Kinderneurologisches Zentrum des Landes XY in M - Station 1 - Thomas Berck Spina Bifida Hydrocephalus Im Auftrag der Krankenpflegeschule Groß-Gerau 1 Inhaltsverzeichnis Seite 1 2 3 4 5 6 Inhaltsverzeichnis Was ist Spina Bifida ? Was ist Hydrocephalus ? Inkontinenzversorgung Intermittierender Katheterismus Quellenverzeichnis 2 Was ist Spina Bifida ? Unter Spina Bifida versteht man eine angeborene Schädigung der Wirbelsäule. Während der Schwangerschaft wächst an einer bestimmten Stelle (meist Lumbal o. Sakral) ein Wirbel nicht richtig zusammen. Die folge davon ist ein „offener Rücken“, wie Spina Bifida in der Bevölkerung oft genannt wird. An dieser offenen Stelle tritt Rückenmark aus und wird dadurch beschädigt. Nach der Geburt ist eine offene, sich vorwölbende Stelle zu sehen. Sie besteht aus Hautteilen, Rückenmark sowie evtl. Liquor. Man unterscheidet, je nach dem welche Strukturen sich vorwölben, die Meningozele (nur Hirnhäute), die Meningomyelozele (+ Rückenmark), die Meningozystozele (+ Liquor) oder die Meningomyelozystozele (+ Rückenmark und Liquor) Diese Fehlbildungen müssen nach der Geburt sofort operiert werden. Dabei wird primär der eröffnete Rücken geschlossen und das Gebilde abgetragen. Darüber hinaus wird das Rückenmark vom Wirbelkörper gelöst um später einer „Tethered Cord” vorzubeugen. Bild 1: Meningomyelozele © Pschyrembel (Auflage 257) Unter Tethered Cord versteht man eine Überdehnung des Rückenmarks während des Wachstums wenn es im Bereich des offenen Rückens mit umgebendem Gewebe verwachsen ist. Durch die Schädigung des Rückenmarks ergibt sich je nach Schweregrad eine komplette oder inkomplette Querschnittslähmung meist mit Harn- und Stuhlinkontinenz verbunden, da die jeweiligen Schließmuskel ebenfalls gelähmt sind. Die letztliche Ursache für die Fehlbildung ist noch nicht bekannt. Jedoch wissen wir heute, daß das Risiko ein Spina-Bifida-Kind zu gebären sinkt, wenn die Mutter mit ausreichend Folsäure versorgt ist. Dieses Vitamin findet sich vorwiegend in frischem Gemüse, Innereien und in Hefe. Da diese Rückenmarksfehlbildung bereits in den ersten Schwangerschaftswochen entsteht, ist es wichtig bei der Ernährung bereits VOR der Schwangerschaft auf eine ausreichende Folsäurezufuhr zu achten. 3 Was ist Hydrocephalus ? Hydrocephalus bedeutet frei übersetzt „Wasserkopf“. Bei 80 – 90 % der Spina-BifidaBetroffenen kommt es gleichzeitig auch zu dieser Erkrankung. Das Gehirn ist in einer Flüssigkeit gelagert, das Liquor cerebrospinalis (kurz : Liquor) genannt wird. Es hat die Aufgabe das Zentrale Nervensystem vor Druck und Stoß von außen zu schützen. Gebildet wird das Liquor in vier Kammern den sogenannten Ventrikeln. Man unterscheidet zwei Seitenventrikel, den III und den IV Ventrikel. Alle sind durch enge Kanäle miteinander verbunden. Im IV Ventrikel fließt der Liquor durch 3 Öffnungen ab und gelangt an die Oberfläche des Gehirns und in die Wirbelsäule. Wenn die Öffnungen zu eng oder gar völlig verschlossen sind, kommt es zu einem Rückstau und einer Druckerhöhung im Inneren der Ventrikel. Um sich die Dimensionen vorstellen zu können sei gesagt, daß die Menge an Liquor die pro Tag gebildet wird ca. 650 ml beträgt. Das Fassungsvermögen des Liquorsystems beträgt jedoch nur 120 – 200 ml. Pro Tag wird also die drei- bis fünffache Menge produziert. Staut sich der Liquor, so treibt er die inneren Kammern auseinander und verdrängt damit die außen liegenden Gehirnstrukturen. Anders als bei Erwachsenen kommt es im Kindesalter nicht zwingend zu Einklemmungserscheinungen, da die Schädelknochen noch nicht verknöchert sind, und ausweichen können. Zu erkennen ist dies an einer überproportionalen Zunahme des Kopfumfangs und den sogenannten „Hirndruckzeichen“ wie schiefe Kopfhaltung, Nackensteifigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Augenfehlstellungen (Sonnenuntergangsphänomen1), heftige Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Wesensänderungen und Verhaltensstörungen. Wie bei der Meningomyelozele ist auch hier eine rasche Abhilfe durch Operation erforderlich. Um den gestörten Abfluß von Liquor wieder zu normalisieren wird ein künstliches SchlauchVentil-System implantiert. Dieser „Shunt“ zieht von dem Ventrikel-System unter der Haut in die Bauchhöhle. Dort wird der Liquor vom Peritoneum resorbiert. Es sind jedoch auch ShuntSysteme bekannt, die den Liquor in den Magen oder in einen der Vorhöfe des Herzens ableiten. Größtes Problem der Systeme ist die Notwendigkeit, sie regelmäßig zu verlängern, wenn das Kind heranwächst. Dies führt zu ständigen Nachoperationen mit den damit verbundenen Risiken und Belastungen. Die Ursachen für den Hydrocephalus können neben Spina Bifida auch eitrige Entzündungen, Tumore und vieles mehr sein. Daher ist der Hydrocephalus zwar eine schwere Erkrankung, jedoch oft nur Nebenerscheinung einer anderen, oftmals noch schwereren, Problematik. 