Theosophie und Philosophie – ihre

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Prof. Dr. Johannes Heinrichs
Theosophie und Philosophie –
ihre gemeinsame Zukunft
Ein hartnäckiges Vorurteil
Die folgenden Ausführungen wollen auf etwas sehr Konstruktives hinaus: auf ein positives Verhältnis von
moderner, auch zeitgenössischer Philosophie und Theosophie. Wobei
ich die Bedeutung der letzteren im
Rahmen dieser Zeitschrift nicht zu
erklären brauche. Beginnen muss
ich jedoch mit Kritik an einem hartnäckigen Vorurteil, das da lautet:
Die Philosophie des Ostens ist eine
spirituelle und auf die Innerlichkeit
des Menschen konzentrierte, die des
Westens dagegen objektzugewandt und
materialistisch.
1
Dieses Vorurteil hört man leichtsinnig
ausgesprochen, etwa bei Yogalehrern
und -schülern, bei solchen (im Grunde
nur exoterischen) Esoterikern, die das
Denken ohnehin verabscheuen, in
geschriebener Form auch bei vielen
populären Autoren in Ost und West.1
Ich werde demgegenüber im ersten
Teil aufzeigen, dass die Spaltung zwischen Materialismus und Spiritualismus (Idealismus) mitten durch die
Philosophie des Westens erst seit etwa
170 Jahren geht, dass in ihr selbst ein
weltgeschichtlich bedeutsamer Kampf
ausgetragen wird, dass es sich also bei
jenem Ausspruch um eine bequeme
Vergröberung und um ein Vorurteil handelt, das manchen zu nützen
scheint.
Die Frage: Wer macht es sich auf solchem Vorurteil bequem und aus welcher Interessenlage heraus, die über
bloße geistige Bequemlichkeit hinausgeht? Sind auch Täuschungsinteressen
im Spiel und wer verfolgt sie? Sind
auch theosophisch Denkende von dieser Täuschung betroffen und fliehen
sie vor der westlichen, „weltlichen“
und angeblich seit langem materialistischen Philosophie, vielleicht zu ihrem
eigenen großen Nachteil?
1. Ein kurzer Gang durch die abendländische Philosophiegeschichte
Im Hinblick auf die antike Philosophie und ihre größten Vertreter wie
Platon und Aristoteles, aber auch die
nachchristlichen Neuplatoniker wie
Philo von Alexandrien und Plotin,
desgleichen für die mittelalterliche
Philosophie, etwa des besonders wirkungsmächtigen Thomas von Aquin,
wäre es offensichtlich völlig abwegig,
von einer materialistischen oder einer
anti-spirituellen Tendenz zu sprechen
– wenngleich Platons Lehrer Sokrates
bezeichnenderweise wegen seiner Vernunftkritik an den religiösen Konventionen hingerichtet wurde.
Doch die neuzeitliche Philosophie
steht zunehmend unter dem Verdacht, prinzipiell
religionskritisch
und antispirituell zu sein – was keineswegs dasselbe bedeutet. Manche
Religionskritik kommt bekanntlich gerade aus spirituellen Wurzeln,
nicht zuletzt auch theosophische
2
Religionskritik die – um des lieben
Friedens mit tonangebenden Konfessionen gern sogar verschwiegen wird.
Kleiner aktueller Exkurs
zur Religionskritik
Gerade während ich dies schreibe,
fällt mir ein Brief des Mahatma Koot’
Hoomi2 in die Hände, der in der von
Hank Troemel herausgegebenen Aus1 |
Ich muss für fachlich näher Interessierte auf
mein zusammenfassendes Buch verweisen:
Integrale Philosophie. Wie das Leben
Denken lernt – gelebte und ausdrückliche
Reflexion, Sankt Augustin 2014.
2 | Mahatma Koot’ Hoomi in: H.P. Blavatsky,
Die Geheimlehre, zus.-gestellt, u. hg. von
Hank Troemel, Hamburg 2003, Nachdruck
o. J. im Aquamarin Verlag Grafing, 537f.
Das Datum der Abschrift dieses Briefes an
A.O. Hume durch A.P. Sinnett lautet:
28. Sept. 1882. Vgl. The Mahatma Letters,
hg. von A. T. Barker 3. Aufl., Madras 1962,
Brief Nr. 10, S. 57-58; vgl. auch Die
Mahatma-Briefe, übers. u. hg. von
N. Lauppert, Satteldorf, 2. Aufl.1994, Bd. II,
S. 213-214. – Vgl. auch S. 2 dieses Heftes.
gabe von H. P. Blavatkys „Geheimlehre“
im Anhang abgedruckt ist. Da findet
sich aus berufenem Munde und aus
spiritueller Motivation die schärfste
Religionskritik, die man überhaupt lesen kann: Nachdem er den negativen
Gebrauch der Freiheit des Individuums als Ursache für „ein Drittel aller
Übel“, thematisiert hat, fährt er fort:
„Wenn ich nun von den Übeln absehe,
die naturgegeben und unvermeidlich
sind (…), will ich nun die verhängnisvollste, die hauptsächliche Ursache für
etwa zwei Drittel aller Übel aufzeigen,
von denen die Menschheit heimgesucht
wird, seit diese Ursache Macht erlangt
hat. Es ist die Religion, in welcher Form
und in welchem Volk auch immer sie
auftritt. Es sind die Kaste der Priester, der
Klerus und die Kirchen. In dieser Institution der Illusionen, die der Mensch als
geheiligt betrachtet, muss er die Quelle
suchen für die Vielfalt von Übeln, die
der Fluch der Menschheit sind und
sie fast ersticken. (…) Es ist nur der
Glaube an Gott oder Götter, der zwei
Drittel der Menschheit zu Sklaven
einer Handvoll von Leuten macht,
die sie mit falschen Versprechen, ihr
Seelenheil zu erwirken, betrügt. Ist
der Mensch nicht jederzeit zu jeder
Schlechtigkeit bereit, wenn ihm gesagt wird, sein Gott oder seine Götter
verlangten diese oder jene verbrecherische Tat von ihn? Ist er nicht das willige Opfer eines illusionären Gottes und
der unterwürfige Sklave einer cleveren
Priesterkaste? (…) Seit zweitausend
Jahren lastet auf Indien das Kastenwesen, und nur die Brahmanen ziehen
Nutzen aus dem Reichtum des Landes, die Anhänger Jesu und Mohammeds bringen sich heutzutage gegenseitig um jeweils im Namen und zum
größeren Ruhm ihrer eigenen Mythen.
Denken Sie immer daran, dass die Summe allen menschlichen Leidens sich so
lange nicht verringern wird, bis der größere Teil der Menschheit die Altäre der
falschen Götter im Namen der Wahrheit, der Moral und allumfassender
Wohltätigkeit niederreißen wird.“
Ich sah es für notwendig an, zu prüfen, ob diese überraschend scharfen
Worte über Religion tatsächlich vom
Mahatma Koot’ Hoomi stammen
und sich auch in der dreibändigen
Ausgabe der Mahatma-Briefe von
Norbert Lauppert finden. Da dies
der Fall ist, muss man sich die Frage
stellen, ob die theosophischen Gesellschaften gut daran tun, solche Kritik
um der Wahrheit und echter Spiritualität willen zurückzuhalten, auch da,
wo sie angebracht und notwendig ist,
wovon ich am Schluss ein markantes
Beispiel bringe, wenngleich das zitierte
Beispiel in Zeiten von islamistischen
Anschlägen wie in Paris und von
Pegida-Demonstrationen an Aktualität gar nicht zu überbieten ist.
