Kapitel I-III

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Geschichte der
Mathematik
SS 2016, K. Baur
I. Elemente der Algebra im antiken Babylon
II. Geometrische Algebra im antiken Griechenland
III. Symbole und Variablen
IV. Algebra im Mittelalter in Arabien und in Europa
V. Erste Errungenschaften der Algebra in Europa
VI. Algebra im 17. und 18. Jahrhundert
VII. Die Theorie der algebraischen Gleichungen im 19. JH.
VIII. Zahlentheorie & die Anfänge der kommutativen Algebra
IX. Lineare und nicht kommutative Algebra
1
I. Elemente der Algebra im
antiken Babylon
(Mesopotamien)
2
Mesopotamien
3
Mesopotamien, 2
!  Hammurapi (König
1792-1750): Gesetze
!  Schrift: seit 4.
Jahrtausend v. Chr.
!  Tontafeln mit Zahlen,
ev. Piktogramme:
Tempel der Göttin
Inana (Uruk) & ältestes
Bsp Schulmathematik
(Tafel W 19408,78)
4
Zahlsystem
!  Auf Tafeln: 1 grosse Einheit = 60 kleine Einheiten
!  Mesopotamien: Sexagesimal- (Hexagesimalsystem).
!  Warum? Astronomie? Teilbarkeit?
5
Weitere Systeme
!  Wie zählen?
!  60er, 20er, 10er Systeme
6
Babylonische numerische Algebra
!  Elemente der Algebra: begründet 2 JT v. Chr.
!  Quelle: Tontafeln (entdeckt im 19. JH)
!  Übersetzung der Tontafeln schwierig
!  Methode: Stein von Rosette
7
Stein von Rosette
(Hieroglyphen, Demotisch,
Altgriechisch)
Mathematische Tafeln:
•  ab ca. 1929 entschlüsselt.
•  O. Neugebauer (1899,
Innsbruck, 1990
Princeton)
•  Buchbesprechung zum
Papyrus Rhind (1550
v.Chr.)
8
!  2 Arten von math. Tafeln: Tabellentexte und
Aufgabentexte
!  Tabellentexte: Multiplikationstafeln, Tabellen mit
Quadratzahlen, Kubikzahlen, etc.
!  Aufgabentexte: Aufgaben und Lösungen dazu
!  Altbabylonische Tafeln (Hammurapi-Dynastie) und
Seleukidische (3.-2. JH v.Chr.)
Seleukidenreich
9
Mathematische Tafeln
!  Quadratische Gleichungen, 2. JT v. Chr.
!  Basis 60 Stellenhaltersystem
!  Zwei Symbole verwendet: Keile, horizontal/vertikal
!  3,42,09
!  vertikaler Keil: 1 horizontaler Keil: 10
10
Stellensystem
!  Symbol für 0: keines. Manchmal Platz ausgelassen.
!  Ende der Zahl: nicht eindeutig.
!  3,42 wo hören die Stellen auf ?
!  “3,42 Sechzig” für 3 × 60 + 42 × 1
!  “3,42 sechsunddreissig Hundert”: 3 × 602 + 42 × 60
!  Basis 60: riesige Multiplikationstafel!
11
Multiplikationstafeln
!  Multiplikationstafeln sehr gross:
!  1 × 9, 2 × 9, … , 20 × 9. 30 × 9, 40 × 9, 50 × 9
!  Damit 34 × 9 = 36 + 4,30 = 5,06
!  Multiplikation von 2 oder 3stelligen Zahlen?
