Erdbeben in der Schweiz Unterrichtsmaterialien zum Besuch des Erdbebensimulators und der Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich Erstellt durch das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz FHNW, im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich (SED) und von focusTerra, ETH Zürich Foto: Peter Rüegg, HK Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Impressum Titel Erdbeben in der Schweiz: Unterrichtsmaterialien zum Besuch des Erdbebensimulators und der Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich Institutionen Erstellt durch das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) und von focusTerra der ETH Zürich Autoren/Autorin PH FHNW Peter Gloor, Institut Sekundarstufe I und II, Geographiedidaktik Peter Labudde, Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik Nora Zimmermann, Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik Mitwirkende Andrea Biedermann, Institut für Geophysik, ETH Zürich Blaise Duvernay, BAFU Florian Haslinger, SED, ETH Zürich Daniela Jost, BAFU Ulrike Kastrup, focusTerra, ETH Zürich Anne Sauron, Institut für Geophysik, ETH Zürich Layout Karin Nöthiger, 5443 Niederrohrdorf Ort, Datum Basel, Bern, Zürich: November 2010 überarbeitete Version, Zürich: Februar 2014 Bezug http://www.focusterra.ethz.ch/ © BAFU 2010 Überarbeitung focusTerra 2014 2 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Inhalt 1 2 3 Vorbereitung 6 1.1 Inhalt der Vorbereitung 6 1.2 Hinweise für Lehrpersonen 6 1.3 Skizze für eine zweistündige Unterrichtseinheit 7 Simulator- und Ausstellungsbesuch 9 2.1 Organisation und Ablauf 9 2.2 Hinweise für Lehrpersonen 9 2.3 Erdbebensimulator 10 2.4 Ausstellung focusTerra – Aufgabenblätter 11 Nachbereitung 3.1 18 Projektvorschlag 1: Erdbebenprophylaxe im Schulzimmer und zu Hause 18 Projektvorschlag 2: «Info-Nachmittag» an unserer Schule zum Thema Erdbeben und Erdbebenprävention 20 3.3 Projektvorschlag 3: Wir bauen einen Seismographen 23 3.4 Weitere Projektideen 24 3.5 Wir simulieren die Bewegungen von Erdkrusteplatten – Ein Experiment im Schulzimmer 25 3.2 4 Unterrichtsmaterialien 26 5 Anhang: Lernziele 42 6 Anhang: Fachanalyse 44 6.1 Die Entstehung von Erdbeben 44 6.2 Die Verbreitung der Erdbeben 45 6.3 Ausbreitung von Erdbeben: Seismische Wellen und Untergrund 45 6.4 Erdbebenmessung 46 6.5 Erdbebenfrühwarnung 47 6.6 Erdbebenstärke 48 6.7 Erdbebenschäden 49 6.8 Fachwortverzeichnis Erdbeben 51 7 Anhang: Alltags- und Gegenwartsbezug 56 8 Anhang: Erdbeben in aktuellen und zukünftigen Lehrplänen (HarmoS) 58 8.1 Das Thema Erdbeben in den aktuellen kantonalen Lehrplänen 58 8.2 Das Thema Erdbeben in HarmoS und im zukünftigen Lehrplan 21 60 3 Erdbeben in der Schweiz 9 10 SED/focusTerra Handlungsaspekte für die Sekundarstufe I und Basisstandards für das Ende des 9. Schuljahrs 62 9.1 Fragen und untersuchen 62 9.2 Informationen erschliessen 62 9.3 Ordnen, strukturieren, modellieren 63 9.4 Einschätzen und beurteilen 63 9.5 Entwickeln und umsetzen 64 9.6 Mitteilen und austauschen 64 9.7 Interesse und Neugierde entwickeln 65 9.8 Eigenständig Arbeiten, mit anderen zusammenarbeiten 65 Themenbereiche für das 7. bis 9. Schuljahr 66 10.1 Planet Erde 66 10.2 Bewegung, Kraft, Energie 66 10.3 Wahrnehmung und Steuerung 66 10.4 Stoffe und Stoffveränderungen 66 10.5 Lebewesen 67 10.6 Lebensräume und Lebensgemeinschaften 67 10.7 Mensch und Gesundheit 67 10.8 Natur, Gesellschaft, Technik – Perspektiven 67 11 Bildungsstandards und Kompetenzen im Geographieunterricht 68 12 Anhang: Schülervorstellungen (Präkonzepte) zu Erdbeben und Plattentektonik 70 12.1 Präkonzepte zu Erdbeben 70 12.2 Präkonzepte zur Plattentektonik (Erdinneres und Vulkanausbrüche) 70 12.3 Präkonzepte zu Vulkanausbrüchen 71 12.4 Hinweise zum Umgang mit Präkonzepten im Unterricht 73 4 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Einleitung Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen Seit Beginn des Jahres 2010 ist die erdwissenschaftliche Ausstellung focusTerra der ETH Zürich mit dem Erdbebensimulator des Bundesamtes für Umwelt um ein bedeutendes Lernelement reicher. Anhand von real aufgezeichneten Signalen ermöglicht der Erdbebensimulator Besucherinnen und Besuchern Beben unterschiedlicher Intensität selbst zu erleben. Der Simulator sensibilisiert Kinder, Jugendliche und Erwachsene einerseits für die Schweiz als erdbebengefährdetes Land, anderseits für richtige Verhaltensweisen im Falle eines Bebens. Zusammen mit dem Simulator wartet die Ausstellung mit einem vielgestaltigen, informativen Wissensangebot auf: Dazu gehören zum Beispiel die Entstehung der Erde, die Prozesse im Erdinnern und auf der Erdoberfläche und die Erde als geologisches Archiv, das vielerlei Schätze beherbergt. Das vorliegende Dossier bietet eine Unterrichtseinheit zum Thema «Erdbeben in der Schweiz» mit einem integrierten Ausstellungs- und Simulatorbesuch in Zürich. Es wendet sich in erster Linie an Lehrpersonen, kann aber auch bei interessierten Laien als Informationsmaterial Verwendung finden. Die Unterrichtseinheit ermöglicht es den Lernenden, die vielseitigen Eindrücke besser zu verorten und das Erfahrene in vorgängig erarbeitetes Wissen einzubauen. Die im Auftrag des Bundesamts für Umwelt, des Schweizerischen Erdbebendienstes und focusTerra entstandenen Materialien sind ein didaktisch ausgearbeitetes Unterrichtskonzept für Schülerinnen und Schüler im 8. bis 10. Schuljahr. Der in Kapitel «Vorbereitung» bereitgestellte Lektionsplan bietet zusammen mit den Arbeitsblättern eine zweistündige Vorbereitung auf den Ausstellungs- und Simulatorbesuch und sollte in dieser Form direkt im Unterricht umsetzbar sein. Der zweite Teil des Dossiers bietet ausführliches Begleitmaterial für einen zweistündigen Besuch mit der Klasse in der Ausstellung focusTerra und im Erdbebensimulator an der ETH Zürich. Das Kapitel «Nachbereitung» enthält eine Ideen- und Materialsammlung, mithilfe derer die Schülerinnen und Schüler ihr erworbenes Wissen anwenden und erweitern sowie in Form eigener Projekte vertiefen können. Sämtliche Materialien der vorliegenden Unterrichtseinheit dienen als Unterrichtsidee und lassen sich je nach Wissens- und Leistungsstand der Klasse anpassen und verändern. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem didaktischen und wissenschaftlichen Hintergrund der erarbeiteten Materialien bietet das Dossier im Anhang ausführliche Zusatzinformationen für Lehrpersonen. Die Vermittlung von Grundkenntnissen zum Thema Erdbeben erachten wir als wichtige Voraussetzung für einen Besuch in der Ausstellung und im Simulator; sie bildet gleichsam den roten Faden der erarbeiteten Materialien. Der Bezug zur Alltagswelt der Jugendlichen steht dabei im Vordergrund. Wir hoffen, dass Ihnen diese Unterrichtsunterlagen erlauben, den Besuch in der Ausstellung focusTerra und dem Erdbebensimulator sinnvoll und effektiv zu unterstützen. Das Autorenteam Peter Gloor Peter Labudde Nora Zimmermann 5 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 1 Vorbereitung 1.1 Inhalt der Vorbereitung Das Kapitel Vorbereitung bietet einen konkreten Unterrichtsplan für zwei Lektionen, als Vorbereitung auf den anschliessenden Ausstellungs- und Simulatorbesuch, bei dem das erworbene Wissen vertieft und ausgeweitet werden kann. Folgende Ziele werden mit der Vorbereitung verfolgt: Die Schülerinnen und Schüler: • erkennen Erdbeben als Naturgefahr in der Schweiz und wissen, warum es in der Schweiz und Südeuropa zu Erdbeben kommt; • kennen die Begriffe Erdkruste, Erdmantel und Erdkern und damit den Aufbau der Erde; • können die Vorgänge in und auf der Erde an Beispielen beschreiben; • kennen und verstehen die Begriffe Magnitude, Intensität, Richterskala und Epizentrum. 1.2 Hinweise für Lehrpersonen Die vorliegende zweistündige Unterrichtssequenz sollte in dieser Form direkt im Unterricht einsetzbar sein. Sie ist als Idee zu verstehen, wobei es der Lehrperson selbstverständlich frei steht, das Material zu nutzen oder eigene Lektionen zu gestalten. Ausgehend von den Lernzielen für die gesamte Unterrichtseinheit (siehe Anhang 1), ermöglicht der erste Teil der Doppellektion eine allgemeine Einführung ins Thema Aufbau der Erde und Plattentektonik. Das Erfassen und Verstehen der Vorgänge in und auf der Erde dient als roter Faden für das Verstehen der Ursachen von Erdbeben und weiteren Teilaspekten des Themas Erdbeben in der Schweiz, wie sie in der Unterrichtseinheit thematisiert werden. Die zweite Lektion vertieft einerseits das Grundwissen über Erdbeben und setzt sich andererseits das Ziel, die Lernenden in einem ersten Schritt für die Schweiz als erdbebengefährdetes Land zu sensibilisieren. Der Ansatz in der Erarbeitung der Plattentektonik, wie er in Lektion 1 verfolgt wird, gründet auf Erkenntnissen ausgewählter Studien zu Schülervorstellungen (Präkonzepte) zum Thema Erdbeben und Plattentektonik (siehe Anhang 5). Gemäss dieser Untersuchungen sind zwei Blickpunkte hinsichtlich des Unterrichts zur Plattentektonik besonders zu beachten: Das Wissen um den konzentrischen Schalenbau der Erde gilt als wichtige Voraussetzung für das weitere Verständnis der Prozesse im Zusammenhang mit der Plattentektonik. Dieses Wissen sollte wenn nötig in einem ersten Schritt erarbeitet und gesichert werden. Zweitens ermöglicht das eigene Zeichnen von wissenschaftlichen Modellen den Schülerinnen und Schülern ein besseres Verständnis der Materie, als wenn sie bereits fertige Modelle vorgesetzt bekommen. Das Erstellen eigener Skizzen und Modellen fördert das aktive Bilden und Korrigieren bestimmter Denkmodelle. Beiden Erkenntnissen wurde in der Lektionsplanung versucht Rechnung zu tragen. 6 Erdbeben in der Schweiz 1.3 SED/focusTerra Skizze für eine zweistündige Unterrichtseinheit Zeit Unterrichtsverlauf/Inhalte Lektionsaufbau, Lehr- und Lerntätigkeit Organisation Sozialformen, Medien, Figuren Didaktischer Kommentar Begründung einzelner Schritte, Verweise auf Teilziele Materialien 1. Stunde 5’ Begrüssung und Einführung Klassengespräch ins Thema, informierender Einstieg mit Lernzielen Einleitungsphase; es soll klar werden, um was es geht, der Sache und den Lernzielen folgend. Folie mit Lernzielen (M1) 15’ Folgende Fragen und Inhalte sollten vorkommen, Schwerpunkt ist der Aufbau der Erde: • Einstiegsfrage: Was ist unter unseren Füssen? Was wäre, wenn wir durch die Erde bohren könnten, und was träfen wir an? Wo kämen wir heraus? • Beispiel zeigen: Zwiebel oder Pfirsich aufschneiden Klassengespräch und daraus folgend müssen die SuS 1 zu zweit ihre Vorstellungen auf einem Plakat festhalten. Wichtig ist das Festhalten der SuS-Vorstellungen (die Präkonzepte) und die Aktivierung. Plakate und Stifte 5’ • Schalenbau der Erde • Begriffe Erdkruste, oberer LP zeigt Folie mit den aktuellen Erkenntnissen und erklärt für alle den Aufbau der Erde und verteilt den Lückentext als Hausaufgabe. Die Zusammenfassung durch die LP soll Klarheit für alle schaffen. Folie und Kopie sollen den Lerninhalt darstellen. Der Lückentext dient der Festigung und individuellen Überprüfung. Folie «Der Schalenbau der Erde» (M2), Kopie, AB «Der Schalenbau der Erde» (M3), Lückentext als Hausaufgabe Im Rahmen einer Partnerarbeit werden 2 Aufgaben gelöst. Mit Hilfe der Übungen soll neben den Inhalten auch der Umgang mit thematischen Karten als Kompetenz gefördert werden. Powerpoint (M4) Folie 1 AB «Die Kontinente auf Wanderschaft» (M5), Atlas und ein, zwei dünne, farbige Schaumstoff-Lappen oder zwei Bücher und unterer Erdmantel, innerer und äusserer Erdkern 20’ (2 Aufgaben à 10’) Die SuS setzen sich mit der Theorie der Plattentektonik auseinander. Anschliessend kurze mündliche Einleitung. Einstiegsfrage: Zu welchen Platten gehört die Schweiz? • Erdoberfläche in 7 grosse und 5 kleinere Platten unterteilt. Jede Platte hat ihren Namen. • Plattengrenzen und Plattenbewegungen • Erdbebenzonen und Vulkanismus Teil 1: Atlas-Übung: Tektonische Platten: Grenzen, Bewegungen, Namen, Zonen häufiger Erdbeben und Vulkanismus Teil 2: Simulation von Plattenbewegungen mithilfe der Schaumstoff-«Platten» Ergebnissicherung und Kontrolle der Übungen 1 SuS = Schülerinnen und Schüler; LP = Lehrperson; AB = Arbeitsblatt, M = siehe unter Kapitel 4. Materialien 7 Erdbeben in der Schweiz Zeit SED/focusTerra Unterrichtsverlauf/Inhalte Lektionsaufbau, Lehr- und Lerntätigkeit Organisation Sozialformen, Medien, Figuren Didaktischer Kommentar Materialien Begründung einzelner Schritte, Verweise auf Teilziele • SuS werden mit Bildern TV-Beitrag: Bericht über Erdbeben Aktivierungsphase und Arbeitsphase Link: www.videoportal .sf.tv 2, Liste mit vorgeschlagenen Links (M6) Schweizer Weltatlas oder Diercke Weltatlas Festigung und Zusammenfassung AB «Erdbeben – Wie entsteht ein Erdbeben?» (M7) Vertiefungsphase AB «Erdbeben – Wie misst man Erdbeben?» (M7) 2. Stunde 10’ eines Erdbebens konfrontiert. • Entstehung und Ursache von Erdbeben anhand eines Beispiels • Allgemeine Informationen zur Entstehung eines Erdbebens • Unterschiedliche Arten von Erdbeben 5’ • Fazit: Es braucht Hitze (Erdinneres) und Bewegung (Erdinneres/Erdoberfläche) zur Entstehung von Erdbeben. 15’ Ergänzende Erläuterungen zum Thema «Erdbeben in der Schweiz» durch die LP mit Hinweis auf historische Beben 2 Aufgrund der Notizen fasst die LP zusammen und ergänzt: Allgemeine Erläuterungen zur Entstehung von Erdbeben SuS erhalten die wichtigsten Informationen anschliessend in kurzer Textform. SuS lesen einzeln. Unterricht SuS lesen anschliessend einzeln im AB. LP beantwortet allfällige Verständnisfragen. • Gibt es auch in der Schweiz Vortrag der LP aufgrund Erdbeben? • Wieso bebt die Erde in der Schweiz? 5’ SuS halten ihre Ergebnisse im Heft fest. Zwei SuS schreiben ihre Ideen an die Tafel. Anschliessend Ergebnissicherung im Plenum. • Bezug zum TV-Beitrag: Wie Fragend-entwickelnder wurde die Stärke des Bebens angegeben? Was bedeutet das? • Warum wollen die Menschen die Erdbebenstärken bestimmen können? • Wie misst man Erdbebenstärken? (Begriffe: Magnitude, Intensität, Richterskala) 10’ Auftrag: SuS müssen aufgrund des Films in Partnerarbeit herausfinden, weshalb es am gezeigten Ort zu einem Erdbeben gekommen ist (Hilfsmittel: Atlas). Puffer Hausaufgaben erklären Festigung und Zusammeneiner Powerpointpräsentation fassung oder Folien: Die afrikanische Platte und die eurasische Platte stossen zusammen → Schweiz ein erdbebengefährdetes Land Powerpoint (M4) Folie 2 Text zum historischen Beben in der Stadt Basel im Jahr 1356 AB (M8) «Erdbeben in der Schweiz» Im Videoportal des Schweizer Fernsehens können sämtliche Beiträge nach Stichworten und/oder Datum gesucht werden. Eine Link-Liste mit möglichen Kurz-Beiträgen zu den Beben in Haiti (Januar 2010) und L’Aquila, Italien (April 2009) liegt dem vorbereiteten Unterrichtsmaterial bei. 8 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 2 Simulator- und Ausstellungsbesuch 2.1 Organisation und Ablauf Im Folgenden wird die Organisation und der Ablauf für einen circa zweistündigen Besuch des Erdbebensimulators und der erdwissenschaftlichen Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich beschrieben. Wir gehen von einer Klasse mit 24 Schülerinnen und Schülern aus, die sich in drei Gruppen à acht Personen aufteilt. Jede Gruppe bearbeitet während 30 Minuten eine der drei Lernumgebungen. Die Bearbeitung aller drei Lerneinheiten beträgt somit pro Gruppe insgesamt 90 Minuten. Eine Gruppe befindet sich zusammen mit Ausstellungspersonal im Erdbebensimulator, die andere beschäftigt sich, ebenfalls unter Anleitung, mit den Experimenten, und die dritte Gruppe befindet sich, zusammen mit der Lehrperson, auf dem Gang durch die Ausstellung focusTerra und löst die bereitgestellten Aufgabenblätter. Zwei Mitarbeitende der Ausstellung, zusammen mit der Lehrperson, bilden das Begleitteam des Besuchs. Die Gesamtdauer des Simulatorund Ausstellungsbesuchs beträgt circa 2 Stunden. Ablauf Zeit Inhalt Organisation und Betreuung Einführung 25’ Begrüssung, Hinweis auf Organisatorisches Einführende Powerpointpräsentation durch das Ausstellungspersonal Bildung von Gruppen zu jeweils sechs bis zehn Personen Klasse im Plenum Lerneinheiten 90’ Die drei Gruppen arbeiten jeweils 30 Minuten im Turnus an einer der drei Lernumgebungen: Gruppenarbeit Lernumgebung 1: Besuch des Erdbebensimulators Betreuung durch Ausstellungspersonal Lernumgebung 2: Experimente Betreuung durch Ausstellungspersonal Lernumgebung 3: Besuch der Ausstellung focusTerra zusammen mit Arbeitsblatt Betreuung durch Lehrperson Abschluss des Besuchs, allfällige Erteilung von Hausaufgaben an die Schülerinnen und Schüler Klasse im Plenum Abschluss 2.2 5’ Hinweise für Lehrpersonen Exkursionen sind ein wichtiger Bestandteil der Schulgeographie. Im vorliegenden Konzept für den Simulator- und Ausstellungsbesuch werden die Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung von Frage- und Problemstellungen sowie bei der Vermittlung der Lerninhalte instruiert und angeleitet. Diese instruktionale Orientierung basiert auf zwei grundlegenden Faktoren: Zum einen auf der Tatsache, dass die Inhalte der Ausstellung focusTerra einen hohen fachlichen Schwierigkeits- und Abstraktionsgrad vorweisen und es so für Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klasse kaum möglich ist, sie ohne unterstützende Anleitung zu lernen und zu verstehen. Zum andern eignet sich aus Sicht der Theorie das angeleitete Lernen gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler, womit unser Konzept der angesprochenen Alterskategorie Rechnung trägt. Das richtige Verhältnis zwischen selbstständig gestaltetem und angeleitetem Lernprozess bestimmt letztendlich den Erfolg oder Misserfolg der Exkursion. 