3
Neuzeitliche Philosophie von
Descartes bis Hegel
Die gesamte neuzeitliche Philosophie
kann als „Selbstentfaltung der methodischen Reflexion“ charakterisiert werden. Mit dieser scheinbar einfachen
Formel ist viel mehr gesagt, als hier in
Kürze dargelegt und vom philosophischen Laien auf die Schnelle erfasst
werden kann. Es handelt sich darum,
dass das Wesen des Bewusstseins (wie
weniger vollkommen schon des pflanzlichen und tierischen Lebens) Selbstbezüglichkeit ist, und dass unsere ausdrückliche philosophisch-theoretische
Reflexion die Aufgabe hat, der vorhergehenden gelebten Reflexion geordneten und allgemein akzeptablen Ausdruck zu verschaffen.
Dieser Prozess der Selbsterfassung
der Reflexion (der Selbstreferenz oder
Rückbezüglichkeit des Bewusstseins),
einfach gesprochen der Philosophie als
methodische Selbstbesinnung, wurde
bis heute noch keineswegs zu Ende geführt. Er fing in bewusster Weise erst
bei Descartes an.
4
Descartes (1596-1650):
Selbstgewissheit als methodischer
Ausgangspunkt – ohne Thematisierung des Reflexionsvorgangs selbst
René Descartes` berühmter Neuanfang beim cogitans sum, das heißt
allgemein beim Bewusstseinsvollzug
des selbstbewussten Subjekts als des
ersten unbezweifelbaren Zugangs
zu Realität, weist durch das Partizip cogitans darauf hin, dass es sich
um eine Vollzugserkenntnis handelt.
Wenn es standardmäßig heißt, das
Subjekt (der Denkende) werde bei
Descartes erstmals zum Ausgangspunkt des Philosophierens, deshalb
beginne mit ihm die Philosophie
der Neuzeit, dann ist das zwar nicht
falsch. Es lenkt jedoch leicht den
Blick auf das scheinbar Dingliche des
Subjekts und weg vom eigentlich methodischen Neuanfang.
Doch der Discours de la méthode, wie
Descartes seine Frühschrift von 1637
bezeichnenderweise betitelte, ist ihm
das Wichtigste. Er ist etwas scheinbar nur Formales, keine bestimmte
materiale Lehre: Erste Philosophie
als Reflexion auf den unbezweifelbaren Selbstvollzug des Denkenden,
was es inhaltlich schon mal bei Augustinus gab („ich kann nicht daran
zweifeln, dass ich zweifle“), nicht aber
in methodologisch grundlegender
Hinsicht, im Sinne einer Theorie der
Selbstreflexion.
Jene Vollzugserkenntnis des cogitans (des Denkendem im Gegensatz
zu seinen ausgedehnten Objekten:
res extensae) ist aber jedem selbstbewussten Wesen von Natur aus
gegeben. Was den Philosophen auszeichnet, ist „nur“ die ausdrückliche, methodische Reflexion auf diesen Sachverhalt. Reflexion heißt hier
Rückbesinnung: Explizieren (Ausdrücklichmachen) des Impliziten.
Was Descartes noch nicht thematisiert, ist das Verhältnis des impliziten
Bewusstseins (cogitans) zur ausdrücklichen cogitatio des Nachdenkenden.
Er stellt sich noch nicht die Frage: Ist
das implizite Bewusstsein selbst auch
schon als Reflexion zu verstehen?
Wäre die explizite Reflexion dann
etwa „nur“ die Nachbildung einer impliziten?
Wir sind hier mit wenigen Schritten
bei der ganz entscheidenden, bis heute umstrittenen bzw. vernachlässigten
Frage angelangt. Sie kann geradezu
die Leitfrage unserer Charakterisierung der neuzeitlichen Philosophie als
Reflexionstheorie bilden: Was ergibt
sich aus der expliziten Reflexion über
die Natur des Bewusstseins? Ist dieses
selbst schon implizite Reflexion, das
heißt dann Selbstbezüglichkeit, im
Unterschied zu einer differenzlosen
Helle? Lassen sich Bewusstsein (auch
tierisches) und das Selbstbewusstsein des Menschen geradezu von der
Selbstbezüglichkeit her definieren, so
dass ein nicht-reflexives Bewusstsein
geradezu ein hölzernes Eisen wäre?
Diese Frage wird Zündstoff selbst
noch für unsere Zukunft bilden, auch
wenn sie derzeit von der akademischen Philosophie verdrängt wird,
indem diese erst bei der ausdrücklichnachträglichen Reflexion ansetzt.
5
»
»
Exkurs zu Thomas von Aquin
(1224-1274):
eine Reflexionsstufenlehre
In inhaltlicher, vormethodologischer
Hinsicht hat diese Frage nach dem
Subjekt paradoxerweise bereits in
der mittelalterlichen, genauer der
thomanischen Philosophie eine
Antwort gefunden. Thomas von Aquin
spricht von conscientia concomitans,
vom „begleitenden Bewusstsein“. Darüber hinaus entfaltet der Aquinate
an mindestens einer genialen Stelle3
seines Werkes eine Stufenlehre des
Seienden unter dem Gesichtspunkt
ihrer Selbstbezüglichkeit:
Das Reich des Unbelebten, ein
Stein beispielswese, hat nur unreflektierte Äußerlichkeit, was sich
darin zeige, dass Dinge nur nach
Außen wirken können.
Die Pflanzen seien bereits durch
eine erste Stufe der Innerlichkeit
oder Selbstbezüglichkeit gekennzeichnet, was sich in ihrer von
Innen wirkenden Lebendigkeit
und Entwicklung äußere.
»
Die Tiere zeichneten sich bereits
durch eine „reflexio incompleta“
eigener Erlebnisfähigkeit (Sensivität) aus.
»
Der Mensch erst erreiche die
Stufe der „reflexio completa“,
der vollständigen Selbstreflexion,
des Selbstbewusstseins.
Thomas gibt hier im Grunde uralte,
theosophische Weisheit wieder, die
bei ihm aber noch nicht methodisch
systematisch als Reflexionstheorie ausgeschöpft wird. Das ist Sache des neuzeitlichen Denkens.
Dieser kurze Exkurs in die mittelalterliche Philosophie sollte gerade
verdeutlichen, was es heißt, dass mit
Descartes zunächst ein methodischer
Neuanfang eingesetzt hat und was
3 | Thomas von Aquin, Summa philosophica
(Summe wider die Heiden) liber IV, caput 11
.
6
moderne Philosophie sehr grundsätzlich von allen antiken und mittelalterlichen, zunächst auch von allen altüberlieferten theosophischen Weisheiten
unterscheidet.
‚
Descartes inhaltliche, materiale Lehre
entfaltete bei weitem noch nicht den
Reichtum der mittelalterlichen mit ihrem antiken und vielleicht „zeitlosen“
Erbe. Es ging ihm um eine unumkehrbare methodologische Wende in der
Philosophie: die Wende zur Erkenntnistheorie. Nicht die inhaltlichen Wissensschätze als solche zählen künftig,
denn mit vorgeblichen Wissensschätzen war schon allzu viel Missbrauch im
Verein von kirchlichen und weltlichen
Herren getrieben worden. Was nun vor
allem zählte, war die Frage:
Was lässt sich wirklich beweisen oder
zumindest plausibel begründen?