!  Mult.-tafeln (1,15 – 3,45 – 44,26,40) – reguläre Zahlen
!  regulär: Kehrwert ist endlicher Bruch im 60er System
12
2 
30
16
3,45
48
1,15
3
20
25
2,25
1,04
56,15
6
40
1,30
1,21
44,26,40
Kehrwertspaare
10 
13
Aufgaben
!  Aufgabentypen auf den Keilschrifttafeln, heutige Notation:
x±y=a
{ xy = b
x ± y =a
{x
(1)
+ y2 = b
(2)
ax 2 ± by 2 = c
(3)
2
14
Beispiel
!  « Ein Faktor und sein Inverses 2;30 »
!  In unserer Notation:
{
x+y=a
xy = 1
(4)
!  Hier ist x der « Faktor », y das « Inverse »,
!  a= 2;30 ist gegeben
!  In Dezimalzahlen: a=2.5
15
Lösungsweg
Faktor und Inverses 2;30
x + y = 2.5
xy = 1
1. Mit 0;30 multipliziere: 1;15
2.5⋅
1
= 1.25
2
2. Multipliziere 1;15 mit 1;15: 1;33,45 1.25⋅1.25 = 1.5625
3. 1 subtrahiere davon: 0;33;45
4. was muss man mit was multiplizieren, um 0;33,45 zu erhalten? 0;45
1.5625 −1 = 0.5625
0.5625 = 0.75
5. 0;45 zu 1;15 addiere: 2-Faktor
1.25 + 0.75 = 2[= x]
6. 0;45 von 1;15 subtrahiere: 0;30Inverses
1.25 − 0.75 = 0.5[= y]
x+y=a
xy = 1
a
2
a a
a
⋅ = ( )2
2 2
2
a
( )2 − b
2
a 2
( ) −b
2
a
a
+ ( )2 − b = x
2
2
a
a
− ( )2 − b = y
2
2
16
Lösungsweg, übersetzt
!  System (4) ist äquivalent zur Gleichung –z2+az-b=0
!  Letzteres algebraisch umformen zu z2-B=0
!  1. Lösungsansatz: x=y=a/2. Dann x=a/2+t, y=a/2-t
mit xy=(a/2)2-t2=b, d.h. man bestimmt t2=(a/2)2-b.
!  Damit wohl bekannt: (a+b)(a-b)=a2-b2
17
Zweites Beispiel
!  « Length, width. Length and width I multiplied and
obtained area. Then I added the excess of length over
width to the area: I got 3,3. Then I added length and
width: 27. One asks: length, width and area »
!  In heutiger mathematischer Schreibweise:
{
xy +(x − y) = a
x +y = b
(5)
!  mit a=183 und b=27
18
xy +(x − y) = a
x +y = b
!  für a=183 und b=27
!  Lösungsbeschrieb im Text: „You will do thus“:
27 +3, 3 = 3, 30
2 +27 = 29
!  Dann kommt die Lösung zum System
{
uv = 3, 30
u +v = 29
(6)
19
Zusammenhang (5), (6)?
!  Substitution x mit u und y mit v-2 liefert (6) aus (5)
!  Berechnung liefert x=u=15, y=v-2=14-2=12
!  Also bekannt: algebraische Operationen,
Substitutionen, Lösungen für quadratische
Gleichungen.
!  Formeln wie (a+b)(a-b)=a2-b2 benutzt beim Lösen,
aber nicht allgemein als Formel bekannt.
20
Unbestimmte Gleichungen
!  Pythagoräische Tripel
!  Gleichungen wie u2+v2=2w2
!  Geometrisch: Trapez mit S1=S2,
D
C
u
S1
h1
!  Also h1/h2=(w+v)/(u+w)
M
A
w
h2
v
N
S2
B
!  S1+S2=S liefert h1/h2=(u-w)/(w-v) und beide
zusammen die Gleichung
21
In a scribal school in Larsa [Mesopotamia] some 3800 years ago, a
teacher is trying to develop mathematics problems to assign to his
students so they can practice the ideas just introduced on the
relationship among the sides of a right triangle. The teacher not only
wants the computations to be difficult enough to show him who really
understands the material but also wants the answers to come out as
whole numbers so the students will not be frustrated. After playing for
several hours with the few triples (a, b, c) of numbers he knows that
satisfy a2 + b2 = c2, a new idea occurs to him. With a few deft strokes of
his stylus, he quickly does some calculations on a moist clay tablet and
convinces himself that he has discovered how to generate as many of
these triples as necessary. After organizing his thoughts a bit longer, he
takes a fresh tablet and carefully records a table listing not only 15 such
triples but also a brief indication of some of the preliminary
calculations. He does not, however, record the details of his new
method. Those will be saved for his lecture to his colleagues. They will
then be forced to acknowledge his abilities, and his reputation as one of
the best teachers of mathematics will spread throughout the entire
kingdom.
22
Ursprung von algebraischen
Aufgabenstellungen
!  Geometrie motivierte die Problemstellungen von
unbestimmten Gleichungen
!  Ursprung der Aufgaben, die zu quadratischen
Gleichungen führen?
!  Inverse Probleme?
