Komplexe Zahlen Philipp Girichidis 12. Oktober 2006 Inhaltsverzeichnis 0 Einleitung 2 1 Lösbare und unlösbare Gleichungen 2 2 Aus zwei Mal reell mach ein Mal komplex 3 2.1 Abelsche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.2 2.3 Der Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 ( . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.4 C..... C; +) ist abelsch . . . (CnfOg; ) ist abelsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.5 Das Distributivgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Wir betten R in C 5 4 i, die imaginäre Einheit 5 5 Quadratische Gleichungen 6 6 Begrisbestimmungen 6 6.1 Real- und Imaginärteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6.2 komplexe Konjugation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 6.3 Betrag komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 Darstellungsweisen 8 7.1 Cartesische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 7.2 Polardarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 7.3 Exponentialdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 8 Potenzen komplexer Zahlen Moivre 13 8.1 Formel von . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 8.2 Einheitswurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 9 Anwendungen 9.1 16 Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 9.1.1 Dierentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 9.1.2 Federpendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1 Komplexe Zahlen Seite 2 0 Einleitung Diser Vortrag soll einen kleinen Einblick in die Welt der komplexen Zahlen geben. Er ist mathematisch orientiert und beschränkt sich daher nicht nur auf die Darstellung und die Anwendung, sondern beweist auch, dass die komplexen Zahlen mit der Addition und der Multiplikation einen Körper darstellen. 1 Lösbare und unlösbare Gleichungen Bei der Untersuchung von Eigenschaften von Funktionen stellt sich häug die Frage nach der Anzahl der Nullstellen. Eine ganzrationale Funktion n-ten Grades hat im Reellen höchstens n Nullstellen, eine quadratische Gleichung also höchstens 2. Die bekannten Nullstellen ermöglichen eine Zerlegung in Linearfaktoren, bei der allerdings ein Faktor übrigbleiben kann, der keine reelle Nullstelle besitzt, weil die Gleichung zur Nullstellenbestimmung im Bereich der reellen Zahlen nicht lösbar ist. Man betrachte dazu die folgenden quadratischen Gleichungen: f1 (x) = x2 2x 0 = x2 2x 3 x1 = 3; x2 = 1 Funktionsgleichung Nullstellenbestimmung reelle Lösungen Anzahl der NS f2 (x) = x2 2x + 1 f3 (x) = x2 2x + 5 0 = x2 2x + 1 0 = x2 2x + 5 x1 = x2 = 1 keine 3 2 einfache reelle x2 (x Zerlegung in Linearfaktoren 2 x eine doppelte reelle x2 (x 3= x + 1) 3) ( Bei der quadratischen Gleichung x+1= 1) (x 1) 2 keine reelle x2 2 x+5 unzerlegbar f3 (x) lässt sich keine reelle Nullstelle nden. Geht man bei der Zerlegung in Linearfaktoren bei der dritten Gleichung analog vor, so würde sich formal eine eine Lösung nden, wenn man nur den Umgang mit Wurzeln aus negativen Zahlen zulieÿe und damit wie mit reellen Zahlen rechnen dürfte. Dann bekäme man folgende Lösung der pq-Formel: x1 = 1 + p p x2 = 1 4 4 und damit folgende Zerlegung der dritten Gleichung: x 1+ p 4 x 1 p 4 = x2 2 x+5 Die Besonderheit dieser Rechnung besteht darin, dass aus eigentlich nicht existierenden mathematischen Ausdrücken sinnvolle Ergebnisse errechnet werden. Diese Besonderheit dieser ireellen p x ; x 2 R; x > 0, Zahlen ist den Mathemaikern bereits im 15. Jahrhundert aufgefallen. Aus dieser Zeit stammt auch der Ausdruck der imaginären Zahl für alle Ausdrücke der Form was bedeuten sollte, dass diese Zahlen nur in der Vorstellung existieren. Setzt man die Existenz keine unlösbaren quadratischen Gleichungen mehr gibt, denn dann hat jede quadratische Gleichung genau zwei Nullstellen (unter dieser Zahlen voraus, so würde das bedeuten, dass es Berücksichtigung der Vielfachheit). Betrachten wir nochmal die Lösungen der dritten Gleichung: x1 = [1] + ( p 4) x2 = [1] ( p 4) Dabei erkennt man, dass sich diese Lösungen aus zwei verschiedenen Zahlenarten [] und () zusammensetzten. 