Dennoch liegt in seinem suchenden und Zweifel überwindenden
Praktizieren der Selbstreflexion als
Ausgangspunkt schon das Revolutionäre, das ihm und künftig automatisch
allen kritisch Denkenden die „Dogmatiker“ und Traditionalisten zu Feinden
machte.
Descartes versuchte sich sein ganzes
Leben, doch am Ende vergeblich, zu
verbergen. Am Hofe der schwedischen
Königin Christina wurde er, wie man
heute ziemlich sicher erforscht hat, im
Jahre 1650 vergiftet, vermutlich mit
Hilfe der heiligen Hostie als Mordinstrument!4 Vier Jahre später konvertiert die Königin zurück zum Katholizismus. Es muss sich, ganz kurz nach
dem Ende des Dreißigjährigen Krieges,
an ihrem Hofe heimlich ein heftiger
Konfessionskampf zugetragen haben.
Während Philosophie das ganze Mittelalter hindurch ganz offiziell als ancilla
theologiae, als Magd der Theologie,
galt, blieb sie fortan die Disziplin des
Zweifels, ohne die es keine wirkliche
Gewissheit und anerkannte Wahrheit
mehr geben konnte. Bis heute gilt fürs
Abendland, dass eine Philosophie, welche die erkenntnistheoretischen Fragen außen vor lässt und nicht von den
Fundamenten her begründen kann, im
Kreis der Wissenschaften nicht mehr
ernst genommen wird. Ohne diese erkenntnistheoretische und begründende Komponente kommen höchstens
Weisheitslehren aus, die der moderne
Mensch – ähnlich wie die Glaubenstheologie – sich zur Erbauung anhören
kann, doch nicht wirklich ernst nimmt.
Dass allerdings der philosophische Weg
des (zu überwindenden!) Zweifels in
unseren Tagen oft ein Sichsuhlen im
Zweifel, ja ein Weg der Verzweiflung an
aller Wahrheit wurde, dies war ein notwendiges Risiko, keineswegs jedoch
ein notwendiges Resultat.
7
wurde.Für Spinoza gibt es nur eine
„Substanz“ alles Wirklichen, das Göttliche. Es hat die beiden Attribute oder
Aspekte „Denken“ und „Ausgedehntes“, also Materie.
Baruch Benedikt Spinoza
(1632 – 1677)
Nach Descartes verzweigt sich die
abendländische Philosophie in einen
empiristischen Zweig, der den aufkommenden Naturwissenschaften und
ihrem zumindest methodischen Materialismus immer näher rückte und
stärker im englischen Sprachgebiet
beheimatet war, und einen sogenannten „rationalistischen“ und idealistischen Zweig auf dem europäischen
Kontintent.
Der letztere Zweig wurde maßgeblich
weitergeführt von Baruch Benedikt
Spinoza, der wenig später für Lessing,
Herder, Goethe und die Denker
des deutschen Idealismus wesentlich
8
Was bei Descartes noch methodologischer Ausgangspunkt war, die
Doppelheit von denkendem Subjekt
und ausgedehnten Objekten, bekommt
bei ihm eine ontologische, seinsmäßige
Bedeutung. Ganz in Übereinstimmung
mit dem oben schon zitierten Mahatma-Brief (a.a.O. 535) gibt es nichts als
diese Doppelheit der universalen Substanz der Gottheit als Materie und deren
denkende, geisterfüllte Bewegung.
Man hat das Pantheismus genannt, auf
welche Bezeichnung ich zurückkommen werde.
Es blieb nicht aus, dass Spinoza aus
seiner jüdischen Gemeinde – seine
Vorfahren waren jüdische Immigranten aus Portugal – verbannt wurde.
4 | Vgl. näher, mit Literaturangaben: Doppelmord
an Descartes – Geist und Körper.
www.johannesheinrichs.de/media/155/
cms_4fa8d544e5483.pdf
Leibniz (1646 – 1716)
und Wolff (1679 – 1754)
Nur wegen des
stereotypen, bequemen Vorwurfs
des Materialismus
an die westliche
Philosophie seien
zwei große Köpfe
zwischen Descartes/Spinoza und
Kant wenigstens erwähnt: Gottfried
Wilhelm Leibniz, aus dessen metaphysischer Monadenlehre der theosophische Ausdruck „Monade“ entlehnt ist.
Die maßgebende Monade ist für Leibniz das individuelle Selbstbewusstsein,
die Seele, in der sich die gesamte Wirklichkeit spiegelt (reflektiert).
In Christian Wolffs reichhaltigem,
logisch ausgebautem Lehrgebäude (in
Fortführung von Leibniz wie der protestantischen Scholastik, erstmals auf
Deutsch vorgetragen) spielen die philosophische Gotteslehre und die Lehre
von Menschen als Seelenlehre eine hervorragende Rolle vor der Naturphilosophie (cosmologia). Auch er musste
zeitweise vor der
theologischen
Orthodoxie von
seinem
Lehrstuhl in Halle
fliehen.
Immanuel Kant (1724 – 1804)
Bei aller Achtung vor dem reichhaltigen Stoff der Leibniz-Wolffischen
Philosophie, die Immanuel Kant –
neben Mathematik, Logik usw. seine
lange Zeit als Dozent und Professor
hindurch offiziell lehrte, bezeichnet
er deren Lehrstücke als „dogmatisch“.
Bei ihm gewinnt das Wort „Dogmatismus“ einen nicht-religiösen, einen rein
methodologischen Sinn, insofern neu
an Descartes anknüpfend: Dogmatismus ist vollmundige Theorie ohne
„Kritik“ im Sinne der kritischen Prüfung unserer Erkenntnisvermögen.
„Transzendental“ meint genau diese
reflexive und zugleich vollzugstheoretische (im weiteren Sinne handlungstheoretische, auf „Handlungen des
Verstandes“ bezogene) Wendung:
„Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit
Gegenständen, sondern mit unserer
Erkenntnisart von Gegenständen, sofern diese a priori möglich sein soll,
überhaupt beschäftigt“ (Kritik der reinen Vernunft, B 25).
Warum wählte Kant das Wort „transzendental“, das fortan auch zur Erzeugung von viel blauem Dunst missbraucht wurde, das damals wie heute
für die Uneingeweihten allzu sehr an
„transzendent“ anklingt und sich als
9
Passwort einer philosophischen ScheinEinweihung missbrauchen lässt (wer
von „transzendental“ und „transzendentalphilosophisch“ spricht, scheint
fortan philosophischer Insider)? Warum sprach er nicht gleich von reflexiver Erkenntnis? Die erstaunliche Antwort lautet: Weil selbst Kant die überragende methodische Vorzugsstellung
des Reflexionsproblems noch nicht voll
erkannte.
Ein Ausdruck muss noch herangezogenen werden, der für Kants transzendentale Methode charakteristisch ist:
„Bedingung der Möglichkeit“. Bedingungen der Möglichkeit sind notwendige (und als notwendig aufzuweisende)
Sinn-Implikate in einem gegebenen,
zugestandenen empirischen Bewusst10
seinsvollzug, in einer „Handlung des
Verstandes“, wie diese Vollzüge des Ich
bei Kant heißen.