23
Ägypten
!  Hauptquellen: Papyrus Rhind, Moskauer Papyrus
!  Schreibschulen
!  Architektur
!  Hierogplyphen:10er und Zeichen für 10er Potenzen
!  Hieratisch: Ziffernsystem
24
Ägypten, Forts.
!  Multiplikationen, Verdoppelung, Division
!  Geometrie (Kreis, Oberfläche Halbkugel, Volumen
Pyramide)
“If someone says to you: a truncated pyramid of 6 for the
height by 4 on the base by 2 on the top, you are to square
this 4; the result is 16. You are to double 4; the result is 8.
You are to square this 2; the result is 4. You are to add the
16 and the 8 and the 4; the result is 28. You are to take
1/3 of 6; the result is 2. You are to take 28 two times; the
result is 56. Behold, the volume is 56. You will find that
this is correct.”
25
Rückblick
!  Tafeln (und Papyri) mit mathematischen Inhalten
enthalten v.a. Unterrichtsmaterial.
!  Was hiess lernen?
!  Erklärungen zu Algorithmen: mündlich überliefert?
!  Quadratwurzeln?
26
Aufgaben ([K])
!  375 und 4856 in babylonischer Keilschrift;
!  7/5 13/15 11/24 33/50 im 60er System;
!  0;22,30 0;08,06 0;04,10 0;05,33,20 in
gewöhnlichen Brüche;
!  Kehrwerte zu 18,32,54 und zu 1,04 - wann ist eine
Zahl regulär?
!  25×1,04 18×1,21 und 50/18 1,21/32 (alles im 60er
System, Kehrwerte benutzen bei Division)
27
Aufgabe aus Tafeln ([K])
!  30 „Eines von 2 Feldern liefert 2/3 Sila pro Sar. Das zweite
½ Sila pro Sar. Die Summe der Ernten der beiden Felder ist
1100 Sila, die Differenz der Flächen der beiden Feldern ist
600 Sar. Wie gross ist jedes Feld?“ (aus VAT 8391)
!  38 „Gegeben ein Kreis mit Umfang 60, eine Sehne der
Länge 12, was ist die rechtwinklige Distanz von der Sehne
zum Umfang?“ (Tafel BM 85194)
!  31 & 39
28
II. « Geometrische
Algebra » im antiken
Griechenland
29
30
Hin zu abstrakt, deduktiv
!  5.-2. JH v.Chr.: klassische griechische Mathematik
!  Propositionen mit Beweisen
!  Abstrakte Objekte: Punkte („ohne Dimension“),
Geraden („mit Länge, ohne Breite“), etc.
31
Rolle von Beweisen
!  (1) Wahrheit einer Aussage (Proposition) etablieren
(Axiomensysteme)
!  (2) Zusammenhänge zwischen Propositionen
aufzeigen
„Zu wissen, was ist und zu wissen, warum etwas ist, sind zwei
verschiedene Arten von Wissen“ „Die, die Erfahrung haben, kennen
das `Was‘, aber nicht das `Warum‘, während die, die eine Kunst
meistern, das `Warum‘ kennen, d.h. den Grund.“ (Aristoteles 1,2)
Zwei Beispiele (nächste Seite)
32
Rolle von Beweisen, Forts.
Satz: Die Summe der Winkel in einem Dreieck ist gleich zwei
rechten Winkeln.
Satz: Ein äusserer Winkel in einem Dreieck ist grösser als ein
nicht anliegender innerer Winkel.
!  (3) Entdeckung neuer Propositionen
Hier als Beispiel: Die Entdeckung der Unvergleichbarkeit
von Länge und Diagonale eines Quadrates.
33
Wandlung des math. Wissens
!  Gründe für diese fundamentale Transformation des
Systems des mathematischen Wissens: wird hier nicht
behandelt.
!  Was man sagen kann: diese Wandlung ging einher mit
einer allgemeinen Veränderung im kulturellen und
politischen Leben in Griechenland.
34
Beginn der Abstraktion
!  Wo, wann?
!  Thales von Milet (624-547 v.Chr.)
!  Hippokrates
von Chios (470-410 v.Chr.)
35
Pythagoräische Schule
!  Pythagoras (572-497 v.Chr.)
!  Schule: 6. JH v.Chr. bis einige Jahrzehnte nach dem
Tod von Pytagoras
!  Legenden
!  4 Standbeine: Arithmetik, Geometrie, Harmonielehre,
Astronomie
36
Arithmetik
!  Zahl: eine Sammlung von Einheiten
!  gerade, ungerade Zahlen. Teilbarkeit
!  Perfekte Zahlen
!  Verhältnisse von positiven Zahlen
37
Arithmetik, Forts.
