Napoleon und die Sache mit dem Büchsenöffner

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Gasthof Schlüssel in Waldenburg BL
Napoleon und die Sache
mit dem Büchsenöffner
Der Gasthof Schlüssel in Waldenburg hat in
seiner langen Geschichte einiges erlebt.
Sagenumwoben ist vor allem Napoleons
Besuch im Jahre 1797. Neueren Datums ist
eine Episode, für die der heutige Pächter
Roland Herrmann verantwortlich ist und die
sich um einen Büchsenöffner dreht.
Knapp 20 Jahre ist es her, als der inzwischen
verstorbene Schweizer Gastropapst Silvio Rizzi im
Hotel «Zum Wilden Mann» in Baden den Küchenchef
an den Tisch rufen liess. Er bat ihn, für seinen Hund
etwas zu kochen oder ihm die mitgebrachte Büchse
mit Hundefutter zu öffnen. Die Antwort des Küchenchefs verschlug dem Gault-Millau-Tester die Sprache.
«In unserer Küche gibt es keinen Büchsenöffner!»
Was Roland Herrmann damals eine entsprechende
Bemerkung im Gastroführer eintrug, ist noch heute
als Metapher für seine Küche gültig: «Wir verwenden
keine Fertigprodukte und kochen saisonal.» Eine
frische Marktküche mit innovativem Einschlag ist
das, was Herrmann und seine Frau Gabriela im Gasthof Schlüssel in Waldenburg anstreben. Dort sind sie
nach einem bewegten Leben seit 1997 sesshaft geworden. «Das war ein Zufall», lachen die beiden heute.
«Eigentlich hatten wir im Sinn, in Singapur im
‹Mandarin Harbour› eine neue Herausforderung an-
zunehmen, nachdem wir im Norden Balis
ein Hotel aufgebaut hatten. Aber unser
Headhunter bestand darauf, dass wir uns
diesen Betrieb zuerst ansehen.»
Der Schlüssel, 1436 erbaut, ist vermutlich das älteste Restaurant des Kantons
Basel-Landschaft. Dank sorgfältiger Renovation und Einrichtung verströmt der
Gasthof die Aura seiner bewegten Ge- «Ein Lokal für jedermann»: Gabriela
schichte noch heute. Ins Auge stechen vor und Roland Herrmann vom Gasthof
allem einige originale Holzbalken aus der zum Schlüssel in Waldenburg.
Bauzeit und sehr alte Plattenböden im
Gang und im Weinkeller. Andere auffällige Einrichtungsstücke, wie das massive Buffet mit Zinnabdeckung und der Plattenboden in der Gaststube, sind
später dazugekommen. «Es ist ein Restaurant, das
lebt und Atmosphäre hat», betont Roland Herrmann.
«Ein Restaurant, in dem wir gerne auf die Leute zugehen.»
Dazu passt das offene Konzept, das die beiden Pächter in ihrem Betrieb verfolgen: Während der
gediegene Speisesaal im Nostalgie-Look mit seinen 25
Plätzen für die «Haute Cuisine» vorgesehen ist – mittags Business Lunch, abends Gastromenüs oder à la
Carte – gibt es im Restaurant mittags preiswerte
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Sehr beliebt: Rindsfilet
«Rossini» mit traumhaft zartem Fleisch.
Alte Plattenböden und antike
Einrichtungsgegenstände hauchen
dem Restaurant eine spezielle
Atmosphäre ein.
«Es ist ein Restaurant, das lebt
und Atmosphäre hat.»
Menüs und eine kleine Karte. Abends
kann im Restaurant auch gediegen
gespiesen werden. «Bei uns soll sich
jeder wohlfühlen», betont Gabriela
Herrmann, gebürtige Österreicherin
aus der Steiermark, die im Schlüssel
für den Service verantwortlich ist.
«Bei uns sind auch schon Wanderer eingekehrt, haben einen Wurst-Käse-Salat bestellt und uns später
mit einem Bankett betraut.» Die Nachfrage zeigt,
dass das Konzept funktioniert: Bis zu 60 Mittagsmenüs werden täglich verkauft, und das «Stübli» ist
auch werktags öfter komplett besetzt.
Die Preise auf der kleinen Karte sind sehr fair kalkuliert: Kalbsgeschnetzeltes nach Zürcher Art mit
Butterrösti und Gemüse ist für 32 Franken zu haben,
ein Entrecôte an Pfeffersauce für 36 und Kartoffeltaschen mit Gemüsefüllung für 26 Franken. Auch
Deftiges gibt es: Die Portion Bauernspeck mit Zwiebelringen kostet 13 Franken, der Wurst-Käse-Salat
mit verschiedenen Salaten 18 Franken. Wir hielten
uns an die Empfehlung der Wirtin und bestellten
einen grossen Wintersalat mit Mandarinen, Steinpilzen und Nüssen an einem exzellenten (unverdünnten) Kürbiskernöl aus der Steiermark für 15 Franken.
