Auflösung und Fällung

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Kapitel 9
Auflösung und Fällung
Inhalt
9.1
Einleitung
9-3
9.2
Heterogene Gleichgewichte
9-3
9.3
Lösungsmittel und Salz
9-4
9.4
Der Lösungsprozess
9-6
9.5
Löslichkeitsgleichgewicht der Salze
9-8
9.6
Randbedingungen bei Lösungsprozessen
9-14
9.7
pH-Abhängigkeit der Löslichkeit
9-18
9.8
Hydroxide
9-18
9.9
Graphische Darstellung
9-20
9
Auflösung und Fällung
Verzeichnis der Beispiele
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
9.7
9.8
9.9
9.10
Gesättigte Lösung von Eisen(II)-Phosphat
Magnesiumcarbonat im Oberflächen-Meerwasser
Silberhalogenide
Löslichkeit von Kochsalz
Lösen eines «unlöslichen» Salzes: Kupfer(II)-sulfid
Fällen eines unlöslichen Salzes
Lösen zweier Sulfate
Löslichkeit von Bleichlorid in Chlorid-Lösungen
Graphische Darstellung der Silberhydroxid-Löslichkeit
Graphische Darstellung der Mangan(II)-hydroxid-Löslichkeit
9-9
9-10
9-12
9-13
9-14
9-14
9-15
9-16
9-21
9-22
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle
Tabelle
Tabelle
Tabelle
12.1
12.2
12.3
12.4
Standard-Gitterenthalpien von Salzen
Standard-Hydratationsenthalpien von Ionen
Anionen gut löslicher Salze
Anionen schwer löslicher Salze
9-8
9-8
9-12
9-13
Verzeichnis der Figuren
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
9-2
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
9.7
9.8
9.9
9.10
9.11
9.12
Struktur von H2O
Struktur flüssigen Wassers
Cäsiumchlorid-Gitter
Das Kochsalzgitter
Käfigbildung im Lösemittel
Hydratation von Ionen
Aquakomplex von Ionen
Löslichkeitsdiagramm der Metallhydroxide
Löslichkeitsdiagramm von Silberhydroxid
Löslichkeitsdiagramm von Silberhydroxid
Stabilitätsdiagramm von Pyrochroit
Konstruktionsdetail
9-4
9-5
9-5
9-5
9-6
9-6
9-7
9-21
9-21
9-21
9-22
9-23
9.2 Heterogene Gleichgewichte
9.1
Einleitung
Auflösungs- und Fällungsprozesse spielen im Kreislauf der Elemente – lokal,
regional und global – die zentrale Rolle. Pflanzen z. B. können von den Dutzenden von Elementen, die sie zum Leben brauchen, nur gerade die Elemente
Kohlenstoff (als Kohlendioxid aus der Luft), sowie Wasserstoff und Sauerstoff (aus der photolytischen Spaltung von Wasser) in molekularer Form aufnehmen. Alle anderen Elemente finden nur in gelöster Form – über das Wurzelwerk – Eingang, und sie müssen ihm über das Transportmedium Wasser
zugetragen werden. Der Stofftransport und die Stoffverteilung zwischen den
Zellen und in den Zellen geschehen in gelöster Form, molekular oder ionisch.
Auch der weiträumige Elementtransport erfolgt hauptsächlich in einer gelösten Form mit dem Transportmittel Wasser. Nur Sauerstoff, Wasser und
Kohlendioxid werden global über Luftwege verteilt. Wasser ist aber nicht
nur das natürliche Lösungs- und Transportmittel für nahezu alle Elemente,
es wird vom technischen Menschen auch im grossen Massstab als Transportmittel für Abfallstoffe aller Art verwendet.
9.1.1
Verwitterung als Auflösungsprozess von Gestein
Verwitterung alter und Sedimentation neuer Gesteine bestimmen in weitem
Masse die Veränderungen der Erdkruste und die Zusammensetzung der Gewässer über geologische Zeiträume. Chemische Verwitterung ist der dominante Prozess der geochemischen Zyklen nichtbiologischer Elemente. Wasser
ist Reaktant, Lösemittel und Transportmittel dieser Prozesse, sowohl für
partikuläre als auch für gelöste Komponenten, in denen auch die atmosphärischen Gase Kohlendioxid und Sauerstoff interferieren. Die chemische Verwitterung löst Minerale entsprechend ihrer Zusammensetzung, den lokalen
Gewässerbedingungen, physikalischer Parameter und den Gesetzen chemischer Gleichgewichtsbedingungen. Das Lösemittel Wasser transportiert die
Komponenten in andere Gebiete in eine neue chemische und physikalische
Umgebung, wo neue Gleichgewichtsbedingungen gelten und andere Mineralien ausfällen. Diese bilden die Sedimente, die später in tiefere Schichten
verfrachtet werden wo sie bei hohen Drücken und Temperaturen zu neuem
metamorphem Gestein transformieren.
9.2
Heterogene Gleichgewichte
Auflösungs- und Fällungsprozesse sind Reaktionen in heterogenen Systemen.
Heterogene Systeme bestehen aus mindestens zwei homogenen Phasen (s.
5.2.2.2 und 9.4.1). Die eine Phase ist die Lösung, die weiteren Phasen sind
Feststoffe bestimmter Zusammensetzung und Struktur und eventuell eine
Gasphase.
9.2.1
Lösung
Die Lösung ist eine homogene Mischung, die das Lösungsmittel und gelöste
Stoffe oder Spezies enthält. Lösungen können fest (z. B. Metalllegierungen),
flüssig oder gasförmig (z. B. Luft) sein. Lösungen – auch kleinste Mengen
davon – sind immer elektrisch neutral. Die in diesem Kapitel behandelten
Lösungen sind ausschliesslich wässrige Lösungen, auch wenn die Prinzipien
ihrer quantitativen Beschreibung ebenso für andere Lösungen gelten. Vor
ETHZ – Chemie I
9-3
9
Auflösung und Fällung
allem in der präperativen und analytischen organischen Chemie kommen
häufig andere Lösungsmittel vor (Ethanol, Aceton, Chlormethan u. a.).
9.2.2
Lösungsmittel
Das Lösungsmittel oder Lösemittel oder Solvens hat üblicherweise den höchsten Stoffmengenanteil der Mischung, dies muss aber nicht sein. In wässrigen
Lösungen gilt immer das Wasser als Lösemittel, auch wenn sein Anteil geringer ist als der einer anderen Komponente (z. B. konz. Schwefelsäure oder
Phosphorsäure oder Alkohol). Wasser ist ohne Zweifel das bedeutendste Lösungsmittel der Erdkruste und der Biosphäre. Es sind die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Moleküls H2O, respektive die des flüssigen Stoffs
Wasser, seine umfassende Verfügbarkeit und seine kontinuierliche Reinigung
über den Evaporations-/Kondensationszyklus, die dem Wasser seine herausragende Stellung als Transport- und Lösungsmittel verschaffen.
9.2.3
Gelöster Stoff
Gelöste Stoffe sind alle in der Lösung enthaltenen Bestandteile ohne das
Lösungsmittel. Die gelösten Teilchen können neutrale Stoffe sein (Atome
oder Moleküle) oder es sind ionische Spezies. Die Komponenten eines Gases
über einer Lösung sind immer auch gelöste Stoffe der Lösung; ihre Konzentration darin hängt vom Partialdruck im Gas, der Löslichkeit der Komponente und der Temperatur ab. Von grosser Wichtigkeit ist die Löslichkeit des
molekularen Sauerstoffs in Lösungen: O2 – als O2(g) oder O2(aq) – ist das
bedeutendste Oxidationsmittel der Biosphäre, aber auch der wichtigste
Zerstörer technisch-industrieller Materialien wie Eisen, Beton etc. Neben
dem Sauerstoff ist es noch das Kohlendioxid, dessen hohe Löslichkeit einen
dominanten Einfluss auf die Zusammensetzung natürlicher Gewässer hat
und das wegen seiner schwach sauren Eigenschaft einer der pH-Regulatoren
ist.
+δ
H
105°
O
H +δ
–δ
276 pm
H
–δ
O
96 pm
+δ
9.3
Lösungsmittel und Salz
p
9.3.1
Das Lösungsmittel Wasser
H
+δ
Figur 9.1
Struktur von H2O
Struktur zweier Wassermoleküle
und ihrer Wasserstoffbrückenbindung (gestrichelte Linie). Das
Molekül ist gewinkelt (105 °). Die
beiden polaren O–H –Bindungen
ergeben dem Molekül ein Dipolmoment in der angegebenen
Richtung von 1.844 Debye.
9-4
In diesem Kapitel wird hauptsächlich die Auflösung von Festkörpern behandelt und davon vor allem die Salze, welche als Ionenverbindungen einer Auflösung in Wasser besonders unterworfen sind. Salze bestehen aus einem bis
mehreren Kationen und einem bis mehreren Anionen. Beim Auflösungsprozess gehen Kationen und Anionen in die wässrige Lösung über, wo sie aquatisiert werden und beim Fällungsprozess geschieht das Umgekehrte, die
aquatisierten Kationen und Anionen werden am Festkörper angelagert und
in dessen Ionengitter eingefügt. Die meisten Salze bestehen aus einem Kationentyp und einem Anionentyp, mit gleichem oder unterschiedlichem Betrag
ihrer Ladung. Salze sind echte Stoffe und damit zwingend elektrisch neutral.
Wasser ist ein ungewöhnlicher Stoff. Herausragende Merkmale sind ein sehr
hoher Schmelzpunkt des Eises und eine aussergewöhnlich hohe Siedepunkttemperatur der Flüssigkeit, verbunden mit hohen Schmelz- und Verdampfungswärmen. Die Temperatur höchster Dichte hat nicht der Festkörper,
sondern flüssiges Wasser bei 4.0 °C. Eis hat bei 0°C eine Dichte von 916.8 kg
–3
m , also eine um 8.3 % kleinere Dichte als Wasser bei 0 °C. Wasser hat
–1
auch eine ausserordentlich hohe Oberflächenspannung von 72.75 mN·m bei
20 °C und mit εr = 80 bei 20 °C eine der höchsten Permittivitätszahlen
aller Flüssigkeiten. Wasser ist ein exzellentes Lösemittel für Salze und polare
Moleküle. Alle diese Eigenschaften sind eine Folge des dipolaren Charakters
