Vorsicht Wechselwirkung! Arzneimittel sicher kombinieren Dr. Jens Schmitz Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie Universität Würzburg „Bei der Verwendung einer Kombination von zwei oder mehr Arzneistoffen passiert es häufig, dass ein Bestandteil die Wirkung des anderen in quantitativer und qualitativer Richtung ändert“ Storm van Leeuwen (1923) Arzneimittelwechselwirkungen Bedeutet: ‐ gegenseitige Beeinflussung der Wirkung von zwei oder mehr Arzneimitteln (Wirk‐ und Hilfsstoffe) bei gleichzeitiger Gabe ‐ Beeinflussung der Wirkung von Arzneimitteln durch Nahrungsmittel Führen möglicherweise zu: ‐ Wirkungsabschwächung bis zur Wirkungslosigkeit ‐ Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW, „Nebenwirkungen“) bis zur Toxizität Sind verantwortlich für: ‐ 1‐2 % der Krankenhauseinlieferungen ‐ 3‐4 % der Intensivaufnahmen 3 Problem Polypharmakotherapie Die Originalabbildung musste aus Lizenz‐rechtlichen Gründen entfernt werden. Patienten mit UAW Häufiger Grund für UAW: Arzneimittelwechselwirkungen Anzahl gleichzeitig verabreichter Arzneimittel 4 Typischer Weg eines oral eingenommenen Wirkstoffs im Organismus Arzneimittel Niere / Darm Magen-Darm-Trakt Leber Blutkreislauf Auflösung und Resorption der Wirkstoffe erste Metabolisierung (= First‐pass‐Effekt) Verteilung Leber Blutkreislauf Zielorgan Ausscheidung (Urin, Faeces) weitere Metabolisierung Biologischer Effekt (gewünschte bzw. toxische Wirkung) Verteilung Typischer Weg eines oral eingenommenen Wirkstoffs im Organismus Arzneimittel Magen-Darm-Trakt Leber Auflösung und Resorption erste Metabolisierung der Wirkstoffe (= First‐pass‐Effekt) Niere / Darm Leber Blutkreislauf Verteilung Blutkreislauf Zielorgan Biologischer Effekt Ausscheidung (Urin, Faeces) (gewünschte bzw. toxische Wirkung) weitere Metabolisierung Verteilung 1. Wechselwirkungen bei der Resorption Prinzip: Bindung des Wirkstoffs an andere Wirkstoffe, Mineralstoffe oder Nahrungsbestandteile geringere oder keine Resorption geringere oder keine Wirkung Schematische Darstellung: Komplexierung Adsorption Wirkstoff, Mineralstoff Keine Resorption Beispiel: Ciprofloxacin (Antibiotikum) und Calcium‐Ionen NH N N HO F O O keine Resorption, keine Wirkung! Ca2+ O O F OH N N HN 8 Problematische Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen: Ciprofloxacin ratiopharm® Calcium Sandoz® Arzneistoffe Wechselwirkungen mit Doxycyclin AL® Protelos® Fosamax® Actelos® L‐Thyroxin Henning® Fluorchinolone (Antibiotika) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Tetracycline (Antibiotika) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Bisphosphonate (Osteoporose) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ L‐Thyroxin (Schildrüse) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Levocomp® Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Levodopa, Carbidopa, COMT‐Inhibitoren (M. Parkinson) Fe2+/3+ auch: Milch und Milchprodukte Magnesium Diasporal® ferro sanol duodenal® Riopan® Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Problematische Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen: Ciprofloxacin ratiopharm® Calcium Sandoz® Arzneistoffe Wechselwirkungen mit Doxycyclin AL® Protelos® Fosamax® Actelos® Fluorchinolone (Antibiotika) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Tetracycline (Antibiotika) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Bisphosphonate (Osteoporose) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ L‐Thyroxin (Schildrüse) Al3+, Ca2+, Fe2+/3+, Mg2+, Zn2+ Magnesium Diasporal® ferro sanol duodenal® zeitlicher Abstand der Einnahme: mindestens 2 Stunden L‐Thyroxin Henning® Levocomp® Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Levodopa, Carbidopa, COMT‐Inhibitoren (M. Parkinson) Fe2+/3+ auch: Milch und Milchprodukte Riopan® Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. 