So ist die Bedingung der Möglichkeit für
eine analytische, nachträgliche Selbsterkenntnis – eine vorgängige, noch nicht
analytische Selbsterkenntnis: „Das: Ich
denke, muss alle meine Vorstellungen
begleiten können“ (KrV, B 131 f).
Eine nicht weniger prominente Bedingung der Möglichkeit für all unser Erkennen und Urteilen ist ferner der Gedanke des Unbedingten. Der Mensch
hat den Gedanken „Alles“, und dieser
spielt als „Horizont“ in all unserem alltäglichen Erkennen, Reden und Tun
eine verborgene Rolle! Dieses All-Bewusstsein ist die Alltagsform von Gottesbewusstsein, wobei die Gottheit für
Kant zwar eines theoretischen Beweises
nicht zugänglich ist, wohl aber ein Postulat der praktischen (ethischen) Vernunft darstellt.
Johann Gottlieb Fichte
(1762 – 1814)
Während Kant von seinen teils empiristischen, d.h. auf die Objekterkenntnis
gerichteten Voraussetzungen her nur
eine formale, keine inhaltliche Selbsterkenntnis des Ich-Vollzuges anerkannte,
war diese inhaltliche Erkenntnis des Ich
für seinen Nachfolger Johann Gottlieb
Fichte schlechthin grundlegend.
Die Halbheiten, die sich aus Kants
schwankender Position in Bezug auf
die Selbstreflexion ergaben, konnten
einem Genie der Selbstbesinnung und
Konzentration, wie Johann Gottlieb
Fichte es war, trotz all seiner positiven
Anknüpfung an Kant nicht verborgen
bleiben.
Fichte ist es, der zum ersten Mal Philosophie als Selbst-Besinnung und SinnBesinnung, das heißt als Reflexionsprozess, geradezu definiert. Er hat die Notwendigkeit einer echten Selbsterkenntnis und eines Zugangs zum „Sein“ aus
der Ichgewissheit erkannt. Die begleitende Selbsterkenntnis heißt bei ihm
und seit ihm intellektuelle Anschauung.
Eine besondere Stufe dieser intellektuellen Anschauung ist bei ihm die mystische Erkenntnis, der er durchaus fähig
war, auch wenn er sie nicht ausdrücklich so nennt und auch noch nicht als
solche strukturell zu analysieren vermochte. Obwohl er wegen AtheismusVorwürfen im Jahre 1800 von seiner
ersten Wirkungsstätte Jena weggehen
musste (auch der liberale Herr Minister
Goethe konnte den Trotzkopf nicht
länger halten), heißt es wenig später
in seiner Religionsschrift „Anweisung
zum seligen Leben“:
„Die Wissenschaft hebt allen Glauben
auf und verwandelt ihn in Schauen“, –
ein ungeheuer provokativer Satz, der
sich 2012, anlässlich von Fichtes 250.
Geburtstag, auf der 70er Briefmarke der
Deutschen Post fand. Fichte ist der Philosoph der Innerlichkeit schlechthin.
Deshalb sein unvergleichlicher Einfluss
auf die frühen deutschen Romantiker.
Sein philosophischer Schüler, der
Dichter Novalis formulierte:
„Wir träumen von Reisen
durch das Weltall:
ist denn das Weltall nicht in uns?
Die Tiefen unseres Geistes
kennen wir nicht. –
Nach Innen
geht der geheimnisvolle Weg.
In uns oder nirgends ist die Ewigkeit
mit ihren Welten,
die Vergangenheit und Zukunft“
(Blüthenstaub).
11
Spätestens hier wird deutlich, wie haltlos es ist, das abendländische Denken
pauschal als extravertiert und bloß objektzugewandt zu charakterisieren.
Fichte war ein notwendiges Verbindungsglied zu Friedrich Wilhelm
Schelling (1775-1853), seinem direkten Schüler, der später unter anderem
eine umfangreiche „Philosophie der
Mythologie und Offenbarung“ verfasste. Ungleich wirkmächtiger aber
wurde Hegel, dessen Jenaer Habilitationsschrift vom Unterschied zwischen
Fichtes und Schellings System handelte.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
(1770 – 1831)
Hegel hat sich von den „Reflexionsphilosophien“ seiner Vorgänger
(Kant, Fichte, Schelling und anderer)
abgesetzt, sosehr er deren Erbe und
vorläufiger Vollender war. Er wollte die
„Reflexion in Ich“, also die Subjektivität
der Reflexion, die er bei Fichte vorwalten sah, überwinden zugunsten des
„reinen Zusehens“ zur „eigenen, immanenten Entwicklung der Sache selbst“,
in der vorhin eingeführten Sprache: Er
wollte die theoretische Reflexion ganz
in den Dienst der gelebten Reflexion
oder der Reflexivität des Lebens und
der Gesellschaft selbst stellen.
Es geht an dieser Stelle nicht darum, wieweit ihm dies gelungen ist,
12
m. E. gerade in seiner „Wissenschaft
der Logik“ weniger als in der
„Phänomenologie des Geistes“ und
seinen großen Berliner Vorlesungszyklen. Vielmehr ist es darum zu tun,
das durchgehende Grundanliegen
Hegels und seine spezifische Stellung
in der Geschichte der philosophischen
Reflexion bis heute zu erfassen: Die
Reflexion konstituiert bei ihm das
innere Leben sowohl der Naturdinge wie die Geistesgeschichte, die er
als einen Prozess der fortschreitenden
Selbstreflexion der Menschheit deutet.
Religion ist in Hegels Sicht das Selbstbewusstsein des Absoluten, Gottes.
Er entäußert sich als „Sohn Gottes“ in
Natur und Menschengeschichte. Der
antwortende Geist der religiösen
Gemeinde, letztlich der ganzen Menschengemeinschaft ist der „Heilige
Geist“ – womit Hegel eine gewagte
Interpretation der göttlichen Dreifaltigkeit gibt, die jedoch dem Urchristentum näher steht als das welttranszendente göttliche Dreierkollegium der
kirchlichen Orthodoxie.
Die große Zweideutigkeit in Hegels
philosophischer Interpretation der
christlichen Theologie (welche Interpretation übrigens frühe Anregungen
dem schwäbischen Theosophen Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782)
und rosenkreuzerischem Schrifttum
verdankt) liegt in folgender Frage:
Hat die Gottheit ein Selbstbewusst-
sein vor aller Entäußerung in die
Menschengeschichte – oder gewinnt
sie dieses Selbstbewusstsein erst im
religiösen bzw. philosophisch denkenden Menschen, der sich seiner eigenen
Göttlichkeit, d.h. seiner Unendlichkeitskomponente, bewusst ist?
An dieser Frage schieden sich nach
Hegels frühem Tod (1831, ein Jahr
vor Goethe, doch im Unterschied
zu diesem bereits mit 61 Jahren!)
die christlichen Rechtshegelianer von
den atheistischen Linkshegelianern,
zu denen bald Ludwig Feuerbach
und Karl Marx zählten.
Der Pantheismus
Meister Koot’ Hoomis
Dieselbe Frage aber stellt sich im oben
zitierten Mahatma-Brief. Der Meister
Koot’ Hoomi gibt darin sogar eine
unverblümt pantheistisch klingende
Antwort:
„Und was nun Gott betrifft – wir
können ihn (oder es) weder als ewig
oder unendlich noch gar als selbstexistent betrachten, da niemand ihn (oder
es) jemals gesehen hat – es sei denn,
man verstehe unter der Bezeichnung
‚Gott‘ nichts anderes als das eigentliche
Wesen, die Natur dieser grenzenlosen,
ewigen Materie, ihre Energie und ihre
Bewegung. (…)
13
Mit Verachtung lehnen wir nicht nur
die theistische Theorie ab, sondern
auch die des Automatismus, nach der
Bewusstseinszustände durch die Anordnung von Gehirnmolekülen hervorgerufen werden“ (a. a. O. 534 f).