9 Erdbeben in der Schweiz 2.3 SED/focusTerra Erdbebensimulator Mit dem Erdbebensimulator können Bodenbewegungen von echten Erdbeben bis Intensität VIII simuliert werden. Dabei bewegt sich der ca. drei Tonnen schwere Container in einer horizontalen Richtung. Der Simulator ist mit Tischen und anderen beweglichen Gegenständen eingerichtet und bietet Platz für bis zu zehn Personen gleichzeitig. Für Kleinkinder bis zum 5. Geburtstag, Personen mit Rücken- oder Nackenproblemen sowie Hochschwangere ist der Besuch des Simulators nicht geeignet. Experimente Im Vorraum des Erdbebensimulators befinden sich Experimente, zu denen detaillierte Beobachtungsaufträge aufliegen. 1. Experiment: Kann man ein Erdbeben vorhersagen? Erdbeben lassen sich bis zum heutigen Tag leider weder vorhersagen noch verhindern. Das erste Experiment verdeutlicht den plötzlichen Spannungsabbau entlang von Brüchen in der Erdkruste, der das Erdbeben auslöst. Aufgabe: Drehe langsam an der Kurbel und schaue, was mit dem Häuschen passiert. Aufgrund der ständigen Bewegung der tektonischen Platten baut sich in den Gesteinsschichten auf beiden Seiten eines Bruches Spannung auf. Wenn diese genug gross ist, entlädt sie sich in einer plötzlichen, ruckartigen Bewegung. Die dabei freiwerdende seismische Energie breitet sich in Form von Wellen durch die Erde und entlang der Erdoberfläche aus und verursacht die als Beben wahrgenommenen Erschütterungen. 2. Experiment: Wie schwingen Gebäude während eines Erdbebens? Gebäude reagieren unterschiedlich stark auf die Erschütterungen eines Erdbebens. Das Experiment zeigt, wie diese Unterschiede zustande kommen. Aufgabe: Beobachte, wie sich die unterschiedlich langen Stäbe je nach gewählter Frequenz bewegen. 3. Experiment: Wie baut man erdbebensicher? Den besten Schutz vor den Auswirkungen eines Erdbebens bieten eine erdbebengerechte Bauweise sowie das Sichern von Gegenständen, die herunterfallen könnten. In der Schweiz ist bei 90 Prozent der Gebäude unklar, inwieweit sie einem starken Erdbeben standhalten. Nur wenige Kantone schreiben die Einhaltung der Baunormen für erdbebengerechtes Bauen gesetzlich fest. Aufgabe: Teste deine Fähigkeiten als Baumeister eines erdbebengerechten Hauses. 10 Erdbeben in der Schweiz 2.4 SED/focusTerra Ausstellung focusTerra – Aufgabenblätter Die folgenden Aufgaben für die erdwissenschaftliche Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich wurden für Schülerinnen und Schüler im 8. bis 10. Schuljahr konzipiert und werden in vier Zweier- oder Dreiergruppen bearbeitet. Die Arbeitsblätter «Kevin und Jenny auf Entdeckungsreise» enthalten vier Aufgaben und zwei Zusatzaufgaben (Z1 und Z2). Die Zusatzaufgaben entsprechen einem höheren Niveau als die Aufgaben 1 bis 4. Sie können entweder von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern zusätzlich gelöst werden, oder mit einer der übrigen Aufgaben ausgetauscht werden, falls diese aus Sicht der Lehrperson zu wenig anspruchsvoll erscheinen. Idealerweise werden pro Gruppe mindestens zwei Aufgaben vollständig gelöst. Je nach Leistungsniveau und Stufe der Klasse können mehr oder weniger Aufgaben gelöst werden. Für die Bearbeitung der Aufgaben stehen 30 Minuten zur Verfügung. Der erzählerische Rahmen, in den die Aufgaben eingebettet sind, wird von den Figuren Kevin und Jenny gebildet, zwei fiktive Jugendliche auf dem entdeckenden Rundgang durch die Ausstellung. Die Reihenfolge der Aufgaben gestaltet sich frei. Lageplan der Ausstellung 11 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Jenny und Kevin auf Entdeckungsreise Aufgabenblatt zur Ausstellung focusTerra Lies den Text und versuche Jenny und Kevin bei der Lösung der Rätsel zu helfen, die sie auf dem Rundgang durch die Ausstellung antreffen. Dazu benötigst du Schreibzeug und den Schweizer Weltatlas. Deine Antworten kannst du jeweils direkt ins Aufgabenblatt schreiben. Viel Spass! Aufgabe 1: Erdbeben in der Schweiz Jenny packt Kevin am Arm und redet aufgeregt auf ihn ein: «Hast du gewusst, dass es auch in der Schweiz Erdbeben gibt?» «Nein, das stimmt doch nicht», entgegnet Kevin cool. Jenny: «Die meisten dieser Erdbeben sind eben nur schwach und kaum spürbar. Es gab aber auch schon richtig schwere Erdbeben, weißt du mit Toten und Verletzten.» Kevin staunt: «Könnte es auch heute zu einem solchen schweren Beben in der Schweiz kommen?» «Theoretisch ja», sagt Jenny, «nur ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein starkes Erdbeben bei uns auftritt, klein. Es gibt jedoch Regionen in der Schweiz, die eher mit schweren Beben rechnen müssen, da dort die Gefährdung höher ist. Aber schau selber!» Jenny zeigt Kevin auf der Wand eine Karte der Schweiz mit dem Titel «seismische Gefährdungskarte». Jenny und Kevin suchen auf der Karte die drei Städte Basel, Sion und Zürich und bestimmen, wie stark diese Regionen erdbebengefährdet sind, d.h. ob man hier mit einem Beben eher rechnen muss oder nicht.. 1a. Kannst du ihnen dabei helfen? Basel: Sion: Zürich: Im Film «Wie bedrohlich sind Erdbeben in der Schweiz?» erfahren Kevin und Jenny, dass die Auswirkungen eines Erdbebens unter anderem mit der Art des Untergrunds zusammenhängen. Schau dir den Film an und beantworte anschliessend folgende Frage: 1b.Welche Böden begünstigen grössere Schäden bei einem Beben, welche sind weniger gefährlich? 12 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Zusatzaufgabe Z1 Kevin und Jenny möchten gerne noch mehr zum Thema «Erdbebenrisiko und Erdbebengefahr in der Schweiz» erfahren. Sie schauen sich nochmals den Film «Wie bedrohlich sind Erdbeben in der Schweiz?» an und überlegen sich anschliessend sinnvolle Antworten. Hilf ihnen dabei. a. Was ist der Unterschied zwischen dem Erdbebenrisiko und der Erdbebengefährdung? b. Weshalb besteht sowohl in Zürich als auch in Sion ein hohes Erdbebenrisiko und das, obwohl ein Beben in Zürich sehr unwahrscheinlich ist? Die Antwort findest Du im Film, wenn Du schaust, woraus sich das Erdbebenrisiko zusammensetzt. 13 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Aufgabe 2: Der grosse Globus Jenny und Kevin stehen etwas ratlos vor dem grossen Globus hinten in der Ecke der Halle. Sie drücken wahllos auf dem Bildschirm herum. Auf dem Globus erscheinen nacheinander unterschiedliche Bilder, manche von ihnen bewegen sich. Dieser Globus ist ja richtig spannend! 2a. Wähle ein Programm auf dem Globus, das dir besonders gut gefällt und versuche zu beschreiben, was auf dem Globus geschieht. Jenny entdeckt auf dem Bildschirm ein Feld, das mit Plattentektonik angeschrieben ist. Beim Antippen des Feldes beginnt auf dem Globus ein Film, in dem sich die Erdteile, oder besser gesagt die Erdplatten bewegen. «Wow, die Kontinente verschieben sich?! Wie soll das denn bitte gehen? Die sind ja wohl ein bisschen schwer!» – Kevin erklärt ihr, dass die Erde tatsächlich nicht immer so aussah wie heute, sondern sich im Laufe der Erdgeschichte ständig, wenn auch nur langsam, verändert hat. Kevin zeigt auf den Globus: «Hier siehst du, wie sich die Erde in den letzten 300 Millionen Jahre verändert hat, und auch, wie sie in 100 Millionen Jahren aussehen könnte.» Da Kevin und Jenny einen indischen Freund, Anup, haben, wollen sie wissen, wo Indien vor 300 Millionen Jahren auf der Erde lag. Kevin drückt dafür noch einmal auf das Bild und der Film beginnt von vorne. Komisch, Indien ist zu Beginn des Films nirgends zu sehen. Plötzlich entdeckt Jenny ein Dreieck in der Grösse eines Zeichnungsblattes in der Nähe des Südpols, ganz unten. 2b. Was passiert? Schreib deine Beobachtung auf. Kannst du dabei folgende Worte verwenden: Platten, Wanderung, Ozean- und Meeresboden, Gebirge. 14 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Zusatzaufgabe Z2 Kevin schaut sich die Animation «Die stärksten Erdbeben» auf dem Globus an. Diese Animation zeigt die weltweite Verteilung der stärksten Erdbeben. Kevin sucht drei Regionen/Länder, wo sich besonders viele Beben ereignen. Kannst du ihm bei der Auswahl der drei Regionen/Länder helfen? Beobachte ganz genau, wo die Erdbeben auftreten (in einem Land, am Rand eines Landes, am Rand eines Ozeans, im Ozean)? Kannst du drei Regionen beschreiben oder drei Länder nennen, in denen starke Erdbeben auftreten? - Kevin bemerkt, dass die starken Erdbeben vorwiegend in der Nähe der farbigen Linien auftreten. Er fragt sich, was die farbigen Linien auf dem Globus bedeuten. Kannst du vielleicht helfen? Violett: Grün: Rot: 15 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Aufgabe 3: Aufbau der Erde und Plattentektonik «Schau mal!» ruft Jenny und zeigt auf die Steine in der grossen Glasvitrine. «Das sind Steine, na und?» meint Kevin und verdreht die Augen. «Das sind aber nicht irgendwelche Steine, diese Steine stammen aus dem Innern der Erde!» sagt Jenny und Kevin horcht auf: «Und wie kommen die Steine denn hier in diese Vitrine?» Jenny: «Tja, die wurden wahrscheinlich mal von einem Vulkan ausgespuckt und von Forschern eingesammelt.» «Hier erfährst du noch viel mehr über das Innere unserer Erde», sagt Jenny und deutet auf die Texte und Zeichnungen an der Wand links von der Vitrine. Beide lesen den Text «Der Aufbau der Erde» genau durch und lösen dann die Aufgaben. Mach dasselbe, notiere und zeichne. Vieles aus dem Text kennst du vielleicht bereits aus dem Unterricht. Schreibe in der untenstehenden Skizze der Erde die unterschiedlichen Schichten der Erde ein. Nenne dabei ihre Namen, ihre Mächtigkeit sowie ihre Materialbeschaffenheit (fest, halbfest, flüssig, zähflüssig). 16 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Aufgabe 4: Die Entstehung von Gebirgen «Weisst du, wo sich die Alpen befinden?» fragt Kevin. «Na, klar!» meint Jenny und zeigt im Atlas auf die richtige Stelle. «Siehst du», erklärt sie ganz stolz «die Alpen erstrecken sich vom Ligurischen Meer bei Italien bis nach Osteuropa.» – «Wow, tönt gescheit. Aber kennst du auch noch weitere grosse Gebirge ausser den Alpen?» fragt Kevin interessiert. «Mmmh…» Jenny überlegt. 4a. Hilf Jenny auf die Sprünge. Welche Gebirge kennst du noch ausser den Alpen? Nenne drei Gebirge, nimm für diese Aufgabe wieder den Atlas zur Hilfe. Kevin zeigt Jenny zwei Bilder von berühmten Hochgebirgsregionen. Die Anden in Bild A und die Schweizer Alpen in Bild B. Trotz ähnlicher Gebirgsformen haben die beiden eine ganz unterschiedliche Entstehungsweise. 4b. Suche für dich im Atlas die beiden Gebirgsregionen. Bild A Huayna Potosí, Bolivianische Anden Bild B Matterhorn, Schweizer Alpen Quelle: Wikipedia 4c. Lies den Text in der Ausstellung «Die Entstehung von Gebirgen» und erkläre anschliessend den Unterschied in der Entstehungsweise der beiden Gebirgsregionen, bzw. erkläre, wie die beiden Gebirge entstanden sind. 17 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 3 Nachbereitung 3.1 Projektvorschlag 1: Erdbebenprophylaxe im Schulzimmer und zu Hause Erdbeben, fast ebenso so stark wie jene in Kalifornien, der Türkei, Japan oder Neuseeland sind in der Schweiz möglich, wenn auch viel seltener. Auch in der Schweiz gab es in der Vergangenheit Erdbeben, die enorme Gebäudeschäden verursachten und viele Verletzte forderten, so beispielsweise in Basel 1356 und in der Walliser Ortschaft Visp im Jahr 1855. Solche Schadensbeben sind in der Zukunft wieder zu erwarten. In der Schweiz wurden bisher nicht alle Gebäude erdbebensicher gebaut. Der Hauptgrund dafür ist, dass die ersten genügenden Baunormen bezüglich Erdbebensicherheit von Gebäuden erst 1989 veröffentlicht worden sind. 90 % der Gebäude wurden vor dieser Zeit gebaut und es bleibt unklar, inwieweit sie einem starken Erdbeben standhalten. Nur wenige Kantone schreiben die Einhaltung der Baunormen für erdbebengerechtes Bauen gesetzlich fest. Zusammenfassend heisst dies, dass • mindestens 90 % der Gebäude nicht spezifisch um Erdbeben zu widerstehen gebaut worden sind; • die Mehrheit davon aber trotzdem als akzeptabel, bezüglich der Sicherheit von Personen, einzustufen sind, weil sie durch ihre Art der Konstruktion einen gewissen Grundschutz gegen Erdbeben aufweisen; • ein Teil davon, die grössere Mängel haben, potentiell sehr gefährlich für deren Bewohner und Bewohne- rinnen sind (sogenannte «killer buildings»). Erdbebenvorsorge ist der einzige Weg um die Konsequenzen von Erdbeben langfristig reduzieren zu können. Heutzutage wird viel Effort in die bauliche Prävention gesetzt. Prioritär müssten alle Neubauten erdbebensicher nach Baunormen gebaut werden. Bei grösseren Sanierungen und Umbauten müsste die Erdbebensicherheit kontrolliert werden und allfällige nötige Verstärkungsmassnahmen umgesetzt werden. Diese Prinzipien sind in der Schweiz weitgehend für öffentliche Gebäude auf Stufe Bund und Kantone umgesetzt, leider aber noch nicht genügend systematisch für Gemeindebauten und private Bauten. Die Lage verbessert sich aber fortlaufend. Dabei spielen die verbesserte Ausbildung der Architekten und Ingenieure, die Sensibilisierung der Bauherren und der Bevölkerung und der steigende Druck seitens der Baubehörden eine wichtige Rolle. Auch richtiges Verhalten im Falle eines Bebens ist sehr wichtig und kann die Auswirkungen eines Erdbebens verringern und Menschenleben retten. Ebenfalls in Gebäuden, die nicht Einsturz gefährdet sind, können die Leute durch herunterfallende Objekte, wie z. B. Schränke, Lampen, heruntergehängte Decken oder Zwischenwände verletzt oder sogar getötet werden. In Ländern wie Kalifornien und Japan üben die Kinder bereits im Kindergarten und in der Schule regelmässig den Ernstfall und lernen dabei, wie man sich bei einem Beben richtig verhält. In Schweizer Schulen ist das Thema Erdbebenprophylaxe noch kaum verbreitet. Innenraum eines Erdbebensimulators Quelle: Emmanuel Ammon BAFU/AURA 18 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Projektskizze Ziel des Projekts ist die Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler für Fragen rund um die Erdbebenvorsorge. Die Erdbebenprophylaxe im eigenen Schulzimmer und zu Hause steht dabei im Vordergrund. Der Besuch der erdwissenschaftlichen Ausstellung focusTerra und des Erdbebensimulators an der ETH Zürich eignet sich als Initiierung des Projektes. Nach einer Einführung in das Projekt durch die Lehrperson arbeiten die Jugendlichen mehrheitlich selbstständig. Im Laufe des Projekts erstellen die Schülerinnen und Schüler zu zweit ein Poster mit einem Massnahmenkatalog zur Erdbebenprävention. Aufgrund der gesammelten Erkenntnisse stellen sie ein Erdbeben-Kit zusammen und richten das Schulzimmer gemeinsam erdbebensicher ein. Zusätzlich können die Jugendlichen den erstellten Massnahmenkatalog auch zu Hause anwenden. Zweck des projektorientierten Unterrichts ist neben der fachlich-inhaltlichen Vertiefung auch die Förderung der Teamarbeit und Kommunikation innerhalb der Klasse sowie die Fähigkeit zur selbstständigen Arbeit. Projektinhalt Folgender Katalog enthält Fragen zum Thema Erdbebenprophylaxe, die als Einstiegsfragen und/oder zur Weiterarbeit verwendet werden können: • • • • • • • • • • Wie kann das Erdbebenrisiko in der Schweiz vermindert werden? Wie berechnet man das Erdbebenrisiko? Welche Regionen in der Schweiz haben ein höheres bzw. geringeres Erdbebenrisiko? Wie sieht die Erdbebenprävention in der Schweiz aus? Welche Massnahmen werden auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene getroffen? Wie teuer ist Erdbebenvorsorge? Wie sieht die Arbeit von Erdbebeningenieuren und -ingenieurinnen aus? Was ist zu tun vor, während und nach einem Erdbeben? Was sind die SIA-Normen? Welche rechtlichen Folgen kann eine ungenügende Erdbebenprävention haben? An wen kann man sich bei Fragen zur Erdbebenprävention wenden? Material Das untenstehende, kommentierte Verzeichnis bietet eine Auswahl an geeigneten Internetlinks und Materialien, die aktuelles und gut aufbereitetes Informationsmaterial bieten: • Ist unser Haus erdbebensicher?: Kurze, übersichtliche und leserfreundliche Broschüre zum Thema • • • • • • erdbebensicheres Bauen mit Checkliste und rechtlichen Hinweisen. Zusammengestellt von der Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen und dem Bundesamt für Umwelt 2013. Erdbebensicheres Bauen in der Schweiz: Kurze, übersichtliche und leserfreundliche Broschüre mit Checkliste und rechtlichen Hinweisen. Zusammengestellt von der Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen und dem Bundesamt für Umwelt 2013. Erdbebenvorsorge: Informationen des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) zum Thema Erdbebenprävention. Erdbebenrisiko und Gefährdung: Informationen des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) zum Thema Erdbebenrisiko und Gefährdung in der Schweiz. Erdbebenertüchtigung von Bauwerken: Eine Broschüre des Bundesamtes für Umwelt 2008 zur Problematik der Erdbebenertüchtigung von Bauwerken. Der Text ist für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I schwierig, die Broschüre kann Lehrpersonen als Grundlage zur Vertiefung dienen. Erdbebenrisiko in der Schweiz: Kurze, übersichtliche Informationen des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) zum Thema Erdbebenrisiko in der Schweiz. Massnahmenprogramm Erdbeben: Die Seite des BAFU enthält ausführliche Informationen und Dokumente zum Downloaden zum Massnahmenprogramm des Bundes. 