1 Sonnenuntergangsphänomen: Unfähigkeit die Augen nach oben zu heben 4 Pflegerische Probleme bei Kindern mit Spina Bifida und Hydrocephalus Die Problematik bei Spina Bifida ist sehr vielfältig und von Fall zu Fall unterschiedlich. Die häufigsten Probleme und Belastungen für Kind und Eltern liegen in der Versorgung der Inkontinenz, der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit und der oftmals sehr zahlreichen Operationen vom Säuglingsalter an. In den folgenden Beispielen habe ich mich zwar an einem reellen Patienten, dem 12jährigen Tolga Ö. orientiert, jedoch auch andere mögliche Lösungen genannt. Inkontinenzversorgung Während im Kindesalter die Inkontinenz noch mit verschiedenen Größen von Windeln versorgt werden kann, so möchte der Patient, oder dessen Eltern ab einem gewissen Alter eine bessere / saubere Möglichkeit geboten bekommen. Die Stuhlinkontinenz ist dabei relativ einfach durch regelmäßiges Abführen mittels Einläufen oder Klysmen in den Griff zu bekommen. Dabei ist der Rhythmus auf die Gewohnheiten des Patienten abzustimmen. Als Richtwert können hierbei zuerst einmal drei Tage angenommen werden. Dieser Intervall kann dann den Bedürfnissen und Ernährungsgewohnheiten des Patienten angepaßt werden. Wenn keine völlig schlaffe Lähmung des Schließmuskels besteht, kann auch mit sogenannten Anal-Tampons ein Versuch der Kontinenz Herstellung unternommen werden. Diese sind allerdings nur mit äußerster Disziplin zu benutzen, da sie den Anus vollständig verschließen. Eine regelmäßige Darmentleerung muß gewährleistet sein. Anal-Tampons sind meines Erachtens lediglich zur vorübergehenden Anwendung, z.B. zur Teilnahme am öffentlichen Leben eine vernünftige Lösung. Für die Bewältigung der Urininkontinenz stehen verschiedenste Hilfsmittel zur Verfügung. Urinauffangsysteme wie Kondomurinale sind nur für Männer geeignet und durch den Auffangbeutel auch nur für Rollstuhlfahrer dauerhaft zu erdulden. Für Frauen sind brauchbare Auffangsysteme bislang nicht erhältlich. Der Windel sind sie eigentlich nur bei bekannter Windeldermatitis oder in Ausnahmen (Teilnahme am öffentlichen Leben) vorzuziehen. Bei kleinen Kindern besteht auch die Möglichkeit einen Stomabeutel über das Genitale zu kleben. Allerdings sollten diese keine allzu harten Grundplatten besitzen, damit sie sich den Bewegungen anpassen können. 5 intermittierender Katheterismus Das Mittel der Wahl ist jedoch der intermittierende Katheterismus. Hierbei wird je nach Trinkmenge 4-5 Mal pro Tag die Blase durch Einführen eines dünnen Einmalkatheters entleert. Der intermittierende Katheterismus kann vom Patienten innerhalb weniger Tage erlernt werden. Am besten ist es wenn Eltern und Patient zusammen angeleitet werden, so können die Eltern das Kind zu Hause weiter trainieren, bis der Patient erfahren genug ist, um sich alleine zu versorgen. Bei Tolga wurde dieses Anlernen weiterhin durch die schlechte familiäre Situation erschwert. Bereits bei der Aufnahme wurde deutlich, daß die Eltern nur eine sehr geringe Kooperationsbereitschaft zeigen. Fragen zu Krankengeschichte konnte der 12jährige erstaunlich adäquat und fundiert beantworten, während die Mutter immer wieder auf den langen Heimweg hinwies und das Aufnahmegespräch so knapp wie möglich hielt. Tolgas Vater wartete derweil im Auto. Als besonderes Problem erwies sich in den nächsten Tagen, Tolga von der Notwendigkeit des Selbskatheterismus zu überzeugen. Der Junge war mit seiner Krankheit zwar sehr gut vertraut und aufgeklärt, jedoch hatte er große Hemmungen sich selbst einen Fremdkörper in die Harnröhre einzuführen. Insbesondere da er gerade am Beginn der Pubertät stand und das Schamgefühl daher besonders hoch war. Trotzdem konnte Tolga bereits nach 14 Tagen den Katheter gut genug handhaben, um damit alleine umgehen zu können. Auch wenn er es jetzt noch nicht für notwendig hält, wird er in wenigen Jahren sicherlich von selbst darauf zurückkommen. 6 Quellenverzeichnis: − Pschyrembel Auflage 257 – de Gruyter Verlag − Arbeitsgemeinschaft Spina Bifida und Hydrocephalus e.V. http://www.asbh.de − „Deutsches Ärzteblatt“ Heft 4 (29.1.1999) http://www.aerzteblatt.de − Klinikleitfaden Pädiatrie − Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe 8. Auflage – Thieme Verlag