Sterne & Kosmos Kosmische Hintergrundstrahlung Nach einer Abb. Aus dem Buch von :Cammille Flammarion: L'Atmosphère, Paris 1888 3.1 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung CMB – Cosmic Microwave Background Entdeckt von Arno Penzias und Robert Wilson im Jahre 1965 als sie die Ursache eines eigentümlichen Hintergrund-Rauschens in ihren Radioantennen suchten. Dafür erhielten sie 1978 den Physik-Nobelpreis. Im Jahre 1990 maß COBE (Cosmic Background Explorer) erstmals das CMB Spektrum. Es war wie vorhergesagt das eines schwarzen Strahlers. Strahlungstemperatur = 2.73 K, max= 1,073 mm Wellenlänge © NASA/GSFC/COBE/Lambda Eigentümlicherweise war die Richtungsverteilung nicht ganz homogen, sondern zeigte T-Fluktuationen der Größe T/T 10-5 3.2 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT CMB – Anisotropie Diese Anisotropie war ebenfalls vorhergesagt worden, weil sie die nicht ganz homogenen Vorgänge nach dem Big Bang widerspiegeln musste. Im März 2000 wurde die Ballon-Sonde BOOMERANG über der Antarktis in große Höhen entlassen mit dem Ziel, die genaue Fluktuations-Körnung der CMB in einem bestimmten Ausschnitt der Himmelrichtung zu messen. © NASA/NSF/BOOMERANG 3.3 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung BOOMERANG – Ergebnis I Absolutwert nicht genauer bestimmbar T 2.728 0.002 K 0.0003 K Temperaturfluktuationen haben eine typische Körnigkeit © NASA/NSF/BOOMERANG 3.4 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT BOOMERANG – Ergebnis II Die Körnigkeit sagt uns etwas über die Geometrie des Universums: Der Winkel unter dem man eine bestimmte Strecke sieht, wird durch die Krümmung des Raumes festgelegt. Entspricht Winkel von 1° = 2x Mond-Durchmesser = Raumbereich 220 kly bei Rekombination = 1 Gly heute © NASA/NSF/BOOMERANG Ergebnis: Das Universum ist flach tot 1.02 0.02 3.5 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung WMAP – Wilkinson Microwave Anisotropy Probe WMAP am L2-Punkt des Erde-Sonnensystems, 1,5 Mio km jenseits der Erde, vermaß im Jahre 2001 die CMB über den gesamten Himmel. © NASA/WMAP Die Erde bewegt sich mit 370 km/s relativ zu diesem CMB-Hintergrund 3.6 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT PLANCK-Daten (Temperaturfluktuationen) Diese Sonde am L2-Punkt des Erde-Sonnensystems, 1,5 Mio km jenseits der Erde vermaß im Jahre 2009-2013 die CMB über den gesamten Himmel mit bisher unübertroffener Genauigkeit. © ESA/PLANCK Die Erde bewegt sich mit 370 km/s relativ zu diesem CMB-Hintergrund 3.7 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Genauigkeitssteigerung der Sonden © NASA/GSFC/COBE/Lambda © NASA/WMAP © ESA/PLANCK 3.8 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT CMB Körnung Die Fourier-Transformation der Winkelverteilung liefert dieses Frequenzspektrum (angular power spectrum) © NASA/GSFC/COBE/Lambda © NASA/WMAP © ESA/PLANCK Entspricht Winkel von 1° = 2x Mond-Durchmesser =220 kly bei Rekombination =1 Gly heute Was bedeuten diese Maxima? Peebles & Yu + Zel‘dovich & Sunyaev 1969: Maxima entsprechen Anregungen des Ur-Plasmas vor Rekombination. 3.9 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Plasmafluktuation Durch die Inflation wurden Quantenfluktuationen des Präinflations-Universums auf makroskopische Teilchendichtefluktuationen aufgeblasen. In der Zeit mit T > 3000°K, also für t < 380 000 Jahre, bestanden die Teilchen aus geladenen Baryonen und Leptonen, die ein auf allen Raumskalen dichtefluktuierendes, elektromagnetisches Plasma darstellten, in dem sich Photonen nicht ausbreiten können. Dichtere Raumbereiche sind heißer als solche mit geringerer Dichte. © S. Letschnik dichtefluktuierendes, elektromagnetisches Plasma Solches Plasma unterliegt einerseits der Anziehung der Teilchen durch