In dieser Ablehnung des Theismus,
eines Gottes außerhalb des materiellen
Universums also, wie gleichermaßen
des Materialismus, weist der Mahatma
einen Weg, den die Menschheit nach
dem sogenannten „Zusammenbruch
des deutschen Idealismus“, nach Hegels
Tod, nicht mehr aus eigenem Nachdenken weitergegangen ist.
Der naturwissenschaftliche Materialismus trat an die Stelle einer Philosophie vom menschlichen Selbstbewusstsein, indem er die erkenntnistheoretische Kluft zwischen erkennendem Subjekt und den materiellen Objekten der Forschung einfach ignorierte.
Mit dieser unphilosophisch-pragmatischen Einstellung kamen die Naturwissenschaften allerdings sehr
weit. Erst Werner Heisenberg erinnerte daran, dass die Möglichkeit
der Messung von Impuls oder Masse
von Elementarteilchen vom untersuchenden Subjekt abhängt. Hiermit
klopfte die sonst verleugnete erkenntnistheoretische Problematik auch
wieder an den Pforten der Naturwissenschaften, obwohl deren Vertreter
bis heute nicht nur allgemein einen
methodologischen, sondern mehrheit-
14
lich auch einen dogmatischen NurMaterialismus vertreten, bis hinein
in die Leugnung der Willensfreiheit
durch einen Teil Hirnforscher – auch
wenn diese in den letzten Jahren wieder
bescheidener und besonnener werden.
Eigentümlicherweise folgt dem materialistischen Trend unter dem abschwächenden Titel „Naturalismus“ – ein
Großteil der zeitgenössischen Philosophie, soweit diese überhaupt noch
systematische Positionen vertritt und
sich nicht in der Philologie früherer
philosophischer Schriften erschöpft.
Die Grundhaltung hinter der philologisch-historischen Philosophie unserer Tage ist ein Agnostizismus, d.h. ein
heimliches Aufgeben der Wahrheitsidee.
Dagegen wendet sich unser Mahatma
im selben, so wichtigen Brief mit
erfrischender Vehemenz:
„Man mag uns als Pantheisten bezeichnen, aber Agnostiker? NIEMALS.“
(a.a.O. 531)
Das Verständnis der Gottheit
als „Selbstbewusstsein des
Universums“
Der Verfasser ist einer der wenigen in
der zeitgenössischen philosophischen
Szene, die diesem uneingestandenen
Agnostizismus des philologisierenden Mainstreams in der Philosophie
die Stirn bieten. Und zwar durch systematische Weiterentwicklung der
Reflexionstheorie des menschlichen
Selbstbewusstseins, die den logischen,
aber verleugneten Kern des deutschen
Idealismus ausmacht. Es ist hier nicht
der Ort, länger auszuführen, worin
diese Weiterentwicklungen liegen, welche Autoren ihm dabei behilflich waren
und auf welche großen Gebiete der Philosophie sich das auswirkt.
Allein zu dem vorhin genannten Problem der philosophischen Theologie
nach Hegel wie zugleich im Brief des
Mahatma sei ein wichtiger Punkt benannt:
Versteht man „Person“ in einem nicht
vorstellungsmäßigen und verdinglichenden Sinne, sondern reflexionstheoretisch, so lässt sich sagen, dass
das Wesen der Person die Struktur der
Selbstbezüglichkeit sei. Person ist ein
selbstbewusstes, weil voll selbstbezügliches Wesen, gleich mit welcher Form
von Leiblichkeit.
In diesem nicht vorstellungsmäßigen,
sondern rein logischen Sinne darf gefragt werden, ob das Universum als
ganzes in einem Selbstbewusstsein
zentriert sei, Selbstbewusstsein habe.
Mein Verständnis der Gottheit weicht
nicht von dem vehementen, sozusagen spirituellen Materialismus Koot’
Hoomis ab, wenn ich diese Gottheit als
„Selbstbewusstsein des Universums“
verstehe.
In dieser Formel liegt der Abweis
irgendeines Dualismus von Universum
und Gottheit, zugleich von Spiritualismus und Materialismus, ohne jedoch
die Unterschiede zwischen diesen Begriffspaaren zu leugnen. Das Universum kann als Leib der in einem eminenten, unser Begreifen übersteigenden
Sinn selbstbewussten Gottheit verstanden werden.
„Praktische“ und ethisch orientierte
Menschen, die dergleichen vielleicht
als folgenlose Spekulation anzusehen
geneigt sind, seien wenigstens kurz
darauf hingewiesen, dass diese Sicht
Folgen hat, zum Beispiel für die Einheit
und Unterschiedlichkeit der Stufen
von Liebe, allgemein (mit Platon) verstanden als Streben der Individuen zur
Einheit, als da sind:
1. Sexualität als körperliche Einheit,
2. Eros als Spiel der Schönheit in der
je-subjektiven Vorstellung,
3. Freundschaftsliebe (philia), und
4. spirituelle Liebe, deren Einheit
durch das göttliche Sinn-Medium
vermittelt ist.5
Diese Liebesarten sind verschieden und
dürfen zwar nicht vermischt, aber auch
nicht länger gegeneinander ausgespielt
werden.
5 | Vgl. zu diesen vier Hauptstufen der Liebe
vorläufig v. Verf.: Die Liebe buchstabieren,
2. Aufl. Weinheim 1994
15
2. Theosophie als Philosophie oder als Glaubenstheologie?
Die Gottesfrage ist ein besonders markantes Beispiel für die Erkenntnisse
einer spirituellen Philosophie, die mit
Theosophie identisch sind. (Sonst
würde Meister Koot’ Hoomi in seinem
Brief auch nicht philosophisch argumentieren.) Wie weit reicht nun diese
Identität? Ist Theosophie nicht eher
eine Glaubenssache, die auf Offenbarung durch die Meister der Weisheit
an Madame Blavatsky und andere
beruht?
Wie steht es mit der Lehre von der vielfachen Wiedergeburt (Reinkarnation)
des Menschen? Wie mit der Lehre von
der siebenfältigen Konstitution des
Menschen? Wie mit der Erkenntnis
der Existenz der Meister selbst? Wie
mit den Lehren von der Geistigen Hie-
16
rarchie, vom planetaren Logos, vom
Sonnenlogos und anderen Logoi? [...]
Bedeutungen von „Glauben“
Um die Frage nach dem Verhältnis von
Glaube und philosophischem Denken
zu beantworten, müssen zunächst
verschiedene Glaubensformen und
-begriffe im philosophischen und religiösen Zusammenhang unterschieden
werden:
1. Glaube als Für-wahr-halten einer
religiösen Lehre, die man zwar nicht
selbst einsieht, die man jedoch aufgrund einer religiösen Autorität
akzeptiert. Zweifellos wurde der
religiöse, besonders der christkatholische Glaube, jahrtausendelang
meist so verstanden. Doch wir sehen,
dass es sich im Grunde um einen
Autoritätsglauben handelt: Ich akzeptiere Wahrheiten, weil die Autorität
sie lehrt. Vorausgesetzt ist dabei der
Glaube an diese Autorität der „heiligen katholischen Kirche“. Ihr vertraut
der Gläubige primär, nicht primär
dem Göttlichen. Wenn solcher Glaube
etwas Religiöses gegenüber anderem
Autoritätsglauben hat, dann nicht
allein wegen der Inhalte, die meine
zeitliche und ewige Existenz betreffen,
sondern weil die Kirche selbst als heilige Gemeinschaft selbst geglaubt wird.
