Immunhistochemie – was bring das dem Kliniker?

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Immunhistochemie – was bring das dem Kliniker?
Wolf v. Bomhard
Fachpraxis für Tierpathologie
München
[email protected]
Die Geburtsstunde der Immunhistochemie (IH) ist 1941. Coons et al. beschreiben die
Verwendung eines fluoreszierenden Antikörpers. Erst in den letzten zwanzig Jahren hat diese
Methode jedoch eine breite Anwendung in Forschung und Diagnostik erfahren.
Per Definition handelt es sich bei der IH um die Anfärbung von Antigenen durch markierte
Antikörper an histologischen oder histopathologischen Präparaten. Ein Antigen stellt eine
Untereinheit eines Proteins oder Glykoproteins dar. Bei der direkten IH wird ein Chromogen
markierter Antikörper über das Fab-Fragment an das Antigen gebunden. Im Gegensatz dazu
wird bei der indirekten IH das Antigen durch einen spezifischen, nicht markierten Antikörper
gebunden. Erst ein markierter sekundärer Antikörper bindet das Fc-Fragment des Primärantikörpers und führt zur Anfärbung. Mittlerweile bestehen komplexere Systeme mit Tertiärantikörpern und Antikörpern, die mit Polymeren konjugiert sind. Diese Systeme weisen durch
Verstärkung des Signals eine höhere Sensitivität auf; außerdem erfolgt die Markierung nicht
mehr über Fluoreszenz, sondern über einen enzymatischen Farbumschlag. Nachteil dieser
komplexen Moleküle ist eine verminderte Gewebspenetration, die zu einem falsch-negativen
Ergebnis führen kann.
Ein erheblicher Vorteil der IH besteht darin, dass nicht nur die Positivität für ein Antigen festgestellt werden kann, sondern dass die Positivität auch räumlich zugeordnet werden kann. So
kann eine positive Anfärbung intrazytoplasmatisch, intranukleär oder membranös auftreten.
Das positive Signal kann somit auf Plausibilität überprüft werden. Da die immunhistochemischen Präparate mit Hämatoxylin gegengefärbt werden, kann auch bestimmt werden,
welche morphologischen Strukturen (z.B. Epithel, Blutgefäß, entzündliche Infiltrate)
Positivität aufweisen. Auch dies ist eine wichtige Kontrollfunktion, um unspezifische
Anfärbung auszuschließen.
Antikörper können nach verschiedenen Kategorien eingeteilt werden:
Rezeptoren:
Strukturproteine:
Zellzyklus:
Onkogene:
Suppressorgene:
Enzyme:
Hormone:
Organismen:
KIT, CD1, CD79a, CD3
Zytokeratin, Vimentin
Ki-67; PCNA
KIT, RET, HGF, ß-catenin
p53, BRCA-1, PTEN, RB
Cox-2
ACTH, FSH, Insulin, Gastrin
Leishmanien, FHV-1, FIPV, Chlamydien
Hierbei können Antigene mehrfach in verschiedenen Gruppen auftauchen. Für den Praktiker
und die onkologische Praxis ergeben sich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten:
1. Bestimmung der Histogenese
Die häufigste Anwendung der IH besteht in der histogenetischen Bestimmung von Neoplasien. Niederdifferenzierte Tumoren können oftmals nicht allein durch die Beurteilung eines
HE-gefärbten Präparates zuverlässig histogenetisch eingestuft werden. Dies gilt besonders für
Bioptate, die nur wenige Zellen enthalten. Da in den letzten Jahren die präoperative Biopsienahme auch in der Veterinärmedizin vermehrt angewendet wird, erreicht somit auch die IH
einen neuen Stellenwert. Die IH führt also zur histogenetischen Einteilung der Tumoren und
damit zu einer zielorientierten adjuvanten Behandlung. Zu beachten ist, dass die IH allerdings
keine alleinige Unterscheidung zwischen Hyperplasie vs. Neoplasie oder der Unterscheidung
zwischen maligner und beniger Neoplasie bietet. So weisen eine reaktive arteriovenöse Fistel,
ein Gefäßhamartom, ein Hämangiom und ein Hämangiosarkom alle Positivität für Faktor
VIII, den klassischen Marker für Blutgefäße auf. Die IH unterstützt also lediglich die histopathologische Beurteilung, die sich an Polymorphie, mitotischer Aktivität und invasivem
Wachstum zur Unterscheidung Hyperplasie/Neoplasie und maligne/benigne orientiert.