19 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra • Erdbebensicheres Bauen: Die Seite des BAFU enthält ausführliche Informationen und Materialien zum Downloaden zum Thema erdbebensicheres Bauen. • Links Erdbeben: Link-Zusammenstellung des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) für Schülerin- nen und Schüler zum Thema Erdbeben. • Im Erdbebensimulator: Beitrag des Wissensmagazin «Einstein» des Schweizer Fernsehens zum Erdbebensimulator im Rahmen des basecamp09. 3.2 Projektvorschlag 2: «Info-Nachmittag» an unserer Schule zum Thema Erdbeben und Erdbebenprävention Projektskizze Die Idee dieses Projekts ist es, dass die Schülerinnen und Schüler im Klassenverband einen Informationsnachmittag zum Thema «Erdbeben und Erdbebenprävention» an der Schule oder an einem anderen Ort organisieren und durchführen. Es handelt sich dabei um ein ausführlicheres Projekt. Im Zentrum der fachlichen Auseinandersetzung steht der Aspekt Erdbebenprävention. An dieser Stelle soll auf den Projektvorschlag 1 «Erdbebenprophylaxe im Schulzimmer und zu Hause» hingewiesen werden. Nach einer Einführung durch die Lehrperson arbeiten die Lernenden in Gruppen selbstständig an ihrem ausgewählten Themenaspekt, der im Rahmen des Projektunterrichts vertieft werden soll. Die erarbeiteten Produkte (Poster, Modelle, Bilder und Ähnliches) jeder Gruppe werden am Informationsnachmittag für die anderen Klassen im Schulhaus präsentiert. Projektplanung Phase 1 Initiierung des Projekts durch den Besuch des Erdbebensimulators und der erdwissenschaftlichen Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich. Phase 2 Einführung in das Projekt durch die Lehrperson (z. T. in Absprache mit den Schülerinnen und Schülern): Inhaltliche Vorgaben, Produkt und Präsentationsform, Sozialform während des Projekts, Räumlichkeiten, Arbeits- und Zeitplan. Phase 3 Planung: Die einzelnen Gruppen wählen ein Thema, das sie bearbeiten möchten, sammeln Materialien, arbeiten ein Konzept aus für ihr geplantes Produkt. Phase 4 Arbeitsphase: Die Gruppen erarbeiten selbstständig die gewählten Inhalte und entwickeln das Produkt. Die Lehrperson beobachtet den Arbeitsprozess der einzelnen Gruppen, ist Ansprechperson bei inhaltlichen und/oder organisatorischen Fragen, gibt wo nötig Inputs, prüft die Einhaltung des vorgegebenen Zeitplans. Phase 5 Präsentation: An einem eigens organisierten Informationsnachmittag werden die entwickelten Produkte (bewährte Präsentationsformen sind das Poster, Modelle, Bilder, Powerpoint Präsentationen, iPods, Video oder Lernkioske) in Form einer Ausstellung den übrigen Klassen der Schule präsentiert. Phase 6 Auswertung: Das Projekt wird hinsichtlich des Arbeitsprozesses und der Endprodukte im Plenum unter der Anleitung der Lehrperson ausgewertet. 20 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Planungsvorschlag für eine Themenwoche Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Phase 1 Phase 4 Phase 4 Phase 4 Phase 4 Phasen 2 + 3 Phase 4 + Abgabe des Konzepts Phase 4 Phase 4 Phase 5 Vormittag Nachmittag Der Lernkiosk Eine bewährte Methode, Inhalte anschaulich und stufengerecht zu erarbeiten, bietet die Präsentationsform «Lernkiosk». Je eine Gruppe von 4 bis 6 Lernenden erarbeitet gemeinsam einen solchen Kiosk. Der Lernkiosk bietet in Form eines kleinen Standes ein abwechslungsreiches und originelles Lernangebot. Die Kioskbesucherinnen und -besucher werden anhand eines Konzeptes oder unter mündlicher Anleitung durch das Thema des Kiosks geführt und erfahren auf diese Weise Neues und Wissenswertes zum Thema Erdbeben. Ziel des Kiosks ist es, dass die Besuchenden anhand unterschiedlicher Medien sich selbstständig neue Inhalte erarbeiten können. Beispielsweise, indem sie ein Quiz lösen oder sich einen Videoausschnitt anschauen. Ein guter Lernkiosk bietet dazu verschiedene Lernmedien wie Textauszüge, Bilder, Poster, eine Powerpointpräsentation und Ähnliches. Als Erweiterung des Konzepts kann die Gruppe zusätzlich eine Broschüre gestalten, die die wichtigsten Lerninhalte des Kiosks zusammenfasst. Interessierte Besucherinnen und Besucher sollten – je nach Umfang des Kiosks – während circa 15 Minuten am Kiosk verweilen können. Themenvorschläge • • • • • • • • • • • • • Erdbebenprävention in der Schweiz Erdbebenrisiko und Erdbebengefährdung Wie werden Erdbeben gemessen? Was tun vor, während und nach einem Erdbeben? Erdbebenwellen Die Schweiz, ein Erdbebenland? Historische Beben in der Schweiz Aufbau der Erde (Kern, Mantel, Lithosphäre, Asthenosphäre…) Die schwersten Erdbeben in den letzten 1000 Jahren Zusammenhang zwischen Erdbeben und Vulkane Beschaffenheit des Untergrunds (Porosität…) Tsunami Aktuelles Beben: Warum gab es beim Erdbeben in Neuseeland praktisch keine Toten und in Haiti sehr viele? Was lässt sich daraus lernen? • Wie hoch ist das Erdbebenrisiko in Sion, Zürich und Basel? 21 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Materialvorschläge BAFU Erdbeben: Ausführliches Informationsmaterial des Bundesamtes für Umwelt rund um das Thema Erdbeben http://www.seismo.ethz.ch/edu: Ausführliches Informationsmaterial des Schweizerischen Erdbebendienstes für Schulen zum Thema Erdbeben. Unter Literaturliste findet man ausserdem eine ausführliche Liste für Schülerinnen und Schüler. Bachofner D., Batzli S., Hobi P., Rempfler A. 2001: Das Geobuch: Geografie für die Sekundarstufe 1. Band 1 (pp. 116–119). Zug: Klett und Balmer Verlag AG. Das Lehrmittel für die Schweizer Sekundarschule bietet eine knappe, aber stufengerechte Darstellung zum Thema. Der Bezug zur Schweiz und deren Erdbebengefährdung wird hergestellt. Hasler M., Egli, H. (Ed.). 2004: Geographie: wissen und verstehen (pp. 151–162). Bern: hep Verlag AG. Das Lehrmittel für die Sekundarstufe II bietet im Kapitel «Geologie» Ausführliches zum Thema. Neben der Entstehung und Vorhersage von Erdbeben sowie der Seismik, enthält das Kapitel einen Exkurs zu Erdbeben in der Schweiz. Der Text müsste für Klassen der Sekundarstufe I teilweise vereinfacht werden. Hinweis: In der Neuauflage des Lehrmittels aus dem Jahr 2010 fehlt der Exkurs Erdbeben in der Schweiz gänzlich. Hürlimann R., Egli-Broz H. 2005: Geologie: Lerntext, Aufgaben mit Lösungen und Kurztheorie (pp. 108– 120). Zürich: Compendio Bildungsmedien AG. Der Band «Geologie» aus der Reihe der Compendio Bildungsmedien enthält ein ausführliches, didaktisch sinnvoll aufgearbeitetes Kapitel zum Thema, geeignet für Lernende und Lehrpersonen. Ein Bezug zu Erdbeben und Erdbebengefährdung in der Schweiz fehlt jedoch. Wiemer 2008: Modultexte der Ausstellung: Erdbeben und Erdbebengefährdung in der Schweiz. Zürich: focusTerra. www.crealp.ch: Das Zentrum für alpine Umweltforschung liefert ausgezeichnete wissenschaftliche Informationen zu Erdbeben und geologischen Gefahren im Berggebiet mit folgenden Kapiteln: Erdbebentätigkeit weltweit; Erdbebenrisiko im Wallis; erdbebensicheres Bauen und Forschungsprojekte. Fachliteratur «Erdbeben» Grotzinger J. et al. 2007: Allgemeine Geologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag Jäckli H. 1989: Geologie von Zürich. Von der Entstehung der Landschaft bis zum Eingriff des Menschen. Zürich: Orell Füssli. Richter D. 1997: Geologie. Das Geographische Seminar. Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH. Richter D. 1992: Allgemeine Geologie. Berlin: de Gruyter. 22 Erdbeben in der Schweiz 3.3 SED/focusTerra Projektvorschlag 3: Wir bauen einen Seismographen Projektsskizze Die Schülerinnen und Schüler lernen in diesem Projekt, wie man mit einfachen Mitteln einen Seismographen baut. Das Projekt eignet sich gut als Teil einer Unterrichtseinheit oder einer Projektwoche zum Thema Erdbeben. Nachdem im Unterricht eine Sequenz zum Thema Erdbeben durchgeführt worden ist, bietet dieses Projekt eine praktische Vertiefung. Nach einer inhaltlichen Einführung zur Erdbebenmessung, erhalten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, an einem selbstgebauten Seismographen dessen Funktionsweise kennen zu lernen. Als Ausgangpunkt des Projekts eignet sich ein Besuch des Erdbebensimulators und der erdwissenschaftlichen Ausstellung focusTerra an der ETH Zürich. Kinder vor einem Seismographen Quelle: Wikipedia Links und Literatur mit Bauanleitungen für einen Seismographen http://www.roesa.uni-oldenburg.de/erdbeben/: Schülergerechtes Material rund um das Thema Erdbeben inklusive einer Bauanleitung für einen Seismographen. Terra Online Seismograph: Bauanleitung für einen Seismographen. Brunken N., Leistner J. 2004: Erdbeben: Bau und Anwendung eines selbstgebauten Seismographen. Geographie heute, 218, 12–15 Terra Online Erdbeben: Online-Plattform des Klett-Verlags zum Thema Erdbeben. 23 Erdbeben in der Schweiz 3.4 SED/focusTerra Weitere Projektideen Weitere mögliche Themen zur Nachbereitung sind zum Beispiel: Seismo at School Das Bildungsprogramm «Seismo at School» des Schweizerischen Erdbebendienstes stellt ausgezeichnete Materialien für Lehrende und Lernende im Unterricht zur Verfügung. Aus dem Inhaltsverzeichnis von «Seismo at School» (www.seismoatschool.ethz.ch): • • • • • • • • • • Was ist ein Erdbeben? Historische Erdbeben Geologie der Schweiz Interaktives Seismo Seismische Experimente Erdbebeninfo Material für Lehrende Filme SED Daten u.v.m. Berufsportraits Berufsportraits von Menschen in der Schweiz, die mit Erdbeben und/oder Erdbebenprävention zu tun haben. Arbeitsteiliger Gruppenunterricht. Auftrag in Zweiergruppen: Lernende erstellen Fragebogen und nehmen Interviews auf Podcasts auf. (Schweizerischer Erdbebendienst, Bundesamt für Umwelt, Vertreterinnen und Vertreter einer Hilfsorganisation, Schweizer Katastrophenhilfe, Direktion für Entwicklungsund Zusammenarbeit DEZA, Bauwesen, Polizei und Feuerwehr, Spitäler… etc. ). Schwere Erdbeben in der Geschichte Die Schülerinnen und Schüler recherchieren gruppenweise schwere Erdbeben, die sich in den vergangenen paar Jahren auf der Welt ereignet haben. Wo liegt der betroffene Ort? Wie stark war das Beben? Wie gross waren die Schäden und warum? Gilt immer der Zusammenhang, je stärker das Beben, umso grösser der Schaden? Allenfalls: Wie leben die Menschen heute nach dem Beben? Historische Beben: Wie ging man früher mit einer Naturkatastrophe um? Wo sah man die Ursachen für Erdbeben in Zeiten ohne das heutige geologische Wissen? Zeitungsbericht Die Jugendlichen schreiben einen fiktiven Zeitungsbericht über ein Erdbeben, das sich irgendwo auf der Welt ereignet hat. Sie recherchieren vorher genau einen möglichen Ort, wo ein starkes Beben auftreten könnte (begründete Auswahl). Im Bericht beschreiben sie den Ort des Bebens, das Epizentrum, die Stärke und Intensität des Bebens sowie die Schäden und allenfalls Folgeschäden (Tsunami). Erdbebenalarm Die Schülerinnen und Schüler entwickeln gruppenweise Ideen für ein Erdbeben-Alarmsystem in der Schweiz. 24 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen Die SuS erarbeiten in Zweier- oder Dreiergruppen die möglichen wirtschaftlichen Schäden und gesellschaftlichen Folgen im Falle eines schweren Erdbebens in ihrer Wohngegend. Sie erstellen dabei ein Szenario, sie reden mit einer Behördenvertretung und gehen der Frage nach, ob an ihrem Wohnort ein Massnahmenplan existiert. 3.5 Wir simulieren die Bewegungen von Erdkrusteplatten – Ein Experiment im Schulzimmer Um was es bei diesem Experiment geht: • Was geschieht mit den Erdkruste-Platten bei einem Erdbeben? • Weshalb kann man Erdbeben nicht voraussagen? Erdkruste-Platten gleiten aneinander vorbei und reiben dabei aneinander. Verhaken sich die Platten, bauen sie Spannungen auf, die sich über sehr lange Zeit aufbauen können. Irgendwann sind die Spannungen so gross, dass sie sich entladen. Innerhalb von Sekunden kommt es zum Bruch oder zur Verformung der Platten. Die dabei entstehenden Erschütterungen nennt man Erdbeben. 1 2 3 Nimm die Platte A (Hier eignen sich Lasagne»Platten», eventuell 3–4 zusammen, oder ein Lineal), halte sie mit beiden Händen links und rechts. Biege sie vorsichtig leicht und lasse sie dann wieder los. Beschreibe, wie sich das Material verhält. (Antwort: Platte lässt sich leicht biegen, geht nach dem Loslassen wieder in die alte Position zurück. Das Material verhält sich elastisch). Nimm die Platte B (z. B. aus Knetmasse, Fimo, Ton) und versuche das Gleiche wie mit Platte A. Diesmal verhält sich die Platte anders, als bei Platte A. Wo liegt der Unterschied? (Antwort: Die Platte bleibt verbogen, und geht evtl. sogar ein wenig kaputt. Die Platte B verhält sich plastisch). Nun versuche dieselbe Übung nochmals mit der Platte A, setze diesmal aber viel mehr Kraft ein als das erste Mal. Du bringst nun diese Platte unter so grosse Spannung, bis diese sich entlädt und die Platte bricht. Kannst du den Zeitpunkt des Zerbrechens voraussagen? Quelle: Giunti Progetti Educativi 2010 So plötzlich die Platte bei Übung 3 zerbricht, so überraschend können sich auch die Spannungen bei den grossen Lithosphären-Platten entladen und es kommt zu Erdbeben. Bei deinem Experiment konntest du beobachten, dass die Platte zwar unter grosser Spannung steht und wahrscheinlich bald zerbrechen wird, den genauen Zeitpunkt des Zerbrechens vorherzusagen jedoch war für dich unmöglich. Und genauso geht es den Erdbebenforschenden: Sie wissen zwar genau, welche Lithosphären-Platten – in manchen Fällen bereits seit Jahrzehnten – unter grossen Spannungen stehen, den genauen Zeitpunkt des Bruchs, also das Erdbeben, vorauszusagen, ist jedoch auch heute noch für die Wissenschaft unmöglich. 25 Erdbeben in der Schweiz 4 SED/focusTerra Unterrichtsmaterialien Im Folgenden geht es um die in Kapitel 1.3 erwähnten Unterrichtsmaterialien M1 bis M8. Die Materialien sind in dieser Form direkt im Unterricht einsetzbar und dienen zur Vorbereitung des Besuchs an der ETH Zürich. Inhalt: M1: Folie «Lernziele Erdbeben in der Schweiz» M2: Folie «Der Schalenbau der Erde» M3: Arbeitsblatt «Der Schalenbau der Erde» M4: Powerpoint-Präsentation «Erdbeben in der Schweiz» M5: Arbeitsblatt «Kontinente auf Wanderschaft» M6: Linkliste «Berichterstattung zum Thema Erdbeben» M7: Arbeitsblatt «Erdbeben» M8: Arbeitsblatt «Erdbeben in der Schweiz» 26 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M1: Folie «Lernziele Erdbeben in der Schweiz» Erdbeben in der Schweiz Ihr: - erkennt Erdbeben als Naturgefahr in der Schweiz und wisst, warum es in der Schweiz und Südeuropa zu Erdbeben kommt; - kennt die Begriffe Erdkruste, Erdmantel und Erdkern und damit den Aufbau der Erde; - könnt die Vorgänge in und auf der Erde an Beispielen beschreiben; - kennt und versteht die Begriffe Magnitude, Intensität, Richterskala und Epizentrum. 27 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M2: Folie «Der Schalenbau der Erde» Der Schalenbau der Erde angepasst nach USGS/USGov 28 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M3: Arbeitsblatt «Der Schalenbau der Erde» Der Schalenbau der Erde Wie sieht die Erde im Innern aus? Das ist eine der brennenden Fragen, die Forschende bis heute beschäftigt. Obwohl noch nie ein Mensch selber bis ins Erdinnere vorgedrungen ist, wissen wir heute erstaunlich viel über das Innere der Erde. Dies wurde zum einen dadurch möglich, dass bis zu 13 Kilometer tiefe Bohrungen in die Erdkruste vorgenommen wurden und zum andern auch durch den Bau von Tunnels. Auch aufgrund von vulkanischen Gesteinen, Meteoriten und dem Gebirgsaufbau wissen die Forschenden viel über das Erdinnere. Doch wie erforscht man das Innere der Erde? In der Erdbebenforschung benutzt man dafür Erdbebenwellen. Natürliche und grosse Erdbeben durchleuchten grosse Tiefen, während man oberflächennah auch selbst ausgelöste, kleinere Beben (durch Sprengungen) nutzen kann. Anhand der Art der Wellenausbreitung kann man auf die Beschaffenheit der Erdschichten schliessen. So ‚sieht’ man aufgrund der Materialunterschiede zum Beispiel die Grenze zwischen der festen Lithosphäre und der teilweise aufgeschmolzenen Asthenosphäre oder die Kern-Mantel-Grenze. Der Schalenbau der Erde angepasst nach USGS/USGov 29 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Lückentext «Der Schalenbau der Erde» Die Erde besteht aus unterschiedlichen Schalen. Die oberste Schale, die ________, ist die dünnste und auf den Kontinenten etwa _______________ dick, unter den Ozeanen sogar nur ____________. Die Erdkruste besteht aus _______ Gestein. Darunter folgt der Erdmantel, welcher bis in eine Tiefe von ________ hinabreicht und dort unten Temperaturen von über _____________ erreicht. Der grösste Teil des Mantels befindet sich in einem Zustand zwischen fest, halbfest und zähflüssig. Dies kann man sich ein wenig vorstellen wie einen Gletscher: Er ist zwar fest, fliesst aber trotzdem. Nun gibt es im obersten Bereich des Mantels aber zwei Besonderheiten: Die obersten 50–100 km sind ______, genau wie die Erdkruste. Daher bildet dieser Bereich gemeinsam mit der Erdkruste eine Einheit, die sogenannte ___________. Das ist griechisch und bedeutet _____________. Die Lithosphäre ist in verschiedene Teile, die _______________, zerbrochen. Diese bewegen sich aufeinander zu, voneinander weg oder aneinander vorbei. Damit sich die Platten gut bewegen können, braucht es einen entsprechenden Untergrund. Den stellt die nächste Schicht im Mantel dar, die ____________, welche ca. 250 km tief hinabreicht. Der Name Asthenosphäre ist ebenfalls griechisch und bedeutet Kugel ohne Festigkeit. In der Tat ist die Asthenosphäre teilweise aufgeschmolzenes Mantelmaterial. Und so wie Eisblöcke auf dem Wasser schwimmen, so treiben die Lithosphärenplatten auf der weichen Asthenosphäre. Angetrieben werden sie dabei von den langsamen Fliessbewegungen im darunterliegenden Mantel. Unter dem Mantel liegt der _______, welchen man in einen äusseren und inneren _________ unterteilt. Den äusseren Erdkern kann man sich wie einem Hochofen vorstellen, in dem sich Eisen bewegt. Der Kern gibt sehr viel Wärme nach aussen in den Mantel ab. Das ist der Motor für die langsamen Fliessbewegungen im Mantel. Im ____________, welcher bei etwa ___________ Tiefe beginnt, ist es ____________ heiss! Trotzdem ist das Gestein im Innern des Erdkerns nicht geschmolzen, sondern ______. Das kommt daher, dass das Gestein in dieser Tiefe durch den hohen _______ zu einer festen __________ zusammengepresst wird. Das Zentrum der Erde liegt in __________ Tiefe. 