Ähnlich glaubt ein Kind seinen Eltern,
weil es sie als stark und fast „allwissend“ erlebt.
2. Gegenüber solchem katholischen
Glauben als Fürwahrhalten dessen,
was ich selbst nicht einsehe, betonte
Luther die Komponente des Vertrauens auf Gott. Die kirchliche Vermittlung solchen Vertrauens blieb bei
diesem teilweise mystisch, also selbst
erlebenden Reformator ausgeblendet.
Nach evangelischer Lehre ist es allein
diese vertrauende Selbstauslieferung
des Gläubigen an Gott, die den Menschen „rechtfertigt“, sogar unabhängig
von allen guten Werken, die allenfalls
daraus folgen. Die Inhalte des Glaubens treten zunächst zurück, werden
aber doch als Glaubensbekenntnis und
dessen konfessionelle Interpretation
(z.B. die Augsburger Konfession von
1530) bedeutsam.
3. Glaube als Offenheit und Zutrauen
zu einer Botschaft, die als Vorgabe
für fortschreitende eigene Einsicht
dient. In diesem Sinn formulierte der
Apostel Paulus (nach H.P. Blavatsky
ein hoher Initiierter): „Der Glaube
kommt vom Hören“ (Römerbrief 10,
17). Dieses Wort, das auf die allgemeine
dialogische Struktur des menschlichen
Erkennens abhebt, kann offensichtlich leicht für den bloßen Autoritätsglauben im Sinne von 1 missbraucht
werden, muss aber nicht. Dialogische
Vorgaben, also Botschaften von Seiten höherer Eingeweihter für eigene
Erfahrung und eigenes Denken
spielen auch in der Theosophie eine
wesentliche Rolle. Das unterscheidet
sie zunächst von „bloßer Philosophie“.
Doch verdirbt ein Mathematiklehrer
durch seine Anleitung notwendig die
„reine Mathematik“, also deren eigenes
Begreifen durch den Schüler? Verdirbt
ein Klavierlehrer durch seine Anleitung das eigene Können der Schüler?
Botschaften und Anleitungen der
Meister können freilich leicht mit dem
dauerhaften Verzicht auf eigene Einsicht bzw. Erfahrung verwechselt werden. Offensichtlich wollen uns jedoch
die Meister aus dieser eigenen Verantwortung für unsere Erkenntnis für
Erfahrung und Denken nicht entlassen.
17
Der Tibetische Meister schickt seinen
an A. Bailey übermittelten Büchern
regelmäßig voran:
„Wenn die dargebotene Lehre in dem
erleuchteten Denken des Welten-Arbeiters ein Echo findet und in ihm blitzartig
Erkenntnisse auslöst, dann möge die
Lehre angenommen werden. Sonst nicht.
Wenn sich die in der Lehre aufgestellten
Behauptungen schließlich und endlich
mit den gefundenen Bestätigungen
decken, oder wenn sich das anfänglich
gutgläubig als wahr Hingenommene
nach dem Gesetz der Analogie als wahr
herausstellt, dann ist es recht und gut.
Sollte das aber bei einem Studierenden
nicht der Fall sein, dann nehme er das in
den Büchern Gesagte nicht an.“
Die persönliche Verifizierung der
Meister-Botschaften kann und braucht
– wohlgemerkt – nicht allein über das
logisch-philosophisch geschulte Denken geschehen. Sie kann auch durch
eigene spirituelle Lebenserfahrung
und durch Intuition (eine Form der im
Zusammenhang mit Fichte erwähnten
intellektuellen Anschauung) erfolgen.
Jedenfalls liegt darin eine persönliche
wie gemeinschaftliche Aufgabe – im
Unterschied zur Bequemlichkeit des
bloßen Autoritätsglaubens.
Eine Alltagsform von Offenbarung
sind intuitive oder sogar mystische
Einsichten: plötzliche Erkenntnisse
und Ahnungen, für die wir keine
rationalen Gründe haben, aber auch
18
mediale Botschaften, deren Seriosität
geprüft ist. Wenn oben für sorgfältiges
Denken plädiert wurde, wird damit
keineswegs die Alleinzuständigkeit
des rationalen Denkens behauptet.
Außerdem weiß jeder selbstständig
philosophisch Denkende um den
intuitiven Einschlag sogar im Denken
selbst, das sich ja ausdrücklich auf die
intellektuelle Anschauung in all ihren
Formen stützt.
4. Sinnglaube.
Eine vierte Form des Glaubens besteht
in der Treue zu sich selbst und zu
seinen eigenen, einmal erlangten Einsichten.
Der stark philosophisch geprägte, eher
untypische evangelische Theologe Paul
Tillich (1886-1965), der 1933 in die
USA auswanderte, definiert Religion
in einer nicht-fundamentalistischen
Weise als „Verhältnis zu dem, was
uns unbedingt angeht“ (Systematische
Theologie in 3 Bänden, engl. Original
1963) und Glaube als ein mutiges
Festhalten an den diesbezüglich
erkannten „ultimate values“. Eine
andere Schrift Tillichs heißt Mut zum
Sein (Courage to be). Dieser „Mut zum
Sein“, die grundlegende Daseinsbejahung aufgrund des Festhaltens an den
eigenen diesbezüglichen Einsichten
und Werterfahrungen (die erfahrungsgemäß verdunkelt werden können wie
die Sonne von den Wolken), dies kann
sinnvoll der Glaube eines Menschen
Fazit
Welches Fazit ergibt sich aus diesen
Unterscheidungen am Glaubensbegriff für die oben gestellten Fragen und
für das Verhältnis von Theosophie
und Philosophie? Ich möchte meine
Antwortversuche in folgenden Thesen
zusammenfassen:
Paul Tillich
genannt werden, wie vorsichtig auch
immer dieser Glaube sich inhaltlich
ausartikulieren, in den wechselnden
Herausforderungen des Lebens ausbuchstabieren mag.
Wir sind mit diesem vierten Glaubensbegriff natürlich weit von Glauben als
bloßem Fürwahrhalten aufgrund einer
aus irgendwelchen Gründen akzeptierten Autorität entfernt, auch von
dem noch recht kindlich und patriarchalisch geprägten Gottesvertrauen
Luthers. Eingeschlossen ist jedoch in
diesem Sinnglauben die dialogische
Offenheit für Botschaften oder für
persönliche Zeugnisse (3.). Denn auch
Sinnglaube oder „Mut zum Sein“ ist
kein bloß selbstbezogener Monolog,
sondern ein dialogisches Geschehen.
1.hDie Theosophie als Lehre ist einerseits mit einer spirituellen Philosophie identisch. Eine moderne
spirituelle Philosophie ist keineswegs, wie die christlichscholastische Philosophie, bloß die
Magd einer Theosophie als neuer
.