In seltenen Fällen sind allerdings so wenige neoplastische Zellen vorhanden, dass erst durch
die immunhistochemische Markierung ausreichend Zellen zur Diagnosestellung identifiziert
werden können. Dies kann z.B. in skirrhösen Tumoren der Fall sein oder bei der Diagnose
von Mikrometastasen in Lymphknoten.
Die fundamentale Einteilung erfolgt in epitheliale Tumoren, die Zytokeratin positiv sind und
mesenchymale Tumoren, die Vimentin positiv sind. Biphasische Tumoren, v.a. Synovialzellsarkome und Mesotheliome weisen sowohl Zytokeratin als auch Vimentin Positivität auf.
Am häufigsten werden in der Veterinärmedizin folgende Antikörper zur histogenetischen
Evaluierung verwendet:
Epitheliale Neoplasien:
AE1/AE3, Panzytokeratin, Lu5
Sarkome:
Vimentin, Faktor VIII, smooth muscle actin, Desmin,
S-100
Mesotheliom:
Zytokeratin, Vimentin, Calretinin
Histozytäre Läsionen/Makrophagen: CD 18, Lysozym, Mac387, MHC-II
Lymphom:
CD 3, CD 79a, BLA 36
Plasmozytom:
kappa, lambda
Maszelltumoren:
KIT
Periphere Nervenscheidentumoren: GFAP, S-100, Neurofilament
Neuroendokrine Tumoren:
NSE, Chromogranin, Synaptophysin
Der Einsatz multipler Antikörper erhöht die Sensitivität und ermöglicht eine detailiertere
Feinklassifikation. So reagieren z.B. nicht alle B-Zell-Lymphome mit CD 79a. Durch den
Einsatz von BLA 36 können auch CD 79a-negative B-Zell-Lymphome identifiziert werden.
Zu beachten ist, dass einige der am meisten verwendeten Antikörper, keine Spezifität
aufweisen. Folgende Differentialdiagnosen bestehen z.B.:
S-100: Peripherer Nervenscheidentumor, Liposarkom, Melanom, Chondrosarkom
NSE (Neuron Specific Enolase): Sertolizelltumor, CEOT (Amyloid produzierender odontogener Tumor), Chemodektom, Meningiom, prim. neuroendokrine Karzinom der Leber,
Granularzelltumor, Esthesioneuroblastom, Melanom etc.
Vimentin: Fibrosarkom, peripherer Nervenscheidentumor, Melanom, Lymphom,
Mesotheliom etc.
Hieraus ergibt sich, dass die IH erst in der Zusammenschau mit den pathohistologischen
Eigenschaften des Tumors im Hämatoxylin Eosin (HE) gefärbten Präparat zu einer Diagnose
führen kann. Diagnostische Erfahrung ist also auch in der Beurteilung immunhistochemischer
Ergebnisse unablässig.
2. Prognose
Es stehen verschiedene prognostische Marker zur Verfügung. Am besten etabliert ist in der
Veterinärmedizin die immunhistochemische Unterscheidung zwischen B- und T-ZellLymphomen. CD 79a (B-Zell) und CD 3 (T-Zell) sind die am häufigsten verwendeten
Marker. Hunde mit B-Zell-Lymphomen weisen eine erhöhte Überlebensdauer und ein
besseres Ansprechen auf Chemotherapie auf, im Vergleich zu Patienten mit T-ZellLymphomen. Eine Trucut-Biopsie ist ausreichend, für die Differenzierung.