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 3 2 Aus zwei Mal reell mach ein Mal komplex Nach ein bisschen Motivation wollen wir die komplexen Zahlen direkt konstruieren. Dazu betrachten wir die Menge von geordneten Zahlenpaaren aus reellen Zahlen C := R R = f(x; y) j x; y 2 Rg zusammen mit zwei Verknüpfungen, die wir auf Addition und Multiplikation in ( x; y) + (x0 ; y0 ) 0 0 (x; y ) (x ; y ) := := r zurückführen x + x0 ; y + y0 ) 0 yy0 ; xy0 + yx0 ) (xx ( Wir prüfen nun nach, ob diese Verknüpfungen (Addition und Multiplikation) C zu einem Körper machen. Dazu müssen wir ein bisschen ausholen. 2.1 Abelsche Gruppen Zur Erinnerung: Eine Menge M mit einer Verknüpfung heiÿt Abelsche Gruppe, wenn fol- gende Axiome gelten: G0 G1 G2 G3 G4 2.2 Abgeschlossenheit 9e : 8m 2 M : m e = m 8m 2 M 9m 1 : m m 1 = e 8m; n 2 M : m n = n m 8m; n; p 2 M : ((m n) p) = (m (n p)) neutrales Element: inverses Element: Kommutativität: Assoziativität: Der Körper C Um zu zeigen, dass eine Menge mit zwei Verknüpfungen einen Körper bildet, müssen drei Axiome erfüllt sein: K1 (C; +) ist abelsche Gruppe K2 (CnfOg; ) ist abelsche Gruppe K3 2.3 Es gilt das Distributivgesetz C ( ; +) ist abelsch Für alle komplexen Zahlen G0 Da z = (x; y) 2 C gilt: R abgeschlossen ist, ist nach der Konstruktion der komplexen Zahlen als Cartesisches Produkt mit den beiden Verknüpfungen, die sich auf die Multiplikation und die Addition in R beschränken, die Menge C auch abgeschlossen. G1 O := (0; 0) denn G2 z := ( x; y) ( x; y) + (0; 0) = (x + 0; y + 0) = (x; y) denn ( x; y) + ( x; y) = (0; 0) G3 (x; y) + (x0 ; y0 ) = (x0 ; y0 ) + (x; y) ( x; y) + (x0 ; y0 ) = = = x + x0 ; y + y0 ) 0 0 (x + x; y + y ) 0 0 (x ; y ) + (x; y ) ( 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 4 G4 [(x; y) + (x0 ; y0 )] + (x00 ; y00 ) = (x; y) + ((x0 ; y0 ) + (x00 ; y00 )) ( x; y) + (x0 ; y0 ) +( x00 ; y00 ) = = = Dabei haben wir jeweils benutzt, dass in x + x0 ) + x00 ; (y + y0 ) + y00 ) 0 00 0 00 (x + x + x ; y + y + y ) 0 00 0 00 (x + (x + x ); y + (y + y )) (( R die Assoziativität und die Kommutativität bezüglich der Addition gelten. 2.4 ( C O nf g; ) ist abelsch Bei der Mutliplikation der Zahlen in G0 siehe C gilt ebenfalls: G0 bei (C; +) G1 I := (1; 0) G2 z 1 := ( y x x 2 +y 2 ; x 2 +y 2 x; y) ( denn x; y) (1; 0) = (x 1 y 0; x 0 + y 1) = (x; y) denn x y ; x2 + y2 x2 + y2 = = = = x y y x x 2 2 y 2 2;x 2 2 + y 2 2 x +y x +y x +y x +y 2 2 x ( y ) xy + yx ; 2 2 x2 + y2 x +y 2 2 x + y xy xy ; x2 + y2 x2 + y2 (1; 0) G3 (x; y) (x0 ; y0 ) = (x0 ; y0 ) (x; y) ( x; y) (x0 ; y0 ) = = = xx0 yy0 ; xy0 + yx0 ) 0 (x x y0 y; y0 x + x0 y) 0 0 (x ; y ) (x; y ) ( G4 [(x; y) (x0 ; y0 )] (x00 ; y00 ) = (x; y) [(x0 ; y0 ) (x00 ; y00 )] ( x; y) (x0 ; y0 ) (x00; y00) = = = = = = xx0 yy0 ; xy0 + yx0 ) (x00 ; y00 ) 0 yy0 )x00 (xy0 + yx0 )y00 ; (xx0 yy0 )y00 + (xy0 + yx0 )x00 (xx 0 00 xx x yy0 x00 xy0 y00 yx0 y00 ; xx0 y00 yy0 y00 + xy0 x00 + yx0 x00 x(x0 x00 y0 y00 ) y(y0 x00 + x0 y00 ); x(x0 y00 + y0 x00 ) + y(x0 x00 y0 y00 ) 0 00 y0 y00 ; x0 y00 + y0 x00 ) (x; y ) (x x 0 0 00 00 (x; y ) ((x ; y ) (x ; y )) ( 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen 2.5 Seite 5 Das Distributivgesetz Nun fehlt uns nur noch das Distributivgesetz, das die beiden Verknüpfungen in C miteinander kombiniert. z (z 0 + z 00 ) = = = = = = = x; y) ((x0 ; y0 ) + (x00 ; y00 ) 0 00 0 00 (x; y ) (x + x ; y + y ) 0 00 y(y0 + y00 ); x(y0 + y00 ) + y(x0 + x00 )) (x(x + x ) 0 00 yy0 yy00 ; xy0 + xy00 + yx0 + yx00 ) (xx + xx 0 yy0 ) + (xx00 yy00 ); (xy0 + yx0 ) + (xy00 + yx00 )) ((xx 0 0 00 00 ((x; y ) (x ; y ) + (x; y ) (x ; y )) zz 0 + zz 00 ( Auch hier haben wir die Körpereigenschaften von R ausgiebig benutzt. 