die Gravitation und einerseits der Abstoßung durch den Strahlungsdruck der Photonen und der Gasdruck der Materie und schwingt daher mit einer Grundfrequenz und harmonischen Obertönen. Weil einheitlich vom Urknall angestoßen, sind alle Schwingungen perfekt synchronisiert. Ihre Frequenzen sind in Raum und Zeit abhängig von der Plasmadichte. Weil großräumige Massenkonzentrationen noch größere Gravitationskräfte bedingen, sind die Amplituden großräumiger Schwingungen (insbesondere Grundmode) stärker als die von kurzwelligen. © NASA/SDO 3.10 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Plasmaschwingung Mittlere Plasmadichte ohne Schwingung Plasmaschwingung im Grundmode © U. Walter 3.11 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Fluktuationen des Mikrowellen-Hintergrundes Wasser Heißer Urknall © Prof. U. Walter Der Anstoß der Wellen (hier dargestellt durch Steine) ist der Urknall und die Inflation, die aus der anfänglichen Quantenfluktuation eine chaotische Anfangsdichtefluktuation macht. Der Unterschied zu Wasser besteht darin, dass die Wellen 3D sind, also die ganze Wanne durchdringen, während beim Wasser es nur Oberflächenwellen sind. 3.12 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Dichteschankungen in Raum & Zeit Durch die Expansion des Universum sank die Plasmadichte und damit auch die raumzeitlichen Wellenlängen der Schwingungen. Bei der Rekombination froren die Dichteschwankungen und damit die Temperaturverteilungen ein, die sich heute in der CMB äußern. Daraus bildeten sich durch weiteren Gravitationskollaps Galaxien und Sterne. nach Inflation Rekombination vor 380 000 yr © Prof. U. Walter 3.13 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung CMB FFT Da die Geometrie des Universums die Ausbreitung der Rekombinationsstrahlung bestimmt, hängt die genaue Lage des Grundmodes von der Geometrie des Universums ab. Ergebnis: Das Universum hat innerhalb der Messfehler genau die kritische Masse von 10-29 g/cm3 und ist daher euklidisch flach. B Dark Matter 1.000 0.02 © ESA c 2 68,5% 3H 2 Aus der relativen Amplitude der Obertöne zum Grundton lässt sich die genaue Menge der schweren Massen im Universum bestimmen: B = 4.92%, Dark Matter = 26.62% CMB & Raumgeometrie © C. Gleich 3.15 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Wissensstand heute Normale Materie = 0.23 Teilchen/m3 4,9 2% 26,8 2% 68,3 0,2% Wahrscheinlich leichtester (daher stabil) Superpartner mit etwa 100 GeV Masse. Materie, die mit Strahlung nicht in direkte Wechselwirkung tritt nicht „sichtbar“ Weakly interacting massive particles = WIMPs Sie gibt aber Schwerkraftzentren für normale Materie vor, die sich dort ansammelt. Dieser große Beitrag unbekannter dunkler Energie ist notwendig, um auf die Masse von 10-29 g/cm3 zu kommen. Dunkle Energie wirkt antigravitativ, d.h. sie treibt das Universum auseinander. Dies führt zu Masse-Modulationen kurz nach Rekombination und somit zur Bildung erster Sterne und Galaxien 3.16 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Virtuelle Teilchen im leeren Raum © C. Gleich/ J. Letschnik Virtuelle Teilchen wirken anti-gravitativ Negative Energie 3.17 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Massen im Universum Schwarze Löcher 0.001% 0.3% Freier Wasserstoff & Helium 4,1% Dunkle Materie 26,6% Dunkle Energie © NASA/WMAP3/Beyond Einstein 68,5% 3.18 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Dunkle Materie Dunkle Materie (blau eingefärbt) im Cluster CI0024+1654 berechnet durch Dopplershift aufgrund überschüssiger Gravitationskräfte 3.19 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung © ESA Ist Dunkle Materie unsichtbar? Supersymmetrische WIMPs sind mit ihren Antiteilchen identisch, vernichten sich also gegenseitig, wenn sie zusammenstoßen. Aber direkter Stoß (über schwache WW) ist extrem selten. WIMPs haben sich nach Big-Bang nicht sofort ausgelöscht, sondern existieren auch heute noch. WIMP WIMP/ WIMP – Annihilationen kommen noch heute vor und sind messbar! WIMP 60 GeV © Wim de Boer Diese Positronen sind im Jahre 2013 durch das AMS-Experiment auf der ISS nachgewiesen worden. 