Syntax II

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Vorlesung Syntax des Deutschen, Herbstsemester 2011, Claudia Bucheli Berger, Dr., Universität Fribourg CH
Syntax II
1. Repetition:
Wortarten nach Flektierbarkeit, Suche nach hierarchischer Struktur der Syntax, Konstituenten,
Satzglieder, Phrasen. Syntax ist rekursiv. Inhaltswörter, Funktionswörter. Verschiebe-,
Weglass-, Ersatz- und Frageprobe. Dependenz. Valenz=Wertigkeit (logische, morphosyntaktische und semantische Valenz). Topologische Stellungsfelder des Deutschen.
Aufgabe 1: Bestimmen Sie im untenstehenden Text:
A. die Satzglieder/Konstituenten
B. die Wortarten der einzelnen Wörter
C. die Wertigkeit der Verben
Text: Kundenmagazin ‚Streifzug’ bls Herbst 2011, S. 3, Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Vor einem Jahr haben wir Sie um Ihr Urteil zu unserem Kundenmagazin gebeten, und rund
5400 Leserinnen und Leser haben uns geantwortet. Die zahlreichen Anregungen haben wir
geprüft und viele umgesetzt – und heute halten Sie den ‚neuen’ Streifzug in den Händen.
Einem vielgenannten Wunsch entsprechend werden wir BLS- und Bahn-Themen vertiefen
und vermehrt Hintergründe beleuchten. Weiter haben wir unsere Palette an Ausflugsvorschlägen vergrössert. […]
herzliche Grüsse
B.G.
CEO BLS AG
2. Terminologie
Tabelle 1: Perspektiven und Begriffe (aus: www.syntax-theorie.de Block E)
Perspektive
Aus der jeweiligen Perspektive sich ergebende Unterscheidungen
Valenz
Ergänzung, Angabe
Verschiebbarkeit
Satzglied, Gliedteil
Innere Struktur
Phrase, Kern
Grammatische Merkmale: Wortart und Kasus
Nominalphrase (im Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv); Adjektivphrase,
Adverbphrase, Präpositionalphrase, Konjunktionalphrase
Funktion
Aktant (Subjekt, Objekt), Prädikativ, Adverbiale
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3. Funktionale Perspektive
Was die Beziehung des Satzgliedes zum Satz als Ganzem betrifft: ‚funktional’
In funktionaler Hinsicht müssen drei Arten von Abhängigkeit unterschieden werden:
a) Aktanten: – zentrale Mitspieler (Subjekt und Objekt)
– immer valenzgebunden an Verb
– Nominalphrasen, plus einige vom Verb in einer ganz bestimmten
Form verlangte Präpositionalphrasen (warten auf, denken an, sich
freuen auf etc.), deren Bedeutung ohne das regierende Verb nicht erschlossen werden kann
Er hat mir den Schlüssel gegeben.
Sie denkt oft an ihn.
Das Kind weint.
Mich friert. / Mir ist kalt.
b) Prädikative:
– spezifizieren eine andere Nominalphrase näher
– manchmal valenzgebunden, manchmal nicht
– Nominal-, Adjektiv-, Präpositional-, Konjunktionalphrasen
Anna ist/bleibt/wird eine begabte Studentin.
Anna ist/bleibt/wird müde.
Anna trinkt den Kaffee schwarz.
Anna entwickelte sich zu einer begabten Studentin.
Ich habe Anna immer für eine begabte Studentin gehalten.
Als begabte Studentin kann sich Anna für eine renommierte Uni bewerben.
c) Adverbiale:
– kodieren die ‘peripheren’ Umstände der durch das Verb
ausgedrückten Eventualität: Raum, Zeit, Grund, Art und
Weise
– häufig nicht valenzgebunden (also Adjunkte), von einigen
Verben aber als Argumente gefordert
– Präpositional-, Nominal-, Adverb-, Konjunktionalphrasen
Anna hat drei Jahre in Boston studiert.
Sie hat dort wenig Zeit für anderes gehabt.
