Wie Mood-Marketing die Kauflust anregt Während die weltweiten Aktienkurse immer weiter abrutschen und die schlechte wirtschaftliche Lage zu einem Konsumverzicht bei den Verbrauchern führt, beschreibt dieser Artikel innovative Marketingmethoden, mit denen das Kaufverhalten der Verbraucher in Zeiten der Krise positiv beeinflusst werden kann. Dabei zeigt ein Blick über die Grenze zu unseren Nachbarn in den Niederlanden wie Unternehmen mit neuen Marketingtools die Kaufbereitschaft der Verbraucher erhöhen. Wem es gelingt, den Mood-Faktor der Verbraucher zu erkennen und positiv zu beeinflussen, sitzt am längeren Hebel. Marketingverantwortliche stellen primär die Sichtweise der Verbraucher in den Mittelpunkt. Aber wie können sie im heutigen Marktumfeld dafür sorgen, dass die Kauflust nicht nachlässt? Schwarzseherei ist keine Lösung. Trotz der Krise müssen Verbraucher essen und trinken. Und sie werden weiterhin mit dem Auto zur Arbeit fahren. Eine Cola zur Hand, wenn sie im Stau stehen. Die Nachfrage bleibt auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten bestehen. Jedoch muss der Verbraucher von den eigenen Produkten überzeugt werden. Mit Marketingtools, die sich dem verschlechterten Konsumklima anpassen. Die Stimmung des Verbrauchers sollte beim Kauf grundsätzlich positiv sein. Wird er in der richtigen Stimmung angetroffen, reagiert er positiver auf Marketingaktionen und lässt sich besser von einem Produkt überzeugen. Beim Mood-Marketing geht es darum, diese Stimmung positiv zu beeinflussen und den Verbraucher in Kaufbereitschaft zu versetzen. Wem es gelingt, den Mood-Faktor der Verbraucher zu erkennen und positiv zu beeinflussen, sitzt am längeren Hebel. Die Stimmung als Basis Mood-Marketing geht einen Schritt weiter als das übliche „sich hineinversetzen“ in die Gemütslage des Verbrauchers. Natürlich ist die persönliche Situation des jeweiligen Kunden von Bedeutung. Neben der aktuellen Stimmung zum Zeitpunkt des Kaufs spielen jedoch auch die Vergangenheit und Erwartungen für die Zukunft eine Rolle. Dabei sind die meisten Faktoren, die die Stimmung beeinflussen, bei allen Verbrauchern identisch. Diese Erkenntnis ermöglicht eine besondere Vorgehensweise und stellt bereits bekannte Marketingmaßnahmen in einen größeren Zusammenhang: • Heat of the moment-Marketing: sich einstellen auf die persönliche Situation des Verbrauchers zum Zeitpunkt des Kaufs; wie gestresst oder entspannt ist er z. B. an seinem freien Tag? • Experience Marketing: sich einstellen auf den Verbraucher mit sinnlichen Reizen; Farbe, Geruch, Geräusch und Geschmack • Lifestyle & Life Event Marketing: sich einstellen auf die Familiensituation, die finanzielle Situation des Verbrauchers • Occasion & News based Marketing: sich einstellen auf Langzeitfaktoren wie die Finanzkrise, die terroristische Bedrohung oder auch die Fußballbegeisterung im Rahmen der Europameisterschaft Firmen unternehmen einiges, um die Stimmung ihrer Kunden positiv zu beeinflussen. Supermärkte beispielsweise bringen mit einer besonderen Musikwahl ihre Kunden in eine positive Kaufstimmung. Und Ladenbesitzer wissen, dass der Geruch von frisch geröstetem Kaffee Wunder bewirkt. Auch Automobilhersteller machen Gebrauch von der Macht der Nase. So lässt Rolls Royce seine neuesten Autos so riechen, als wären sie in den sechziger Jahren gebaut worden. Das Unternehmen stellte fest, dass Käufer neuer Modelle weniger zufrieden waren als früher. Der typische Geruch – der sie in Entzücken versetzte - war wegen des Einsatzes neuer Materialien verschwunden. Rolls Royce entschied, den Geruch eines Rolls Royce Silver Cloud von 