9.3 Lösungsmittel und Salz
des Wassermoleküls. Die beiden O—H –Bindungen sind Kovalentbindungen
stark asymmetrischer Elektronenverteilung ( +δ bei jedem H und −δ bei O);
die Differenz der Elektronegativitäten ist je 1.24 und der Winkel 105°, was
–30
dem Molekül ein Dipolmoment von p = 1.844 Debye (1 Debye = 3.336·10
C·m) verschafft (s. Figur 9.2).
9.3.1.1
Wasserstoff-Brückenbindung
Eine wichtige Folge von Struktur und Ladungsverteilung der Wassermolekel
ist die Ausbildung von Wasserstoffbrücken-Bindungen zwischen den Wasser–1
molekülen in festem und in flüssigem Wasser. Mit ca. 20 – 30 kJmol ist
deren Bindungsenergie zwar deutlich schwächer als die Elektronenpaar-Bin–1
dung O—H (Bindungsenergie = 463.5 kJmol ), aber stark genug, um einen
wesentlichen strukturierenden Effekt im Lösungsmittel zu erzeugen, und sie
ist deutlich stärker als die gewöhnlichen van der Waalsschen intermolekularen Bindungsenergien. Die grosse Bedeutung, die der WasserstoffBrückenbindung zukommt, wurde von Linus Pauling Mitte des letzten
Jahrhunderts beschrieben: «…dürfte sich meines Erachtens immer klarer
herausstellen, dass die physiologische Bedeutung der Wasserstoff-Brückenbindung grösser ist als die jeder anderen Struktureigenschaft.»1
Figur 9.2
Struktur flüssigen Wassers
Flüssiges Wasser, wie es strukturiert
sein könnte. Kalottenmodell-Darstellung der Wassermoleküle.
Na +
9.3.2
Salze
Der Begriff Salz gilt fachsprachlich für Festkörper die Ionenverbindungen
sind und umfasst damit eine grosse Stoffklasse vorwiegend anorganischer
Verbindungen. Im Festkörper bilden die Kationen und Anionen einen Ionenkristall mit einer regelmässigen Anordnung dieser Ionen Die kleinste dreidimensionale Einheit die sich als repetitive Einheit eruieren lässt heisst Elementarzelle des Kristallgitters. Sie ist elektrisch neutral und enthält ein
ganzzahliges Vielfaches der Bruttoformel des Salzes.
Der ganze Kristall lässt sich aufbauen durch Aneinanderreihen von Elementarzellen in den drei Raumrichtungen. Es gibt viele Anordnungsmöglichkeiten von Kationen und Anionen, sie hängen ab von der Substanzformel, den
Radien von Anion(en) und Kation(en) und von deren Ladung. Figur 9.3
zeigt die Struktur des Kochsalzes und darin eingezeichnet die Elementarzelle,
ein Würfel. Die Anordnung heisst kubisch-flächenzentriert (oder Natriumchlorid-Struktur), weil sowohl jede Ecke als auch die Zentren jeder Fläche
durch ein Atom besetzt sind (und ebenso das Würfelzentrum). In dieser
+
–
Struktur sind die Na -Ionen oktaedrisch von sechs Cl -Ionen umgeben und
umgekehrt. Die Anzahl nächster Nachbarn eines Zentralatoms (oder -Ions)
nennt man seine Koordinationszahl (KZ). Das Radienverhältnis im Kochsalz
rNa+ rCl – ist 0.69. Bei Cäsiumchlorid (CsCl) ist das Radienverhältnis grösser:
rCs+ rCl – = 1.08, seine Kristallstruktur ist ebenfalls kubisch, aber kubischkörperzentriert (oder Cäsiumchlorid-Struktur, s. Figur 9.3). Hier ist das Gegenion nicht in der Mitte einer Würfelseite, sondern in der Mitte des Wür+
–
fels, wie es in Figur 9.4 gezeigt ist. Jedes Cs -Ion ist kubisch von acht Cl –
+
Ionen und jedes Cl -Ion kubisch von acht Cs -Ionen umgeben, die KZ ist für
beide Ionen 8. Neben diesen zwei typischen Strukturen für Salze vom Typ
A1B1 gibt es viele weitere Anordnungsmöglichkeiten, aber allen kristallinen
Festkörpern (oft mit (c) statt (s) bezeichnet) ist die Regelmässigkeit des
Aufbaus gemeinsam.
1
Cl–
Cl–
Cl–
Cl–
Na +
Figur 9.4
Das Kochsalzgitter
Kristallstruktur von NaCl(s). Kubischflächenzentriertes Gitter mit ChloridIonen (hell) in den acht Ecken und den
sechs Flächenzentren und Na-Ionen
(dunkel) in den Mitten der Würfelseiten. Verdeckte Kugeln sind nicht
gezeichnet. Der eingezeichnete Würfel
ist die Elementarzelle.
Cl–
Cl–
Cl–
Cl–
Cs+
Cl–
Cl–
Figur 9.3
Cäsiumchlorid-Gitter
Kristallstruktur von CsCl(s), das ein
kubisch-körperzentriertes Gitter hat
mit den einen Ionen in den acht Ecken
und dem Gegenion im Zentrum des
Würfels. Der eingezeichnete Würfel ist
die Elementarzelle.
Linus Pauling: «Die Natur der chemischen Bindung», Verlag Chemie, 1973.
ETHZ – Chemie I
9-5
9
Auflösung und Fällung
Frisch aus einer Lösung gefällte Salze haben meist noch keine hochgeordnete
Struktur, sie sind amorph (am). Erst durch Altern (ev. in geologischen Zeiträumen) erreichen sie einen kristallinen Zustand, der energetisch tiefer ist als
der amorphe ( ∆am → cG < 0 ).
9.4
Der Lösungsprozess
Als Lösungsprozess wird hier nur der Einbau eines Teilchens (Molekül oder
Ion) ins Solvens beschrieben, so, als ob das Molekül oder Ion als isoliertes
Teilchen schon bestünde, und der Vorgang wird nur formal beschrieben,
ohne Rücksicht auf seinen mechanistischen Ablauf.
9.4.1
Figur 9.5
Käfigbildung im
Lösemittel
Damit sich Kation und Anion in
Wasser lösen können, müssen im
Lösemittel formal zwei Löcher
entstehen, in welche die aquatisierten Ionen passen.
Käfigbildung im Solvens
Beim Lösungsprozess in einem Lösemittel werden Moleküle oder Ionen ins
Lösungsmittel eingebaut. Damit diese darin Platz finden, muss ein «Loch»
(ein Käfig, eine Höhle, engl.: cavity) in die lockere Struktur des Solvens gemacht werden (s. Figur 9.5). Dies braucht einen Aufwand an Gibbs-Energie,
weil intermolekulare Bindungskräfte (van der Waals-, Dipol – induzierte
Dipol-, Dipol – Dipol- oder H-Brücken-Kräfte) aufgebrochen werden müssen.
Je grösser das einzubringende Teilchen ist und je stärker die intermolekularen Bindungsenergien sind, desto mehr Energie wird benötigt und desto ungünstiger wird der Lösungsvorgang (bei ansonst gleichen Verhältnissen)
energetisch sein. Es ist vor allem Enthalpie, die investiert werden muss, denn
die Käfigbildung ändert wenig am Ordnungsgrad des Lösungsmittels.
9.4.2
Solvatation
Wird ein Molekül oder ein Ion in den Solvenskäfig gebracht, so wir es von
Lösungsmittelmolekülen umgeben werden und es werden neue intermolekulare Bindungen zwischen diesen und dem Eindringling entstehen, und dies
selbstverständlich so, dass ein energetisches Minimum erreicht wird. Diesen
Vorgang nennt man allgemein Solvatation. Die Art und die Stärke dieser
Bindungen hängen gleichermassen ab von den molekularen Eigenschaften der
Lösungsmittelmoleküle wie von denen des eingebrachten Teilchens. Wird
beispielsweise ein Sauerstoffmolekül aus der Luft (ein ideales Gas, wo es
keine intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen gibt) in
Speiseöl gelöst, so werden zwischen den grossen unpolaren Fettmolekülen
und den relativ kleinen und ebenso unpolaren Sauerstoffmolekülen nur
schwache unspezifische van der Waals-Kräfte aufgebaut. Da aber zur Käfigbildung auch nur schwache intermolekulare Kräfte überwunden werden
müssen, lässt sich Sauerstoff in Öl lösen, was zu seiner Oxidation (ranzig
werden) führt.
9.4.3
+
—
Figur 9.6
Hydratation von Ionen
Aquatisiertes Kation und aquatisiertes Anion mit ihrer näheren Umgebungen im Wasser.
9-6
Hydratation
Die Hydratation ist die Solvatation im Lösungsmittel Wasser (s. Figur 9.6).
Die oben beschriebenen Eigenschaften des Moleküls H2O und die daraus
folgenden Eigenschaften des Stoffs machen Wasser zu einem guten oder sehr
guten Lösemittel von polaren und ionischen Spezies, aber zu einem schlechten für unpolare und zu einem sehr schlechten für grosse unpolare Moleküle.
Die starken intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den stark polaren
Wassermolekülen mit zusätzlich im Mittel ca. drei H-Brücken verlangen in
9.4 Der Lösungsprozess
jedem Fall einen beträchtlichen Enthalpieaufwand, um das «Loch» zu schaffen, das die Spezies aufnehmen kann. Dieser Energieaufwand ist nur abhängig von der Grösse der Höhle, die benötigt wird.
9.4.3.1
Aquakomplex von Ionen
Wird ein Ion in die Lücke von Wassermolekülen gebracht, so beherrscht sein
Ladungseinfluss die Gestaltung seiner nächsten Umgebung. Die Wassermoleküle richten sich entsprechend ihres Dipolmoments nach der Ladung des
Zentralions aus und umschliessen dieses in geometrisch geordneter Weise.
Wie im Salz ergibt sich auch in Lösung eine Anzahl nächster Nachbarn und
auch für das Ion in Lösung spricht man von einer Koordinationszahl. Häufige
KZ von Ionen im Wasser sind 4 oder 6. Auch wenn nicht in jedem Fall eine
echte so genannte Komplexverbindung vorliegt, spricht man allgemein von
Aquakomplexen der Ionen (s. Figur 9.7) in wässriger Lösung und bezeichnet
diese mit dem Zusatz (aq). So gilt z. B. für ein Metall-Kation mit der
Ladung n+ und der Koordinationszahl p:
 M (H O )  n+ := Mn+ (aq ).