!  Verhältnisse von Strecken via Zahlen?
!  Pythagoras: Verhältnisse von zwei konsonanten
Intervallen sind einfache Zahlverhältnisse, 1:2
(Oktave), 2:3 (Quinte), 3:4 (Quarte).
!  „Alles ist Zahl“
!  Diagonale im Quadrat, Unvergleichbarkeit
38
Arithmetik "# Geometrie
„Alle nämlich beginnen, wie gesagt, mit der
Verwunderung, dass die Dinge so sind, wie sie
sind, wie zum Beispiel angesichts sich selbst
bewegender Marionetten, der Sonnenwende oder
der Inkommensurabilität der Diagonale. Bei
letzterem Problem scheint es etwa allen
verwunderlich, die noch nicht 'die Ursache'
betrachtet haben, dass es etwas gibt, das nicht mit
dem kleinsten Mass gemessen werden kann.“
(Aristoteles, Metaphysik 983a)
39
Geometrische Algebra
!  Ende 5.JH v.Chr.: Algebra mit Geometrie umgeben
!  Arithmetische Operationen in geometrische Sprache
!  Quellen: hellenistische Periode (3.-1. JH v.Chr.)
!  Alexandrien: Zentrum des Wissens.
!  Museion, Bibliothek
!  Archimedes, Apollonius, Eratosthenes, Hipparchus.
40
41
Propositionen
!  Euklids Elemente: Grundlagen und Propositionen:
Bücher II, auch VI, XIII, etwa Proposition 1, Buch II
„Hat man zwei Geraden und wird eine in eine beliebige Anzahl Strecken
geteilt, so ist das Rechteck, das in den zwei Geraden enthalten ist gleich den
Rechtecken, die in der ungeteilten Gerade und jedem der Strecken enthalten
sind.“
a
b
a1
a2
a3
42
Beweise algebraischer Identitäten
! 
(a + b)2 = a 2 + 2ab + b 2 Längen a, b: beliebig
a+b 2 a−b 2
!  ab = (
) −(
)
2
2
b
ab
b2
(*)
A
A′
a
a2
C
C′
B
D
B′
F
H
D′
ab
43
Quadratische Gleichungen
!  x2=ab
!  x(a-x)=S1
elliptischer Aufgabentyp
!  x(a+x)=S2
hyperbolischer Aufgabentyp
A
C
S1
B
A
B
C
S2
44
Lösungsansatz
Strecke AB der Länge a+b, Mittelpunkt O, Kreis mir
Radius AO, Senkrechte am Punkt
mit A =a. sei der
Schnittpunkt mit dem Halbkreis. Seiten im rechtwinkligen
Dreieck: (a+b)/2 bzw. (a-b)/2. (und Formel (*))
∆
a+b
2
A
0
a−b
2
Γ
B
45
Art von Problemstellungen?
!  Zirkel und Lineal Konstruktionen zur Lösung
a5 = R
5
5
−
2 2
46
Irrationalitäten
!  Klassifikation von quadratischen Irrationalitäten
!  „Das Ungerade wäre gleich dem Geraden“:
Es sei √2= m/n, m und n nicht beide gerade, dann ist 2n=m, etc.
!  Die Zahlen 3,5,6,...,15 sind unvergleichbar mit der
Seitenlänge eines Einheitsquadrates.
!  Ist N ≠
2
(
ganze Zahl), so ist √N nicht rational.
!  Klassen von quadratischen Irrationalitäten.
47
Erste unlösbare Probleme
!  Verdoppelung des Würfels
!  Dreiteilung des Winkels
!  Quadratur des Kreise
„Man konstruiere einen Würfel dessen Volumen doppelt
so gross ist wie das Volumen eines gegebenen
Würfels“ (Delisches Problem)
!  Koniken (Kegelschnitte)
48
Dreiteilung des Winkels
!  „neusis“-Konstruktion (Einschiebelineal)
A
2β
C
R
D
β
2β
α
β
α = 3β
O
B
49
Quadratur des Kreises, Polygone
!  Hippokrates (Möndchen)
B
D
A
O
!  Reguläre Polygone: Konstruktion? n=3,4,5 (und
Vielfache davon, durch Halbieren)
50
Kubische Gleichungen
!  Kugelsegmente: V1:V2=m:n mit m>n
!  Lösung: Schnittpunkte Parabel und Hyperbel
51
Lösen kubischer Gleichungen
!  Nullstellen von kubischen Gleichungen: mittels
Schnittpunkten von Parabeln und Hyperbeln.