1965 unter den Sitzen der Neuwagen entstehen zu lassen. Wie hochaktuell Marketingkonzepte sind, die auf die Stimmungslage der Verbraucher ausgerichtet sind, zeigen Angebote wie Mood Media und Mood & Cooking. Doch spielt neben der aktuellen auch die langfristige Sinneslage eine Rolle. Den stärksten Einfluss auf den Gemütszustand der Verbraucher hat wahrscheinlich die wirtschaftliche Lage. Die jüngste Untersuchung des Britischen Internetanbieters Econsultancy zeigt einen Zusammenhang zwischen Online-Shopping und der Finanzkrise. Frauen passen ihr Internetkaufverhalten in einer Rezession stärker an als Männer und reduzieren ihre Einkäufe. Positiv gestimmte Leser reagieren eher auf Anzeigen in der Zeitung. Und Leser denken sonntags positiver. Das ergab eine Untersuchung bei der Einführung der niederländischen Sonntagszeitung Telegraaf. Daher ist der Anzeigenteil einer Zeitung sonntags umfangreicher als an Werktagen. Die gute Laune am Sonntag versetzt den Leser in die richtige Stimmung für das Konsumieren von Anzeigen. Kurzum: Sonntag ist Anzeigentag. Erkenntnisse dieser Art helfen bei der Auswahl der geeigneten Marketingaktionen. Neben Produkt- und Zielgruppendifferenzierung liefert fortan auch die Stimmung des Kunden Entscheidungskriterien für das Marketing. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Kaufbereitschaft des Verbrauchers durch den Einsatz geeigneter Anreize zu erhöhen. Unternehmen wie Coca Cola, Fiat und Google zeigen, wie Mood-Marketing erfolgreich eingesetzt werden kann. Grasgeruch im Supermarkt Die internationalen Medien wurden aufmerksam, als Coca Cola in 20 Supermärkten in den Niederlanden kurz vor der Fußballeuropameisterschaft Displays auf den Ladenboden stellte, die ein Fußballstadion darstellten. Wirklich Aufsehen erregend war nicht der lebensgroße Ruud van Nistelrooy aus Pappe oder die aus Erfrischungsgetränkflaschen konstruierte Tribüne, sondern … der Geruch von Gras. Mit Experience Marketing stellte sich Coca-Cola auf den Gemütszustand der Kunden ein. „Es war unser Ziel, als Marke mit der Freude assoziiert zu werden, die die Fußballeuropameisterschaft bei vielen Verbrauchern hervorrief“ so Johan Boersma, Marketing Manager Home bei Coca-Cola Enterprises Niederlande. Wie überträgt man Freude? Unter anderen mit sinnlichen Reizen. Traditionell sind es vor allem die visuellen Reize, die den Supermarkt beherrschen. „Wir wollten auch Gefühls-, Licht- und Geruchsreize einsetzen." Der Geruch wurde über einen Kasten mit Flüssigkeit und einen elektrisch angetriebenen Ventilator verbreitet. „Es funktionierte ausgezeichnet“, stellte Boersma fest. “Wenn die Leute das Gras rochen, zeigte sich ein Lächeln auf ihren Lippen. ´Ja, ich rieche Gras! ´ Unsere Idee war, dass sich die Wahrnehmung vertieft, wenn mehrere Sinnesorgane beteiligt sind. Das gesamte Erleben wird intensiver, wodurch Verbraucher einem Kauf positiver gegenüber stehen.” Johan Boersma, Marketing Manager Home, Coco Cola Enterprises, NL Das Projekt passt zum so genannten Occasion based Marketing, das Coca Cola verfolgt. Es geht darum, Kaufmomente mit Themen wie Sport, Weihnachten, Sommer oder Musik zum Leben zu erwecken. Occasion based Marketing hat Auswirkungen auf die Art der Verkaufsförderung, die Kommunikation, das Sortiment und die Produktplatzierung am Point-of-Sale. Das Produkt wird im Konsummoment mit zugehörigen sinnlichen Reizen präsentiert. „Wir aktivieren die Sinne, die zu einem bestimmten Thema passen. Das Thema Fußball durch den Geruch von Gras, das Thema Sommer durch das Geräusch rauschender Wellen oder den Geruch salziger Meeresluft.” Boersma erläutert, dass