3.20 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT © Sternwarte Feuerstein e.V. / Werner Stupka Positronenhintergrund durch Supernova-Reste und durch Kollisionen von Protonen mit Interstellarem Gas 3.21 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung © Sternwarte Feuerstein e.V. / Werner Stupka Zusätzlicher Hintergrund bei hohen Energien durch WIMPAnnihilationen 5 April 2013 Positronenhintergrund durch Supernova-Reste und durch Kollisionen von Protonen mit Interstellarem Gas 3.22 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Ist Dunkle Materie unsichtbar? Supersymmetrische WIMPs sind mit ihren Antiteilchen identisch, vernichten sich also gegenseitig, wenn sie zusammenstoßen. Aber direkter Stoß (über schwache WW) ist extrem selten. WIMPs haben sich nach Big-Bang nicht sofort ausgelöscht, sondern existieren auch heute noch. WIMP WIMP/ WIMP – Annihilationen kommen noch heute vor und sind messbar! WIMP Diese Gamma-Quanten sind nachweisbar 60 GeV 30-40 Gamma-Quanten pro WIMP / WIMP Annihilation © Wim de Boer 3.23 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Dunkle Materie in unserer Milchstraße Dunkle Materie = GammaBlitze-Verteilung Scheibenförmige und ringförmige Verteilung, und isotropen (isotherme) Halo dunkler Materie innerhalb der galaktischen Scheibe. Verteilung normaler Materie auf die galaktischen Scheibe und Buldge Wim de Boer et al., 2006 Normale baryonische Materie 3.24 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Erklärung der Rotationskurve der Milchstraße Wäre die Masse der Galaxis im Zentrum verteilt, gälte gemäß Newton: NewtonEffekt v GM r v GM r v G 43 r 3 r r Der äußere Ring der dunklen Materie (dm = dark matter) führt zu einer quasi-konstant Rotationskurve, die bisher nicht verstanden wurde. GM tot r © Wim de Boer 3.25 Prof. U. Walter © 2014, LRT Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Kandidaten für WIMP Neutralino. Ein Teilchen der Supersymmetrie. Mischung aus den Superpartnern des Photons (Boson der elektromagnetischen Kraft) und des Z-Bosons (Träger der schwachen Kernkraft) und eventuell anderer Teilchentypen. Es wird vermutet, dass das Neutralino das leichteste (aber absolut immer noch sehr schwere, etwa 100 – einige Tausend Protonenmassen) supersymmetrische Teilchen ist Neutralino ist stabil, neutral, schwer. Die berechnete Gesamtmasse der Neutralinos beträgt etwa die aus WMAP abgeleitete Masse dunkler Materie idealer Kandidat für Dunkle Materie. Früher galten Neutrinos als Kandidaten für dunkle Massen. Aber: Neutrinos sind zu leicht nur 0,3% Masseanteil an Gesamtmasse Neutrinos bewegen sich wegen geringer Masse stets fast mit Lichtgeschwindigkeit und können daher keine räumlich und zeitlich feste Strukturen bilden, als Nukleus für die baryonischen Galaxiestrukturen. Anderer Kandidat Dunkler Materie: Das Axion. Ein relativ leichtes neutrales Partikel, das von gewissen Theoretikern postuliert wird, um gewisse Symmetrien der Starken Wechselwirkung zu erklären. 3.26 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT Nachweis von Neutralinos Neutralinos unterliegen wie Neutrinos nur zwei Arten von Wechselwirkungen: Gravitation und Schwache Kraft 0,04 – 40 Kernkollisionen pro (kg·Jahr) Problem: Unreinheiten (Spuren radioaktiver Elemente von U, Th) der Detektoren und kosmische Strahlung 3.27 Lehrstuhl Raumfahrttechnik Sterne & Kosmos, Vorlesung Prof. U. Walter © 2014, LRT