 Riggs & Hartmann(2003): NEJM 348:618-629. 2003 Dahlmann-Wright et al. Pharmacol Rev 58:773-781. 2006 © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 15 Diagnostik klinische Diagnostik bildgebende Diagnostik histologische Diagnostik © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 16 Diagnostik klinische Diagnostik bildgebende Diagnostik histologische Diagnostik © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 17 Klinische Untersuchung Anamnese Symptome (Dauer, Veränderung über die Zeit) Menstruationsanamnese (Menarche, Menopause, letzte Regel) Schwangerschaftsanamnese (Partus/Abortus/Interruptio/Extrauterine Gravidität) Medikamentenanamnese (Kontrazeptiva, Hormonersatzpräparate, Medikamente zur Behandlung eines unerfüllten Kinderwunsches) Vorangegangene Operationen Vorangegangene Bildgebung (Mammografie, Mammasonografie, Mamma-MRT) Familiäre Anamnese bezüglich Mamma- und Ovarialkarzinom Body-Mass-Index © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 18 Klinische Untersuchung Inspektion Betrachtung der Patientin mit freiem Oberkörper aus verschiedenen Positionen: Arme in hängender, beziehungsweise aufgestützter Position, insbesondere u.a. auch submammär Größe, Kontur (Einziehung, Plateauphänomen), Hautveränderungen (Farbe, Konsistenz) Mamille: Inversion, Deviation, Auflagerung, ekzematöse Veränderungen Palpation gesamter Drüsenkörper und regionäre Lymphabflußgebiete (suprainfraclaviculär, parasternal, Axilla beidseits) Versuch der Provokation der Mamillensekretion © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 19 Klinische Untersuchung Palpationsbefund Konsistenz, Kontur, Verschieblichkeit und Beziehung zur Umgebung (Haut, M. pectoralis major), Größe Dolenz Sensitivität Spezifität ca. 30% gering © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 20 Diagnostik klinische Diagnostik bildgebende Diagnostik histologische Diagnostik © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 21 Mammografie Physikalische Basis: Röntgenstrahlung Strahlungsbelastung ist sehr gering (Dosis bei einer Mammografie ca. 0.4 mSi; CT Abdomen 10 mSi; natürliche Strahlenbelastung ca. 2.1 mSi/Jahr, künstliche Strahlenbelastung ca. 2.0 mSi/Jahr Transatlantikflug 0.04 mSi, Grenzdosis für Personal 20 mSi/Jahr) (Pfandzelter, Präsentation 2006, Hamburg) Kleinste Partikel sind sichtbar (Mikrokalk, <0.1 mm) Sensitivität und Spezifität untersucherunabhängig aber: abhängig von der Dichte des Drüsengewebes 10-15% der Karzinome werden nicht mit der Mammografie erkannt! © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 22 Sonografie wichtigste ergänzende Methode Malignomausschluß nicht möglich Physikalische Basis: Ultraschall (7.5-13 MHz) Unterscheidung solider von flüssigkeitsgefüllten Tumoren Sensitivität und Spezifität abhängig von Gerät und Untersucher © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 23 Mamma-MRT ergänzende Methode bei spezieller Indikation Physikalische Basis: Magnetresonanz (1.5 Tesla) Kontastmittel: Gadolinium-DTPA spezielle Mammaspulen Sensitivität Spezifität Problem: hoch niedrig hohe falsch positiv Rate! abhängig von Gerät und Untersucher © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 24 Galaktografie ergänzende Methode bei pathologischer Sekretion Physikalische Basis: Röntgen Applikation eines Kontrastmittels über eine Sonde direkt in den sezernierenden Milchgang Sensitivität Spezifität niedrig hoch © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 25 Diagnostik klinische Diagnostik bildgebende Diagnostik histologische Diagnostik © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 26 Transcutane Biopsie Nach der Entnahmetechnik Stanzbiopsie Vakuumsaugbiopsie Nach der Visualisierung des zu bioptierenden Herdes sonografisch stereotaktisch MRT Warum? Vermeidung unnötiger chirurgischer Eingriffe Planung chirurgischer Eingriffe Risiko? kein © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 27 B-Klassifikation B1 B2 B3 B4 B5 nicht verwertbar oder ausschließlich Normalgewebe benigne u. a. fibro-zystische Mastopathie, Fibroadenom, sklerosierende Adenose, periduktale Mastitis benigne, aber mit unsicherem biologischem Potenzial u. a. atypische intraduktale Epithelproliferationen (z. B. atypische duktale Hyperplasie: in Abhängigkeit von Ausdehnung und Grad der Atypie ggf. auch Kategorie B4); lobuläre Neoplasie (LN); papilläre Läsionen (bei hochgradigem V. a. papilläres DCIS: ggf. auch Kategorie B4); radiäre Narbe/komplexe sklerosierende Läsion; V. a. Phylloides-Tumor malignitätsverdächtig u. a. vermutlich maligne Veränderung, aber Beurteilung aus technischen Gründen eingeschränkt; atypische intraduktale