3 Wir betten R in C Um uns in Zukunft ein wenig Schreibarbeit ersparen zu können, betrachten wir die Abbildung R!C x 7! (x; 0) Diese Abbildung darf man allerdings nicht so einfach denieren, ohne zu prüfen, ob sie zu der anfangs denierten Addition und Multiplikation konsistent ist. ( x + x0 ) 0 (x x ) 7! (x; 0) + (x0; 0) = (x + x0; 0) 7! (x; 0) (x0; 0) = (x x0; 0) Da diese Abbildung Gruppeneigenschaften hat, nennt man sie einen Körperhomomorphismus. Zudem ist sie injektiv: Zu jeder komplexen Zahl (x,0) existiert genau eine reelle Zahl. Daher können wir mit Hilfe dieser Abbildung reelle Zahlen und komplexe Zahlen dieser speziellen Form einfach austauschen. Deshalb werden wir in Zukunft gar nicht mehr von dieser Abbildung sprechen, sondern einfach x statt (x; 0) schreiben. ( 4 i x; 0) x 8x 2 R , die imaginäre Einheit ; Eine besondere Eigenschaft hat das Element (0 1) der komplexen Zahlen. Wir nden nämlich, dass ; ; (0 1) (0 1) = 0 0 ; ; 1 1 0 1 + 1 0) = ( 1 0) = 1 Das ist also eine Zahl, deren Quadrat -1 ist! Anders gesagt: Sie ist die Lösung der Gleichung z2 + 1 = 0 Leonard Euler, der Ernder der komplexen Zahlen (1777), hat seine ganze Entdeckung auf die Erndung dieser einen Zahl gestützt. Da er sie sich schlicht ausgedacht hatte, nannte er sie imaginäre Einheit. Abkürzend schreibt man meist einfach i. i := (0; 1) 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Wir werden i Seite 6 zunächst einmal verwenden, um eine für unsere Zwecke einfachere Schreibweise der komplexen Zahlen zu erhalten. Man kann nämlich alle Zahlen z := ( x; y) 2 C wie folgt umformen: ( x; y) x + 0; 0 + y ) (x; 0) + (0; y ) (x; 0) + (0 y 1 0; 0 0 + 1 y ) (x; 0) + [(0; 1) (y; 0)] (X; 0) + i (y; 0) x + iy = ( = = = = = In der letzten Zeile werden dann nur noch reelle Zahlen verwendet, um eine komplexe Zahl darzustellen. Die Schreibweise als Zahlenpaar in Klammern lässt sich somit vollständig ersetzen. 5 Quadratische Gleichungen Kehren wir noch einmal zu den quadratischen Gleichungen vom Anfang zurück. Mit Hilfe der in den vorherigen Kapiteln erarbeiteten Konstruktionen lassen sich nun sehr elegant quadratische Gleichungen lösen. i löst also nicht nur die Gleichung z 2 + 1 = 0, wir können es auch verwenden, um allgemeine quadratische Gleichungen zu lösen. Zunächst betracheten wir etwas einfacheres: Oensichtlich können wir nun alle Gleichungen z= p 8x 0 jxj i 8x < 0 px z 2 = x für x 2 R lösen: Die Lösung ist z2 = ) = x 1 8x 0 jxj = x 8x < 0 Das heiÿt im Klartext: Wir können aus allen reellen Zahlen die Wurzel ziehen! Damit können wir auch die Nullstellen allgemeiner Polynome zweiten Grades nden. So ist zum Beispiel die Lösung der Gleichung x2 + 2x + 4 x1;2 = = = = 0 2 p 4 4 4 p2 212 p 1i 3 1 6 Begrisbestimmungen 6.1 Real- und Imaginärteil Wir haben nun also eine andere, angenehmere Schreibweise für komplexe Zahlen gefunden. z := (x; y) = x + iy = (x; 0) + i(y; 0) Man kann also jede komplexe Zahl z z nennt. Man schreibt x, die man daher auch Realteil nennt, iy, weshalb man y auch den Imaginärteil von in eine reelle Zahl und eine reelle Zahl mal der imaginären Einheit Re(z ) = x; Im(z ) = y In der Literatur ndet man häug auch folgende Schreibweise: <(z) = x; =(z) = y 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 7 Unsere Rechenregeln für die komplexen Zahlen sehen in der neuen Schreibweise so aus: ( x + iy) + (a + ib) (x + iy ) (a + ib) = = = x + a) + i(y + b) (xa yb) + i(xb + ya) xa + ixb + iya + i2 yb ( Man erkennt, dass das einfache Ausmultiplizieren zum gleichen Ergebnis führt wie das Rechnen i rechnen kann wie man es von den nach der Multiplikationsvorschrift. Das bedeutet, dass man reellen Zahlen her gewohnt ist. 6.2 komplexe Konjugation Eine wichtige Transformation der komplexen Zahlen ist die man das z := a ib komplex Konjugierte von z . Wie man leicht sieht, ist (z + w ) = z + w z + z = 2 Re(z ) z z = 2 i Im(z ) z=z , z2R z z = x2 + y2 0 2 R und wie man nicht so leicht sieht, ist 6.3 Konjugation. Für z = a + ib nennt zw =zw Betrag komplexer Zahlen Die komplexen Zahlen sind nicht angeordnet. In einem Körper gilt nämlich für jedes Element a 6= 0 entweder a < 0 oder a > 0. Wäre C angeordnet, müsste entweder i < 0 oder i > 0, da i 6= 0. Folglich wäre in jedem Fall i2 > 0 und 0 = i2 + 1 > 0, was ja oensichtlich zu einem Widerspruch führt. Einfacher gesagt: Da die komplexen Zahlen aus Paaren von reellen Zahlen bestehen, kann man nicht allgemein (also immer) entscheiden, welche von zwei komplexen Zahlen die gröÿere (oder kleinere) ist. Würde man zum Beispiel denieren Die Gröÿere von beiden sei diejenige, deren Realteil gröÿer ist, hat man ein Problem, wenn die beiden Realteile gleich sind, die Imaginärteile jedoch unterschiedlich. Nichts destotrotz können wir einen Betrag von komplexen Zahlen angeben, der in einem gewissen Sinne eine Bewertung von komplexen Zahlen ermöglicht. Wir denieren p Dann ist 8z 2 C jzj := x2 + y2 = p zz jzj > 0 8z 6= 0 jz j = jz j jRe(zp)j jzj undp jIm(z)j jzj jz wj = zw zw = zz ww = jzj jwj jz + wj jzj + jwj Dreiecksungleichung Und wir nden gleich eine geschickte Form für das Inverse der Multiplikation: z z = jz j2 , zjzj2z = 1 , z 12.10.2006, Philipp Girichidis 1= z j z j2 Komplexe Zahlen Seite 8 7 Darstellungsweisen Wir wissen nun, wie man mit komplexen Zahlen rechnet. Doch wie soll man sie sich vorstellen? Für reelle Zahlen ist der Zahlenstrahl ein gutes Bild. Bei komplexen Zahlen haben wir damit ein Problem, da sie ja aus zwei reellen Zahlen bestehen. Da sie zudem nicht geordnet sind, werden wir also zwei Strahlen verwenden müssen, einen für den Realteil (reelle Achse), den anderen für den Imaginärteil (imaginäre Achse). 7.1 Cartesische Darstellung Aus Gründen der Einfachheit stellen wir die beiden Achsen senkrecht zueinander und erhalten damit die sogenannte Cartesische Darstellung. Man bezeichnet die Ebene, die dadurch komplexe Zahlenebene (s. Abb. 1). aufgespannt wird, auch als Abbildung 1: Komplexe Zahlenebene In dieser Darstellungsweise wird jede komplexe Zahl repräsentiert durch einen Punkt in der komplexen Ebene bzw. durch einen Zeiger vom Ursprung zu diesem Punkt. Die Repräsentation der Addition von komplexen Zahlen ist hier besonders einfach: Sie entspricht dem Aneinandersetzen der Pfeile, einer Vektoraddition (s. Abb. 2). Abbildung 2: Addition in Cartesischer Darstellung 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 9 Die Multiplikation sieht hier bei weitem nicht so einfach aus. Dafür gibt es eine bessere Darstellungsweise, die später noch erwähnt wird. Zur Lokalisierung der Elemente 7.2 z; z; z genügt diese Darstellung. Polardarstellung Beim genaueren Untersuchen der komplexen Zahlenebene stellt man fest, dass jede komplexe Zahl durch genau einen Zeiger vom Ursprung repräsentiert wird und umgekehrt jeder Zeiger auch nur für genau eine komplexe Zahl steht. So kann man sich eine andere Schreibweise überlegen. Der Zeiger bildet zusammen mit der reellen Achse und einer zur reellen Achse orthogonalen Linie von ihr zum Zahlenpunkt ein rechtwinkliges Dreieck (s. Abb. 3). Abbildung 3: Polardarstellung In diesem Dreieck gilt der Satz des p Pythagoras: Die Länge des Zeigers ist x2 + y2 = p Re(z )2 + Im(z )2 = jz j Auÿerdem können wir bei der Betrachtung des vom Zeiger und der reellen Achse eingeschchlossenen Winkels folgende trigonometrische Beziehungen feststellen: Re(z ) Im(z ) cos = sin = jz j jz j Durch Umformen erhalten wir: Re(z ) = x = jz j cos Im(z ) = y = jz j sin Kombiniert man diese beiden Gleichungen in der bereits bekannten Form x + iy ergibt sich: z := x + iy = jz j cos + i jz j sin = jz j(cos + i sin ) Polardarstellung der komplexen Zahl. Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Winkel und x und y , so erkennt man: y sin = = tan x cos Im(z ) = arctan Re(z ) Das ist die sogenannte 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 10 tan, den arcustangens (von lat. arcus = der Bogen), verwendet. Man nennt den Winkel auch das Argument von z und schreibt abkürzend Im(z ) arg(z ) = = arctan Re(z ) wobei man hier die Umkehrfunktion des Die Polardarstellung lässt sich dann so zusammenfassen: x + iy wobei jz j und bzw: x und y = = = = = jzj(cos + i sin ) p x2 + y2 y arctan x jzj cos jzj sin wobei hier die einzelnen Werte in folgenden