2
p 
+
—
Figur 9.7
Aquakomplex von Ionen
Hydratisieres Kation (links) und Anion (rechts) mit der KZ 6 (oktaedrisch). Je ein Wassermolekül unten
und oben ist nicht eingezeichnet.
(9-1)
Mit der unspezifischen Bezeichnung (aq) für alle in Wasser gelösten Spezies
(Moleküle oder Ionen) enthebt man sich auch einer genaueren Angabe, wie
viele Wasserschichten wie stark beeinflusst sind. Wichtig ist, dass die Umgebung zur gelösten Spezies zugehört und sowohl seine Beweglichkeit als auch
seine Fähigkeit, semipermeable Membranen durchdringen zu können (Osmose), beeinflusst. Aus energetischer Sicht ist die Hydratisierung der Ionen
bedeutsam: Die Bildung mehrerer ionisch–polarer Bindungen fördert die Löslichkeit von Salzen ungemein. Es ist der einzige Teilschritt im ganzen
Lösungsprozess, der einen negativen Enthalpiewert beiträgt.
9.4.4
Ionen in Lösung
9.4.4.1
Kationen
+
Ammonium (NH4 ) ist – abgesehen von Komplexkationen – das einzige übliche Molekül-Kation, alle anderen Kationen sind Atomionen (Abkömmlinge
von Atomen). Mit wenigen Ausnahmen, wie Gold und einiger Elemente der
Edelmetall-Gruppe, kommen die ca. 70 metallischen Elemente in der Natur
nur in kationischer Form vor. Entweder in Salzen oder in wässriger Lösung
(so auch in der Biosphäre, ihre Menge dort ist aber vernachlässigbar). Metall-Kationen müssen reduziert werden, um den elementaren Stoff – das Metall – zu gewinnen. Die Ladungen (nicht zu verwechseln mit Oxidationszahlen) der Aqua-Metall-Kationen sind häufig 1+ oder 2+, gelegentlich 3+
3+
3+
4+
(Fe (aq), Al (aq)) und sehr selten auch 4+ (Ce ).
9.4.4.2
Anionen
Die Varietät an Atom-Anionen ist gering: Die Halogenide sind alle 1–,
2–
Schwefel 2– (O (aq) ist in wässriger Lösung instabil, s. Kapitel 8). MolekülAnionen (Abkömmlinge von Molekülen, häufig von Säuren) sind viele
–
–
bekannt, wichtige sind: Hydroxid OH (aq), Nitrat NO3 (aq), Perchlorat
–
–
–
2–
ClO4 (aq), Perbromat BrO4 (aq), Periodat IO4 (aq), Carbonat CO3 (aq),
2–
2–
2–
2–
Sulfat SO4 (aq), Sulfit SO3 (aq), Chromat CrO4 (aq), Dichromat Cr2O7
3–
und Phosphat PO4 (aq); vierfach oder höher geladene frei vorkommende
Anionen sind nicht bekannt.
9-7
9
Auflösung und Fällung
9.4.5
Tabelle 9.1 Standard-Gitterenthalpien von Salzen
∆LH°/kJmol
–1
MX (s ) = M
n+
F
für den Prozess:
( g ) + Xn − ( g ) .
Cl
Br
I
Li
1037
852
815
761
Na
926
787
752
705
K
821
717
689
649
Rb
789
695
668
632
Cs
750
676
654
620
Ag
969
912
900
886
Mg
2524
Ca
2255
MgO
MgS
3850
3406
CaO
CaS
3461
3119
Energetische Betrachtungen beim Lösen von Salzen
Wird reinem Wasser reines festes Salz zugegeben, so werden die Ionen des
Salzkristalls aus seiner Oberfläche herausgelöst und in die Wasserphase eingebaut. Das Herauslösen eines Kations und eines Anions aus der Ionengitterstruktur kostet Energie, meistens sehr viel Energie und der überwiegende
Teil davon ist Enthalpie. Die Hydratation beider Ionen setzt dann wieder
Energie frei. Die Summe der beiden Gibbs-Energien entscheidet über die
Löslichkeit des Salzes. Der Entropieterm pro Mol Salz und für eine 1-molare
Lösung gerechnet ist i. Allg. positiv (fördert die Auflösung) aber gering: Die
Entropie der Ionen in flüssigem Wasser ist ähnlich wie in der flüssigen Salzschmelze, wo sie grösser ist als im Festkörper. Für eine sehr geringe Wasserlöslichkeit hingegen ist der Entropiegewinn relativ sehr gross, da es immer
ein Entropiegewinn ist, eine Spezies auf zwei Phasen zu verteilen, dies aus
statistischen Gründen (s. Kap. 4.4). Das alleine genügt, um zu erklären, weshalb jeder Stoff in Wasser (oder einem anderen Lösemittel) eine Löslichkeit
grösser als null hat, auch wenn er als «unlöslich» bezeichnet wird.
Eine quantitative Beurteilung der Löslichkeit verschiedener Salze liefern die
Gitterenthalpie des Salzes einerseits (s. Tabelle 9.1) und die Hydratationsenthalpie der Ionen andererseits. Die Gitterenthalpie ∆LH (L für lattice,
engl. = Gitter) ist die aufzuwendende Enthalpie, um ein Mol der Ionenverbindung in die gasförmigen Ionen zu trennen, und die Hydratationsenthalpie
∆hydH ist die Enthalpieänderung, wenn 1 Mol eines Ions aus der Gasphase
in reinem Wasser gelöst wird (bei unendlicher Verdünnung).
Tabelle 9.2 Standard-Hydratationsenthalpien von Ionen
∆hydH o kJmol –1 für
den
Prozess:
B± (g ) = B± (aq ),
+
+
o
–1
H ( g ) = H ( aq ) mit: ∆r H = –1090 kJmol .
basierend
auf:
Kationen
H
+
Li
+
+
Na
K
+
–1090
–520
–405
–321
2+
2+
2+
2+
Mg
Ca
Ba
Fe
–1920
–1650
–1360
–1950
Rb
+
–300
Cu
2+
–2100
Ag
+
NH4
–277
–464
–301
2+
3+
Cs
+
Zn
–2050
Al
Fe
–4690
+
3+
–4430
Anionen
e
–
–160
9.5
OH
–
–460
F
–
–506
Cl
–
–364
–
–
Br
I
–337
–296
ClO4
–
–238
Löslichkeitsgleichgewicht der Salze
Löslichkeitsgleichgewichte zwischen irgendeinem Festkörper und irgendeinem
Solvens gehorchen den allgemein formulierten Gesetzen für Gleichgewichte,
wie sie in Kapitel 7 «Chemisches Gleichgewicht» formuliert sind. Voraussetzung dazu ist das Vorhandensein mindestens einer festen Phase; ohne solche kann sich mit ihr Gleichgewicht nicht einstellen! Das Vorhandensein
einer Gasphase ist faktisch kaum auszuschliessen, wird aber beim Beschreiben von Festkörpergleichgewichten nur dann einbezogen, wenn dies von besonderem Interesse ist. Beim Auflösen von Salzen werden Kationen und
Anionen im gleichen stöchiometrischen Verhältnis gelöst, wie sie in der
Ionenverbindung vorliegen, und die meisten üblichen Salze enthalten nur je
einen Typ Kation bzw. Anion. Die exakte Beschreibung von Gleichgewichten
9-8
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze
in
AuflösungsFällungsprozessen
mit
der
thermodynamischen
Gleichgewichtskonstante ist immer korrekt, im praktischen Vorgehen genügt
in den meisten Fällen die einfachere Beschreibung mit der
Löslichkeitskonstanten. Die Anwendung der thermodynamischen und der
Löslichkeitskonstante für Salze vom Typ AmBn(s) sind in Box 9.1
zusammengestellt.
9.5.1
Gesättigte Lösung
Eine Lösung die bezüglich eines bestimmten Salzes (aber auch allgemein bezüglich einer anderen Phase) im Gleichgewicht ist, heisst gesättigt bezüglich
dieser Phase. Alle Komponenten der zweiten Phase haben in der Lösung die
Gleichgewichtsaktivität (oder Gleichgewichtskonzentration) bei der Temperatur T, der Reaktionsquotient und die Gleichgewichtskonstante haben denselben Wert (s. Kap. 6.9.2, Gl. (6-56)). Für ein Salz AmBn(s) gilt dann:
(a
Q (T ) =
eff
An + , aq
m
) ·(a
eff
Bm− , aq
aA
n
) = (a
eq
An + , aq
m
) ·(a
eq
Bm− , aq
aA
m Bn , s
n
) = K (T ).
(9-2)
m Bn , s
Es ist genau die Situation, die bei Lösungsgleichgewichten beschrieben wird.
Beispiel 9.1
Gesättigte Lösung von Eisen(II)-Phosphat
Schwerlösliches Eisen(II)-Phosphat Fe3(PO4)2(s) wird in reinem Wasser gelöst. Die Löslichkeitskonstante ist: logKs0 = –32.
Man bestimme:
Die Gleichgewichtskonzentrationen von Kation und Anion in Lösung.
Lösung
Die Auflösungsreaktion von Eisen(II)-Phosphat ist:
−Fe3 (PO4 )2 (s )+ 3Fe2+ (aq )+ 2PO34 (aq ) = 0 .
Für die Löslichkeitskonstante erhalten wir laut Gleichung (9-8):
3
(
)(
i
i
K s0 = cFe
· cPO
2+
3–
, aq
, aq
4
2
).
Die zweite Gleichung für die zwei Unbekannten liefert die Stöchiometrie:
i
cFe
2+
, aq
i
cPO
3–
4 , aq
=
3
2
⇒
i
=
cFe
2+
,aq
3 i
c 3– .
2 PO4 , aq
Eingesetzt erhalten wir:
3 •
3 i
 cPO43– , aq  · cPO43– , aq
2