!  Keine Radikale vom dritten Grad (höheren Grad)
52
Unbestimmte Gleichungen
! 
! 
2
2
2
x +y =z
2
2
y − ax = ±1
mit
a ≠α
2
Frühe Lösungen
x=a
y=
a 2 −1
2
z=
a 2 +1
2
wobei a ungerade ist. Bsp: (3,4,5)
Plato (mit a gerade):
x=a
a 2
2
a 2
2
y = ( ) −1 z = ( ) +1
53
Aufgaben ([K])
Auswahl von Aufgaben
!  Kapitel 2: 5 (Abstandmessung Schiff-Ufer), 7
(Bestimmung der Höhe einer Pyramide), 9
(Quadratzahl als Summe von Dreieckszahlen)
!  Kapitel 3: 7 (Rechteck gegebener Fläche und Seite),12
(Durchmesser und Sehne im Kreis), 14 (Satz von
Thales)
!  Kapitel 4: 2 (Hebel und Gewichte)
54
III. Symbole und Variablen
« literal algebra » - Buchstaben-Algebra
55
56
Richtungswechsel
!  Satz von Heron
S = p( p − a)( p − b)( p − c)
!  Claudius Ptolemäus (Almagest): Verhältnisse von
Grössen werden als Zahlen aufgefasst.
!  Diophant von Alexandrien: Algebra und
diophantische Analysis
57
Epigramm
„Hier dies Grabmal deckt Diophant. Schauet des
Wunder! Durch des Entschlafenen Kunst lehret sein Alter
der Stein. Knabe zu sein, gewährt im Gott ein Sechstel
des Lebens. Noch ein Zwölfte dazu, spross auf der Wange
der Bart. Dazu ein Siebentel noch, da schloss er den Bund
der Ehe. Nach fünf Jahren entspross der Verbindung ein
Sohn. Wehe, das vielgeliebte Kind, die Hälfte der Jahre
Hatt' es des Vaters erreicht, als dem Schicksal erlag.
Darauf vier Jahre hin durch Betrachtung der Zahlen den
Kummer. Von sich scheuchend, kam auch er an das
irdische Ziel.“
58
Arithmetica
!  13 Bände, 10 davon erhalten.
!  1. Band enthält eine Einführung mit den Grundlagen
der Algebra (Bsp Körper der rationalen Zahlen)
!  Axiomatische Einführung von Q, negative:
!  Beispiel (III8) x 2 + 4x +1 −(2x + 7) =
!  Beispiel (IV14)
!  Regel
54
−(90 −15x 2 )
x 2 + 2x − 6
= 15x 2 − 36
−(−a) = a
59
Variable(n), Potenzen
60
„Alle Zahlen sind zusammengesetzt aus Vielfachen von
Einheiten. Darunter:
Quadrate, die gebildet werden, wenn eine Zahl mit sich selbst
multipliziert wird. Die Zahl heisst dann die Seite des Quadrates.
Kuben, die gebildet werden, wenn Quadrate mit ihren Seiten
multipliziert werden.
Quadrat-Quadrate, die gebildet werden, wenn Quadrate mit sich
selbst multipliziert werden.
Quadrat-Kuben, die gebildet werden, wenn Quadrate mit Kuben
zur gleichen Seite multipliziert werden.
Kubus-Kuben, die gebildet werden, wenn Kuben mit sich selbst
multipliziert werden.“
61
Notationen
!  { x, x 2,
! 
x 3, x 4, x 5, x 6 }= { ς , Δν , Κ ν ,Δν Δ , ΚΔν , Κ ν Κ }
ς die Unbekannte ( x )
ο
!  Nullte Potenz der Unbekannten: Μ
!  Negative Potenzen: im Exponenten
!  Bsp
am Ende.
x −2 ist Δνχ
62
Multiplikation, Regeln
x n x m = x n+m
!  Multiplikationstabelle
(für −6 ≤ m + n ≤ 6 )
! 
x n ⋅1 = x n
!  Gleichheit `
!  Skalare:
__
x m x −m = 1
.