Marker des Zellzyklus werden ebenfalls als prognostische Marker verwendet. Sie ergänzen
hierbei den mitotischen Index, der bereits im HE-gefärbten Präparat bestimmt wird. Die drei
am häufigsten verwendet Marker sind Ki-67, PCNA und AgNOR.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren kommt auch die immunhistochemische Überprüfung von KIT zur prognostischen Einstufung von Mastzelltumoren
vermehrt zur Anwendung. Bei der Bestimmung von KIT wird nicht die Positivität für KIT,
sondern die Verteilung von KIT beurteilt. Physiologische Mastzellen im Rahmen einer entzündlichen Reaktion weisen eine membranständige Anfärbung auf. Eine zytoplasmatische
Anfärbung deutet auf eine permanente Aktivierung des durch KIT vermittelten Pathways hin
und wird als aberrante Exprimierung bezeichnet. Verschiedene Studien belegen, dass eine
aberrante Exprimierung von KIT auf gesteigerte Aggressivität und eine schlechtere Prognose
hinweist.
Weiterhin kann die IH Hilfestellung bieten bei der akkuraten Diagnose von Lymphbahneinbrüchen. Mitunter gelingt am HE-gefärbten Präparat eine Unterscheidung zwischen einem
Lymphbahneinbruch eines Karzinoms und einer artifiziellen Ablösung eines Karzinoms von
der Basalmembran nicht. Dieses diagnostische Dilemma, kann durch Gefäßmarkierung durch
Faktor VIII umgangen werden. Auch die Basalmembran kann durch IH deutlich dargestellt
werden. Dies kann sinnvoll sein, wenn in kleinen oder fragmentierten Bioptaten eine Unterscheidung zwischen Carcinoma in situ und invasivem Karzinom nicht gelingt. Obgleich es
sich lediglich um verschiedene Stadien ein und desselben Tumors handelt, ist eine solche
Unterscheidung von elementarer Wichtigkeit für den Praktiker. Epithelien sind avaskulär.
Solange der Tumor rein im epithelialen Komartiment wächst, kann per Definition kein
Gefäßeinbruch erfolgen. Erst ein invasives Karzinom hat die Möglichkeit zur Vasoinvasion
und somit zur Metastasierung.
3. Therapie
Mittlerweile besteht auch in der Veterinärmedizin die Möglichkeit gezielt Tumoren auf die
Empfänglichkeit für Chemotherapeutika zu überprüfen. So kann die immuhistochemische
Überprüfung auf KIT für die Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren erfolgen.
Die Untersuchung auf die Exprimierung von Cox-2 bietet Aufschluß über die Behandlung mit
NSAIDs (siehe weitere Vorträge).
Einschränkungen der Immunhistochemie
1. Unspezifische Färbung und Kreuzreaktivität
Verschiedene Phänomene führen zu unspezifischen Reaktionen: Hydophobe Interaktionen
von Proteinen, Biotin Aktivität, Peroxidaseaktivät, Ionenaktivität, freie Fc Fragmente und
Pigment. So weisen z.B. Plasmazellen und Erythrozyten oftmals unspezifische Färbungen auf.
Unspezifische Anfärbung erfolgt auch im Randbereich der immunhistochemischen Präparate,
in Nekrosen und z.B. an Hämosiderinablagerungen.
Kreuzreaktiviätät bezeichnet die Eigenschaft, dass verschiedene Antigene von ein und
demselben Antikörper detektiert werden. So reagiert z.B. CD 79a, ein Marker des B-Zell-Rezeptors von Lymphozyten auch mit glatter Muskulatur. Im Zuge der Tumoranaplasie verlieren
Tumoren auch ihre Antigenität oder gewinnen Antigenität, die eigentlich nicht zur Histogenese des Tumors passt. Zwischen einem und zwei Prozent der humanen Lymphome sind
z.B. reaktiv für epitheliale Marker (Zytokeratin). Amelanotische und damit sehr nieder
differenzierte maligne Melanome weisen keine Reaktivität mehr für Melan A, den in der
Veterinärmedizin spezifischsten Antikörper für Melanome mehr auf.
Obgleich hier die Kreuzreaktivität von Antikörpern als Einschränkung beschrieben wird, so
ist sie doch Grundvoraussetzung für den Einsatz in der Veterinärmedizin. Ein Großteil der
verwendeten Antikörper wurde zur Verwendung an menschlichem oder murinem Gewebe
entwickelt. Dass die Antikörper auch bei Hund und Katze verwendet werden können, beruht
auf Kreuzreaktivität; die Antigene weisen in verschiedenen Spezies identischen oder ähnlichen Aufbau auf.