Bereichen liegen 1 < x; y < +1 0 jz j < +1 0 < 2 An dieser Stelle soll noch einmal die Multiplikation betrachtet werden, insbesondere in Bezug z = (x + iy) = jz j (cos + i sin ) und w = (a + ib) = jwj (cos + i sin ) (x + iy ) (a + ib) (xa yb) + i(xb + ya) jzj (cos + i sin ) jwj (cos + i sin ) jzj jwj [cos cos sin sin + i(cos sin + sin cos )] jz wj [cos( + ) + i sin( + )] auf das Argument. Sei zw zw = = = = = Dabei wurden in der letzten Umformung die folgenden beiden Additionstheoreme verwendet. + ) = sin cos + cos sin cos( + ) = cos cos sin sin sin( Vom Beweis der Additionstheoreme soll hier abgesehen werden. Man kann erkennen: Komplexe Zahlen werden multipliziert, indem man ihre Argumente addiert und ihre Beträge multipliziert (s. Abb. 4)! Wir sehen also: Die Multiplikation von komplexen Zahlen sieht in der Polardarstellung deutlich einfacher aus, während die Addition in ihr eine kompliziertere Form hat, weil sich die trigonometrischen Funktionen nicht zusammenfassen lassen. Bei zwei Summanden bzw. zwei Faktoren fällt die Vereinfachung nicht so sehr auf, in der Praxis werden jedoch häug groÿe Summen und Reihen bzw. hohe Potenzen verwendet. z+w = = zw = = = x + iy) + (a + ib) (x + a) + i(y + b) (jz j cos + jw j cos ) + i(jz j sin + jw j sin )) (xa yb) + i(xb + ya) jz wj [cos( + ) + i sin( + )] ( 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 11 Abbildung 4: Multiplikation in der Polardarstellung Auch in Bezug auf die Division erleichtert die Polardarstellung die Berechnung. Um auf eine ähnlich bequeme Formulierung wie bei der Multiplikation zu kommen, betrachten wir zunächst das Argument der Zahl w. Wie man aus der Zahlenebene erkennen kann ist der Winkel, den der Zeiger der komplexen Zahl mit der rellen Achse einschlieÿt, genauso groÿ wie der Winkel, den der Zeiger der komplex konjugierten Zahl mit der rellen Achse einschlieÿt. Die Orientierung der Winkel ist jedoch verschieden, daher gilt: arg(w) = arg(w) Bilden wir das komplex Konjugierte der Zahl w so erhält man: jwj(cos + i sin ) = jwj(cos( ) + i sin( )) = jwj(cos i sin ) da der cos eine gerade Funktion ist (cos( ) = cos( )) und der sin eine ungerade (sin( ) = sin( )). Bauen dies in die weiter oben gefundene Schreibweise des Inversen der Multiplikation ein, so ergibt sich: w w 1= 2 jw j = jwj(cos i sin ) = 1 cos i sin jw j2 jw j Mit dieser Konstruktion können wir nun die Division wie folgt schreiben: z w = = = = zw 1 jzj [(cos + i sin )(cos i sin )] jw j jz j jwj [cos cos + sin sin + i(sin cos jzj [cos( ) + i sin( )] jw j Dabei wurden wieder die Additionstheoreme verwendet: ) = sin cos sin( cos sin 12.10.2006, Philipp Girichidis cos sin )] Komplexe Zahlen cos( Seite 12 ) = cos cos + sin sin Als Merksatz lässt sich somit festhalten: Komplexe Zahlen werden dividiert, indem man ihre Beträge dividiert und ihre Argumente subtrahiert. Anmerkung (Riemann-Flächen) Beim Rechenen in der Polardarstellung kann es natürlich vorkommen, dass das Argument der tri- gonometrischen Funktionen gröÿer wird als 2 . Da die trigonometrischen Funktionen periodisch sind, folgt: z = jz j [cos( + 2) + i sin( + 2)] = jz j (cos + i sin ) Dreht man den Zeiger n Umdrehungen, also um n-mal 2 so erhält man allgemein: z = jz j [cos( + n 2) + i sin( + n 2)] = jz j (cos + i sin ) Lässt man also das Argument einer komplexen Zahl wachsen, so überstreicht der Zeiger immer wieder die gleichen Zahlen. Man spricht in diesem Fall von Riemann-Flächen. Diese Tatsache birgt auch noch eine kleine Spitzndigkeit bezüglich der Zuordnung von komplexen Zahlen zwischen verschiedenen Darstellungsweisen. Während jede Zahl Zahlenpaar ( 7.3 z = jz j(cos + i sin ) genau einem x; y) entspricht, gilt dies für die Umkehrung nicht mehr! Exponentialdarstellung Wie wir im vorherigen Kapitel gesehen haben, lässt sich das Rechnen mit komplexen Zahlen leicht durch trigonometrische Funktionen veranschaulichen. Um die Schreibweise etwas komfortabler zu gestalten, führen wir die folgende Abkürzung ein, die als Eulersche Formel bekannt ist: z = jz j (cos + i sin ) =: jz j ei Auf den Beweis dieses Zusammenhangs müssen wir hier verzichten, da er viele Gundlagen aus der Analysis verwendet. Wir wollen an dieser Stelle noch einige besondere Werte der Exponentialfunktion auisten: ! ! ! 