Glaubenstheologie.6
2. Dies anzuerkennen, bedeutet auch
zu begreifen, dass philosophisches
Denken nicht bloß etwas fürs Ober
stübchen ist, sondern den ganzen
Menschen verändert. Der erwähnte
J. G. Fichte sagt irgendwo: „Was für
eine Philosophie man hat, hängt
davon ab, was für ein Mensch man
ist. Denn Philosophie ist nicht ein
toter Hausrat.“ Umgekehrt: Wenn
man, gestützt auf die intellektuelle
Anschauung des Selbstbewusstseins,
selbst zu denken bzw. solche Gedanken nachzuvollziehen vermag, wird
man ein anderer Mensch. Das gelebte
„Sein“ selbst (die gelebte Selbstrefle
xion) verändert sich durch solche
methodische Selbst-Besinnung. Und
19
diesem Sein folgt das Handeln, also
auch die Wertqualität des Handelns,
die Ethik.7
Wer Theosophie aber zu schnell auf
eine Ethik reduziert, schließt sich
den kraftlosen Priestern an, die seit
zweitausend Jahren „Nächstenliebe“
predigen, mit höchst geringem
Erfolg, sofern das Sein der Gläubigen
durch ihren „Glauben“ nicht verändert wird. Eine Lehre, die sich zu
einer bloßen Ethiklehre bescheidet,
gibt sich als den Menschen verändernde Erkenntnis selbst auf, macht
sich überflüssig. Wo hauptsächlich
und voreilig moralisiert wird, ist dies
ein deutliches Anzeichen dafür, dass
eine Gruppe nicht (mehr) wirklich
aus dem Fundus des Erkennens
sowie des Staunens und Meditierens
über die erkannten „offenbaren
Geheimnisse“ (Goethe) schöpft. Es
gilt also, die verwandelnde Kraft des
Erkennens (Wahrnehmen, Denken,
Fühlen und Intuition!) ernst zu
nehmen. Gutes Handeln ist – den
guten Willen vorausgesetzt – die
Frucht guten Erkennens.
3..Das bedeutet aber nicht, dass
philosophisches Denken samt eigenem Intuieren alles ist. Es verbindet
sich mit dem Hinhören auf die
Botschaften Fortgeschrittener, auch
auf die medialen8 Botschaften dazu
besonders Begabter. Diese Botschaften betreffen zum Teil Erkenntnisse,
20
die wir uns aus eigenem Denken
noch nicht anzueignen vermögen.
(Ich möchte in diesem bemessenen Rahmen nicht den Versuch
unternehmen, hier eine bestimmte
Grenzlinie zu ziehen.) Zum andern
Teil betreffen diese Botschaften konkrete Handlungsentscheidungen, die
wir ständig treffen müssen. Vieles
an unseren Entscheidungen ist nicht
Sache der ethischen Gewissensabwägung, sondern der Klugheit, des
Erkennens. “Im Dunkeln leben,
im Dunkel tun, was wir können“
(Gottfried Benn), das ist Teil der
menschlichen Grundsituation. Und
darin bedürfen wir oft der Hilfe und
des Rats, sei es von Gleichgestellten,
sei es von Höheren, auch ehemals
sogenannter „okkulter“9 , d.h. medialer Fähigkeiten.
4. Wenn der Leser aus dem Vorhergehenden einen gewissen Enthusiasmus und sogar Optimismus für
philosophische Strukturerkenntnis
herausgelesen hat, auch für die in
der Neuzeit mit Recht so betonte
erkenntniskritische Frage nach der
Herkunft und Begründung von
Erkenntnissen, so hat er richtig
gelesen. Der Autor ist jedoch realistisch genug, die Grenzen der philosophisch-allgemeinen Erkenntnis
anzuerkennen. Für alles Erkennen
aber, auch für das spezifisch spirituelle Erkennen, auch für das unmittelbar handlungsbezogene Ringen
um Licht auf dem Weg behält diese
erkenntniskritische Forderung ihr
Recht, über die immer strukturellallgemeine Erkenntnis der Philosophie hinaus: Worauf stützt sich diese
Erkenntnis, wem verdanken wir,
wem verdanke ich persönlich sie?
Ist sie echt und fruchtbar? In dieser
Form ist die Frage nicht neu. Der (in
H.P. Blavatskys Sicht) Gnostiker Paulus zum Beispiel ermahnt seine von
„esoterischen“ Geistesgaben trunkenen Korinther zur „Unterscheidung
der Geister“ und zeigt den Weg
der erleuchteten Liebe als über alle
Gnosis (Erkenntnis) hinausführend
auf (1 Kor. 12 u. 13). Wer aber nicht
weiß, was wesentliche Erkenntnis ist,
sollte auch nur ganz bescheiden von
Liebe reden.
Die in manchen „esoterischen“
Kreisen beliebte Entgegensetzung
von „Kopf “ und „Herz“ ist alles
andere als ganzheitlich, nämlich
platt – jedenfalls nicht theosophisch.
Da war der „Atheist“ Nietzsche,
der just zur Zeit der Gründung der
Theosophischen Gesellschaft (1875)
ahnungsvoll vom „Übermenschen“
sprach, schon weiter: „Ich liebe den,
der freien Geistes und freien Herzens
ist: so ist sein Kopf nur das Eingeweide seines Herzens, sein Herz aber
treibt ihn zum Untergang“ (Also
sprach Zarathustra, Vorrede 4). Es ist
der Untergang in das Übermenschliche, ohne Achtung für die Todesgrenze, mit dem die Religionen des
Bürgertums so wirkungsvoll drohen.
H. P. Blavatskys Geheimlehre trägt den
Untertitel „Die Vereinigung von Wissenschaft, Religion und Philosophie“.
Eine erschöpfendere, zeitgemäße
Interpretation dieses Titels würde
nochmals neue Gedankengänge herausfordern. Es ging hier zunächst um
das Verhältnis der Theosophie zu einer
Philosophie, die selbst wissenschaftlich und keine bloße Weisheitslehre
sein will.
6 |
In diesem Punkt weiche ich – auch wegen
der nach mehr als einem Jahrhundert stark
veränderten geistesgeschichtlichen Situation
- ab von Franz Hartmanns Ausführungen in
Was ist Theosophie, Wien 1902. Hartmann
stand unter dem Eindruck einer dekadent
werdenden abendländischen Philosophie
sowie einer starken kirchlichen Glaubenstheologie, welche die Philosophie als „Magd“
in ihren Dienst nahm.
7 | Dazu näher v. Verf., Integrale Philosophie,
Kap. 9.
8 | Die theosophischen Lehren unterscheiden
dabei zwischen passivem Mediumismus
und aktivem wachen Klarblick
9 | Das Wort „okkult“ scheint mir inzwischen
– zumindest im deutschen Sprachgebrauch–
nicht nur verbraucht, sondern geradezu
verbrannt zu sein. Okkultismus wird in
der Öffentlichkeit unwillkürlich mit Obskurantismus gleichgesetzt. M.E. sollte
man nicht durch Festhalten an alten
Wörtern die Akzeptanz der zeitlosen und
doch stets neu zu erarbeitenden
Weisheit gefährden.
21
Zur Frage vom Anfang: Wem nützt die
Spaltung und Verwirrung?
Anfangs wurde die Frage gestellt:
Wem nützen die schiefen Entgegensetzungen wie Kopf und Herz, Ost und
West, Materialismus und Idealismus,
Empirismus und Rationalismus? Wie
aufgezeigt, ist die Kennzeichnung der
ganzen abendländischen Philosophie
als bloß objektzugewandt und materialistisch ein tendenziöser Unsinn, der
nur durch Ignoranz fortdauern kann.
