Ausgabe 08/2014 GfV Newsletter: Interferonfreie Therapien für HCV

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Ausgabe 08/2014
GfV Newsletter: Interferonfreie Therapien für HCV
Die Chronische Hepatitis C Virus (HCV) Infektion betrifft weltweit mehr als 170
Millionen Menschen und kann zu schweren Leberschäden bis zur Zirrhose und zum
hepatozellulärem Karzinom führen. HCV ist ein Positivstrang RNA Virus aus der
Familie Flaviviridae und zeichnet sich durch eine außerordentliche genetische
Variabilität aus. Man unterscheidet gegenwärtig 7 Genotypen, die sich bis zu 30% in
ihrer Nukleotidsequenz unterscheiden und in insgesamt67 Subtypen unterteilt
werden.
Obwohl seit den 1970er Jahren klar war, dass es einen weiteren Erreger der
Virushepatitis jenseits von HAV und HBV geben mußte („transfusionsassoziierte nonA-non-B
Hepatitis“),
wurde
das
Virus
erst
1989
identifiziert.
Erste
Behandlungsversuche mit Interferon waren zunächst mäßig erfolgreich (ca. 5%
Behandlungserfolg). Über eine Optimierung von der Behandlungsdauer, die
Verwendung eines stabilisierten Interferons (pegyliertes Interferon) und Zugabe von
Ribavirin, einem Nukleosidanalogon mit unklarem Wirkmechanismus, konnten die
Heilungsraten ab 2002 auf etwa 50% gesteigert werden. Parallel hierzu fanden
immense Anstrengungen statt direkt antiviral wirksame Substanzen (sogenannte
direct acting antivirals (DAAs)) zu entwickeln. Aufgrund der hohen genetischen
Variabilität
von
HCV
und
der
hohen
Mutationsrate
ist
eine
Kombination
verschiedener Substanzen notwendig.
Zu den Hauptangriffszielen der DAA zählen die virale Protease NS3/4A
(Substanznamen:
-previr,
z.B.
Telaprevir),
(Substanznamen: -buvir, z.B. Sofosbuvir)
die
virale
Polymerase
NS5B
und das regulatorische Protein NS5A
(Substanzname: -asvir, z.B. Daclatasvir, Lepidasvir), dessen Funktion noch nicht
vollständig geklärt ist (zur Übersicht über Wirkmechanismen s. (1) und http://www.g-fv.org/AVT). Proteaseinhibitoren sind Peptidderivate, die das natürliche Substrat
nachahmen. Bei Polymeraseinhibitoren wird zwischen Nukleosidischen und NichtNukleosidischen Inhibitoren unterschieden. Nukleosidische Inhibitoren haben sich in
klinischen Studien als außerordentlich wirksam erwiesen (z.B. Sofosbuvir), da sie
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direkt am aktiven Zentrum angreifen und eine hohe Resistenzbarriere sowie breite
Genotypabdeckung aufweisen. Nichtnukleosidische Polymeraseinhibitoren binden
außerhalb des aktiven Zentrums, an weniger konservierten Bereichen des Enzyms.
Ihre Resistenzbarriere ist daher relativ niedrig und ihre antivirale Wirkung meist auf
einen Genotypen beschränkt. NS5A-Inhibitoren blockieren sowohl die virale RNASynthese als auch die Bildung von Viruspartikeln. Diese Inhibitorklasse ist schon in
picomolaren Konzentrationen und in der Regel gegen fast alle Genotypen wirksam,
allerdings ist die Resistenzbarriere relativ niedrig.
Die ersten Proteaseinhibitoren wurden bereits 2011 in Kombination mit pegyliertem
Interferon und Ribavirin für die Behandlung von Genotyp 1 zugelassen und erhöhten
die Heilungsrate auf etwa 75% (zur Übersicht zur aktuellen HCV Therapie s.(2)).
Allerdings waren diese Kombinationstherapien mit erheblichen Nebenwirkungen
verbunden und kamen deshalb nur für ein ausgewähltes Patientenkollektiv in
Betracht. Seit diesem Jahr sind DAAs zugelassen, die miteinander kombiniert
werden können und deutlich höhere Heilungsraten und weniger Nebenwirkungen
aufweisen: Sofosbuvir (Nukleotid), Simeprevir (Proteaseinhibitor der 2. Generation)
und Daclatasvir (NS5A Inhibitor). Zur Zeit sind weitere Moleküle, insbesondere gut
verträgliche, breit aktive und einfach einzunehmende Proteaseinhibitoren, NS5AInhibitoren und nicht-Nukleosid-Polymeraseinhibitoren, als Kombination in klinischer
Prüfung , wobei die bisher verfügbaren Resultate exzellent sind und bei guter
Verträglichkeit
selbst
in
Patienten
mit
fortgeschrittener
Lebererkrankung
Ansprechraten > 90% zeigen (3-11). Die Therapiedauer liegt bei aktuellen Therapien
bei 12-24 Wochen (im Vergleich zu 24 bis 48 Wochen Interferon-Therapie), eine
weitere Verkürzung auf 8 Wochen ist bei neuen Kombinationen aber bereits geplant.