2 = ! 3 = ! 2 = 2 ! =0 =0 = In der Analysis ist die ei0 = e0 = 1 ei0 = cos(0) + i sin(0) = 1 ei 2 = cos + i sin =i 2 2 ei = cos() + i sin() = 3 ei 2 = cos 3 2 + i sin 1 3 2 = i ei2 = cos(2) + i sin(2) = 1 Euler-Formel jedoch mehr als nur eine Abkürzung. Während in der Geometrie sin und cos über die Seitenverhältnisse in Dreiecken erklärt sind, deniert man hier die beiden Funktionen mit Hilfe der komplexen Exponentialfunktion, die sich als Reihe schreiben lässt. So lassen sich sin und cos folgendermaÿen denieren: x sin( ) = 1 2 i eix e ix 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen x cos( ) = 1 2 eix + e Seite 13 ix Mit dieser Defnintion lassen sich viele Additionstheoreme sehr einfach nachvollziehen und beweisen, da man mit der komplexen Exponentialfunktion genauso rechnen kann wie mit der reellen. 8 Potenzen komplexer Zahlen Nachdem wir nun die Multiplikation komplexer Zahlen erläutert haben und auch die abkürzende Schreibweise der komplexen Exponentialfunktion kennengelernt haben, widmen wir uns den Potenzen bei komplexen Zahlen. 8.1 Moivre Formel von Wir betrachten hier zunächst z n für n 2 N. Zerlegt man diese Potenz in mehrere Multiplikationen, so lässt sich durch mehrmaliges Anwenden der oben angegebenen Regel (Multiplikation der Beträge, Addition der Argumente) das Ergebnis wie folgt schreiben (Formel von Moivre): z n = jz jn [cos(n) + i sin(n)] 8n 2 N Den Beweis der Formel für beliebige n führen wir mit Hilfe der vollständigen Induktion: Induktionsanfang : Für n = 0 stimmt die Aussage oensichtlich, denn z 0 = jz j0 [cos(0) + i sin(0)] = 1(1 + i 0) = 1 Induktionsschritt Sei nun die Formel von Moivre für ein n 2 N gezeigt. Dann ist zu zeigen, dass sie auch für n + 1 gilt und wie folgt aussieht: z n+1 = jz jn+1 [cos((n + 1)) + i sin((n + 1))] z n+1 = z n z jzjn (cos(n) + i sin(n)) jzj (cos() + i sin()) jzn zj (cos(n + ) + i sin(n + )) jzn+1j (cos[(n + 1)] + i sin[(n + 1)]) = = = 8.2 Einheitswurzeln In diesem Kapitel wollen wir uns noch einmal der Lösbarkeit von Gleichungen widmen. Wir haben bereits gesehen, dass sich alle quadratischen Gleichungen lösen lassen. Nun betrachten wir als Erweiterung die Gleichung zn = 1 , zn 1=0 8n 2 N Wie wir gerade gesehen haben, wird beim Potenzieren das Argument der komplexen Zahl mit der Moivre). Denkt man diesen Rechenschritt mal rückwärts, so muss beim Potenz multiplizert ( Ziehen der n. Wurzel das Argument durch n dividiert werden, also folgt aus zn zn = jzjn (cos(n) + i sin(n)) = 1 = cos( k 2) + i sin(k 2) 8k = 1; :::; n 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 14 durch das Wurzelziehen: z = z = p n pn jz j 1 = n cos cos k 2 n n n + i sin + i sin k 2 n px n n k2N Nach dem Fundamentalsatz der Algebra hat jede Gleichung n. Grades genau n Lösungen im Komplexen (lineare Glg eine Lsg, quadrat. Glg usw.). Diese n Lösungen für k = 1 ; :::; n sehen dann wie folgt aus: zk = cos k n 2 + i sin k n 2 = 2 eik n Das ist eine schöne Vermutung, die wir nun auch beweisen müssen. Oensichtlich lösen alle Zahlen zk die Gleichung z n = 1, denn 8k = 1; :::; n gilt: zkn = cos k n 2 + i sin k n 2 n = = 1 2 h = 2 cos n k + i sin n k n n i2k cos (2k ) + i sin (2k ) = e = Dabei wurde die 2 eik n = in enik n 2 Moivre-Formel benutzt. Man nennt die Zahlen die n. Einheitswurzeln, denn man kann mit der Wurzelschreibweise für alle zk schreiben: zk = pn 1 8k = 1; :::; n Damit haben wir aus 1 die n. Wurzel gezogen und alle n Lösungen gefunden. Betrachtet man sich die Einheitswurzeln am Einheitskreis, so stellen die einzelnen Lösungen Zahlen dar, deren Argumente sich konstant um 2 n von dem der Nachbarzahl unterscheiden, also einen regelmäÿigen n-Stern um den Ursprung bilden. Es lässt sich anschaulich leicht feststellen, dass bei n-maligem