2. Nekrose
Nekrotisches oder autolytisches Gewebe kann nicht zuverlässig zur immunhistochemischen
Untersuchung verwendet werden. Es kann sowohl zu falsch-positiven, als auch zu falschnegativen Ergebnissen kommen.
3. Entzündliche Überlagerung
Die immunhistochemische Beurteilung von Rundzellneoplasien (Lymphom, Histiozytom,
histiozytäres Sarkom, Plasmozytom, Sticker-Sarkom, Mastzelltumor) kann durch starke
entzündliche Überlagerung beeinträchtigt werden. Die Gegenfärbung der Präparate bietet
keine detaillierte Morphologie der Zellen, so dass in den immunhistochemischen Präparaten
bei starker Entzündung nicht mehr unterschieden werden kann, ob die neoplastischen Zellen
oder aber Entzündungszellen positiv für einen bestimmten Antikörper sind. So sind z.B. in
stark regressiv veränderten kaninen kutanen Histiozytomen mehr lymphatische Zellen als
histiozytäre Zellen vorhanden, was eine Abgrenzung gegenüber einem entzündlich überlagerten malignen Lymphom verhindern kann. Auch T-Zell reiche B-Zell Lymphome weisen
weniger neoplastische als reaktive lymphatische Zellen auf.
4. Fixation
Formalinfixation von Gewebe führt zur Ausbildung von Aldehydvernetzungen. Diese
Aldehydvernetzungen führen zu einer Veränderung der Tertiärstruktur der enthaltenen
Proteine. Die Epitope sind damit für die Antikörper, die bei der IH zur Anwendung kommen
maskiert. Um diese Aldehydbrücken wieder aufzubrechen und damit die ursprüngliche
Tertiärstruktur der Antigene (s.g. Antigen retrieval) herzustellen, stehen verschiedene
Methoden zur Verfügung. Die gängigsten Methoden bestehen in der thermischen Bearbeitung
des Gewebes (z.B. in der Mikrowelle) oder in der enzymatischen Bearbeitung (z.B. mit
Pronase). Trotz dieses Antigen Retrievels sind nicht alle Antikörper zur Anwendung an
formalinfixiertem Material geeignet. Gerade in der Veterinärmedizin steht nur ein Bruchteil
der kommerziell erhältlichen Antikörper zur Verwendung an formalinfixiertem Material zur
Verfügung.
Übermäßige oder unzureichende Fixation des Gewebes kann zum Verlust der immunhistochemischen Anfärbbarkeit führen. Gleiches gilt für Gewebe, das in ungepuffertem
Formalin fixiert wurde. Dies sind allerdings eher theoretische Einschränkungen: das Fixativ,
das in der Praxis verwendet wird, ist stets gepuffert; die Fixationsdauer, die auf dem Postweg
erfolgt, ist ausreichend.
5. Subjektive Interpretation
Auch die Beurteilung von immunhistochemischen Präparaten ist – genauso wie die Beurteilung pathohistologischer Präparate – subjektiv. Wird ein Tumor positiv für einen Marker
erachtet, wenn eine einzelne Zelle positiv ist, wenn fünf Prozent der Zellen positiv sind oder
wenn mehr als 50% der Zellen positiv sind? Klare Kriterien hierfür fehlen. Wird eine Zelle als
positiv gewertet, auch wenn sie sehr schwach angefärbt ist, oder nur bei kräftiger Anfärbung?
Wichtig ist es, dass der Pathologe, der die Färbung interpretiert, über Erfahrung mit dem verwendet Antikörper und Detektionssystem verfügt, um Tumoren nicht unter oder über zu
diagnostizieren.
Trotz dieser Einschränkungen stellt die IH eine kraftvolle molekulardiagnostische Methode
dar, die die klassische Histopathologie zum Nutzen des Praktikers und damit des Patienten
unterstützt. In dem Maße, in dem mehr Formalin-gängige Antikörper auch für den veterinärmedizinischen Gebrauch zur Verfügung stehen, wird diese Methode noch öfters eingesetzt
werden.
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