(
3–
2
)
=
27 i
c 3–
8 PO4 , aq
(
2+
5
)
= K s0
und daraus: [PO4 ] = 3.1·10-7 M, [Fe ] = 4.7·10
–7
M.
9-9
9
Auflösung und Fällung
9.5.2
Untersättigte Lösung
Für untersättigte Lösungen ist der Reaktionsquotient Q kleiner als die
Gleichgewichtkonstante K und dasselbe gilt für die Löslichkeitsgrössen:
Q <K
resp: Qs0 < K s0 .
(9-3)
Lösungen können aus zwei Gründen bezüglich einer bestimmten Festphase
untersättigt sein:
• Das System enthält die Festphase nicht und die Ionenkonzentrationen in
der Lösung genügen nicht, das Löslichkeitsgleichgewicht dieser Festphase
zu erreichen. Diese Systeme ändern ihre Zusammensetzung nicht spontan.
• Das System enthält die Festphase, aber es ist noch kein Gleichgewicht
erreicht. Sowohl unter Laborbedingungen wie in natürlichen Systemen
kommt dies häufig vor, da Fällungs- und Auflösungsvorgänge häufig sehr
langsam sind. Solche Systeme bewegen sich spontan Richtung Gleichgewicht: Der Festkörper wird aufgelöst.
Beispiel 9.2
Magnesiumcarbonat im Oberflächen-Meerwasser
Ist das Oberflächen-Meerwasser bei 25 °C bezüglich einer Fällung von Magnesit (MgCO3(c)) gesättigt oder nicht? Meerwasser hat einen pH von 8.1 und
die 2. Säurekonstante von Kohlensäure in Meerwasser bei 25 °C ist:
c
pK a,
2 = 9.1 . Die Konzentration von Mg-Ionen beträgt 53.3 mM und von
Hydrogencarbonat 2.38 mM.
Lösung
Die Löslichkeitskonstante finden wir nicht, aber wir können die Gleichgewichtskonstante der Reaktion aus thermodynamischen Tabellen berechnen:
−MgCO3 (s )+ Mg2+ (aq ) + CO2−
3 (aq ) = 0
∆fG
kJ mol -1 :
−1012.1
−454.8
−527.8
∆rG = 29.5 kJ mol -1
Damit wird die Löslichkeit von Magnesit mit aH2O = 1:
K s0, MgCO = aMg2+ , aq ·aCO2– , aq = 6.79·10−6 .
3
3
2–
Die CO3 -Konzentration müssen wir aus der 2. Säurekonstante von Kohlenc
säure berechnen (der pK a,
2 = 9.1 in Meerwasser gilt für Konzentrationen
nicht für Aktivitäten der Spezies):
 CO2−  • =  HCO−  • ·K ·10pH = 2.38·10−3 ·10−9.1 ·10−8.1 = 2.38·10−4 .
3, aq 
3, aq 
a, 2