multiplizeren, also beim n-maligen Addieren des Winkels von ganzzahliges Vielfaches von 2 k 2n , immer im Argument ein (also immer die Zahl 1) erreicht wird. Abbildung 5 veranschaulicht diesen Zusammenhang für die achten Einheitswurzeln. Anmerkung Natürlich ist 1 (1 = zk für k = n) auch immer eine Lösung, denn 1n = 1. Nun benötigen wir für die Praxis natürlich die n. Wurzeln aus einer allgemeinen komplexen Zahl, d.h. zn c = 0 , p z= nc Die Verallgemeinerung lässt sich mit Kenntnis der Einheitswurzeln ganz einfach formulieren: Sei c = jcj (cos + i sin ). Dann zieht man die n. Wurzel aus dem Betrag von c und dividiert das Argument durch n, wobei hier beachtet werden muss, dass die komplexe Zahl c im Allgemeinen 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 15 Abbildung 5: Die achten Einheitswurzeln k 2 hat, sondern einen beliebigen Winkel . Damit sehen die Lösungen dann folgendermaÿen aus: ungleich 1 ist und somit nicht das Argument 0 bzw. zk = p n j cj cos 2 k + n + i sin 2 k + n 8k = 0; :::; n 1 Dass diese Zahlen die Lösungen sind, muss natürlich noch bewiesen werden. Zunächst ist klar, dass alle diese Zahlen die Gleichung lösen, denn: zk = = = p j cj n k + ) + i sin(2k + )) jcj (cos + i sin ) c n (cos(2 Dies folgt aus der Tatsache, dass die trigonometrischen Funktionen periodisch mit der Periode 2 sind und somit gilt: + 2k) = sin() sin( cos( + 2k) = cos() 8k 2 N Nun bleibt aber die Frage, ob die Zahlen denn auch wirklich unterschiedliche Zahlen sind und sich nicht sozusagen überlappen, da das Argument aufgrund des zusätzlichen Winkels gröÿer sein kann als 2 ! Da aber die Argumente der einzelnen Lösungen immer paarweise verschieden sind und weiterhin gilt: 0 < 2 k n 2 8k = 1; :::; n sich also alle Lösungen innerhalb einer Umdrehung des Zahlenzeigers in der komplexen Ebene benden (alle Lösungen liegen auf dem gleichen Riemann-Blatt), können keine Lösungen mehrfach vorkommen und die Lösungen sind tatsächlich alle paarweise verschieden. 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Seite 16 9 Anwendungen Nachdem in den vergangenen Kapiteln die Grundlagen und Rechengesetze der komplexen Zahlen sehr abstrakt beschrieben wurden, soll nun anhand einiger Anwendungsbeispiele gezeigt werden, wo und wie man die komplexen Zahlen einsetzten und verwenden kann. Die theoretischen Grundlagen, die den Beispielen zugrunde liegen, werden dabei nicht in aller Ausführlichkeit erläutert, da dazu viele Vorkenntnisse aus der Physik und der Analysis erforderlich sind. 9.1 Schwingungen Bevor wir uns das mathematische Modell einer Schwingung ansehen können, muss zunächst eine Kleinigkeit zu Dierentialgleichungen gesagt werden. 9.1.1 Dierentialgleichungen Bei einer Dierentialgleichung (kurz DGL) handelt es sich um eine Gleichung, in der eine Funktion f (t) und ihre Ableitung df dt vorkommen. Das einfachste Beispiel einer DGL ist das folgende: f (t) = bzw. f (t) df (t ) dt df (t ) = 0 dt Beim Lösen dieser DGL gibt es einige Möglichkeiten, auf die wir hier aber nicht eingehen. Nach kurzem Überlegen ndet man schnell einen Kandidaten für die Funktion f, der die Gleichung erfüllt, nämlich f (t) = A et ; wobei A eine beliebige reelle Konstante ist. Diese Lösung stellt sich nach Einsetzen in die Glei- chung sofort als brauchbar heraus. Eine leicht modizierte DGL ist die folgende: f (t ) = bzw. in anderer Form f (t) + df (t) dt df (t ) = 0 dt Nach kurzem Überlegen kommt man auf die Lösung f (t ) = A e t ; die sich wieder duch Einsetzen leicht überprüfen lässt. Diese beiden Beispiele, bei denen die ersten Ableitungen in der DGL vorkommen, heiÿen Dierentialgleichungen erster Ordnung. Nun gibt es aber in der Welt der Mathematik und Physik vor allem DGLen, bei denen auch die zweiten, dritten, vierten oder n-ten Ableitungen vorkommen. Wir wollen hier zwei einfache Beispiele zu DGLen zweiter Ordnung machen, d.h. DGLen, bei denen nur die Funktion selbst und ihre zweite Ableitung vorkommt. Dazu betrachten wir die folgende Gleichung: f (t ) = d2 f (t) dt2 