die teilnehmenden Supermärkte mit den Displays einen höheren Umsatz erzielten als die Konkurrenz. “Aber”, fügt er hinzu, “wir wollten vor allem Aufmerksamkeit wecken. Sich auf die Europameisterschaftsstimmung des Kunden einzustellen, war für die Supermärkte eine perfekte Art der Differenzierung vom Wettbewerb.” Walter Capellmann, Capellmann Consulting: „Coca Cola setzt mit diesem Experiment stark auf Experience Marketing. Der Kunde erhält am Point-of-Sale zusätzliche Impulse für ein tieferes Erleben. Der Anblick von Ruud van Nistelrooy, die Tribunen und der Geruch von Gras bringen ihn in Siegesstimmung. Das Projekt war erfolgreich, wie aus den gestiegenen Verkaufszahlen und geplanten Folgeaktionen mit Geruchsund Lichteffekten hervorgeht.” Ein Hingucker für 500.000 verschiedene Stimmungen Vielleicht ist der neue Fiat 500 das einzige Auto der Welt, das mehr Ausführungen als Eigentümer hat. Seit der Einführung 2007 wurden weltweit 250.000 Autos verkauft, während die umfangreichen Kombinationsmöglichkeiten der Teile doppelt so viele Ausführungen ermöglichen. Der Kunde ist von Anfang an als Co-Designer beteiligt und kann sich sein eigenes Autos zusammenstellen, passend zu seinem Geschmack und Lebensstil. Der 500 gehört allen, finden sie bei Fiat. Genau fünfhundert Tage vor der Einführung konnte jeder unter www.fiat500.com seine Ideen und Vorstellungen einfließen lassen, wie das Auto werden sollte. Das Feedback auf diese Einladung übertraf alle Erwartungen. „Wir hatten nicht erwartet, dass der Verbraucher beispielsweise Wahlmöglichkeiten bei der Farbe des Armaturenbretts haben möchte”, sagt Hans Vervoorn, PR Direktor von Fiat Nederland. „Durch diese neue Art der Kommunikation mit dem Verbraucher sind wir zu neuen Einsichten darüber gekommen, was dem Fahrer ein gutes Gefühl gibt.” Hans Vervoorn, PR Direktor, Fiat Nederland Durch die Vielzahl der Wahlmöglichkeiten (bei Modellen, Motoren, Verkleidung, iPod-Zubehör, Armaturenbrettern, Lenkrädern, Geruchsspendern, Radkappen etc.) besitzt jeder Käufer einen einzigartigen Fiat 500 in einer von zwölf angesagten Farben wie Punk Gray, Calypso Orange oder Cha Cha Cha Azur, der sich individuell auf der Fiat Website zusammenstellen lässt. „Genau wie der iPod ist dieses Auto sowohl exklusiv als auch für die Masse. Wir nennen diese Positionierung Massclusivity”, sagt Vervoorn. Und Luca de Meo, CEO von Fiat, erläutert bei der Produkteinführung, dass keine bestimmte Zielgruppe angesprochen wird. De Meo: „Der 500 gehört nicht denjenigen, die ihn bauten oder denjenigen, die ihn kauften. Er gehört denjenigen, die ihn anschauen, von ihm träumen oder über ihn reden.” Laut Vervoorn ist der 500 jedoch kein Nischenprodukt, sondern ein Kultobjekt, das Verbraucher mit sehr unterschiedlichen Lebensstilen anzieht. Das Auto hat sowohl Anziehungskraft auf starke Männer als auch auf designbewusste Frauen. Jeder kann genau die Identität schaffen, mit der er sich wohl fühlt. Vervoorn will genau wie De Meo nichts von traditioneller Zielgruppensegmentierung oder Konkurrenzanalyse wissen: „Der Fiat 500 ist eigenständig. Wir haben nichts mit anderen Autos zu tun. So einfach ist das. Dieses Auto ist zum Anfassen, verführerisch und faszinierend. Ein echter Hingucker, in den man sich direkt verliebt.” Und der Erfolg gibt ihnen Recht. In den Niederlanden verkauft sich der Fiat 500 viel besser als seine Konkurrenten Mini, Smart und Volkswagen Beetle. Walter Capellmann, Capellmann Consulting: „In der Vergangenheit entwickelte das Marketing Verkaufsstories anhand von Produktdifferenzierung, später auch durch klassische Zielgruppensegmentierung. Das