Mit Aktivitätskoeffizienten γMg2+ = γCO2– = 1 gerechnet erhalten wir für
3
den Reaktionsquotienten:
•
 • =  Mg2+  • ·  CO2–  • = 1.27 ·10−5 .
Qs0 = γMg2+ ·  Mg2+
·  CO2–
aq  ·γCO2–
3,
aq
aq  
3, aq 





3
Die Überschlagsrechnung mit Aktivitätskoeffizienten = 1 zeigt eine knapp 2fache Übersättigung des Meerwassers bezüglich der Bildung von festem
MgCO3 an. Um sicher zu sein, müssen wir mit den Aktivitätskoeffizienten in
der Ionenlösung von Meerwasser rechnen . Diese betragen tatsächlich nur
0.23.
γMg2+ = γCO2− = 0.23 . Diese Werte im Reaktionsquotienten eingesetzt
3
ergeben den genaueren Wert von:
 • ·0.23·  CO2–  • = 6.7 ·10−7 ;
Qs0 = 0.23·  Mg 2+
aq
3, aq 



Qs0 < K s0 .
Meerwasser ist bezüglich des Festkörpers Magnesit untersättigt (ca. 10fach).
9-10
Box 9.1
Löslichkeitskonstante und thermodynamische Konstante
Box 9.1 Löslichkeitskonstante und thermodynamische Konstante
Gleichgewichtskonstante
Für ein Salz der allgemeinen Zusammensetzung Am Bn (s )
gilt die Reaktionsgleichung:
Am Bn (s ) = m An + (aq )+ n Bm − (aq )
(9-4)
mit dem Gleichgewichtsausdruck für die (thermodynamische) Gleichgewichtskonstante K(T):
K (T )
m
(aA
=
n+
, aq
) ·(aB
n
m−
, aq
)
.
aA
(9-5)
m Bn , s
Für die dergestalt formulierte Gleichgewichtskonstante gelten alle in den Kap. 6.9. und 7.3 gemachten
Angaben, insbesondere:
• Sie gilt für genau eine stöchiometrisch ausformulierte Reaktionsgleichung.
• Sie gilt für die angegebene Temperatur: K = K(T).
• Sie ist unabhängig von Zusammensetzung und Druck, weil die Abhängigkeiten des Gleichgewichts über
die einzelnen Aktivitätskoeffizienten in den Aktivitäten jeder Spezies enthalten sind.
Löslichkeitskonstante
Löslichkeitsgleichgewichte von Festkörpern haben im Nenner des Gleichgewichtsausdrucks nur die Aktivität des Festkörpers. Wird die Gleichgewichtskonstante mit dieser multipliziert, so erhalten wir die Löslichkeitskonstante Ks0 («K es null», s von solubility = engl. Löslichkeit und 0 für die Ionen im reinen
Aquakomplex). Die Löslichkeitskonstante enthält nur noch die Aktivitäten der Aqua-Ionen der Lösung,
was einen wesentlich vereinfachten Ausdruck ergibt:
K s0 (p,T,x J ) := K (T )·a A
m Bn , s
(
= a An + , aq
m
) ·(aB
m−
n
, aq
)
.
(9-6)
gilt, wird dann: K s0 (T ) = K (T ) .
Weil für reine Festkörper bei p° definitionsgemäss: a A∗ B , s := 1
m n
(Nur für p ≫ p
oder nicht reine Festkörper wird Ks0 eine Funktion von p, T, xAmBn). Ks0 lässt sich
auch in normierten Konzentrationsgrössen ausdrücken:
m
(
K s0 (T ) = (γAn + ) · cA• n + , aq
m
) ·(γB )n ·(cB•
m−
m−
n
, aq
)
.
(9-7)
Obiger Ausdruck ist exakt bei p = p° und reinem Feststoff. Sind die Aktivitätskoeffizienten der gelösten
Spezies bekannt und der Druck ca. 1 bar, so lässt sich Ks0(T) berechnen über die thermodynamische
Gleichgewichtskonstante K(T). Diese wird aber zu einer sehr einfachen Grösse für den häufigen Fall, dass
man alle Aktivitätskoeffizienten gleich eins setzen kann. Dann wird die Löslichkeitskonstante zum
Produkt der normierten Konzentrationen der gelösten Ionen hoch ihre stöchiometrischen Koeffizienten.
Nur in ideal verdünnter Lösung mit γ An + = γ Bm– = 1 gilt:
(
K s0 = cA• n + , aq
m
) ·(cB•
m−
n
, aq
)
.
(9-8)
Was hier als Ks0 definiert ist, heisst – aber auf der Konzentrationsbasis (!) – in deutschsprachigen
Lehrbüchern oft Lp (Löslichkeitsprodukt) und in englischsprachigen oft Ksp (solubility product).
Für den Reaktionsquotienten eines Gleichgewichts verwenden wir analog zu Ks0 das Symbol Qs0.
9-11
9
Auflösung und Fällung
9.5.3
Übersättigte Lösung
Für übersättigte Lösungen ist der Reaktionsquotient Q grösser als die
Gleichgewichtkonstante K:
Q >K
Beispiel 9.3
resp: Qs0 > K s0 .
(9-9)
Silberhalogenide
Zu 1 Liter einer Lösung die je 1 Mikromolare Konzentrationen von NaCl,
NaBr und NaI enthält wird 1 Milliliter einer 1 Millimolaren Silbernitratlösung zugegeben. Nach gutem Mischen wird keine Trübung der Lösung festgestellt. Man bestimme, bezüglich welcher Silberhalogenide die Lösung gesättigt, übersättigt bzw. untersättigt sind. Die Löslichkeitskonstanten sind:
log K s0 (AgCl ) = −9.75;
log K s0 (AgBr ) = −12.3;
log K s0 (AgI ) = −16.1 .
Lösung
–6
+
–6
–
Das (scheinbar) homogene System enthält: 3·10 M Na (aq), 10 M Cl
–6
–
-6
–
–6
–6
+
–
(aq), 10 M Br (aq), 10 M I (aq), 10 M NO3 (aq) und 10 M Ag (aq).
Alle Aktivitätskoeffizienten sind 1.00 und es gelten folgende
Reaktionsquotienten:
•
•
Qs0 (AgCl, s ) =  Ag+ (aq ) ·  Cl – (aq ) = 10−12 ; Qs0 K s0 < 1 ;

• 
•
Qs0 (AgBr, s ) =  Ag+ (aq ) ·  Br – (aq ) = 10−12; Qs0 K s0 ≈ 1 ;

• 
• 
Qs0 (AgI, s ) =  Ag+ (aq ) ·  I – (aq ) = 10−12 ; Qs0 K s0 > 1 .