Traumhaft zart und sehr dezent gewürzt war das
argentinische Rindsfilet «Rossini» mit Strohkartoffeln und Saisongemüse (54 Franken). Der Business
Lunch – Kürbisrahmsuppe mit rosa Pfeffer, gefülltes
Kalbsschnitzel «Venezia» mit Olivenkruste an Marsala-Sauce mit Safran-Risotto und Gemüse und Apfelstrudel mit Vanilleglace – für 54 Franken überzeugte
ebenfalls.
Offenheit bedeutet für Roland Herrmann,
dass die Gäste auch durchaus Wünsche anbringen
dürfen. «Für Anlässe existieren bei uns zum Beispiel
keine fixen Menüvorschläge – wir stellen die Menüs
lieber individuell zusammen.» Alle Gerichte gibts im
Schlüssel übrigens als Kinderteller – und alle Kinderspeisen haben als Beilage Gemüse.
Roland Herrmann, Pächter Gasthof Schlüssel
Der Weinauswahl liegt Herrmanns Ansicht zugrunde, dass die Konsumenten heute kaum mehr bereit
sind, mehr als 150 Franken für eine Flasche auszugeben. Deutlich über dieser «Schmerzgrenze» liegen
der 95er Ornellaia, der 97er Penfolds Grange, der
Vega Sicilia Unico 1986 und der Opus One 1996. Während einige Bordeaux’ im Schlüssel nicht eben preiswert sind, gibts auf der Weinkarte doch die eine oder
andere Trouvaille. Neben dem Arisdörfer Riesling Sylvaner und dem Buusner Blauburgunder von Paul
Schwob für 38 Franken zum Beispiel den nur kurze
Zeit erhältlichen Waldenburger «Chuderwy» von
Hanspeter Häner. Oder den Korem des sardischen
Spitzenproduzenten Antonio Argiolas für 78, den
Limestone Ridge 1998 von Lindemanns für 88 Franken und die Weine von Torbreck (beide Australien).
Neu gibts zudem auch einige Flaschenweine glasweise. Beeindruckend im Schlüssel ist das Angebot
der Digestifs: Neben lokalem Wildkirsch gibts gegen
20 Grappas und rund 20 Single-Malt-Whiskeys.
Wein hat sich vermutlich auch Napoleon Bonaparte
im Jahre 1797 schmecken lassen, als er auf seiner
Reise von Genf nach Strassburg im Schlüssel nächtigte. Ob er seine Rechnung danach bezahlte oder sogar noch ein paar Lebensmittel mitlaufen liess, darum ranken sich noch heute Gerüchte. Tatsache ist,
dass im Schlüssel zu seinen Ehren heute die «Suite
Joséphine» als einziges Zimmer gebucht werden
kann und auch das Gastromenü den Namen von
Napoleons erster Frau trägt.
Text Thorsten Kaletsch Bilder Manuel Friederich
MIT DER
SCHMALSPURBAHN
Anreise Mit der Waldenburger
Bahn, der Bahn mit der mit
75 Zentimetern schmalsten
Spurbreite der Schweiz, gehts
von Liestal aus an die Endstation
nach Waldenburg. Vom Bahnhof
fünf Minuten lang der Hauptstrasse entlang bergauf (Rich-
tung Hauenstein). Der Gasthof
Schlüssel ist auch sehr gut mit
dem Postauto erreichbar: Von
Balsthal über Langenbruck nach
Waldenburg (Haltestelle Post).
Das Restaurant ist von Montag
bis Samstag von 10 bis 14 Uhr
und von 17 bis 24 Uhr sowie
sonntags für spezielle Anlässe
geöffnet.
www.gasthof-schluessel.ch
Ausflüge Rund um Waldenburg
gibt es attraktive Wandergebiete,
zum Beispiel Wasserfallen, den
Vogelberg, die Waldweid und die
Belchenflue. Ein beliebtes Ausflugsziel ist auch die solarbetriebene Rodelbahn «Solarbob» in
Langenbruck. Ein Highlight für
Dampflokomotiv-Fans sind die
Extrafahrten der Waldenburger
Bahn, die möglicherweise künftig
auch mit einem Sonntagsmenü
im Schlüssel oder Löwen in
Waldenburg gebucht werden
können.
www.waldenburgerbahn.ch
www.solarbob.ch
www.postauto.ch
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