Epithelproliferationen in Abhängigkeit von Ausdehnung und Schwere der Atypie (siehe auch Kategorie B3) maligne u. a. DCIS, inv Ca, maligne Lymphome http://www.cancerscreening.nhs.uk/breastscreen/index.html © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 28 Stufe-3-Leitlinie Brustkrebsfrüherkennung (1. Aktualisierung 2008) S. 62: Präoperative Diagnostik von >70% der nonpalpablen malignen Läsionen S. 63: Rate benigne:maligne bei offener Biopsie <1:1 © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 29 Benigne Erkrankungen der Brust Tumore Zysten Mastopathie Infektionen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 30 Benigne Erkrankungen der Brust Tumore Zysten Mastopathie Infektionen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 31 Tumore Fibroadenom Papillom Hamartom spezielle Veränderungen: Phylloide Tumoren Radiäre Narbe Seltene Tumore (Lipom, Leiomyom, Neurofibrom, Neurilemmom, Chondrom, Osteom, gutartige Spindelzelltumor, Angiome, Granularzelltumoren) © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 32 Tumore Fibroadenom Papillom Hamartom spezielle Veränderungen: Phylloide Tumoren Radiäre Narbe Seltene Tumore (Lipom, Leiomyom, Neurofibrom, Neurilemmom, Chondrom, Osteom, gutartige Spindelzelltumor, Angiome, Granularzelltumoren) © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 33 Fibroadenom häufigster benigner solider Tumor fibroepithelialer Mischtumor bestehend aus Mantelgewebe und Drüsenschläuchen hormonell induzierbar Inzidenzmaximum 25.- 35. Lebensjahr DD: glatt begrenztes duktales CA, medulläres, muzinöses, papilläres CA, Lymphom, Sarkom, Metastase © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 34 Tumore Fibroadenom Papillom Hamartom spezielle Veränderungen: Phylloide Tumoren Radiäre Narbe Seltene Tumore (Lipom, Leiomyom, Neurofibrom, Neurilemmom, Chondrom, Osteom, gutartige Spindelzelltumor, Angiome, Granularzelltumoren) © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 35 Phylloider Tumor oder Cystosarcoma phylloides epithelial-mesenchymaler Mischtumor semimaligne histologisch gekennzeichnet durch dichtes Stroma mit einer hohen Zahl von Mitosen, welches die epitheliale Komponente verdrängt, blattartig wachsend Rezidivrate 15% Radiäre Narbe komplexe sklerosierende Läsion mit sternförmig angeordneten Drüsenproliferationen und typischer Stromafibrose © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 36 Benigne Erkrankungen der Brust Tumore Zysten Mastopathie Infektionen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 37 Zyste häufigste Veränderung in der weiblichen Brust bei jeder 2. Frau nach dem 30.-40. Lebensjahr im Rahmen mastopathischer Veränderungen Klin. Bild: Sonderform: Schmerz u./o. Tastbefund Galaktozele © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 38 Benigne Erkrankungen der Brust Tumore Zysten Mastopathie Infektionen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 39 Mastopathie hormonell gesteuerte qualitativ und quantitativ gesteigerte Umbaureaktion des Drüsengewebes vor und während der Menopause: Sklerosierung und fibröse Veränderung der Epithelien Klin. Bild Mastodynie u./o. Tastbefund Problem Erhöhung der Strahlendichte der Mamma mit resultierender eingeschränkter Beurteilbarkeit Entstehungsort terminale duktulo-lobuläre Einheit © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 40 Mastopathie klinisches Erscheinungsbild Zyste Adenose (zusätzliche Proliferation des Stromas zu den Epithelveränderungen) mikrozystisch, sklerosierend, mikroglandulär fibrozystische Mastopathie duktale Hyperplasie des Epithels (duktale Hyperplasien, lobuläre Hyperplasien) cave! histologische Diagnose! © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 41 Benigne Erkrankungen der Brust Tumore Zysten Mastopathie Infektionen © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 42 Infektionen - Puerperale Mastitis Häufigkeit 0,8-0,9% post partum Klin. Bild Fieber, Schüttelfrost, lokale Zeichen der Entzündung Entstehung Milchstau, Superinfektion, lymphogene Ausbreitung Therapie Antibiose, konsequente Entleerung der Brust (Stillen, ggf.Abpumpen) selten chirurgisch – Ausnahme: Abszess © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 43 Infektionen - Nonpuerperale Mastitis Häufigkeit 1:2 im Vgl. zur puerperalen Gipfel zwischen 30. und 55. Lj. Klin. Bild vorangegangene Galaktorrhoe, Mastodynie, Hyperprolaktinämie Entstehung Komplikation der Mastopathie Therapie Antibiose, bei Abszedierung (in 50%) chirurgisch Problem Rezidivrate 30% © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 44 Bis Morgen! © Universitätsklinikum Leipzig AöR (2012): Vorlesung Mamma I, Briest 45