 

Bezüglich Silberchlorid ist die Lösung untersättigt und es ist keine Fällung
von AgCl zu erwarten, bezüglich Silberbromid ist die Lösung fast exakt gesättigt und bezüglich Silberiodid ist sie übersättigt, aber es können nur ma–6
ximal 10 Mol festes Silberiodid ausfallen und das ist sehr wenig (0.23 mg).
9.5.4
Leicht lösliche Salze
Als leicht löslich könnte man die Salze benennen, von denen Konzentrationen von ca. 0.1-molar oder mehr löslich sind. Im Folgenden sind einige Regeln genannt, die u. U. nützlich sind – vor allem im Bereich der Laborarbeit
+
– die aber hier nicht weiter begründet werden. Mit H (aq) bilden diese Anionen extrem starke oder starke Säuren, es sind also sehr schwache Basen. Die
meisten Salze (aber nicht alle) mit 1fach geladenen Ionen sind gut löslich.
Tabelle 9.3 Anionen gut löslicher Salze
Vertreter von Anionen, die gut wasserlösliche Metallsalze bilden. Es sind
sehr schwache Basen.
NO3
–
–
Cl
–
Br
–
I
SO4
2–
ClO4
–
C2H3O2
–
Alle Nitrate sind gut löslich: benötigt man von irgendeinem der ca. 70
Metalle eine hohe wässrige Konzentration, kann man das entsprechende
Nitratsalz nehmen.
Die allermeisten Chloride sind gut löslich, Ausnahmen sind Silberchlorid
(AgCl), Quecksilber(I)chlorid (Hg2Cl2) und Blei(II)-chlorid (PbCl2);
nahezu gleich verhalten sich die Bromide und die Iodide, von denen
2+
zusätzlich Hg schwerlösliche Salze bildet.
Die meisten Sulfate sind gut löslich, Ausnahmen sind Metallionen der
2+
2+
Gruppe II, Pb , Hg2 .
–
Alle Perchlorate (ClO4 ) bilden gut lösliche Metallsalze, aber einige
Metallperchlorate sind hochexplosive Stoffe.
–
Unter den organischen Anionen bildet das Acetation (H3C–COO ) mit
allen Metallkationen leicht lösliche Salze.
Leicht lösliche Salze haben relativ grosse Gleichgewichtskonstanten, d. h. die
Ionenkonzentrationen sind relativ gross, womit die Ionenstärke der Lösung
gross wird, was kleine Aktivitätskoeffizienten zur Folge hat, was noch höhere
9-12
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze
Salzkonzentrationen ermöglicht. Bei solchen Gleichgewichten erreicht man
schnell wässrige Lösungen, die nicht mehr als annähernd ideale Lösungen beschrieben werden können. Konzentrierte Ionenlösungen haben wegen interionischer Wechselwirkungen ein kompliziertes Verhalten, das zu beschreiben
nicht Inhalt einer Grundlagenvorlesung ist. Als Beispiel sei die Konzentration einer gesättigten Kochsalzlösung abgeschätzt.
Beispiel 9.4
Löslichkeit von Kochsalz
–NaCl (s )+ Na+ ( aq ) + Cl – (aq ) = 0 .
logKs0 = 1.58
Das Produkt der Ionenkonzentrationen wird:
K s0
 Na + (aq)  • ⋅  Cl− (aq)  • =
.

 

γNa+ ⋅ γCl−
+
Da in einer reinen Kochsalzlösung Na
 Na+ (aq)  • =  Cl− (aq)  • =




und Cl äquimolar sind, wird:
K s0
γNa+ ⋅ γCl−
.
Umgeformt in logarithmische Grössen:
•
log  Na + (aq)  = log


 Cl− (aq)  • =


1
2
(log Ks 0 − log γNa ,
+
aq
)
− log γCl – , aq .
Bei Annahme von γ + = γ – = 1 würden die Ionenkonzentrationen ca. 6 M
Na
Cl
und nach der 1. Approximation der Aktivitätskoeffizienten über die Ionenstärke (I ≈ 6) sogar ca. 100 molar: ca. 6 kg Kochsalz pro 1 Liter Gesamtvolumen – ein unsinniges Resultat. Natürlich gibt es eine ganz bestimmte Sättigungskonzentration von Kochsalz (360 g NaCl/1000g Lösung), aber unsere
Werkzeuge, diese zu berechnen, sind für hochkonzentrierte Lösungen ungeeignet, brauchbar sind diese nur für verdünnte und ideal verdünnte
Lösungen.
9.5.5
Schwer lösliche und «unlösliche» Salze
Es gibt auch für diese Kategorie keine gültigen Grenzen, wo die Schwerlöslichkeit anfängt resp. aufhört. Für die untere Grenze liesse sich vielleicht sagen, dass die gelösten Ionen noch eindeutig messbar sein müssten, die obere
–2
könnte z. B. bei ca. 10 M liegen. Unter den Anionen, die in Wasser schwerlösliche Salze bilden, befinden sich zwei, die in natürlichen Gewässern eine
(oder die) zentrale Kontrolle der Löslichkeit fast aller Salze ausüben: das
–
Hydroxidion (OH ) und das in kalkigen Gebieten omnipräsente Carbonation
2(CO ). Die Konzentrationen aller unten angegebenen Anionen sind pH–
3
abhängig (im Bereich 0 ≤ pH ≤≈14).
Tabelle 9.4 Anionen schwer löslicher Salze
Anionen, die schwer lösliche Metallsalze bilden sind starke Basen.
–
OH
CO3
PO4
S
2–
2–
3–
Alle Hydroxide sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der Gruppe
I, sowie Ca(OH)2 (Grenzfall), Sr(OH)2, Ba(OH)2, die löslich sind.
Alle Metallcarbonate sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der
Gruppe I, die leicht löslich sind.
Alle Metallphosphate sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der
Gruppe I, die leicht löslich sind.
Alle Sulfide sind nahezu unlöslich, ausser denen mit den Metallen der
2–
Gruppen I und II. S kommt in anaeroben Gewässern vor.
Auch diese Anionen bilden mit Protonen Verbindungen bis zur Elektroneutralität, die Ampholyte oder Säuren: Wasser, Kohlensäure, Phosphorsäure
und Schwefelwasserstoff.
9-13
9
Auflösung und Fällung
Beispiel 9.5
Lösen eines «unlöslichen» Salzes: Kupfer(II)-sulfid
a) Zu welchen Konzentrationen an Kupfer-Ionen und Sulfid-Ionen führt das
Gleichgewicht von Kupfersulfid in reinem Wasser?
b) Wie viele Kupfer- resp. Sulfid-Ionen hat es in 1 Liter dieser Lösung?
a) CuS(s) = Cu 2+ (aq) + S2– (aq)
K s0 (CuS ) = 8 ⋅ 10 –37 ;
•
•
1
1
log  Cu 2+ (aq)  = log  S2– (aq)  = ⋅ log K s0 (CuS )= ⋅ log(8 ⋅ 10−37 ) = − 18 .