'
__
für ein unbestimmtes Quadrat
__
__
α =1 β =2 ε =5 ι =10
63
Umwandlung von Gleichungen
!  Regel 1: Verschiebung von Termen auf andere Seite
von = (Vorzeichenwechsel), al-muqabala (balancieren)
!  Regel 2: Reduktion von ähnlichen Termen auf beiden
Seiten, al-jabr (Reduktion)
!  Substitionsregel: implizit
64
Reichweite der Notation
!  Beispiel (Problem II8):
x2+y2=a2
!  Ansatz: rechte Seite = konkrete Zahl (16). Linke Seite:
x als Unbekannte t, y als „Anzahl von t‘s minus soviele
Vielfache der Einheit wie die Seite des Quadrates 16
enthält“
!  Damit:
t 2 + (2t − 4)2 = 16
!  Lösung:
x = t = 16
5
y = 2t − 4 = 12
5
!  „Ein Quadrat hat ∞ viele Zerlegungen in 2 Quadrate“
65
Beispiel
!  Problem VI8 lässt sich so als System schreiben:
x13 + x2 = y 3
!  Hier wählt Diophant
x1 + x2 = y
x2 = t
x1 = β t
mit
β =2
1
!  Damit y = ( β +1)t
und t =
(β +1)3 − β 3
2
!  Da =2 ist, ist t = 1 /19 , also t nicht rational.
2
!  Rationale Lösung? Untersucht Ausdruck für
!  Findet:
t2
(β +1)3 − β 3 =
66
Beispiel, Forts.
!  Nun nimmt man als neue Unbekannte
β =τ
2
!  Gleichung 3τ + 3τ +1 =
!  Damit
3+ 2 λ
τ= 2
λ −3
!  Der Parameter β muss also von der obigen Form sein
!  Diophant wählt
λ = 2 und erhält
β=7
(und kehrt mit diesem Wert zur Aufgabe zurück).
67
Übersicht
!  Rolle von Zahlen: konkret oder als Parameter
!  Diophant führte Aufgabenstellungen (bestimmt,
unbestimmt) auf Gleichungen zurück.
!  Analog wie später Descartes für Geometrie: Diophant
für Arithmetik: algebraische Gleichungen.
!  Umformungen von Gleichungen.
68
Satz (Diophant)
!  Problem: Finde rationale Lösungen der quadratischen
Gleichung
F2 (x, y) = 0
!  Satz: Hat diese Gleichung eine rationale Lösung (x0,y0)
dann hat sie unendlich viele Lösungen (x,y) und x,y
sind rationale Funktionen eines einzelnen Parameters:
x = ϕ (k)
y = ψ (k)
!  Lösungsansatz: quadratische Gleichungen
y 2 = ax 2 + bx + c
(mit a,b,c in Q )
69
Lösungsweg
!  Ansatz:
c=m
2
!  Rationale Lösungen: (0, m)
und
(0, −m)
!  Substitution
y = kx ± m
b ∓ 2km
b ± 2km
y= 2
±m
!  Lösungen: x = 2
k −a
k −a
!  Auch Fall, wo c nicht ein Quadrat ist.
70
Algebra nach Diophant
!  Niedergang der antiken Gesellschaft in Alexandrien
!  Vertreibung der Wissenschaftler nach Athen
!  Dann von Athen nach Persien
!  Weitere Entwicklung im arabischen Raum
(Übersetzung von Arithmetica ins Arabische)
71
Aufgaben aus [K]
!  14 (S. 191): Problem D12 von Diophant: Man dividiere
ein Quadrat in zwei Teile, so dass, wenn je eines von ihnen
vom Quadrat abgezogen wird, ein Quadrat übrig bleibt.
(Lösung folgt direkt aus II8)
!  Problem I5: Teile eine gegebene Zahl in zwei Zahlen so, dass
gegebene (verschiedene) Anteile von beiden zu einer gegebenen
Zahl summieren. (S. 178). Gegeben a, b, r, s mit r < s :
man finde u, v mit u + v = a und 1 u + 1 v = b . Man
arbeite mit a = 100, b = 30, r = 3, s = 5. r s
!  Problem II11 auf Seiten 180/181 in [K]
72
Literatur:
I. Bashmakova, G. Smirnova, The Beginnings & Evolution of Algebra
Dolciani Mathematical Expositions, 23, The Mathematical Association
of America, 2000
V. J. Katz, A History of Mathematics. An Introduction, 3rd Edition, AddisonWesley, 2008
73
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