30 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M3: Arbeitsblatt «Der Schalenbau der Erde» (Lösung Lückentext) Der Schalenbau der Erde Die Erde besteht aus unterschiedlichen Schalen. Die oberste Schale, die Erdkruste, ist die dünnste und auf den Kontinenten etwa 30–40 Kilometer dick, unter den Ozeanen sogar nur 6–8 Kilometer. Die Erdkruste besteht aus festem Gestein. Darunter folgt der Erdmantel, welcher bis in eine Tiefe von 2900 km hinabreicht und dort unten Temperaturen von über 3000 Grad Celsius erreicht. Der grösste Teil des Mantels befindet sich in einem Zustand zwischen fest, halbfest und zähflüssig. Dies kann man sich ein wenig vorstellen wie einen Gletscher: Er ist zwar fest, fliesst aber trotzdem. Nun gibt es im obersten Bereich des Mantels aber zwei Besonderheiten: Die obersten 50–100 km sind fest, genau wie die Erdkruste. Daher bildet dieser Bereich gemeinsam mit der Erdkruste eine Einheit, die sogenannte Lithosphäre. Das ist griechisch und bedeutet Steinkugel. Die Lithosphäre ist in verschiedene Teile, die Lithosphärenplatten, zerbrochen. Diese bewegen sich aufeinander zu, voneinander weg oder aneinander vorbei. Damit sich die Platten gut bewegen können, braucht es einen entsprechenden Untergrund. Den stellt die nächste Schicht im Mantel dar, die Asthenosphäre, welche ca. 250 km tief hinabreicht. Der Name Asthenosphäre ist ebenfalls griechisch und bedeutet Kugel ohne Festigkeit. In der Tat ist die Asthenosphäre teilweise aufgeschmolzenes Mantelmaterial. Und so wie Eisblöcke auf dem Wasser schwimmen, so treiben die Lithosphärenplatten auf der weichen Asthenosphäre. Angetrieben werden sie dabei von den langsamen Fliessbewegungen im darunterliegenden Mantel. Unter dem Mantel liegt der Erdkern, welchen man in einen äusseren und inneren Kern unterteilt. Den äusseren Erdkern kann man sich wie einem Hochofen vorstellen, in dem sich geschmolzenes Eisen bewegt. Der Kern gibt sehr viel Wärme nach aussen in den Mantel ab. Das ist der Motor für die langsamen Fliessbewegungen im Mantel. Im inneren Erdkern, welcher bei etwa 5150 Kilometern Tiefe beginnt, ist es 5000–7000 Grad heiss! Trotzdem ist das Gestein im Innern des Erdkerns nicht geschmolzen sondern fest. Das kommt daher, dass das Gestein in dieser Tiefe durch den hohen Druck zu einer festen Kugel zusammengepresst wird. Das Zentrum der Erde liegt in 6371 km Tiefe. Die Bewegungen im Mantel treiben die Plattentektonik an. Quelle: USGS/USGov 31 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M4: Powerpoint-Präsentation «Erdbeben in der Schweiz» Folie 1 Folie 2 Folie 3 Folie 4 32 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M5: Arbeitsblatt «Die Kontinente auf Wanderschaft» Kontinente auf Wanderschaft Der berühmte deutsche Geophysiker, Alfred Wegener (1880–1930), legte zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen Beobachtungen und Ideen zu den Bewegungen der Kontinente den Grundstein für die Theorie der Plattentektonik. Diese Theorie besagt, dass die Erdoberfläche, genauer gesagt die Erdkruste gemeinsam mit dem festen Teil des oberen Erdmantels, die sogenannte Lithosphäre, aus unterschiedlich grossen Platten bestehen. Es sind je nach Betrachtungsweise sieben grosse und fünf kleinere Platten. Die meisten dieser Platten bestehen aus Kontinenten und Teilen eines Ozeans. Einige sind ausschliesslich Teile eines Ozeans. Durch die grosse Hitze im Innern der Erde werden die Platten einzeln angetrieben; sie schwimmen auf der weichen Asthenosphäre. Es können im Wesentlichen drei Arten von Bewegungsrichtungen entstehen: 1. Die Platten driften auseinander. 2. Die Platten driften gegeneinander. Dabei stossen sie zusammen oder werden ineinander geschoben. 3. Die Platten driften aneinander vorbei. Arten der tektonischen Plattengrenzen 1 2 3 angepasst nach USGS/USGov 33 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Von blossem Auge und in kurzer Zeit kann man nicht erkennen, dass sich die Platten bewegen. Anhand von Gesteinsspuren von früheren Gletschern gelingt dies. Dank den Untersuchungen der Vergleichen von Plattengrenzen, der Verbreitung von Fossilien und anderen Untersuchungen können Forschende beweisen, dass sich Lage und Form von Kontinenten in Millionen von Jahren immer wieder verändert haben und sich in Zukunft weiter verändern werden. Heute kann man dies mit Hilfe von Satelliten und genauen Messungen zeigen. Diese Bewegung ist aber nicht nur verantwortlich für die Form unserer Kontinente, sondern ist der eigentliche Motor von Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Gebirgsentstehungen auf der ganzen Erde. Die farbig dargestellten Verbreitungsgebiete von Lebewesen wie Cynognathus, Mesosaurus, Glossopteris und Lystrosaurus erlauben die Rekonstruktion eines Urkontinentes (Gondwana) und sind damit Belege für die Existenz der Plattentektonik. Quelle: USGS/USGov 34 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Aufgabe: Löst die Teile 1 und 2 zu zweit (Zeit pro Teil: 10’). Teil 1: Material: Zwei farbige Schaumstoff-Platten. Simuliere mit Hilfe der beiden Schaumstoff-Platten folgende Plattenbewegungen. (Hinweis: Falls kein geeignetes Material vorhanden ist, eignen sich für diese Übung auch zwei dünne Bücher): • Die Platten driften auseinander. • Die Platten stossen zusammen. • Die Platten driften aneinander vorbei. Versuche in einem zweiten Schritt die drei Plattenbewegungen zu skizzieren: 35 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Teil 2: Material: Schweizer Weltatlas S. 177 (Ausgabe 2002) oder Diercke Weltatlas S. 166 (Ausgabe 2006). a) Beschrifte mit Hilfe des Atlas in der untenstehenden Grafik die Platten mit den korrekten Namen. Erdbebenverbreitung Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. b) Studiere die obenstehende Karte und deren Legende. Beschreibe die weltweite Verteilung von Erdbeben. Was hat die weltweite Verteilung von Erdbeben mit den Plattenbewegungen zu tun? 36 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M6: Linkliste «Berichterstattung zum Thema Erdbeben» Linkliste Berichterstattung zum Thema Erdbeben Videos verfügbar auf: http://www.videoportal.sf.tv (Stand: Juli 2010) Berichterstattung zum Erdbeben in Haiti, Januar 2010 «Haiti: Hilfe rollt an» (Tagesschau vom 17. Januar 2010) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=b1d7e3b1–15da-4fe3-a287-c1266634ae08 «Verzweiflung führt in Haiti zu Plünderungen und Gewalt» (Tagesschau vom 18. Januar 2010) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=b3243d6b-5f8f-4f1b-a372-ccf1a468ca08 «Haiti: Zahl der Erdbebenopfer steigt weiter» (10 vor 10 vom 18. Januar 2010) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=f228f0bb-3875–41ba-a9f7–2e2fbd86acd6 «Haitis Not: Folgen der Katastrophe für die Bevölkerung» (Rundschau vom 20. Januar 2010) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=bdd731b0–62ce-4677-a3bf-7f890af3fc10 «Nachbeben auf Haiti» (10 vor 10 vom 20. Januar 2010. Der zweite Teil ist ein längeres Korrespondenten-Interview.) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=3e8c4c3c-5c95–4f2d-9dd9–872855485389 «Haiti: Nackter Überlebenskampf» (Tagesschau vom 21. Januar 2010) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=e77f9f8e-1b95–42ab-82d9–59d3540679a2 Berichterstattung zum Erdbeben in L’Aquila, Italien, April 2009 «Schweres Beben erschüttert Italien» (Tagesschau vom 6. April 2009) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=8e4eae44-e252–4ffa-a270–7fcfc3711323 «L’Aquila: Ein Tag nach dem Beben» (Tagesschau vom 7. April 2009) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=cfd6d3a5-ba9b-41b9–8cb8-cb612ea2fcde «L’Aquila: Fieberhafte Suche nach Überlebenden» (Tagesschau vom 7. April 2009) http://www.videoportal.sf.tv/video?id=2bb1dc47-a91f-416d-b219-e7ab7b753bbe 37 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M7: Arbeitsblatt «Erdbeben» Erdbeben Wie entsteht ein Erdbeben? Im Laufe eines Jahres werden weltweit etwa 500 000 Erdbeben gemessen. 100 000 davon werden verspürt und 100 verursachen Schäden. Erdbeben sind eine Folge der Plattentektonik, verursacht durch die Hitze im Erdinnern, die die Platten in Bewegung bringt. Die Erdplatten bewegen sich gegeneinander, aneinander vorbei oder auseinander. Da die Plattengrenzen aber nicht glatt sind, können die Platten nicht einfach aneinander vorbei gleiten, sondern reiben aneinander. Verhaken sich die Platten, können sich über Jahrzehnte hinweg Spannungen aufbauen. Irgendwann sind die Spannungen so gross, dass das Gestein ihnen nicht mehr standhalten kann. Dann kommt es innerhalb von Sekunden zum Bruch oder einer Verformung der betroffenen Platten. Die dabei entstehenden Erschütterungen nennt man Erdbeben. Über 90 % aller Erdbeben entstehen im Bereich der Plattengrenzen. Steigt Magma in einem Schlot bis an die Erdoberfläche oder kommt es zum Einsturz von Hohlräumen, kann es auch zu schwachen Erdbeben innerhalb einer Platte kommen. Erdbeben können mit Sprengungen oder unterirdischen Atomexplosionen auch künstlich durch den Menschen erzeugt werden. Erdbebenentstehung Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. Wie misst man Erdbeben? Mit Hilfe eines Seismographen kann die Ausbreitung der Erdbebenwellen gemessen werden. Früher mass man die Stärke eines Bebens an seinen Auswirkungen: Anzahl der Toten und Verletzten und Gebäudeschäden. Im Jahr 1902 entwickelte der italienische Seismologe und Vulkanologe Giuseppe Mercalli (1850–1914) die Mercalli-Skala, welche die sicht- und fühlbaren Auswirkungen eines Erdbebens an der Erdoberfläche angibt. Anhand der Schadensauswirkung lässt sich jedoch keine Aussage über die freigesetzte Energie eines Erdbebens ableiten. Die ursprüngliche Mercalli-Skala ist nicht mehr in Gebrauch. Offiziell ist heute in Europa die Intensitätsskala EMS-98 (European Macroseismic Scale von 1998) gültig. Unsere Wahrnehmung eines Erdbebens entspricht nicht automatisch der tatsächlichen Energie, die 38 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra freigesetzt wurde. 1935 entwickelte deshalb der amerikanische Seismologe Charles Francis Richter (1900– 1985) die heute weltweit verwendete Richterskala. Die Richterskala unterteilt die bei einem Erdbeben freigesetzte Energie in unterschiedliche Magnituden. Kleine Beben haben niedrige Magnituden (0–3), gespürt werden können Erdbeben normalerweise ab Magnitude 3. Theoretisch könnte der Wert nach oben unbegrenzt sein, die Forschenden gehen allerdings davon aus, dass ein Erdbeben mit einer Magnitude grösser als 9.5 kaum möglich sei, da die Ausdehnung der längstmöglichen Bruchflächen, an denen so ein Erdbeben stattfinden könnte, durch die Grösse der Kontinente begrenzt ist. Die grössten Erdbeben der Geschichte Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. Siehe auch: Die stärksten Erdbeben (USGS), http://earthquake.usgs.gov/earthquakes/world/10_largest_world.php 39 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra M8: Arbeitsblatt «Erdbeben in der Schweiz» Erdbeben in der Schweiz 3 Die Schweiz – ein erdbebengefährdetes Land? Zwischen 1975 und 2001 registrierte der Schweizerische Erdbebendienst in der Schweiz und ihrer unmittelbaren Umgebung 6400 Erdbeben. Das bedeutet durchschnittlich jeden zweiten Tag ein Erdbeben. Die meisten dieser Beben wiesen allerdings eine Magnitude kleiner als 3 auf und waren daher nicht spürbar. Im globalen Vergleich ist die Schweiz gering bis mittel erdbebengefährdet. Bezieht man jedoch sämtliche historische Erdbeben mit ein, die sich in der Schweiz ereignet haben, ereignet sich durchschnittlich alle zehn Jahre ein Schadensbeben und circa alle hundert Jahre ein Beben der Intensität VIII (nach EMS-98). Das Erdbeben von Basel 1356 Den 18. Oktober 1356 schildert der Basler Dominikaner Conrad von Waltenkofen so: «Im Jahr 1356, am Lukastag, ereignete sich vor der Vesper in Basel und im Umkreis von zwei Meilen ein Erdbeben, das viele Kirchen, Gebäude und Burgen zerstörte, und viele verschüttete Menschen starben. An diesem Tag und der darauffolgenden Nacht wiederholten sich viele schreckliche Erdbeben, so dass die Menschen aus der Stadt in die Gärten, Zelte und Dörfer flohen und dort tagelang ausharrten.» 4 Gegen 18 Uhr Ortszeit wurde die Stadt von einem oder mehreren Erdstössen so heftig erschüttert, dass viele Leute erschrocken das Freie suchten. Es folgten etliche kleinere Stösse, bevor dann – vermutlich gegen 22 Uhr – das Hauptbeben begann. Kamine, Zinnen, ganze Fassadenabschnitte, Teile der Stadtbefestigung, des Münsters und weitere Kirchen hielten den enormen Kräften nicht stand und stürzten ein. In Basel, dessen Häuser häufig noch mit Schindel oder Stroh bedacht waren, breitete sich in der Folge ein riesiger Brand aus, wohl eine der verheerendsten Folgen des Bebens. Verlassene Öfen und Feuerstellen von geflüchteten Bewohnerinnen und Bewohner verhalfen dem Feuer zur weiteren Ausbreitung. Der Brand zerstörte die gesamte Basler Innenstadt sowie die St. Alban-Vorstadt. Manche Zeitzeugen waren denn auch der Ansicht, dass Basel stärker unter dem Feuer als unter dem Erdbeben gelitten habe. Basel war vorübergehend unbewohnbar geworden: In den Strassen türmte sich der Schutt, die Wasserversorgung funktionierte nicht mehr und die Gefahr, von einstürzenden Hausmauern verschüttet zu werden, schien zu riskant. Viele Leute verliessen die Stadt und verbrachten die folgenden Nächte im Freien oder in Zelten. So etwa die Nonnen des Steinenklosters, die tagelang in einem Garten ausserhalb der Stadt ausharrten. Die Rückversicherungs-Gesellschaft «Swiss Re» hat ausgerechnet, dass ein heutiges Erdbeben des Ausmasses von 1356 einen Gesamtschaden zwischen 33 und 118 Milliarden Franken verursachen würde. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben des Bundes im Jahr 2009 betrugen über 56 Milliarden Franken. 5 3 4 5 Gisler M., Fäh D., Giardini D. (Ed.). 2008: Nachbeben: Eine Geschichte der Erdbeben in der Schweiz. Bern: Haupt Verlag. Sieber L. 1875: Konrad von Waltenkofen, 1360. In: Beiträge zur vaterländischen Geschichte 10, ed. Historische Gesellschaft Basel. www.efv.admin.ch (Stand: 1.9.2010) 40 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Europäische Makroseismische-Skala von 1998 (EMS-98) Quelle: Schweizerischer Erdbebendienst In Sebsastian Münsters «Cosmographia» von 1550 wurden die Schäden des Bebens 1356 in der Stadt Basel dargestellt Quelle: Gisler M., Fäh D., Giardini D. (Ed.). 2008: Nachbeben: Eine Geschichte der Erdbeben in der Schweiz. Bern: Haupt Verlag. 41 Erdbeben in der Schweiz 5 SED/focusTerra Anhang: Lernziele In der folgenden Tabelle werden die detaillierten Grob- und Feinziele der Unterrichtseinheit dargestellt. Grobziele 1. Sensibilisierung und Bereitschaft zur Wahrnehmung von Erdbebengefahren und -risiken in der Schweiz erzeugen. 2. Grundwissen über Erdbeben kennenlernen, erarbeiten und verstehen. 