2
2
b) N Cu2+ =[Cu 2+ (aq)] ⋅ N A ⋅ V = 10−18 mol·dm -3 ⋅ 6.0 ⋅ 1023 mol -1 ·1dm 3 ≈ 6 ⋅ 105 .
Scheinbar eine grosse Zahl Kupfer-Ionen in diesem Wasser, aber auf
atomarer Ebene ist das eben ca. null, denn im gleichen Volumen hat es noch
etwa 33'000'000'000'000'000'000'000'000 Wassermoleküle, und es ist technisch
5
2+
unmöglich, ein Wasser so rein herzustellen (nur 5·10 Cu
-Ionen pro Liter,
–20
xCu2+ ≈ 1.6·10 ).
9.6
Randbedingungen bei Lösungsprozessen
9.6.1
Lösen mehrerer Salze in reinem Wasser
9.6.1.1
Lösen ungleicher Salze
Die einzelnen Lösungsgleichgewichte sind unabhängig voneinander, da keines
der Kationen und keines der Anionen das andere Salz in seiner Löslichkeit
direkt2 beeinflusst. Häufig ergeben aber die neuen Kombinationen von
Anionen und Kationen weniger lösliche Salze, welche dann ausfallen. Solche
Reaktionen mit einem Austausch der Partner heissen Metathese-Reaktionen;
sie sind vom allgemeinen Typ:
Am Bn (s ) = An+ (aq )+ Bm – (aq )
+ Co Dp (s ) = Cp+ (aq ) + Do− (aq )
An+ (aq )+ Bm – (aq ) + Cp+ (aq )+ Do− (aq ) = Ao Dn (s )+ Cm Bp (s )
(9-10)
(9-11).
Die Lösungen können zwei separate sein die zusammengegossen werden, oder
es kann eine Lösung hergestellt werden. Ob Festkörper vom Typ AoDn(s)
und CmBp(s) entstehen, entscheiden ihre Löslichkeitskonstanten.
Beispiel 9.6
Fällen eines unlöslichen Salzes
3
Zu 400 cm einer 0.00125 M Kaliumchromatlösung werden 100 ml einer
0.002 M Bariumnitratlösung zugegeben. Die Löslichkeitskonstanten sind:
–11
Ks0(KNO3) = 0.34; Ks0(BaCrO4) = 8.5·10 .
a) Welche Festkörper bilden sich?
b) Was sind die Konzentrationen im Gleichgewicht?
Lösung
a) Vor der Festkörperbildung sind folgende Ionenkonzentrationen vorhanden
 K+  • = 2·0.00125·0.4 = 2·10−3 ;  CrO2–  • = 0.00125·0.4 = 1·10−3 ;
4, aq 
 aq 

0.5
0.5
2
9-14
Eine indirekte Beeinflussung über die Aktivitätskoeffizienten findet statt, wird hier
aber nicht berücksichtigt.
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen
 Ba 2+  • = 0.002·0.1 = 4·10−4 ;  NO–  • = 2·0.002·0.1 = 8·10−4 ;
3, aq 
 aq 

0.5
0.5
 K+  • ·  NO–  • ≪ K
3, aq 
s0, KNO3 , s ;
 aq  
 Ba 2+  • ·  CrO2–  • ≫ K
4, aq 
s0, BaCrO4 , s .
 aq  
Es bildet sich nur festes Bariumchromat, BaCrO4(s).
2–
b) Die Löslichkeitskonstante ist sehr klein und die [CrO4 ] ist im 2.5fachen
2+
Überschuss: Wenn «alles» Ba
–4
ausfällt, hat es noch 6·10
M CrO4
2–
und
•
K s0
2+
die [Ba ] ist dann:  Ba 2+ (aq)  =
= 1.4·10−7 .


6·10 –4
9.6.1.2
Lösen zweier Salze mit gleichem Anion oder gleichem Kation
Sind in 2 (oder mehreren) Salzen gleiche Ionen vorhanden, so beeinflussen
die gleichen Ionen die Löslichkeit beider Salze. Wir beschränken uns hier auf
einfach zusammengesetzte Salze, entweder mit gleichem Kation A, AB(s)
und AD(s), oder mit gleichem Anion B, AB(s) und CB(s). Für zwei Salze
mit gleichem Anion B gilt in verdünnter Lösung:
AB(s )= A+ (aq ) + B– (aq );
K s0, AB
(9-12)
CB (s )= C+ (aq ) + B– (aq );
K s0, CB .
(9-13)
+
+
Wir haben 3 unbekannte Konzentrationen in Lösung: A (aq), C (aq) und B
–
(aq), wir brauchen 3 unabhängige Gleichungen: Die 2 Gleichgewichtsbedingungen der Salze und die Ladungsbilanz: Die Summe aller Ladungen ist null:
cA• + , aq ⋅ cB• − , aq = K s0, AB
und
cC• + , aq ⋅ cB• − , aq = K s0,CB
cA• + , aq + cC• + , aq = cB• − , aq .
(9-14)
(9-15)
Wir drücken cA• + , aq und cC• + , aq mit den Gleichungen (9-14) aus und setzen
sie in Gleichung (9-15) ein:
K s0, AB
cB• − , aq
+
K s0,CB
cB• − , aq
= cB• − , aq
.
(0-16)
Gleichung (9-16) ist eine einfache quadratische Gleichung, deren Resultat die
Konzentration des in beiden Salzen gleichen Anions ergibt:
cB• − , aq = K s0, AB + K s0, CB .
(9-17)
Mit dem Resultat von cB• − , aq lassen sich cA• + , aq und cC• + , aq über die
Gleichungen in (9-17) berechnen.
Beispiel 9.7
Lösen zweier Sulfate
Die beiden schwerlöslichen Sulfate: Blei(II)-sulfat und Bariumsulfat werden
gemeinsam in Wasser aufgeschlämmt. Man berechne die Konzentration jedes
Ions in Lösung, wenn Gleichgewicht zwischen der Lösung und beiden Salzen
besteht und alle Aktivitätskoeffizienten gleich eins sind.
Daten:
K s0 (PbSO4 ) = 1.3·10−8 ;
K s0 (BaSO4 ) = 1.5·10−9 .
Lösung
Die Reaktionsgleichungen sind
PbSO4 (s )= Pb2+ (aq ) + SO4 2– (aq )
K s0 (PbSO4 )
9-15
9
Auflösung und Fällung
BaSO4 (s )= Ba 2+ (aq ) + SO4 2– (aq )
K s0 (BaSO4 ).
Die Gleichgewichtsbedingungen für die zwei Kationen-Konzentrationen ergeben sich aus den Löslichkeits-Gleichgewichten, und diese in der Ladungsbilanz eingesetzt, ergibt für diese:
K s0, PbSO
4
•
cSO
2–
4 , aq
+
K s0, BaSO
4
•
cSO
2–
, aq
•
= cSO
. Aus dieser quadratische Gleichung wird:
2–
, aq
4
4
 SO2– (aq)  • = 1.3⋅10−8 + 1.5 ⋅ 10−9 = 1.20 ⋅ 10–4 ;  SO2– (aq)  = 1.20 ⋅ 10–4 M
 4