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen f (t) Seite 17 d2 f (t) = 0 dt2 Hier wird das Überlegen schon ein bisschen schwieriger, aber nicht unmöglich. Eine Funktion die nach zweimaligem Ableiten wieder sie selbst ist, lässt sich noch im Kopf nden: die Exponentialfunktion. Auch hier erfüllt die Funktion f1 (t) = A et wieder die DGL. Bei genauerem Hinsehen ndet man aber auch, dass die Funktion f2 (t) = A e t die DGL ebenfalls erfüllt. Die Theorie, die den DGL zugrunde liegen besagt, dass eine DGL zweiter Ordnung nur zwei Lösungen haben kann. Weiteres Kopfzerbrechen führt also zu keinem weiteren Ergebnis. Mit leichter Modikation lässt sich dieses Beispiel zusammenbasteln: d2 f (t) dt2 d2 f f (t) !2 2 (t) = 0 dt zweiten Ableiten ein ! f (t) = !2 Hier muss also je beim ersten und hinzukommen. Das lässt sich leicht durch ein erweitertes Argument in der Exponentialfunktion erreichen: f1 (t) = A e!t f2 (t) = A e !t Durch Einsetzen sieht man wieder, dass die Lösungen stimmen. Jetzt betrachten wir die den eigentlich interessanten Fall, der uns wieder auf die Fährte der komplexen Zahlen bringt: f (t ) = oder f (t) + 1 1 2 ddtf2 (t) d2 f (t ) = 0 dt2 Hier brauchen wir nun eine Funktionenkonstruktion, bei der sich nach zweimaligem Ableiten ein Minuszeichen ergibt. Die imaginäre Einheit scheint dafür ja gerade passend zu sein. Wenn wir aus dem vorherigen Beispiel ! durch die imaginäre Einheit i ersetzen, dann erhalten wir als Lösung: f1 (t) = A eit Setzen wir diese Lösung in die DGL ein, so ergibt sich: 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen d2 f (t ) dt2 = = = = = = = Seite 18 d df (t) dt dt d d it A e dt dt d A i eit dt d it Ai e dt A i i eit A eit f (t) Analog zum vorherigen Beispiel ndet man als zweite Lösung der DGL: f2 (t) = A e it Jetzt bleibt nur die entscheidende Frage: Was soll man sich darunter vorstellen und wozu kann man diese Funktionen überhaupt gebrauchen? Um das beantworten zu können, müssen wir uns der Formel von Euler bedienen. Damit lieÿ sich die komplexe Exponentialfunktion schreiben als: eit = cos(t) + i sin(t) Damit erhalten wir als Lösungen der DGL: f1 (t) = A ei t = A (cos(t) + i sin(t)) f2 (t) = A e i t = A (cos( t) + i sin( t)) Da der Cosinus eine gerage Funktion (cos( t) = cos(t)) und der Sinus eine ungerade (sin( t) = sin(t)), ergibt sich für f2 (t) f2 (t) = A e it = A (cos(t) i sin(t)) Damit wird deutlich, dass man die Lösung der DGL als Überlagerung von periodisch schwingenden Funktionen (sin und cos) schreiben kann. Diese Lösungsfunktionen ( Linearkombinationen a f1 + b f2 nennt man Schwingungen. f1 , f2 ) und alle ihre 9.1.2 Federpendel Nach dieser Vorarbeit betrachten wir ein Federpendel. Die auf die Masse m wirkenden Fräfte lassen sich wie folgt beschreiben: Fges = FG FD wobei hier FG die nach unten wirkende Gewichtskraft ist und FD die entgegengesetzt wirkende Karft der Feder. Da die Gewichtskraft immer konstant ist und sich nicht mit der Auslenkung der Feder aus der Ruhelage ändert, lassen wir sie hier mal unberücksichtigt. Bei der genaueren Betrchtung von DGL ist das Weglassen von Termen nicht immer so einfach, aber für unseren einfachen Fall dürfen wir das machen. Damit erhalten wir Fges = FD 12.10.2006, Philipp Girichidis Komplexe Zahlen Nach Seite 19 Newton ist F = m a2 wobei die Beschleunigung a die zweite Ableitung der Auslenkung x a = ddt2x =: x. Andererseit ist die Kraft der Feder über die Federkonstante D und die Auslenkung x aus der Ruhelage gegeben: FD = D x. Nun ist die Auslenkung ja nicht immer gleich, sondern sie wird stark von der Zeit abhängen, daher betrachten wir x und x als Funktionen der Zeit (x(t) und x (t)). Setzt man beides in die Gleichung ein, so erhält man: nach der Zeit ist, also m x = D x bzw. x(t) = D x(t) m Als Lösung nden wir wieder die komplexe Exponentialfunktion mit dem speziellen Wert für !, also x(t) = x0 ei q Die Konstante D m t x0 ist hier die Amplitude also die maximale Auslenkung aus der Ruhelage. 12.10.2006, Philipp Girichidis q D m