3. Unterschiedliche Auswirkungen von Erdbeben sowie Präventionsmassnahmen kennenlernen, verstehen und notfalls in Handlungen umsetzen können. Zu Grobziel 1 Zu Grobziel 2 Kognitive Feinziele Affektive Feinziele 6 Die SuS kennen die unterschiedlichen Gefährdungsräume in der Schweiz und die entsprechenden Zonen in der Welt Die SuS verändern ihre EinstelDie SuS erwerben die Kompelung gegenüber der Einschätzung tenz, Risiko – und Gefahrenkarten zu lesen und zu interpretieren von Erdbebengefahren und Risiken Die SuS erkennen Erdbeben als Naturgefahr in der Schweiz Die SuS beurteilen die Schweiz als erdbebengefährdetes Land Die SuS kennen die Risiken, die von Erdbeben in der Schweiz ausgehen Die SuS erörtern allfällige wirtschaftliche Schäden und gesellschaftliche Folgen Die SuS wissen, warum es in der Schweiz Erdbeben gibt und kennen die Gefahrengebiete mit aktuellem und historischem Bezug Instrumentelle Feinziele 7 Die SuS können topographische und thematische Karten lesen und interpretieren Die SuS kennen die Begriffe Erdkruste, Erdmantel und Erdkern (Erweiterung: Lithosphäre, Asthenosphäre) Die SuS können die dynamischen Die SuS können die ErdbebengeProzesse in und auf der Erde fahr im geographischen Raum der exemplarisch beschreiben Schweiz besser verstehen und verorten Die SuS können grob zwischen folgenden Erdbebenarten unterscheiden: Tektonische Beben, vulkanische Beben, Einsturzbeben, Beben infolge Atombombenversuche (Explosionen) Die SuS weisen auf einer schematischen Darstellung die Begriffe Epi- und Hypozentrum den korrekten Stellen zu und wissen, was dort vor sich geht 6 7 Die SuS können die schematischen Darstellung lesen und anwenden Die SuS kennen die einfachen Formen von Erdbebenwellen und ihre Ausbreitung in verschiedenen Materialien Die SuS sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass der Erdbebensimulator die unterschiedlichen Erdbebenwellen nur begrenzt simulieren kann Die SuS wissen und verstehen, wie sich Erdbebenwellen im Die SuS erkennen die Bedeutung dieses Wissens für unsere Kennt- Die SuS sind in der Lage, Graphiken zum Thema Erdbebenwellen richtig zu interpretieren Affektive Lernziele beziehen sich auf den Bereich von Gefühlen und Wertungen, von Einstellungen und Haltungen der SuS. Instrumentelle Lernziele beziehen sich auf den Umgang mit Methoden zur Erschliessung von Informationen. 42 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Kognitive Feinziele Affektive Feinziele 6 Innern der Erde fortbewegen nisse über den Schalenbau der Erde Instrumentelle Feinziele 7 Die SuS kennen die Funktionsweise eines Seismographen. Sie kennen und verstehen dabei folgende Begriffe: Seismograph, Seismogramm, Magnitude, Intensität und Richterskala Zu Grobziel 3 Die SuS können zwischen direkten und indirekten Auswirkungen von Erdbeben unterscheiden Die SuS entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass nicht das Beben tötet, sondern einstürzende Gebäude Die SuS wissen, dass der Untergrund eine wichtige Rolle bei der Schadenswirkung hat. Sie verstehen, dass es auf unterschiedlichen Böden unterschiedlich bebt. (Konkreter – dass es z. B. im Tal in Flussnähe [lockeres Gestein] stärker schüttelt, als auf einem Berg [Fels]) Die SuS kennen die Prinzipien und wichtigsten Punkte des erdbebensicheren Bauens Die SuS erkennen, dass das erdbebensichere Bauen einfach und kostengünstig sein kann und dass in der Schweiz in manchen Regionen bauliche Vorsorgemassnahmen und Nachrüstungen nötig sind und noch zu wenig Gewicht erhalten Die SuS wissen, dass Erdbeben nicht kurzfristig vorhersagbar sind, es demnach keine Warnmöglichkeit besteht, aber dass beim Auftreten eines Erdbebens ein Alarm ausgelöst werden kann Die SuS erkennen, dass für Erdbeben heute keine Warnmöglichkeiten existieren, jedoch für in Folge des Bebens ausgelöste Naturgefahren wie beispielsweise Tsunamis Die SuS kennen Massnahmen für die Prävention von Erdbebenschäden im privaten Rahmen Die SuS entwickeln das Bewusstsein dafür, dass präventive Massnahmen bereits im kleinen Rahmen möglich sind Die SuS kennen die wichtigsten Verhaltensmassnahmen im Falle eines Erdbebens und können diese im Ernstfall umsetzen Die SuS entwickeln ein persönliDie SuS können sich während ches Interesse am Wissen über und nach einem Erdbeben situatidas richtige Verhalten und sind onsgerecht verhalten bereit, dieses auch weiterzugeben oder im Ausland anzuwenden Die SuS können ein Erdbeben-Kit zusammenstellen sowie eine Wohnung erdbebensicher einrichten Die SuS kennen Beispiele von Vorsorgemassnahmen aus der Schweiz sowie aus den grossen Erdbebengebieten der Welt 43 Erdbeben in der Schweiz 6 SED/focusTerra Anhang: Fachanalyse Anhand von verschiedenen Schweizer Lehrplänen und Lehrmitteln ergeben sich die auf der Sekundarstufe I gebräuchlichen Begriffe zum Thema Erdbeben. In den Arbeitsmaterialien für die Schülerinnen und Schüler werden in der Regel nur diese angewandt. Je nach Klasse und eigenem Ermessen können selbstverständlich weitere Begriffe eingeführt werden. Mit diesem Kapitel wird eine knappe Einführung ins Thema für Lehrpersonen aus fachlicher Perspektive angeboten. Mit Hilfe der Abbildungen aus dem Buch von Martin Hasler und Hans-Rudolf Egli aus dem hep Verlag «Geografie – Wissen und Verstehen» (2004, Neuauflage 2010) wird am Fachwissen auf der Schweizer Gymnasialstufe angeknüpft. Vertiefungen für die Vorbereitungen können über die Hinweise in Kapitel 3 zur Themennachbereitung erschlossen werden. In Kapitel 6 zur Fachanalyse geht es um die persönliche, praktische und effiziente Vorbereitung des Unterrichts, respektive des bevorstehenden Besuchs der Ausstellung und des Erdbebensimulators. Die Liste in Kapitel 6.8 zeigt der Vollständigkeit halber das Beispiel einer Fachbegriffssammlung. Ein gutes und lesenswertes Vorbereitungsdokument kann im Übrigen bei der Nagra bestellt werden: «Erdbeben – keine Gefahr für Tiefenlager» vom März 2010. Die Broschüre ist gegliedert in die Kapitel Erdbeben, Auswirkungen von Erdbeben und Erdbeben in der Schweiz. Damit ist eine rasche und einfache stoffliche Vorbereitung für Sekundarstufe 1-Lehrpersonen möglich. Die Auswahl der Begrifflichkeiten hängt letztlich an den persönlichen Zielsetzungen und muss sich an den Entwicklungsstufen der Jugendlichen oder der Zielgruppe orientieren. 6.1 Die Entstehung von Erdbeben Die Lithosphärenplatten bewegen sich auf der Asthenosphäre. An den Grenzen reiben sich die Platten oder Krustenteile (Reibungskräfte), so dass Spannungen aufgebaut werden. Werden sie zu gross, entladen sie sich ruckartig. So entstehen Erdbeben. Erdbebenentstehung Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 44 Erdbeben in der Schweiz 6.2 SED/focusTerra Die Verbreitung der Erdbeben Eine wichtige Grundlage zum Verstehen der Zusammenhänge ist die Abhängigkeit der Verbreitung von Erdbeben und Vulkanausbrüchen entlang von Plattengrenzen. Das Auftreten von Erdbeben in der Schweiz ist gut erkennbar und kann mit Hilfe des geologischen Datenviewers (Thema Naturgefahren des BAFU) gezeigt und entdeckt werden. Entsprechende Karten zu den Erdbebengefahren und Risiken in der Schweiz finden sich unter Gefährdungskarte. Erdbebenverbreitung Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 6.3 Ausbreitung von Erdbeben: Seismische Wellen und Untergrund Ausgehend vom Erdbebenherd werden verschiedene Wellen in alle Richtungen ausgesandt. Die schnellen Wellen, die Primärwellen (P-Wellen), sind in der Kruste mit mit einer Geschwindigkeit von circa. 6 km/h unterwegs, wobei sie in Schotter und Sandstein wesentlich langsamer sind als in Gneis und Basalt. Man kann sich die P-Wellen als Zusammenschieben (stauchen) und Strecken (dehnen) von Gesteinsteilchen vorstellen (ähnlich wie beim Spielen einer Ziehharmonika). (Man beachte die Unterschiede der Erdbebengeschwindigkeiten an der Oberfläche und im Erdinnern, Abbildung «Erdbebenwellen im Erdinnern»). Die sekundären Wellen (S-Wellen) erreichen in der Kruste circa 3.5 km/h und lassen die Teilchen in einer senkrechten Ebene schwingen (auf und ab sowie seitwärts bewegend, ähnlich den Schwingungen eines Seils). P- und S-Wellen breiten sich im Inneren der Erde aus und werden auch als Raumwellen bezeichnet. Im Gegensatz dazu breiten sich Rayleigh- und Love-Wellen (benannt nach ihren Entdeckern) entlang der Erdoberfläche aus. Sie werden daher als Oberflächenwellen bezeichnet. 45 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Die Rayleigh-Wellen führen wie eine Wasserwelle eine rotierende Auf- und Abwärtsbewegung aus (Partikel bewegen sich auf einer «retrograden Ellipse»). Die Love-Wellen bewegen den Erdboden in seitlicher Richtung. Für die Sekundarstufe 1 dürfte es genügen, die P- und S-Wellen mit ihren Eigenschaften zu kennen und die andern Wellen als Oberflächenwellen zu bezeichnen. Das Verhalten der Wellen ist – je weiter weg sie vom Erdbebenherd sind – umso komplexer. Der Untergrund spielt eine grosse Rolle: Konkret sind es die Wechsel von Medien/Materialien und natürlich die Schichtengrenzen. Besonders schwierig wird es auch, wenn sich Wellen überlagern. Für Schäden an Gebäuden sind hauptsächlich die Oberflächenwellen verantwortlich. Erdbebenwellen Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 6.4 Erdbebenmessung Mit Hilfe von Seismographen focusTerra gezeigt und erklärt breitungsgeschwindigkeiten der und dass es bereits mit Hilfe bestimmen. werden die Erdbeben aufgezeichnet, was sehr gut in der Ausstellung wird. Im Wesentlichen ist es wichtig, auf die unterschiedlichen AusP-, S- und Oberflächenwellen (Rayleigh und Love-Wellen) hinzuweisen von drei Messstationen möglich ist, das Epizentrum geometrisch zu 46 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Erdbebenwellen im Erdinnern Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 6.5 Erdbebenfrühwarnung Eine Erdbebenwarnung kurz vor einem Beben ist bis heute nicht möglich. In einigen Ländern, zum Beispiel Japan, nutzt man jedoch die Tatsache, dass die P-Wellen schneller sind als Oberflächenwellen und beide langsamer als die elektromagnetischen Wellen, mit denen Kommunikations-Signale verbreitet werden. Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus (300 000 km/h). In Kabeln werden die Signale allerdings etwas verlangsamt (270 000 km/h). Tritt nun ein Erdbeben auf und wird anhand der P-Wellen erkannt und lokalisiert, so wird ein elektrisches Signal (elektromagnetische Welle) an alle kritischen Infrastrukturen gesandt, z. B. Hochgeschwindigkeitszüge und Kernkraftwerke, um diese automatisch zu warnen, bremsen oder abzuschalten. So ist bei ausreichender Distanz zum Erdbebenherd eine kritische Infrastruktur bei Eintreffen der (langsameren) Oberflächenwellen vorbereitet und weniger schadenanfällig. Ausbreitung der Wellen vom Hypozentrum aus Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 47 Erdbeben in der Schweiz 6.6 SED/focusTerra Erdbebenstärke Die Stärke eines Erdbebens wird auch anhand seiner Auswirkungen bestimmt. Dazu dient die IntensitätsSkala. In der Vergangenheit gab es verschiedene Skalen, die jeweils weiterentwickelt wurden. Bekannt ist die Mercalli-Skala (entwickelt Ende 19. Jahrhundert). Heute ist in Europa die Europäische Makroseismische Skala von 1998 (EMS-98) gebräuchlich. Aus der Intensität lässt sich allerdings keine Aussage über die freigesetzte Energie eines Erdbebens ableiten. Die Aussagekraft ist beschränkt und fehlerbehaftet (menschliche Wahrnehmung in Abhängigkeit von verschiedensten Faktoren wie Distanz vom Erdbebenherd, Untergrund etc.). Europäische Makroseismische Skala von 1998 (EMS-98) Quelle: Schweizerischer Erdbebendienst Charles Francis Richter führte 1935 ein objektives Mass für die durch ein Erdbeben freigesetzte Energie (die Magnitude) ein. Die Richterskala berücksichtigt die Entfernung vom Erdbebenherd und die maximale Amplitude (Ausschlag des Seismometers). Mit Hilfe der Grafik (Abbildung «Richter-Skala») wird die Magnitude bestimmt. 48 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Richter-Skala mit Hilfe der Herdentfernung und der Amplitude wird eine Verbindungslinie gezogen und so die Magnitude bestimmt Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 6.7 Erdbebenschäden Die Auswirkungen eines Bebens hängen stark von der Tiefe des Erdbebenherdes, der Distanz eines Gebietes zum Herd, dem lokalen Untergrund und der Besiedlung mit der entsprechenden Bebauung und Infrastruktur ab. Schäden sowie Anzahl Todesopfer stehen nur indirekt im Zusammenhang mit der Magnitude. Die grossen Erdbeben in der Schweiz in den letzten 1000 Jahren Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. Siehe auch: Historische Erdbeben der Schweiz SED, http://www.seismo.ethz.ch/eq_swiss/hist/index 49 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Die grössten Erdbeben-Katastrophen in der Geschichte (kursiv entspricht einer grossen historischen Bedeutung.) Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. Siehe auch: Die stärksten Erdbeben (USGS), http://earthquake.usgs.gov/earthquakes/world/10_largest_world.php 50 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Weltweit und jährlich durchschnittlich zu erwartende Erdbeben Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben#St.C3.A4rkste_gemessene_Erdbeben findet man die stärksten gemessenen Erdbeben auf der Erde. Quelle: Hasler M. et al. 2004. Geografie: Wissen und verstehen. Bern: hep Verlag AG. 6.8 Fachwortverzeichnis Erdbeben Aseismisch Weitgehend erdbebenfrei Asthenosphäre Weicher, d. h. teilweise aufgeschmolzener Teil des oberen Erdmantels. Liegt direkt unter der Lithosphäre. Material, auf dem die Lithosphärenplatten driften. Hergeleitet von (griech.) «a + sthenos = ohne Festigkeit» und «sphära = Kugel» Becken (geol.) Gegenüber der Umgebung tiefer liegender Sedimentationsbereich. Beispiel: Molassebecken (z. B. Schweizerisches Mittelland, Wiener Becken) Bergschlag Seismisches Ereignis, das im Bergbau zu Schäden führt (nicht zu verwechseln mit Bergsturz) Bergsturz Grosse Fels- und Schuttbewegung aus Bergflanken (über einer Million Kubikmeter) Bruch (geol.) Störung Einsatz (seismologisch) Zeitpunkt des Eintreffens einer bestimmten seismischen Wellenart (z. B. P-Welle) in einem Seismogramm Einsturzbeben Karsterscheinung, Dolinen. Einsturz von natürlichen Hohlräumen EMS-98 Derzeit in Europa gebräuchliche Intensitäts-Skala Epizentralintensität Intensität im Epizentrum 51 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Epizentrum Stelle auf der Erdoberfläche genau über dem Hypozentrum (Erdbebenherd). Hergeleitet von «epi = (griech.) auf, darauf», weil oberhalb des Hypozentrums Erdbeben Zeitlich begrenzte Erschütterung des Bodens. Wird oft als zusammenfassender Begriff für das Erdbebenereignis (Epizentrum, Zeit, Stärke) verstanden. Man unterscheidet natürliche und induzierte Erdbeben. Die meisten Erdbeben kommen durch plötzliche Verschiebungen der Erdkrustenteile zustande. Erdbebengefährdung Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Erdbebens bestimmter Stärke innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Beinhaltet keine Aussage über Schäden Erdbebenrisiko Mathematisch das Produkt aus Gefährdung und möglichem Schaden. Das Risiko ist also gross, wenn der mögliche Schaden oder die Gefährdung gross ist. Felssturz Kleinere Fels- und Schuttbewegung aus Bergflanken (unter einer Million Kubikmeter) Graben (geol.) Ausbildung einer Senke, die durch geologische Störungen begrenzt ist (z. B. Rheintal, Rheingraben) Herd Hypozentrum Herdtiefe Tiefe des Herdes (Lokalisierung unter der Oberfläche) Herdzeit Zeitpunkt des Beginns des Verschiebungsvorganges, der sich als Erdbeben äussert Hypozentrum Ort des Erdbebens im Erdinnern, wo der eigentliche Verschiebungsvorgang stattfindet. Wird auch als «Herd» bezeichnet. Hergeleitet von «hypo = (griech.) darunter», weil unterhalb des Epizentrums Induzierte Erdbeben Durch menschliche Tätigkeit verursachte Erdbeben. Dazu zählen unter anderem durch Bergbau oder Wasserreservoirs ausgelöste Erdbeben, Atomtests, Sprengungen, Bauwerkseinstürze und der Überschallknall. Intensität (seismol.) Schadens- und Fühlbarkeitsauswirkung an der Oberfläche, zugeordnet aufgrund der Intensitäts-Skala. Den höchsten Wert, der dem Epizentrum zugeordnet wird, bezeichnet man als Epizentralintensität. Intensitäts-Skala Skala, nach der die Schäden und die Fühlbarkeitsberichte klassifiziert werden. Anfang der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts führten der Italiener Michele Stefano de Rossi und der Schweizer Francis Forel eine 10-teilige (1–10) Skala ein, die bis zur Mitte den 20. Jahrhunderts noch vereinzelt ihre Anwendung fand. 1902 wurde aber bereits von Guiseppe Mercalli die in ihren Grundzügen noch heute bestehende 12-teilige (1–12) «Mercalli»-Skala eingeführt. Auf ihr beruht auch die heute verwendete Europäische Makroseismische Skala – die EMS-98. Die Intensitätsgrade werden oft mit der Magnitude verwechselt. Isoseisten Linien gleicher Intensität von Erschütterungen auf der Erdoberfläche, auf einer Landkarte dargestellt. Hergeleitet von «iso (griech) = gleich» und «seistos (griech.) = erschüttert» 52 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Kompressionswelle Verdichtungs- bzw. Druckwelle. Sie erreicht den Beobachtungsort als erste Bodenbewegung und wird daher auch als Primärwelle (P-Welle) bezeichnet. Kontinentalverschiebungstheorie Von Alfred Wegener 1912 postulierte Theorie der horizontalen Bewegungen der leichten Landmassen und des Vorhandenseins eines grossen Urkontinents (Pangäa). Diese Theorie lieferte die Grundidee für die Plattentektonik. Lithosphäre Äussere Erdschale mit Gesteinscharakter, die aus der Erdkruste und dem festen Teil des oberen Erdmantels besteht. Der Begriff wurde ursprünglich im Kontrast zur Hydro- und Atmosphäre geprägt. Hergeleitet von (griech.) «lithos = Stein» und «sphära = Kugel» Magnitude (seismol.) Von Charles Francis Richter 1935 eingeführtes logarithmisches Mass der im Hypozentrum freigesetzten