Jeden Abend arbeitete sie an ihrer Studie.
Sie wohnte in Cambridge.
Sie arbeitet heute noch wie damals.
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4. Definition und Klassifikation von Satzgliedern
(1)
Definition: Ein Satzglied ist die kleinste ins Vorfeld verschiebbare abhängige Einheit.
(Vorfeld = die Position vor dem finiten Verb im Hauptsatz)
[Anna] hat gestern das Auto ihrer Eltern zu Schrott gefahren
[gestern] hat Anna das Auto ihrer Eltern zu Schrott gefahren
[das Auto ihrer Eltern] hat Anna gestern zu Schrott gefahren
*[ihrer Eltern] hat Anna gestern das Auto zu Schrott gefahren
*[das Auto] hat Anna gestern ihrer Eltern zu Schrott gefahren
Das Prädikat (finites Verb plus ev. nonfinite Bestandteile) gilt nicht als abhängige Einheit, sondern als Kopf des ganzen Satzes (also kein Satzglied):
[zu Schrott gefahren] hat Anna gestern das Auto ihrer Eltern
(2)
(3)
Die Klassifikation von Satzgliedern richtet sich einerseits nach formalen Kriterien
(z.B. Realisierung als NP, PP usw.), andererseits nach verschiedenen Arten der Abhängigkeit (Funktionen) im Satz.
a)
Formale Parameter: Wortartprägung des Phrasenkerns Nominalphrase (im
jeweiligen Kasus), Adjektivphrase, Präpositionalphrase, Konjunktionalphrase,
Adverbphrase.
b)
Funktionale Parameter: Art der Abhängigkeit
Aktant, Prädikativ, Adverbiale.
Formale und funktionale Parameter ergeben folgende Kreuzklassifikation:
Aktant
Prädikativ
NP im Nominativ
Subjekt
Prädikativer Nom.
NP im Akkusativ
Akkusativobjekt
Prädikativer Akk.
NP im Dativ
Dativobjekt
NP im Genitiv
Genitivobjekt
Präpositionalphrase
Präpositionalobjekt
Adverbiale
Adverbialer Akk.
Adverbialer Genitiv
Prädikative PP
Adverbiale PP
Adjektivphrase
Prädikative AP
Adverbiale AP
Konjunktionalphrase
Prädikative KonP
Adverbiale KonP
Adverbphrase
Traditionell werden
Adverbiale AdvP
AP PP
KonP
AdvP
als
Satzadjektiv Präpositionalglied Konjunktionalglied Satzadverb/Satzpartikel
bezeichnet.
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5. Satzglied-Innenbau: Attribute
Das ‚klassische’ Attribut: der blaue Pullover (adjektivisches Attribut)
Neben adjektivischen Attributen gibt es:
(1) Genitivattribute:
a) Genitivus subjectivus: die Eroberungen der Germanen
b) Genitivus objectivus: die Eroberung Roms
c) Genitivus possessivus: Annas Auto, das Auto meiner Freundin
d) Genitivus qualitatis: eine Unterkunft erster Qualität
e) Genitivus partitivus: eine Tasse starken Kaffees
(2) Apposition:
die Eltern von Anna, unserer Musterstudentin, sind wegen dem Auto eingeschnappt
Onkel Fritz kommt übers Wochenende
du Trottel
(3) Präpositionalattribut:
die Dame mit dem Hündchen
Porzellan aus China
(4) Attributsatz:
Kleider, die teuer sind (Relativsatz)
Früchte, wie man sie in Italien kennt (Attributsatz)
Aufgabe 2: Überlegen Sie sich, welche Valenzeigenschaften für folgende Verben im Lexikon
gespeichert sein müssen: schenken, fahren, denken, regnen, frieren. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit: Helbig, Gerhard / Schenkel, Wolfgang (1973): Wörterbuch zur Valenz und
Distribution deutscher Verben. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut.
Aufgabe 3: Erklären Sie, warum folgender Satz mehrdeutig ist:
Hans hat Porzellan aus China mitgebracht
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