2. Wechselwirkungen beim Metabolismus Prinzip: Beeinflussung der Wirkstoff‐abbauenden Enzyme geringere oder höhere Konzentration des Wirkstoffs UAW („Nebenwirkung“) geringere/keine Wirkung Schematische Darstellung: Wirkstoff keine Wechselwirkung Enzym, z.B. CYP 3A4 Abbauprodukte (Metabolit) Ausscheidung Schematische Darstellung: Wirkstoff Hemmung des Enzyms (= Enzyminhibition) CYP3A4 CYP 3A4 Abbauprodukte (Metabolit) Ausscheidung Schematische Darstellung: Anreicherung, stärkere Wirkung bzw. UAW Hemmung des Enzyms (= Enzyminhibition) CYP3A4 Grapefruitsaft, Itraconazol, usw. Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Hemmung Wirkstoff CYP 3A4 Wirkstoffbeispiele: • Dihydropyridine (Nifedipin, Felodipin, Amlodipin,….) • Statine (Simvastatin, Lovastatin, Atorvastatin,….) Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Abbauprodukte (Metabolit) Ausscheidung Bsp.: Fachinformation Zocor® (Simvastatin) Schematische Darstellung: Wirkstoff „Verstärkung“ des Enzyms (= Enzyminduktion) CYP 3A4 Abbauprodukte (Metabolit) Ausscheidung Schematische Darstellung: „Verstärkung“ des Enzyms (= Enzyminduktion) stärkerer Abbau, geringere bzw. keine Wirkung Johanniskrautextrakt, Carbamazepin, usw. Enzym, z.B. CYP 3A4 Wirkstoff Wirkstoffbeispiele: • Orale Kontrazeptiva („Pille“) • Ciclosporin (nach Organtransplantionen) Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Abbauprodukte (Metabolit) Ausscheidung 3. Wechselwirkungen bei der Wirkung Prinzip: Gleichzeitige Gabe von Wirkstoffen mit dem identischen Ziel im Organismus Bsp.: Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg (zur Thrombozytenaggregationshemmung) + Ibuprofen 400 mg (als Schmerzmittel) oder: Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. + Naproxen 250 mg (als Schmerzmittel) Hemmung der Thrombozytenaggregationshemmung ASS Cyclooxygenase‐1 (COX‐1) 2. Wechselwirkungen bei der Wirkung aktives Zentrum Prinzip: Ziel von ASS Gleichzeitige Gabe von Wirkstoffen mit dem identischen Ziel im Organismus irreversible Bindung Bsp.: Acetylsalicylsäure 100 mg + Ibuprofen 400 mg oder Naproxen Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. ASS und Ibuprofen Eingang Arachidon‐ säure reversible Bindung 0,5 Stunden vor oder 8 std nach ass Cave: protect KI F. Catella‐Lawson, et al.: N Engl J Med 2001;345:1809‐17. ASS ASS Cyclooxygenase‐1 (COX‐1) 2. Wechselwirkungen bei der Wirkung aktives Zentrum Prinzip: Ziel von ASS Gleichzeitige Gabe von Wirkstoffen mit dem identischen Ziel im Organismus irreversible Bindung Bsp.: Acetylsalicylsäure 100 mg + Ibuprofen 400 mg oder Naproxen Maßnahmen: ‐ Einnahme ASS mindestens 0.5 Stunden vor Ibuprofen oder mindestens 8 Stunden danach ASS und Ibuprofen ‐ maximal 1x pro Tag Ibuprofen ‐ alternatives Schmerzmittel Arachidon‐ Eingang säure reversible Bindung Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. 0,5 Stunden vor oder 8 std nach ass Cave: protect KI F. Catella‐Lawson, et al.: N Engl J Med 2001;345:1809‐17. ASS Fazit: Vor der Einnahme von Arzneimitteln muss immer überprüft werden, ob Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bzw. Nahrungsbestandteilen möglich sind! Ansprechpartner: Arzt und Apotheker Vorteilhaft: • Hausarzt • Stammapotheke Dokumentation aller Arzneimittel, etc. 21 „Brown‐Bag“‐Verfahren: Patienten bringen alle Medikamente in die Apotheke: • • • • • • rezeptpflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel Mineralstoffpräparate Nahrungsergänzungsmittel Arzneitees ….. Die Originalabbildungen mussten aus Lizenz‐ rechtlichen Gründen entfernt werden. Quelle: Pharmazeutische Zeitung, 46, 2013. Wechselwirkungs‐Check und evtl. Erstellung eines Medikationsplans Danke für Ihre Aufmerksamkeit!