seismischen Energie in einem bestimmten Frequenzbereich. Nicht zu verwechseln mit der 12-stufigen Intensitätsskala. Daher aus Unterscheidungsgründen auch oft als nach «oben offene» Richter-Skala bezeichnet. Da die Energie in verschiedene Frequenzbereiche vom Hypozentrum abgegeben wird, existieren auch verschiedene Magnituden-Skalen, die sich jeweils auf einen bestimmten Frequenzbereich beziehen: Oberflächenwellen-Magnitude, Raumwellen-Magnitude, Lokal-Magnitude und andere. Daher auch die geringfügig unterschiedlichen Magnitudenangaben in den Medien im Falle eines Katastrophenbebens. Die Momenten-Magnitude bildet eine Ausnahme – sie ist unabhängig von der Frequenz, kann aber nur mit einer Vielzahl von seismischen Registrierungen bestimmt werden. Dank des technischen Fortschritts und des damit einhergehenden Datenaustausches findet sie im zunehmenden Masse Verwendung. Makroseismik Fachgebiet, das sich mit der Auswertung und Interpretation der Schadens- und Fühlbarkeitsmeldungen befasst. Manchmal werden darunter aber auch Erdbeben verstanden, die stark genug waren, um von Menschen wahrgenommen zu werden. Mikroseismik Aufzeichnung sehr kleiner Bodenbewegungen, die meist durch Wind, Meereswellen oder Industrie (= seismisches Hintergrundrauschen oder auch Bodenunruhe) verursacht werden. Manchmal wird auch die Messung sehr sehr kleiner Beben als Mikroseismik bezeichnet. Nachbeben Kleinere Erdbeben nach dem Hauptbeben, welche in Abhängigkeit von der Stärke des Hauptbebens Minuten bis sogar Jahre nach dem Hauptbeben auftreten können Natürliche Erdbeben Dazu zählen tektonische, vulkanische und Einsturzbeben. Im Gegensatz zu induzierten Erdbeben. Die meisten Erdbeben sind natürlichen Ursprungs. Oberflächenwelle Wellen, die sich entlang der Erdoberfläche ausbreiten (im Unterschied zu den P- und S-Wellen, die sich durch das Erdinnere fortpflanzen). Letztere werden daher auch als Raumwellen bezeichnet. Die Oberflächenwelle richtet meist die grössten Schäden an. Plattentektonik Theorie über die Bewegung von Lithosphärenteilen (Platten).Die Erdoberfläche setzt sich dabei aus sieben grossen und fünf kleineren Hauptplatten zusammen, die sich laufend gegeneinander verschieben. Die plötzlichen Verschiebungsvorgänge entlang der Plattengrenzen (Seismotektonik der Erde) äussern sich oft als Erdbeben. Die Theorie versucht, die Naturerscheinungen wie Erdbeben, Gebirgsbildung, Vulkanismus und Subduktionszonen zusammenhängend zu erklären. Primärwelle siehe P-Welle 53 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra P-Welle Primärwelle beziehungsweise Kompressionswelle. In der Erdkruste beträgt ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit circa 6 km/h. Damit ist sie die schnellste Erdbebenwelle und als erste am Beobachtungsort (daher «primär»). Richter-Skala Skala für die Magnitude nach Richter, logarithmisches Mass für die durch ein Erdbeben freigesetzte Energie Scherwelle Die Sekundärwelle (S-Welle), sie erreicht den Beobachtungsort nach der P-Welle. Schüttergebiet Gesamtbereich, in dem das Erdbeben verspürt worden ist. Seebeben Erdbeben, dessen Epizentrum im Meer beziehungsweise im Ozean liegt. Seismizität Erdbebenhäufigkeit und Erdbebenstärke in einer Region Seismogramm Darstellung der Bodenbewegung mittels eines Seismographen. Früher meist ein Papierstreifen, auf dem die Bodenbewegungen als Funktion der Zeit abgebildet sind Seismograph Gerät zur (vergrösserten) Darstellung der Bodenbewegung. Einer der ersten war der «Wiechert-Seismograph», dessen träge Masse circa eine Tonne betrug. Heute weitgehend synonym für Seismometer Seismologin/Seismologe Fachperson auf dem Gebiet der Seismologie Seismologie Erdbebenkunde. Hergeleitet von seismos (griech.) Erschütterung und «logos (griech.) = Lehre» Seismometer Gerät zur Messung der Bodenbewegungen. Das eigentliche Kernstück eines Seismographen beziehungsweise einer Erdbebenstation. Heute weitgehend synonym für Seismograph Seismotektonik Lehre der Beziehung zwischen Erdbeben und tektonischen Strukturen und deren Bewegungsabläufen. Da Erdbeben Ausdruck tektonischer Prozesse sind, werden sie mit anderen Erscheinungen wie Hebungen, Senkungen, Faltungen, Horizontalverschiebungen und Überschiebungen in Verbindung gebracht. Störung (geol.) In diesem Zusammenhang ein Bruch in der Erdkruste. Oft auch als Verwerfung bezeichnet. Versatz von Gesteinsschichten Subduktionszone Kollisionszone zweier Platten, in denen die schwerere, ozeanische Platte unter die leichtere, kontinentale Platte abgedrängt wird. Entlang dieser Zonen ereignen sich die tiefsten Erdbeben – bis 700 km – der Welt. S-Welle Sekundärwelle beziehungsweise Scherwelle. In der Erdkruste beträgt ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit circa 3.4 km/h, folgt nach der P-Welle Tektonik Lehre vom Aufbau der Erdkruste und den Bewegungen und Kräften, die diese erzeugen (tektonikós, griech. = «die Baukunst betreffend») 54 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Tektonische Erdbeben Erdbeben, die durch den plötzlichen Spannungsabbau entlang einer Störungszone oder Plattengrenze entstehen. 90 % aller natürlichen Erdbeben fallen in diese Kategorie. Tsunami Grosse Meereswelle (jap. = Hafenwelle). Ausgelöst durch Erdbeben am Meeresboden (Seebeben) oder Bergsturz ins Meer Verwerfung (geol.) Störung Vulkanische Erdbeben Durch einen Vulkanausbruch oder die Bewegung von Magma unter einem Vulkan herbeigeführte Erschütterungen Überarbeitet nach der Quelle: http://www.noezsv.at/noe/pages/startseite/zivilschutz-themen-a---z/erdbeben/fachwortverzeichnis.php 55 Erdbeben in der Schweiz 7 SED/focusTerra Anhang: Alltags- und Gegenwartsbezug In Anlehnung an die fünf didaktischen Grundfragen (didaktische Analyse) von Wolfgang Klafki werden im Folgenden der Wert und die Bedeutung des Unterrichts für die SuS zum Thema Erdbeben erörtert. 1. Exemplarische Bedeutung (Was können die SuS mit dem heute Gelernten anfangen?): • Die Auseinandersetzung mit Erdbeben ermöglicht den SuS die Dimensionen der Geologie (in Zeit und Raum) und deren Dynamik zu erfassen. Die Endlichkeit und bescheidenen Möglichkeiten der Menschen in Bezug auf Massnahmen, Warnungen und Vorhersagen werden bewusst. Es wird zum Beispiel klar, dass Erdbeben nicht verhindert werden können. • Aufgrund des Verstehens, wie Erdbeben entstehen und wie sie wirken, können die SuS Medienberichte zu grossen, weltweiten Erdbebenkatastrophen einordnen und diese mit der Gefährdung in der Schweiz in Beziehung setzen. Die Kompetenzen zur Erfassung und Verarbeitung von Erdbebenkatastrophen lassen sich in verschiedenster Weise auf ähnliche aktuelle Probleme übertragen. • Das Wissen und Verstehen von geologischen Prozessen dient als Basis zum Verständnis von anderen geographisch-geologischen Themenaspekten. 2. Gegenwartsbedeutung (Was bedeutet es für die SuS heute?): • Die SuS erkennen, dass die Schweiz ein erdbebengefährdetes Land ist: Erdbeben finden nicht nur «weit • • • • weg von uns» statt, sondern können auch bei uns jederzeit geschehen. Daraus sollen auch die Hilfs- und Präventivmassnahmen, z. B. vom Bund, Kanton und Gemeinden, verstanden werden. Ganz wichtig ist, dass die SuS wohl begreifen, dass Erdbeben nicht verhindert werden können, dass aber die Schäden/Folgen zumindest teilweise vermindert werden können. Dazu gehört, dass die SuS wissen, wie sie sich im Erdbebenfall verhalten müssen und auf welche Gefahren sie in ihrer Schulklasse oder zu Hause achten müssen. Die SuS erkennen, dass Prävention bereits im Kleinen möglich ist. Sie richten z. B. ihr Zimmer erdbebensicher ein. Die Einschätzung von immer wiederkehrenden Katastrophen und deren Hintergründe sollen aufgrund von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen verstanden werden. Die Notwendigkeit, sich in der Gesellschaft mit unabwendbaren Naturkatastrophen auseinanderzusetzen, soll «positiv» begriffen werden. 3. Zukunftsbedeutung (Was wird der Inhalt für die SuS morgen bedeuten?): • In verschiedensten Funktionen im Rahmen der Gesellschaft wie auch als Privatperson sollen die SuS erkennen, welche Massnahmen sie ergreifen oder auslösen können. Sie sollen sich bewusst werden, schon in der Gegenwart und in naher Zukunft Verantwortung übernehmen zu können, z. B. für die Bauweise eines Gebäudes, für Präventionsmassnahmen in Bezug auf ihr Verhalten, auf Abstimmungen, auf den Zivilschutz. • Die SuS werden einst als informierte Bürger Fragen nach der Sicherheit von öffentlichen Bauten stellen und Druck auf die Politik für eine kohärente Prävention machen können. • Die SuS werden als informierte Bauherren die Erdbebensicherheit in ihren Bauprojekten explizit verlangen. 56 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 4. Struktur des Inhalts (Was ist die Struktur des Inhalts?): • Die SuS sollen die Zusammenhänge zwischen dem Erdaufbau und der Plattentektonik erkennen und ableiten, dass Katastrophen unter Berücksichtung von erdwissenschaftlichen Erkenntnissen zu beurteilen sind (z. B: Haiti-Beben von Januar 2010). Gleichzeitig muss aber klar werden, dass ein Naturereignis keine Katastrophe ist, sondern erst durch seine Auswirkungen auf die Gesellschaft zu einer wird (z. B. ein sehr grosses Beben im unbewohnten Alaska wird nicht als Katastrophe eingestuft). • Durch das strukturelle Erfassen der Schweiz als erdbebengefährdetes Land/Gebiet aufgrund von erdwissenschaftlichen Erkenntnissen können die SuS im Idealfall auch die Schweiz als Teil eines weltweiten, komplexen geologischen Gefüges und dessen Dynamik einordnen und beurteilen. 5. Zugänglichkeit (Wie bringe ich es bei, welche Eselsbrücken gibt es?): Welches sind die besonderen Fälle, Phänomene oder Situationen in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhalts den SuS «veranschaulicht» werden kann? • Ein eingängiges Beispiel bietet IKEA im Materialset der Bücherregale: Sie enthalten Metallwinkel zur Wandbefestigung. Wer sie montiert, rettet im Fall eines Erdbebens evtl. Leben. • Das Modellzimmer im Erdbebensimulator macht deutlich, wie ein Zimmer nicht erdbebensicher einge- • • • • räumt ist – nicht Erdbeben töten, sondern herumfliegende Gegenstände und die einstürzenden Gebäude oder Folgen wie z. B. Tsunamis. Filme über das Verhalten von Gebäuden im Ereignisfall zeigen, was Erdbebensicherheit bedeuten kann. Der Erdaufbau soll erfasst werden und anhand von Vergleichen mit Zwiebel, hartgekochtem Ei oder Pfirsich verstanden werden. Verschiedene Prozesse in und auf der Erde können simuliert oder mit Hilfe von Vergleichen dargestellt werden. (z. B. Isostasie → Eiswürfel in einem Glas Wasser…, Ausschneiden von Kontinenten → Umrissvergleiche…). Ursache von Erdbeben wird als Auswirkung der Bewegung der Lithosphäre (Zerbrechen von starren Körpern) verstanden. Was bricht (im Kleinen) so ähnlich? 57 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 8 Anhang: Erdbeben in aktuellen und zukünftigen Lehrplänen (HarmoS) 8.1 Das Thema Erdbeben in den aktuellen kantonalen Lehrplänen Zusammenfassung: Die bestehenden kantonalen und regionalen Lehrpläne enthalten das Thema Erdbeben bzw. Naturgewalten. So werden für das 7.–9. Schuljahr explizit erwähnt: • Aufbau der Erde, • Veränderungsprozesse in und auf der Erde, • Naturgewalten und -katastrophen und ihre Auswirkungen auf Lebewesen, • Schutzmassnahmen gegen Naturgewalten. Mit den bestehenden rechtlichen Grundlagen wird eine ausführliche Behandlung des Themas Erdbeben legitimiert. Analyse der aktuellen Lehrpläne Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) liess im Jahre 2005 alle kantonalen Naturwissenschaftslehrpläne analysieren (Szlovak 2005). Die Analyse diente als eine der Grundlagen, um darauf aufbauend das Kompetenzmodell und die zukünftigen Bildungsstandards für die Naturwissenschaften zu entwickeln (siehe unter Anhang 8.2). In der Analyse werden die kantonalen und regionalen Lehrpläne für den Bereich Naturwissenschaften miteinander verglichen. Dabei wird der Fokus auf die Zielbeschreibungen gerichtet, aus welchen das Datenmaterial gewonnen worden ist. Die Zielbeschreibungen geben im Lehrplan jeweils am detailliertesten Auskunft darüber, was Schülerinnen und Schüler in einem gewissen Zeitraum lernen sollen. Die Vergleichsarbeit geschieht auf zwei Ebenen: I) Struktureller und konzeptioneller Aspekt, II) Inhaltliche Ebene. Im Folgenden beschränken wir uns auf die inhaltliche Ebene. Zur Erfassung der Daten auf der inhaltlichen Ebene wurde ein Kategoriensystem entwickelt. Es beruht auf bisher in der Fachliteratur publizierten Gliederungen von naturwissenschaftlichen Lernzielen bzw. bestehenden Bildungsstandards aus dem englischen Sprachraum. Inhaltlicher Vergleich regionaler und kantonaler Lehrpläne Anhand eines inhaltlichen Vergleichs der regionalen und kantonalen Lehrpläne werden Ziel- und Inhaltsbeschreibungen nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet und quantifiziert. Folgende Seiten der Analyse thematisieren explizit den Bereich Erdbeben oder allgemeine geologische Aspekte: S. 97: Aufbau der Erde, S. 101: Naturgewalten bzw. -katastrophen und ihre Auswirkungen auf Lebewesen und die Umwelt beschreiben, S. 101: Schutzmassnahmen gegen Naturgewalten kennen, S. 101: eigene Verantwortung für Umwelt-/Natur-/Landschaftsschutz erkennen; umweltbewusstes Denken und Handeln entwickeln. 58 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Im Rahmen einer gesamten Kategorisierung der Themen werden sechs naturwissenschaftliche Hauptbereiche in insgesamt 28 thematische Unterbereiche gegliedert. In einem knappen Überblick werden im Folgenden die jeweiligen Seiten mit ihren Unterbereichen genannt, die dem Fach Geologie anzugliedern sind (die folgenden Bereiche beziehen sich auf das 7.–9. Schuljahr): S. 52: S. 55: S. 66: S. 67: Aufbau der Erde, Veränderungsprozesse in und auf der Erde, Naturgewalten und -katastrophen und ihre Auswirkungen auf Lebewesen, Schutzmassnahmen gegen Naturgewalten kennen. Quellen Szlovak Barbara 2005: HarmoS – Lehrplanvergleich Naturwissenschaften (bestehend aus zwei Dokumenten bzw. Dateien: Haupttext und Anhang). Bern: Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren. http://www.edudoc.ch/static/web/arbeiten/harmos/l_natur_d.pdf; http://www.edudoc.ch/static/web/arbeiten/harmos/l_natur_a_d.pdf (30. August 2010) 59 Erdbeben in der Schweiz 8.2 SED/focusTerra Das Thema Erdbeben in HarmoS und im zukünftigen Lehrplan 21 Zusammenfassung: Im Rahmen von HarmoS wurden für die Naturwissenschaften ein Kompetenzmodell und Basisstandards vorgeschlagen. Nach der für 2011 zu erwartenden politischen Verabschiedung von Modell und Standards werden beide einen wichtigen Rahmen für den zukünftigen Deutschschweizer Lehrplan 21 bilden. Mit HarmoS soll der Unterricht vermehrt auf die Förderung von Kompetenzen ausgerichtet sein, d. h. nicht nur auf die Vermittlung von Inhalten, sondern auch auf die Förderung von Handlungsaspekten (auch als Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet). Das Thema Erdbeben eignet sich in exemplarischer Weise dazu, im Sinne von HarmoS kompetenzorientiert zu unterrichten. Das bildungspolitische Projekt HarmoS Mit dem bildungspolitischen Grossprojekt HarmoS (Harmonisierung der obligatorischen Schule) werden in der Schweiz die Schulstrukturen, Unterrichtsziele und -inhalte vom Kindergarten bis und mit 9. Schuljahr harmonisiert. So wurden im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) unter anderem ein Kompetenzmodell sowie Bildungsstandards für die Naturwissenschaften entwickelt (www.edk.ch → HarmoS; Konsortium HarmoS Naturwissenschaften, 2008; Labudde & Adamina, 2008). Nach dem politischen Anhörungsprozess im Jahre 2010 wird es zu einer – vermutlich nur kleineren – Überarbeitung von Kompetenzmodell und Standards kommen. Mit der politischen Verabschiedung von Modell und Standards ist in der ersten Jahreshälfte 2011 zu rechnen. Die Standards werden einen wichtigen Rahmen für die Entwicklung des zukünftigen Deutschschweizer Lehrplans 21 bilden. Letzter soll 2014 erstellt sein und dann von den Kantonen eingeführt werden können. Für die Erarbeitung der Unterrichtsmaterialien zu Erdbeben und Erdbebensimulator wurden bereits jetzt die Rahmenvorgaben von HarmoS einbezogen. Im Folgenden sind Auszüge aus dem Anhörungsbericht zitiert (www.edk.ch → HarmoS; veröffentlicht am 25. Januar 2010). 8 Es werden vorgestellt: • Kompetenzmodell HarmoS Naturwissenschaften • Handlungsaspekte für die Sekundarstufe I und Basisstandards für das Ende des 9. Schuljahrs • Themenbereiche für die 7.–9. Schuljahre Kompetenzmodell HarmoS Naturwissenschaften Das für den naturwissenschaftlichen Unterricht entwickelte Kompetenzmodell umfasst drei Dimensionen: 1. Handlungsaspekte, 2. Themenbereiche, 3. Anforderungsniveaus (die 3. Dimension wurde in der folgenden Abbildung aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt). Das Modell bezieht sich auf eine Kompetenzentwicklung vom 1. bis zum 9. Schuljahr (in drei mehrjährige Phasen unterteilt). Über alle drei Phasen hinweg bleiben es dieselben Handlungsaspekte und Themenbereiche; es erfolgt dabei eine Progression durch Vertiefung und Erweiterung innerhalb der Bereiche. 