Trotz der hohen Mutationsrate von HCV (man geht von 1012 neuen Virusvarianten
pro Patient und Tag aus) wurde in den bisher publizierten Studien kein
Therapieversagen
aufgrund
von
Resistenzmutationen
beobachtet.
Das
liegt
einerseits an der Kombination von bis zu vier Wirkstoffen und andererseits an der
hohen Resistenzbarriere von Sofosbuvir. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass beim
breiten Einsatz der neuen Therapien außerhalb von Studien vereinzelt Resistenzen
auftreten werden.
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Diese an sich sehr guten Neuigkeiten für HCV Patienten werden allerdings
überschattet durch die Preise der neuen DAAs. Alleine Sofosbuvir, das im Moment
das Rückgrat aller interferonfreien Therapien bildet, kostet 60.000 € pro Therapie.
Am
10.10.2014
wurde
Kombinationstherapie
in
den
zugelassen
USA
die
(Sofosbuvir
erste
mit
„eine
Pille
Lepidasvir,
am
Tag“
Handelsname
„Harvoni“), hier belaufen sich die Kosten für eine 12 wöchige Therapie auf 94.500
US-$. Bei geschätzten 300.000 HCV infizierten in Deutschland und der grundsätzlich
breiten Anwendbarkeit (im Gegensatz zu Interferon-basierten Therapien) befürchten
die Krankenkassen Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe, deshalb sind die
interferonfreien Therapien im Moment nur unter bestimmten Voraussetzungen
verschreibungsfähig
(vorheriges
Therapieversagen,
fortgeschrittene
Lebererkrankung).
Ausblick
Es ist wahrscheinlich, dass trotz der Etablierung dieser hocheffizienten Therapien
HCV und HCV vermittelte Leberschäden zumindest mittelfristig ein globales
Gesundheitsproblem bleiben werden. Dafür sprechen die folgenden Punkte: 1. Es ist
noch nicht abzusehen, ab welchem Stadium Leberschäden durch eine HCV Therapie
vollständig reversibel sind. 2. Vielen HCV Infizierten ist ihre Infektion nicht bekannt
und diese manifestiert sich erst erst im Rahmen einer fortgeschrittenen
Leberschädigung (z.B. einer Leberzirrhose). Hier könnten Screening-Programme in
bestimmten Alters-und Risikogruppen Abhilfe schaffen, allerdings setzt das voraus,
dass die Gesundheitssysteme bereit und in der Lage sind, die Therapie zu
finanzieren. 3. Die weitaus meisten Infizierten leben in Ländern, die sich weder die
alten
noch
die
neuen
Therapien
leisten
können.
Ob
vergünstigte
Zugangsprogramme, wie das z.B. von Gilead in Ägypten für eine Million von
insgesamt zehn Millionen Patienten geplante, die Gesamtzahl der Infizierten
nachhaltig ändern wird, bleibt abzuwarten. Auch in Europa stellt sich gegenwärtig die
Frage, welche Patientenkollektive vorrangig behandelt werden sollten, ohne das
Gesundheitsbudget zu überstrapazieren und die Antwort fällt in jedem Land
unterschiedlich aus. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Zulassung von
Kombinationstherapien
verschiedener
Hersteller
und
verkürzte
Behandlungs-
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zeiträume die Kosten in der Zukunft deutlich sinken werden. Prinzipiell gilt, dass
Patienten mit deutlich erhöhten Transamiasen und/ oder einer bestehenden Fibrose
behandelt
werden sollten,
um ein Fortschreiten der
Lebererkrankung zur
Leberzirrhose zu verhindern.
Volker Lohmann, Heidelberg
Robert Thimme, Freiburg
Reference List 1. Bartenschlager R, Lohmann V, Penin F. The molecular and structural basis of advanced antiviral therapy for hepatitis C virus infection. Nat Rev Microbiol 2013 Jul;11(7):482‐496. 2. Pawlotsky JM. New hepatitis C therapies: the toolbox, strategies, and challenges. Gastroenterology 2014 May;146(5):1176‐1192. 3. Afdhal N, Zeuzem S, Kwo P, Chojkier M, Gitlin N, Puoti M, et al. Ledipasvir and sofosbuvir for untreated HCV genotype 1 infection. N Engl J Med 2014 May 15;370(20):1889‐1898. 4. Kowdley KV, Lawitz E, Poordad F, Cohen DE, Nelson DR, Zeuzem S, et al. Phase 2b trial of interferon‐free therapy for hepatitis C virus genotype 1. N Engl J Med 2014 Jan 16;370(3):222‐232. 5. Poordad F, Hezode C, Trinh R, Kowdley KV, Zeuzem S, Agarwal K, et al. ABT‐450/r‐
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10. Kowdley KV, Gordon SC, Reddy KR, Rossaro L, Bernstein DE, Lawitz E, et al. Ledipasvir and sofosbuvir for 8 or 12 weeks for chronic HCV without cirrhosis. N Engl J Med 2014 May 15;370(20):1879‐1888. 11. Ferenci P, Bernstein D, Lalezari J, Cohen D, Luo Y, Cooper C, et al. ABT‐450/r‐
ombitasvir and dasabuvir with or without ribavirin for HCV. N Engl J Med 2014 May 22;370(21):1983‐1992. 
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