ist heutzutage oft nicht mehr ausreichend. Fiat hat das sehr gut verstanden und spricht nicht mehr nur eine einzige Zielgruppe an. Das Auto passt zu verschiedenen Stimmungen, Lebensstilen und Lebensphasen. Wie? Das bestimmt der Kunde selbst. Jedes Auto kann zu 100 % nach eigenen Vorstellungen und mit der eigenen Handschrift gestaltet werden. Das gab es in dieser Preisklasse bisher so nicht. ” Die Online-Suche als Barometer für die Stimmungslage Wenn ein Unternehmen weiß, wie die Stimmungslage bei Verbrauchern ist, dann ist es Google. Die Suchmaschine registriert, wie Online-Sucher auf die Finanzkrise und andere aktuelle Ereignisse reagieren. Das Suchverhalten der Verbraucher hat sich seit der Finanzkrise verändert. Sie benutzen das Internet häufiger und sie suchen mit anderen Suchbegriffen. Beide Entwicklungen geben dem Marketing neue Erkenntnisse. Laut Mark Berendsen, Industry Leader Agencies von Google Niederlande werden seit Beginn der Krise bei der Suche nach Finanzprodukten häufiger Suchbegriffe wie ‘Sparzins’ benutzt. Berendsen: „Wir registrieren, dass nun nicht mehr nach den ‘höchsten Zinsen’, sondern nach ‘sicher’, ‘Sicherheit’ oder ‘Garantie’ gesucht wird. Verbraucher sind kritischer geworden und möchten ihre Ersparnisse sicher anlegen. Die aktuelle Krise hat auch Einfluss auf die Suchbegriffe in anderen Branchen. Wenn Verbraucher beispielsweise eine Reise buchen möchten, suchen Sie in Krisenzeiten vermehrt nach ‘low budget’.” Mark Berendsen, Industry Leader Agencies, Google Niederlande Marketingexperten können mit ihrer Werbung sehr gut an ein verändertes Suchverhalten anknüpfen. Neben aktuellen Ereignissen und Modetrends haben auch die persönliche Lebensphase und der Lebensstil von Verbrauchern Auswirkungen auf das Suchverhalten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Personen, die nach ‘Schwangerschaftsgymnastik’ und ‘Tipps während der Schwangerschaft’ suchen, selbst schwanger sind. Einer der wichtigsten Trends bei der Online-Suche ist die zunehmende Verfeinerung der Suchergebnisse. Berendsen: „Das Internet ermöglicht es, User direkt zufrieden zu stellen. Das zeigt auch die Popularität von iGoogle. Die persönliche Startseite ist eines unserer am schnellsten wachsenden Produkte. iGoogle bietet Usern die Möglichkeit, das Internet mit selbst ausgewählten Inhalten und Tools zu starten.“ Mit Hilfe des Analysetools ‘Google Insights for Search’ können Unternehmen Google-Suchergebnissen analysieren und Suchgrafiken erstellen. Welche neuen Suchbegriffe verwenden die Internetnutzer bei der Suche nach unserem Produkt? Gibt es regionale Schwerpunkte? Gibt es Häufungen im Suchverhalten, die wir für die Planung unserer OnlineMarketingaktionen berücksichtigen müssen? ‘Google Insights for Search’ kann so Unternehmen bei der Auswahl von Werbebotschaften, Produktangeboten, neuen Märkten und der Entdeckung noch unbekannter Saisonmuster unterstützen. Wichtiger Tipp von Berendsen für alle Marketingexperten: „Sorgen Sie dafür, dass Sie mit ihrer Werbung ‚always on’ sind. Online-User suchen zu den verrücktesten Zeiten, entscheiden mitten in der Nacht über ein zusätzliches Sparkonto oder einen Wochenendurlaub. Wenn Sie nicht präsent sind, Ihr Konkurrent aber wohl, verpassen Sie Chancen.” Die Autoren: Walter Capellmann, Geschäftsführer von Capellmann Consulting, Düsseldorf, und Kirsten Spahr van der Hoek, VODW Marketing, Leusden, Niederlande. Für weitere Informationen sowie Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Capellmann Consulting Niederkasseler Lohweg 189/191 40547 Düsseldorf Telefon: +49 (0)211-66 80 00-0 E-Mail: [email protected]