8 Einer der Autoren des vorliegenden Berichts, P. Labudde, war Ko-Leiter des Konsortiums HarmoS Naturwissenschaften, welches Kompetenzmodell und Bildungsstandards in der Zeit von 2005–2008 ausgearbeitet hat. 60 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Das Kompetenzmodell HarmoS Naturwissenschaften www.edk.ch → HarmoS Die erste Dimension umfasst acht Handlungsaspekte, die in ihrer Gesamtheit die Beschreibung grundlegender Fähigkeiten und Fertigkeiten einer naturwissenschaftlichen Grundbildung ergeben: Ein erster betrifft «Interesse und Neugierde», d. h. eine affektive Facette von Scientific Literacy. Die folgenden sechs Handlungsaspekte beziehen sich jeweils auf kognitive Facetten, welche für eine naturwissenschaftliche Bildung von zentraler Bedeutung sind. Der achte Handlungsaspekt «Eigenständig arbeiten, mit anderen zusammenarbeiten» liegt auf überfachlicher Ebene und bezieht sich insbesondere auch auf personale und sozial-kommunikative Kompetenzen. Diesem Aspekt kommt gerade in der naturwissenschaftlichen Bildung im Hinblick auf forschendes Lernen grosse Bedeutung zu. Jeder der acht Handlungsaspekte weist zwei bis fünf Teilaspekte auf. Die Handlungsaspekte bilden in dem Sinn die primäre Achse des Modells, als sich die Basisstandards auf sie beziehen. Wenn bei den Anforderungsniveaus und damit auch bei den Basisstandards notiert wird «Schülerinnen und Schüler können …» bezieht sich das Können auf Teil-Handlungsaspekte wie «Erkundungen, Untersuchungen oder Experimente durchführen», auf Fähigkeiten wie «genau beobachten» oder auf «ordnen und vergleichen». Mit dem gezielten Bezug der Basisstandards auf die Handlungsaspekte wird eine Voraussetzung für eine naturwissenschaftliche Bildung geschaffen, welche primär an den Handlungsaspekten orientiert ist. Dass diese Handlungsaspekte nur an konkreten Inhalten erarbeitet werden können, kommt mit der Dimension Themenbereiche zum Ausdruck: Erst in der von Handlungsaspekten und Themenbereichen aufgespannten Ebene liegen die Kompetenzen. Die acht Themenbereiche bilden aus inhaltlicher Perspektive das Gerüst für ein Kerncurriculum. Sie sind einerseits ein Spiegelbild aktueller in- und ausländischer Lehrpläne, andererseits werden in ihnen zentrale Leitideen und Begriffe aufgenommen, wie sie von Fachdidaktik, abnehmenden Schulen, Berufswelt und aus gesellschaftlicher Perspektive in Form von aktuellen Schlüsselfragen postuliert werden. Die Handlungsaspekte «Interesse und Neugierde entwickeln» und «Eigenständig arbeiten, mit anderen zusammenarbeiten» beziehen sich auf verschiedene, miteinander verflochtene Facetten, die komplex angelegt sind und nur in erweiterten Formen überprüft werden können. Sie liegen damit auf einer anderen Ebene als die anderen Handlungsaspekte. Für diese wurden jeweils keine Basisstandards definiert, sondern Empfehlungen verfasst. 61 Erdbeben in der Schweiz 9 SED/focusTerra Handlungsaspekte für die Sekundarstufe I und Basisstandards für das Ende des 9. Schuljahrs Die acht Handlungsaspekte von HarmoS Naturwissenschaften umfassen über die ganze obligatorische Schule dieselben Teilaspekte. Im Folgenden werden die Handlungsaspekte und ihre Teilaspekte vollständig wiedergegeben; gelb unterlegt sind diejenigen Teilaspekte, welche für das Thema Erdbeben von Bedeutung sein könnten. Die Basisstandards (in den Textboxen) sind nur in Auszügen notiert, d. h. es werden nur diejenigen zitiert, welche eine Relevanz für das Thema Erdbeben haben. 9.1 Fragen und untersuchen Bewusst wahrnehmen: Phänomene (Lebewesen, Gegenstände, Situationen, Prozesse) aufmerksam betrachten, genauer erkunden, beobachten, beschreiben und vergleichen. Fragen, Probleme und Hypothesen aufwerfen, um Beobachtungen, Entdeckungen und technische Konstruktionen zu ermöglichen. Geeignete Werkzeuge, Instrumente und Materialien auswählen und verwenden für Erkundungen, Untersuchungen, Experimente und technische Konstruktionen. Erkundungen, Untersuchungen oder Experimente durchführen: Fragen und Probleme aufgrund von Beobachtungen und Vorkenntnissen aufwerfen, Erkundungen, Untersuchungen und Experimente planen und durchführen, Daten sammeln, messen, ordnen und auswerten, Hypothesen überprüfen bzw. Sachverhalte und Regelhaftigkeiten erkennen und festhalten. Über Ergebnisse und Untersuchungsmethoden nachdenken: Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus Untersuchungen, Erkundungen und Experimenten beurteilen und bewerten, Frage- und Problemstellungen, Versuchsanlagen, Untersuchungs- und Messmethoden sowie technische Konstruktionen reflektieren, hinterfragen und dazu Verbesserungen vorschlagen. Die Schülerinnen und Schüler können: • Phänomene mit mehreren Sinnen wahrnehmen und beobachten; • zu Lebewesen, Gegenständen und Prozessen aus ihrer Umgebung verschiedenartige Fragen, Probleme und einfache Hypothesen formulieren und Voraussetzungen für deren Untersuchung bestimmen (z. B. Variablen festlegen); • […] 9.2 Informationen erschliessen Informationsformen erkennen: Formen, Aufbau und Strukturen von Informationen erkennen (Textarten, Karten, Grafiken, Tabellen). Informationen lesen: Mittelbare Informationen zu naturwissenschaftlichen Inhalten frage- und sachbezogen identifizieren und (heraus)lesen. Nach Informationen recherchieren: Nach Informationen zu Inhalten, Themen angeleitet und eigenständig suchen, in Informationsträgern recherchieren. Informationen umsetzen: Informationen sachbezogen für sich erkenntlich, einsichtig und nutzbar machen. 62 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Informationen und Informationsquellen einordnen: Informationen kritisch sichten, die Herkunft von Informationen erkennen. Die Schülerinnen und Schüler können: • naturwissenschaftliche Informationsformen erkennen (z. B. verschiedene Textformen, Grafiken, Tabellen, Karten, kombinierte Formen), aus verschiedenen Informationsformen Angaben herauslesen und diese mit eigenen Worten beschreiben; • Informationen nach selbst gewählten, sachbezogenen Gesichtspunkten lesen und kennzeichnen (z. B. Angaben in Darstellungen, Zuweisung von Symbolen); • zu Themen eigenständig in Informationsmitteln (Sachbücher, Internet) nach Unterlagen und Angaben suchen und diese nach vorgegebenen Strukturen verarbeiten; • […] 9.3 Ordnen, strukturieren, modellieren Sammeln und ordnen: Objekte, Materialien und Merkmale zu Erscheinungen und Situationen in der Natur sowie Anwendungen in der Technik sammeln, vergleichen und ordnen. Analysieren und strukturieren: Elemente, Merkmale, Erscheinungen und Situationen analysieren, gliedern, abgrenzen, strukturieren, in Beziehung setzen, vernetzen (systemisches Denken). Einordnen und modellieren: Regelhaftigkeiten, Gesetzmässigkeiten, Modelle und Konzepte erkennen, entwickeln und zur Erklärung herbeiziehen; grafische Darstellungen und mathematische Hilfsmittel einsetzen. Die Schülerinnen und Schüler können: • die grundlegenden Elemente und Beziehungen (Strukturen) in Systemen erfassen, erklären und in einfa- • • • • cher Form aufzeichnen (z. B. einfaches Wirkungsdiagramm) sowie Veränderungen in Systemen erfassen und beschreiben; entsprechende Repräsentationsformen (z. B. Verlaufsgrafiken) verstehen und Folgen von Veränderungen ansatzweise voraussagen (wenn…, dann…); Erscheinungen und Situationen umfassend beschreiben, zu einfachen Regelhaftigkeiten in Bezug setzen sowie Analogien mit Alltagsbezug erfassen; von gegenständlichen Modellen den Transfer auf die Wirklichkeit vornehmen sowie zu ihnen bekannten Sachbezügen bildliche und einfache modellartige Repräsentationen erkennen; […] 9.4 Einschätzen und beurteilen Zusammentragen, einschätzen, gewichten, beurteilen: Merkmale (Fakten) und persönliche Einstellungen zu Erscheinungen, Situationen, Prozessen zusammentragen, einschätzen, gewichten, bewerten und dabei mehrere Perspektiven einbeziehen. Argumentieren und sich positionieren: Zu Situationen, Entwicklungen und anderem argumentieren und sich positionieren. Persönliche Vorstellungen, Argumente und Einschätzungen beschreiben und bedenken. Informationsquellen kritisch sichten. Persönlich und sachbezogen bewerten: Die Bedeutsamkeit von Sachverhalten bzw. Situationen aus persönlicher und zunehmend sachbezogener Perspektive einschätzen und bewerten. 63 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Die Schülerinnen und Schüler können: • Beschreibungen und Wertungen zu Situationen erkennen, voneinander unterscheiden und aus mehr als einer Perspektive kommentieren; • mehrheitlich Gewichtungen und Prioritäten in Aussagen erfassen sowie ansatzweise kennzeichnen und kommentieren; • […] 9.5 Entwickeln und umsetzen Nachdenken: Über Fragen, Situationen, Erfahrungen und Entwicklungen im Einzugsbereich von Natur, Umwelt, Technik und Gesellschaft nachdenken. Vordenken: Ideen, Perspektiven, Fantasien, Visionen zu Natur, Umwelt, Technik und Gesellschaft entwickeln und mögliche Folgen einschätzen. Planen: Gestaltungsbereitschaft entwickeln und die Umsetzung von Ideen oder Visionen planen und kritisch überprüfen. Handeln und reflektieren: Handlungsbereitschaft entwickeln, die Ideen oder Visionen umsetzen und anschliessend reflektieren. Die Schülerinnen und Schüler können: • eigenständig ihren Alltagserfahrungen und Fragen aus den Bereichen Natur, Umwelt, Technik, Gesundheit und Gesellschaft nachgehen, nach Antworten suchen und dabei verschiedene Perspektiven einnehmen; • unterschiedliche Ideen oder Visionen zu Fragen aus Natur, Umwelt, Technik, Gesundheit und Gesellschaft in ihrem Umfeld entwickeln, sie vergleichen und einzelne mögliche Folgen einschätzen; • […] 9.6 Mitteilen und austauschen Beschreiben, präsentieren und begründen: Naturwissenschaftliche Inhalte und eigene naturwissenschaftliche Arbeiten fachlich in Wort und Schrift sowie mittels geeigneter Repräsentationsformen korrekt präsentieren; stringent und alltags- bzw. fachbezogen argumentieren. Zuhören und mitdenken, reflektieren und hinterfragen: Präsentationen und Argumentationen von anderen aufnehmen; aktiv zuhören und die Ideen anderer – auch mittels eigener Ideen – weiterentwickeln; eigene und fremde Präsentationen und Dokumentationen anhand von Kriterien beurteilen; Ergänzungen und Einwände von anderen (selbst-)kritisch reflektieren und hinterfragen. Die Schülerinnen und Schüler können: • einfache naturwissenschaftliche Objekte und Prozesse in der Alltagssprache und mit ausgewählten naturwissenschaftlichen Begriffen beschreiben; • Merkmale, Beziehungen, Verknüpfungen anhand von vorgegebenen oder selbst erstellten gegenständlichen Modellen, Zeichnungen, Fotos sowie spezifischen Repräsentationsformen (Tabelle, Karte, Schnittzeichnung u.a.) beschreiben; • […] Die folgenden zwei Aspekte werden im Vernehmlassungsbericht der EDK (2010) nur im Anhang aufgeführt, im vorliegenden Dokument jedoch gleichwertig wie die anderen Handlungsaspekte aufgelistet (allerdings ohne Basisstandards). 64 Erdbeben in der Schweiz 9.7 SED/focusTerra Interesse und Neugierde entwickeln Erfahrungen mit Sachen und Situationen zu Natur, Umwelt und Technik im Alltag sammeln und eigene Zugänge, Bezugspunkte und Bedeutsamkeiten zu naturwissenschaftlichen Fragen und Themen finden. Freude und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Fragen der Naturwissenschaften, der Technik, Gesundheit, der nachhaltigen Entwicklung entwickeln und überdauernde Interessen aufbauen. Wille und Bereitschaft zum Nachdenken, zur Mitwirkung und Mitgestaltung über Fragen zu Natur, Umwelt und Technik aufbauen. 9.8 Eigenständig Arbeiten, mit anderen zusammenarbeiten Eigenständig Fragen und Aufgaben bearbeiten: sich Fragen stellen und eigenständig Fragen nachgehen; realistische Vorstellungen zum Bearbeiten von Fragen und Aufgaben entwickeln. Vorhaben planen und umsetzen: Vorhaben konzipieren, Arbeitsschritte planen und umsetzen. Übertragen und Anwenden: Erfahrungen, aufgebautes, erworbenes Wissen und Können in neuen Situationen aufnehmen und anwenden. Ergebnisse aufbereiten und präsentieren (steht in Bezug mit dem Handlungsaspekt «Mitteilen und Austauschen»). Über das Lernen nachdenken, das eigene Lernen kontrollieren und steuern (Selbstorganisation), eigene Ressourcen nutzen und einschätzen (Selbstwirksamkeit). Kooperieren und im Team arbeiten: sich in ein Team einbringen, mit anderen zusammen kleine Arbeiten bzw. grössere Vorhaben gemeinsam planen, durchführen, auswerten und reflektieren (ko-konstruktives und dialogisches Lernen; dieses steht in einem engen Bezug zum Handlungsaspekt «Mitteilen und Austauschen»). 65 Erdbeben in der Schweiz 10 SED/focusTerra Themenbereiche für das 7. bis 9. Schuljahr Die Basisstandards zu Handlungsaspekten stehen in enger Verbindung mit Themenbereichen. Für die 7.–9. Schuljahre bilden folgende inhaltliche Bezugspunkte den Kernbereich einer naturwissenschaftlichen Grundbildung: 10.1 Planet Erde • Naturelemente und -phänomene der Erde (Kreisläufe und wiederkehrende Naturphänomene, z. B. Ge• • • • steinskreislauf, Kohlenstoffkreislauf, Gezeiten); Bewegungen in verschiedenen Sphären Klima- und Landschaftszonen; Ökosysteme (Einflüsse, Zusammenhänge) Naturgefahren; Veränderungen lokal und global Spuren, Rekonstruktionen, Modelle zur Geschichte der Erde und zur Evolution der Lebewesen Raum-, Zeit- und Raum-Zeitvorstellungen und -darstellungen; Sphärenmodelle früher und heute; Bewegungen von Himmelskörpern; Gravitation 10.2 Bewegung, Kraft, Energie • Energieerhaltung und -umwandlung (einige Energieformen quantitativ: Lageenergie, Bewegungsenergie, • • • • elektrische Energie; Energieumwandlung in unserem Körper; Perpetuum mobile; Reibung als «Energieverlust») Kraft und Gegenkraft (Messen von Kräften: Betrag und Richtung; Ortsabhängigkeit der Schwerkraft; Ortsunabhängigkeit der Masse) Mechanische Arbeit und einfache Maschinen («Goldene Regel der Mechanik» an Beispielen) Mechanische und elektrische Leistung; Leistung als umgewandelte Energie pro Zeit Impuls und Impulserhaltung qualitativ (als Phänomen, ohne Formeln) 10.3 Wahrnehmung und Steuerung • Funktionen von Auge und Ohr (Aufbau; Linsen; Akkommodieren); Farben (additive und subtraktive Farbmischung) • Schallwellen (nur qualitativ: Tonhöhe entspricht Frequenz; Lautstärke entspricht Amplitude) • Stromkreise (seriell und parallel), Messen von Stromstärken und Spannung; Zusammenhang zwischen Strom, Spannung und Widerstand • Steuerung als technische Anwendung (z. B. elektrische Schaltungen, Thermostat, optisch gesteuerte Schiebetüren) 10.4 Stoffe und Stoffveränderungen • Stoffe und Stoffeigenschaften; Gemisch und Reinstoff; Löslichkeit (qualitativ); sauer / basisch / neutral; Dichte; Schmelz- und Siedepunkt; radioaktiv/nicht radioaktiv • Stoffe verändern und umwandeln: chemische Reaktion als materielle und energetische Umwandlung; Erhaltung der Masse • Stoffe nutzen und entwickeln (Analyse/Synthese); Trennmethoden • Modelle veranschaulichen und erklären: Atommodell (Kern-Hülle, Proton, Neutronen, Elektronen); Periodensystem der Elemente: Element, Verbindungen (Atom-, Ionenbindung) 66 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra 10.5 Lebewesen • • • • • Kennzeichen des Lebendigen: Struktur und Funktion – von der Zelle zum Organismus Stoff- und Energieumwandlung bei Pflanzen, Tieren und Menschen (exemplarisch) geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung Entwicklung des Menschen Ordnung in der Vielfalt: Artenvielfalt (Systematik und vergleichende Anatomie) 10.6 Lebensräume und Lebensgemeinschaften • Systemische Beziehungen: biotische und abiotische Faktoren; Nahrungsnetze; Stoffkreisläufe (Individu- en, Populationen und Ökosysteme) • Wechselwirkungen innerhalb von Systemen; Wechselbeziehungen zwischen Individuen und Arten • Einflüsse von Menschen in Ökosystemen – Biodiversität und ihre Erhaltung 10.7 Mensch und Gesundheit • Humanbiologische Grundlagen: exemplarische Systeme und Zusammenhänge, z. B. Gehirn, Nervensys- tem und Hormone • Sexuelle Ausprägungen; sexuell übertragbare Krankheiten • Umgang mit Medizin; Medizinalpersonen (z. B. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und -techniken, Therapiearten, Impfungen u.a.) • Gesundheitskompetenz: persönlicher Umgang mit seelischer Gesundheit und Krankheit 10.8 Natur, Gesellschaft, Technik – Perspektiven • Nachhaltige Entwicklung als Zukunftsperspektive für einen sorgsamen Umgang mit natürlichen Res- • • • • • sourcen; mehr Gerechtigkeit und Lebensqualität; nachhaltiges Handeln in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Konsum, Arbeit und Freizeit; globale Umweltfragen: Klima, Meere, Wälder, Böden Forschung und Zukunftstechnologien: ausgewählte Entwicklungen aus Bio- und Gentechnologie, Hirnforschung, Nanotechnik; Nachhaltigkeit und Technologie (z. B. erneuerbare Energien); Bionik: Natur als Vorbild für nachhaltige Produkte und Verfahrensweisen Berufswahl mit naturwissenschaftlicher oder technischer Ausrichtung Risiken durch naturwissenschaftliche oder technische Entwicklungen: Dürfen wir das tun was wir tun? Wissenschaftliche Erkenntnisse und wirtschaftliche Umsetzung: Nutzung und Gefahren für Natur und Menschen Reflexion über Naturwissenschaften und Technik; Entwicklung der Naturwissenschaften; Wissenschaft als offener Prozess Quellen Konsortium HarmoS Naturwissenschaften+ 2008: HarmoS Naturwissenschaften (Wissenschaftlicher Schlussbericht zuhanden der EDK). Bern: Konsortium HarmoS Naturwissenschaften. Labudde P., Adamina M. 2008: HarmoS Naturwissenschaften: Bildungsstandards für die Schule von morgen. Beiträge zur Lehrerbildung, 26(3), 351–360. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK, 2010). Basisstandards für die Naturwissenschaften: Unterlagen für den Anhörungsprozess (25. Januar 2010). Bern: EDK. http://www.edk.ch/dyn/20692.php (30. August 2010) 67 Erdbeben in der Schweiz 11 SED/focusTerra Bildungsstandards und Kompetenzen im Geographieunterricht Zusammenfassung: Mit dem Thema Erdbeben lassen sich die Kompetenzbereiche und mögliche Bildungsstandards, welche im Moment im Fachbereich Geographie diskutiert und entwickelt werden, fördern. Wichtig sind die Handlungs- und Anwendungsorientierung von künftigem Unterricht, vor allem in Bezug auf die Alltagswelt von Schülerinnen und Schülern. Was für den naturwissenschaftlichen Unterricht in Kap. 8.2 festgehalten wird, gilt grösstenteils gleichermassen für den Fachbereich Geographie, auch wenn Geographie in der Schweiz mancherorts zu den sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern gezählt wird. Das Thema Erdbeben gehört traditionellerweise zum Schulfach Geographie und in diesem Zusammenhang werden für dieses Konzept die zu erwartenden Entwicklungen im Fach berücksichtigt. Die «Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Bildungsabschluss» vom Deutschen Schulgeographenverband, welche unter http://www.geographie.de/docs/geographie_bildungsstandards_aufg.pdf heruntergeladen werden können, geben gute Hinweise dazu. Das Dokument, das bei allen geographischen Gruppen auf grosse Akzeptanz stösst, weist sechs Kompetenzbereiche als konstitutiv für eine geographische Gesamtkompetenz aus: 1. 2. 3. 4. 5. 6. Fachwissen Räumliche Orientierung Erkenntnisgewinnung/Methoden Kommunikation Beurteilung/Bewertung Handlung Diese Bereiche werden wiederum über konkrete Teilkompetenzen und Standards präzisiert. Die Tabelle mit den Lernzielen (s. Kap. 4, Anhang: Lernziele) belegt, dass diese sechs Kompetenzbereiche über das Thema Erdbeben gefördert werden können. Es ist möglich, dass dereinst über die Erreichung von Kompetenzen konkrete Bildungsstandards auch für den Schweizer Geographie-Unterricht formuliert werden. Die Verbindung von Lernzielen und Kompetenzen steht im Zusammenhang mit künftigen Lehrplanentwicklungen und es wird empfohlen, bei den Entwicklungen von Lehrmaterialien darauf Rücksicht zu nehmen, was mit diesem Konzept geschieht. Die Überlegungen und Arbeiten zum Konzept basieren unter anderem auch auf dem Bericht zum Projekt Deutschschweizer Lehrplan «Grundlagen für den Lehrplan 21, Plenarversammlung der deutschsprachigen EDK-Regionen vom 18.3.2010». Dort wird auf die Bedeutung von Kompetenzen hingewiesen. Schwergewichtig soll in Zukunft der kompetenzorientierte Unterricht sein und «mit der Kompetenzorientierung ergibt sich eine veränderte Sichtweise auf den Unterricht. Lernen wird verstärkt als aktiver, selbstgesteuerter, reflexiver, situativer und konstruktiver Prozess verstanden. Schülerinnen und Schüler erwerben Wissen und Fähigkeiten, die sie in unterschiedlichen Situationen anwenden und umsetzen lernen.» (Grundlagen für den Lehrplan 21, S. 14). Die ausgearbeiteten Produkte sind soweit als möglich auf die folgenden Punkte ausgerichtet worden. Zitiert aus «Grundlagen für den Lehrplan 21» von Seite 15: Ein kompetenzfördernder Unterricht ist dadurch gekennzeichnet, dass • handlungs- und anwendungsorientiert gelernt wird; • klar und deutlich erkennbar ist, was gelernt werden soll; 68 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra • die Lernangebote zu grundlegenden Einsichten bei den Schülerinnen und Schülern führen; • das Wissen systematisch aufgebaut und mit anderen Wissensgebieten vernetzt wird, damit es nachhaltig und anschlussfähig wird; • überfachliche Kompetenzen wie beispielsweise Selbstreflexion integriert werden; • Schülerinnen und Schüler gemäss ihrem individuellen Stand und ihren Leistungsfähigkeiten gefördert werden, damit die Lernmotivation erhalten bleibt; • Schülerinnen und Schüler Lernerfahrungen machen, die über den Unterricht hinausreichen und für sie sinnstiftend sind. Dabei wird der Blick verstärkt auf die Anwendbarkeit von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten gerichtet. Der Erwerb einer Kompetenz bzw. der Grad der Erreichung zeigt sich in der Art und Weise der erfolgreichen Bewältigung von Aufgaben. Dies wird durch die Aufgabenstellungen in Bezug auf die Ausstellung und die Bearbeitung der Experimente beim Simulator erreicht. Nach dem Pädagogen Franz E. Weinert (2001) umfassen Kompetenzen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen sowie auch Bereitschaften, Haltungen und Einstellungen, über die Schülerinnen und Schüler verfügen müssen, um neuen Anforderungssituationen gewachsen zu sein. Eine Schülerin oder ein Schüler ist beispielsweise in einem Fach kompetent, wenn sie oder er • • • • • • über Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Lösen von Problemen verfügt; auf vorhandenes Wissen zurückgreift bzw. sich das notwendige Wissen beschafft; zentrale fachliche Zusammenhänge versteht; angemessene Handlungsentscheidungen trifft; Lerngelegenheiten nutzt; motiviert ist, ihre bzw. seine Kompetenzen auch in Zusammenarbeit mit anderen einzusetzen. Quellen Deutsche Gesellschaft für Geografie 2006: Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Mittelschulabschluss. Bonn: Deutsche Gesellschaft für Geografie. http//:www.geographie.de/docs/geographie_bildungsstandards.pdf (5. September 2010). Labudde P., (Ed.). 2007: Bildungsstandards am Gymnasium: Korsett oder Katalysator? Bern: hep Verlag AG. Reinfried S. 2005: Geographie Curriculum International. Standardisierte Geographiecurricula in England und den USA – Erfolgsgeschichten oder die Büchse der Pandora. Geographie und Schule, 33–43. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK, 1994). Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen (9. Juni 1994). Bern: EDK. Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK, 2010). Grundlagen für den Lehrplan 21, Bericht zur Vernehmlassung. Bern: EDK. Weinert E.F. 2001: Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim: Beltz. 69 Erdbeben in der Schweiz 12 SED/focusTerra Anhang: Schülervorstellungen (Präkonzepte) zu Erdbeben und Plattentektonik In den letzten 20 Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts bildete die Erforschung von Schüler- und Lehrervorstellungen einen wichtigen Forschungsschwerpunkt in den Naturwissenschaftsdidaktiken. Unter anderem gab es auch einige Untersuchungen über Vorstellungen (preconceptions, früher auch als misconceptions bezeichnet) zu Erdbeben bzw. Plattentektonik. Im Folgenden werden einige wichtige Erkenntnisse aus ausgewählten Studien zusammengefasst: 12.1 Präkonzepte zu Erdbeben Eine Studie von Katharyn E.K. Ross und Thomas J. Shuell (1993) an Primarschülerinnen und -schülern aus den USA zu ihren Präkonzepten zum Thema Erdbeben erlaubt folgende Schlussfolgerungen: • Kinder verfügen beim Thema Erdbeben eher über Vorwissen zu technischen oder geologischen Details • • • • • • • als über Massnahmen bezüglich Prävention und Verhalten im Falle eines Bebens. Gobert beispielsweise weist in einer Studie darauf hin, dass das Wissen über Magmaströme im Innern der Erde bei Schülerinnen und Schülern sehr verbreitet ist, bedingt durch die Medien, die Vulkane oft thematisieren. (Gobert, 2000, p. 960). Anweisungen zu Prävention und Verhalten im Falle eines Erdbebens garantiert weder ein besseres Verständnis von Erdbeben noch die Reduktion von falschen Vorstellungen (Präkonzepte). Die Vermischung von Erdbeben mit anderen Naturkatastrophen und Wetterereignissen ist ein häufig beobachtbares Verhalten bei Schülerinnen und Schülern. Viele Lernende im Primarschulalter gehen zudem davon aus, Erdbeben und Vulkanausbrüche seien ein und dasselbe. Bei Primarschülerinnen und -schülern wurde beobachtet, dass sie – nachdem sie selbst ein Erdbeben miterlebt hatten – durch die mediale Informationsflut zum Thema Erdbeben verunsichert werden und Hilfe benötigen, indem die Informationen für sie geordnet und analysiert werden. Das eigene Erleben eines Erdbebens garantiert weder ein vertieftes Wissen über Erdbeben noch das richtige Verhalten im Falle eines Bebens. Es herrscht ein allgemeiner Glaube, dass Erdbeben grundsätzlich immer spürbar sind und Schaden anrichten. Viele Primarschülerinnen und -schüler nehmen an, dass der Unterstand bei einer Türe Schutz biete während eines Bebens aufgrund des metallischen Türrahmens und nicht aufgrund der Gebäudekonstruktion. Kinder können einerseits wissenschaftlich einigermassen haltbare Aussagen machen, während sie dennoch an fehlerhaften Präkonzepten festhalten, andererseits können sie korrekt Theorien wiedergeben, ohne diese jedoch verstanden zu haben. Chin-Chung Tsai (2001) zeigte in seiner Studie zu Präkonzepten über Erdbeben an 11–12-jährigen taiwanesischen Schülerinnen und Schülern, dass nicht nur der Wissensstand eine Rolle spielt bei der Bildung von Präkonzepten, sondern ebenso soziokulturelle Faktoren. So kombinierten die Kinder in ihren Erklärungen zur Ursache von Erdbeben sowohl übernatürliche, mythische und wissenschaftliche Vorstellungen. 12.2 Präkonzepte zur Plattentektonik (Erdinneres und Vulkanausbrüche) Untersuchungen von Gobert (2000) zu den Vorstellungen von Lernenden zur Plattentektonik, bei denen die Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren Skizzen aufgrund von Texten zur Plattentektonik anfertigen mussten, zeigen verschiedene Denkmodelle, die wie folgt zusammengefasst werden können: 70 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Präkonzepte zum Erdinneren Figur 1 turmartiger Bau Figur 2 zwiebelförmiger Schalenbau Etwa 10 Prozent der getesteten Schülerinnen und Schüler zeichneten das Erdinnere gemäss der Figur 1, d. h. sie gingen beim Aufbau der Erde von einer Art turmartigem Bau der drei Schichten (die im vorgängig gelesenen Text beschrieben werden) Kern, Mantel und Kruste aus. Die restlichen circa 90 Prozent zeichneten ein korrektes Modell der Erde mit dem zwiebelförmigen Schalenbau (Figur 2). Wichtig für den Unterrichtsalltag ist die Erkenntnis, dass Schülervorstellungen, wie in Figur 1 dargestellt, als Barriere für das weitere Verständnis wirken können. Haben Schülerinnen und Schüler eine fehlerhafte Vorstellung des Erdinneren, fällt ihnen das Erfassen von erweiterten Prozessen im Erdinnern und die damit zusammenhängenden beobachtbaren Phänomenen wie Erdbeben und Vulkanausbrüchen schwer. Wird hingegen – wie in Figur 2 – zwar der konzentrische Schalenbau der Erde korrekt erfasst, jedoch beispielsweise eine verhältnismässig zu breite Kruste gezeichnet, hat dies keine schwerwiegenden Folgen für das weitere Verständnis der Materie. Es lohnt sich also im Unterricht, das Vorwissen bezüglich des Schalenbaus der Erde vorgängig abzuklären und wenn nötig zu erarbeiten. 12.3 Präkonzepte zu Vulkanausbrüchen Im folgenden Abschnitt werden vier Gruppen von Schülermodellen beschrieben, die aufgrund der Frage nach der Entstehung von Vulkanausbrüchen entstanden sind (Gobert, 2000). Neben der ModellBezeichnung wird der prozentuale Anteil der jeweiligen Modelle an der Gesamterhebung angegeben. Modell 1: Hitze-Modell (4 %) Dieses vereinfachte Modell geht von der Hitze als einzige Ursache von Vulkanausbrüchen aus und schliesst jegliche Bewegungsmechanismen, ausgehend von Mantel-, Magma- oder Plattenbewegungen, aus. Dieses Modell wurde vergleichsweise wenig gezeichnet, da Kinder im entsprechenden Alter zumindest meist die Existenz von aufsteigendem Magma kennen. Modell 2: Bewegungs-Modell (62 %) Die meisten der gezeichneten Schülermodelle sind zur Gruppe des Modells 2 zu rechnen. Auch dieses Modell ist eine vereinfachte Darstellung, da es als einzige Ursache von Vulkanausbrüchen Bewegungsmechanismen skizziert. Während die vorherrschenden hohen Temperaturen nicht ins Schülermodell integriert werden, erwähnen viele der Skizzen aufsteigendes Magma als Hauptsursache von Vulkanausbrüchen. Modell 3: Kombiniertes Modell (30 %) Skizzen, die zum Modell 3 gruppiert werden, zeigen eine differenziertere Vorstellung von Vulkanausbrüchen indem sie beide Mechanismen erwähnen, sowohl der Bewegungsmechanismus wie auch hitzebedingte Mechanismen. Obwohl beide Faktoren als Ursache dargestellt werden, setzen die Schülerinnen und Schüler 71 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra diese nicht miteinander in Verbindung. Das Verständnis für die Entstehung von Konvektionsströmen, die die Platten in Bewegung setzen, fehlt bei diesen Modellen. Modell 4: Integratives Modell (4 %) Dieses Modell zeigt ein integratives Denkmuster bezüglich Vulkanausbrüchen, indem es die Hitze als mögliche Ursache der Konvektionsströme skizziert. Dieses Modell wurde nur von einem kleinen Teil der Befragten gezeichnet, die zudem bereits Kurse zum Thema Konvektion besucht hatten. Vier Schülermodelle zu Vulkanausbrüchen 1. Hitzemodell 2. Bewegungs-Model 3. Kombiniertes Modell 4. Integratives Modell nach Godert, 2000 Eine frühere Studie von Gobert und Clement (1999) weist darauf hin, dass die graphische Zusammenfassung von (Fach-)Texten in Form von Skizzen und Modellen Lernenden ein besseres Verständnis des Gelesenen ermöglicht. Schülerinnen und Schüler, die während des Lesens eines Textes über die Plattentektonik eine Skizze machen mussten, verstanden im Nachhinein die räumlichen, ursächlichen und dynamischen Zusammenhänge besser als solche Schülerinnen und Schüler, die während des Lesens eine Textzusammenfassung erstellten oder lediglich den Text lasen. Das Verständnis für den Aufbau der Erde ist eine Voraussetzung für das Verständnis der ursächlichen und dynamischen Vorgänge, mit denen die Plattentektonik zusammenhängt. Anhand eines Modells mit den konzentrischen Schichten und dem Magma-gefüllten Mantelteil, der den Kern umgibt, ist es einfacher zu verstehen, wie der Erdkern als Quelle der Hitze für das Magma fungiert. Die Studie von Gobert legt nahe, dass beim Erarbeiten von komplexen Modellen wie die Plattentektonik es sinnvoll erscheint, mit statischen Grundlagen zu beginnen und in einem zweiten Schritt die dynamisch-ursächlichen Elemente hinzuzufügen. 72 Erdbeben in der Schweiz SED/focusTerra Dieses Vorgehen ermöglicht es Schülerinnen und Schüler bereits in jüngeren Klassen mentale Modelle von komplexen Prozessen zu erstellen. 12.4 Hinweise zum Umgang mit Präkonzepten im Unterricht 12.4.1 Welche Schwierigkeiten können beim Thema Plattentektonik für Lernende entstehen? Die folgenden Punkte, die das Erfassen des Themas für Lernende möglicherweise erschweren, bieten Hinweise für Lehrpersonen, die das Thema Plattentektonik im Unterricht behandeln: • Die für uns beobachtbaren Phänomene auf der Erdoberfläche entstehen in den inneren Erdschichten und den dort für uns unbeobachtbaren Prozessen wie z. B. die Konvektion. • Für Schülerinnen und Schüler sind die Grössenverhältnisse auf der Erde schwer zu erfassen. • Die zeitliche Dimension, in der geologische Prozesse ablaufen, ist für Schülerinnen und Schüler schwie- rig zu erfassen, zumal sie unsere individuelle Lebenszeit weit übertrifft. • Die Plattentektonik setzt das Verständnis und die Integration mehrerer unterschiedlicher begrifflicher, räumlicher, ursächlicher und dynamischer Themenaspekte voraus. 12.4.2 Hinweise zum Umgang mit wissenschaftlichen Modellen im Unterricht Vielfach werden Lernende nicht selber zum Skizzieren von Modellen angehalten, sondern ihnen werden fertige, meist komplexe Modelle vorgesetzt. Die richtige Interpretation von Modellen ist für viele Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten behaftet, so lohnt es sich folgende Punkte für die Arbeit mit Modellen im Unterricht zu beachten: • Lernende tun sich häufig damit schwer, in Modellen gezielt nach den relevanten Informationen zu suchen. Noch wissen sie häufig nicht, welche Informationen des Modells als wichtig gelten und welche weniger. • Wissenschaftliche Modelle sind vielfach mit fachspezifischen Symbolen gekennzeichnet, die von den Lernenden nicht gelesen werden können. • Die Präsentation fertiger Modelle versetzt Lernende in eine passive Rolle, während beim Erstellen von Modellen durch die Schülerinnen und Schüler das aktive Bilden und Korrigieren eigener Denkmodelle gefördert wird. Letzteres bildet zudem eines der Hauptziele im naturwissenschaftlichen Unterricht. Quellen- und Literaturverzeichnis Gobert J.D. 2000: A typology of causal models for plate tectonics: Inferential power and barriers to understanding. International Journal of Science Education, 22(9), 937–977. Gobert J.D., Clement J. 1999: The effects of students-generated diagrams on conceptual understanding of causal an dynamic knowledge in science. Journal of Research in Science Teaching, 36(1), 39–53. Ross K.E. K., Shuell T.J. 1993: Children’s Beliefs about Earthquakes. Science Education, 77(2), 191–205. Tsai C.-C. 2001: Ideas about earthquakes after experiencing a natural disaster in Taiwan: An analysis of students’ worldviews. International Journal of Science Education, 23(10), 1007–1016. 73