Er dient der Verweigerung ganzheitlichen Denkens.
Kirchen und Naturwissenschaften
haben sich im 19. Jahrhundert zwar
heftigst bekämpft, in Sachen Evolutionstheorie, Bibelverständnis, Glauben
und Wissen, Gott oder Materie und
allem. In einem waren sie sich jedoch
einig und sind es geblieben: in der
Abwehr jenes selbständigen Denkens,
das auf Besinnung auf die Innerlichkeit
des Menschen beruht und in solcher
Konzentration zugleich Meditation
ist. Die Denker seit Hegel standen
zwischen Kirche und technischem
Fortschrittsrausch für ein Denken
aus der Innerlichkeit, zwischen einer
Bourgeoisie, die werktags Geld und
das soziale Unrecht vermehrte und
sonntags in die Kirche ihrer Religionspartei ging. Unbequeme Leute wurden
scharenweise ins soziale, kirchliche,
wissenschaftliche Abseits gestellt, teils
in Tod und Wahnsinn getrieben.
22
Die neuere Theosophie mit ihrer Lehre
von den Meistern im Hintergrund des
Weltgeschehens entstand mitten in
diesen Kämpfen der zweiten Hälfte
des – wie auch immer – unerhört
fortschrittlichen 19. Jahrhunderts. Die
universitäre Philosophie aber erlebte
– trotz vieler gelehrter Historiker und
Philologen ihres Faches – einen Niedergang, von dem sie sich bis heute
bei Weitem nicht erholt hat. Eine
Erholung vom nationalsozialistischen
Heidegger und vom rationalistischen
und gleichzeitig die Sprache fetischisierenden Wittgenstein hin zu einem
ganzheitlichen Denken, in welchem
Tiefe und Klarheit eine Einheit bilden,
ist noch schwerer als die äußere Erholung von den Weltkriegen.
Ludwig Wittgenstein schließt seinen
hochrationalistischen Tractatus logicophilosophicus (1921), den er selbst
später zugunsten seiner nicht minder
fehlerhaften und hochmütigen Philosophischen Untersuchungen (1953)
widerrufen hat, mit diesen Sätzen:
„Es gibt allerdings Unaussprechliches.
Dies zeigt sich, es ist das Mystische“
(6.522). – „Wovon man nicht sprechen
kann, darüber muss man schweigen“
(6.54).
Dies ist viel verwendetes, scheinwissenschaftliches Wasser auf die Mühlen
aller Obskurantisten, die Denken und
„Glauben“ trennen wollen, um beide
der Willkür
auszuliefern! Heidegger,
Ludwig
Wittgenstein
Hitler und Wittgenstein gehören
alle dem Jahrgang 1889 an, der für
Irrationalismus offenbar besonders
anfällig war.
Ein anderer Satz aus dem frühem
Werk Wittgensteins hat den sogenannten Linguistic Turn ausgelöst:
„Die Grenzen meiner Sprache
bedeuten die Grenzen meiner Welt“
(Tractatus 5.6). Mit diesem schön
klingenden,
populistischen
Satz
wurde der unendliche Sinn-Horizont
des Menschen auf die Zufälligkeiten
der sprachlichen Ausdrucksweisen
eingeschränkt und die Möglichkeit
einer wirklichen Rekonstruktion
der Sprache(n) aus den allgemeinen,
sozusagen heiligen Sinnstrukturen bis
heute verbaut10. Erst allmählich wird
die Unhaltbarkeit jenes Satzes (im
strengeren Verständnis!) von Wittgenstein und der damit verbundenen
Haltung vereinzelt und widerstrebend
zugegeben. Dem für die Unendlichkeit
des Sinnes (Logos) offenen Menschen
dient die Sprache als wunderbares,
wenn auch unzulängliches Ausdrucksinstrument, nicht etwa als LinguaKäfig, in welchem er eingesperrt
bleibt. Der zeitweilige Erfolg solcher
Strömungen von der angeblichen
„Unhintergehbarkeit der Sprache“
muss, ebenso wie die Pseudomystik
des Heideggerschen Seinsdenkens
und der Erfolg Hitlers, energetische,
im Astralbereich verwurzelte Gründe
haben! Nur dass Wittgenstein im
Bereich des angelsächsischen Kapitalismus und der ihm entsprechenden,
heute dominierenden, oberflächlichen
„Sprachanalyse“ ungleich nachhaltiger
wirkmächtig wurde.
Denn das akademische Mittelmaß
ist ebenso autoritätshörig, unselbständig wie das religiöse und politische „Fußvolk“. Nur treten bei den
durchschnittlichen Universitätsleuten
materielles Sicherheitsbedürfnis, Ehr10 |
Wovon die Rede ist, hat der Verf. in
seinem 5-bändigen Werk „Sprache“,
München 2008/9 ausführlich dargelegt.
Dergleichen findet jedoch, trotz oder
wegen sorgfältiger reflexionslogischer
Begründung, erst bei wenigen
universitären Wahrheitssuchern
Beachtung.
23
geiz und Prestigedenken hinzu, die
mindestens so wahrheitsfremd und
geisttötend sind wie der Traditionalismus und das Herrschaftsgebaren
im Religiösen. Es handelt sich aber
um kommunizierende Röhren des
die echte Wahrheitssuche verratenden
Mitläufertums, des akademischen, des
religiösen wie des politischen.
Heute fristet die Universitätsphilosophie in den deutschsprachigen Ländern
ihre eher philologisch-historisierende
Existenz neben den theologischen
Fakultäten beider Konfessionen. Abgesehen davon, dass ihre Freiheit auch
intern durch „Konkordatslehrstühle“
in den Fachbereichen Philosophie (in
sorgfältig verschleierter Nachfolge
des Konkordats zwischen Hitler und
Papst Pius XI. von 1933!) heimlich
untergraben wird, kommt eine verhängnisvolle Arbeitsteilung zustande:
indem spirituelle Philosophie fast
nur innerhalb der theologischen
Fakultäten, ja direkt als konfessionelle
Theologie überlebt, Philosophie damit
in diesem zentralen Bereich für die
Freiheit des Denkens verloren ist. Der
Missstand, dass Glaubensdisziplinen,
also die konfessionellen Theologien,
das Privileg genießen, an staatlichen
Universitäten als Wissenschaften finanziert zu werden, wird m..E. nicht mehr
lange aufrecht zu erhalten sein. Die
Zeichen dafür mehren sich, auch wenn
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man derzeit noch bemüht ist, aus
Paritätsgründen zusätzlich Lehrstühle
für jüdische und islamische Theologie
einzurichten.
Theosophisch Strebende sollten derartige Zustände und die Spaltung
der Philosophie bzw. ihr scheinbares Einverständnis mit konfessionellem Autoritätsglauben nicht
länger völlig stillschweigend und
verängstigt mittragen, weil sie sich
selbst in Gesellschaft und Akademie
nur geduldet fühlen. Wir sollten daher
aber auch die Theosophie selbst nicht
einfach als eine weniger privilegierte Glaubenstheologie neben
der christlichen verstehen! Sie ist
eine konfessionsunabhängige spirituelle Philosophie! Der zitierte
Meister Koot Hoomi spricht eine
solche, eine argumentativ-philosophische Sprache.
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