 4

2+
–4
Die Bleiionen-Konzentration wird: [Pb (aq)] = 1.08·10
2+
–5
nen-Konzentration wird: [Ba (aq)] = 1.25·10 M.
9.6.2
M, die Bariumio-
Lösen von Salzen in einer Ionenlösung
Unter einer Ionenlösung versteht man ein Wasser, das nicht rein ist, sondern
gelöste Ionen enthält, aber keinen Festkörper mit dem sie im Gleichgewicht
stehen. Physiologische Kochsalzlösung, Zellsaft, Blut, Meerwasser, Seewasser
sind alles Ionenlösungen von allerdings sehr unterschiedlichen Ionenkonzentrationen und -zusammensetzungen. Die in einer Ionenlösung vorhandenen
Ionen können die Löslichkeit bestimmter Salze massiv beeinflussen.
9.6.2.1
Die Ionenlösung enthält Ionen des zu lösenden Salzes
Enthält die Ionenlösung (die wässrige Lösung) vorgängig des Lösens eines
Salzes A B (s) schon eines oder beide dessen Ionen, so wird die Salzlöslichm n
keit dadurch vermindert. Der Grund dieser herabgesetzten Löslichkeit ist
einleuchtend: Für die Löslichkeit des Salzes gilt strikte seine Löslichkeitskonstante, unabhängig davon, ob eines oder mehrere seiner Ionen schon im
Wasser waren, oder ob diese erst durch seine Auflösung hineinkommen.
Beispiel 9.8
Löslichkeit von Bleichlorid in Chlorid-Lösungen
2+
Man vergleiche die Löslichkeit des zweiwertigen Blei-Ions, Pb (aq) in den 3
Medien: a) reines Wasser, b) Physiologische Kochsalzlösung, c) Meerwasser.
Daten: Physiologische Kochsalzlösung: wNaCl = 0.90%.
–
Meerwasser: Im Mittel beträgt die Chloridkonzentration [Cl (aq)] =
0.545 M.
In allen Fällen sollen die Aktivitätskoeffizienten = 1 gesetzt werden.
-5
Löslichkeitskonstante von Blei(II)chlorid, PbCl (s): Ks0 = 1.6·10 .
2
• Reaktionsgleichung:
PbCl2 (s )= Pb2+ (aq ) + 2Cl – (aq );
K s0 (PbCl 2 ).
• Gleichgewichtsbedingung:
•
cPb
2+ =
K s 0, PbCl
2
c • 2–
Cl
.
a) In reinem Wasser ist die anfängliche Chloridkonzentration null; alles
später im Gleichgewicht vorhandene Chlorid stammt aus der Auflösung
des Salzes PbCl2(s), und wegen der Zusammensetzung des Bleichlorids
(seiner Stöchiometrie) gilt jederzeit während der Auflösung:
–
[Cl (aq)] = 2 [Pb
2+
(aq)]. Diesen Ausdruck oben einsetzen liefert uns die
Sättigungskonzentration von zweiwertigem Blei in reinem Wasser:
9-16
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen
 Pb2+ (aq)  • = Ks0 (PbCl2 ) .


2
•
  2+
 2 Pb (aq)  
 
 
 Pb2+ (aq)  • =


3
Ks 0 (PbCl2 )
4
= 1.59·10−2 .
b) Die Chloridkonzentration beträgt 0.154 M, und das Produkt
2+
–
2
[Pb (aq)]·[Cl (aq)] muss die Gleichgewichtskonstante der Auflösung
erfüllen. Damit erhalten wir für:
 Pb2+ (aq)  • = Ks 0 (PbCl2 ) = 6.75·10−4 .
2


(0.154 )
In einer physiologischen Kochsalzlösung ist die maximale Konzentration
an löslichem zweiwertigem Blei ca. 20 mal geringer als in reinem Wasser.
2+
c) Die Chloridkonzentration beträgt 0.545 M, und das Produkt [Pb (aq)] ·
–
2
[Cl (aq)] muss die Gleichgewichtskonstante der Auflösung erfüllen, damit
erhalten wir für:
 Pb2+ (aq)  • = Ks 0 (PbCl2 ) = 5.39·10−5 .
2


(0.545 )
Im Meer ist die maximale Konzentration an löslichem zweiwertigem Blei
ca. 300-mal geringer als in reinem Wasser. Bei Einsetzen der gültigen
Aktivitätskoeffizienten wird die lösliche Bleikonzentration im Meerwasser
gegenüber dem oben berechneten Wert einiges grösser.
–
Beachte: Die Zunahme der [Cl ] durch Auflösen der geringen Menge PbCl2
wird vernachlässigt.
9.6.2.2
Die Ionenlösung enthält keine Ionen des zu lösenden Salzes
Sind die vorgängig im Wasser gelösten Ionen von denen des Salzes AmBn(s)
verschieden, so haben jene keinen direkten Einfluss auf die Löslichkeit des
Salzes. Ein indirekter Einfluss besteht nur über die höhere Ionenstärke auf
die Aktivitätskoeffizienten γA und γB.
9.6.2.3
Experimentelles Arbeiten in Lösungen konstanter Ionenstärke
Im Labor wird bei experimentellen Messungen häufig eine ionenhaltige Lösung der Probelösung zugeführt, um dabei eine Messgrösse als Funktion
einer Stoffzugabe zu bestimmen; so z. B. bei der Säure-Base-Titration einer
Probelösung. Das Störende dabei ist nicht die Ionenstärke selbst, sondern
ihre kontinuierliche Änderung im Verlauf der Messungen. Diese Probleme
lassen sich leicht lösen, indem man in einem Medium konstanter Ionenstärke
arbeitet. Ist diese «Hintergrund»-Ionenstärke mindestens 10-mal grösser als
die durch die Zugabe bewirkte, so ist die Ionenstärke I über die ganze Messreihe genügend konstant. Sind im Zusammenhang mit den Messungen
Gleichgewichtskonstanten betroffen, so ändern sich zwar deren Absolutwerte,
aber sie bleiben während der ganzen Messung konstant. Statt der Gleichgewichtskonstante K (eine beliebige Gleichgewichtskonstante, also auch Ks0)
c
c
erhalten wir dann eine Konstante K (bzw. K s0
), die nur für die angesetzte
Ionenstärke I gilt und sich aus K berechnen lässt, und die für alle Lösungen
gleicher Ionenstärke gültig bleibt.
N
−νJ
K c = K· ∏ (γJ )
.
(9-18)
J=A
9-17
9
Auflösung und Fällung
9.7
pH-Abhängigkeit der Löslichkeit
Ohne Verstehen was der pH ist, wie Säure- und Basekonzentrationen von
ihm abhängen und wie diese Abhängigkeiten dargestellt werden (graphische
Darstellung im doppeltlogarithmischen Diagramm), sind die Löslichkeitsgleichgewichte von Feststoffen nicht zu ergründen.
9.7.1
Der pH als Mastervariable
Die Löslichkeit von Ionenverbindungen ist für einen grossen Teil der Salze
pH abhängig. Für alle natürlichen Gewässer (Meer-, See-, Fluss-, Grundwasser) ist der pH die bedeutendste Variable in der Begrenzung vieler Metallionenkonzentrationen in Lösung, wichtiger als die Temperatur. Der pH wird
deshalb gerne als «Mastervariable» bezeichnet. Betrachten wir zuerst kurz
in welchen Fällen und wie der pH die Löslichkeit von Salzen bestimmt.
Die leicht wasserlöslichen Salze enthalten als Anionen eine sehr schwache
Base (die Base einer sehr starken Säure). Dies heisst, im ganzen relevanten
pH-Bereich existiert ausschliesslich die zur Säure konjugierte Base, oder,
anders gesagt, es gilt im gesamten pH-Bereich: α1 = 1 (für Sulfat: α2 = 1 für
pH ≈ 3): Die Löslichkeit der leicht löslichen Salze ist nicht pH-abhängig.
Die schwerlöslichen und die unlöslichen Salze enthalten als Anionen eine
2–
3–
–
2–
starke (OH , S ) oder eine schwache (CO3 , PO4 ) Base. Deren Konzentration ist im ganzen für natürliche Gewässer bedeutsamen pH Gebiet vom
pH abhängig: α1, resp. α2, resp. α3 sind eine Funktion des pH. Damit werden
– wie aus dem Löslichkeitsgleichgewicht sofort hervorgeht – auch die
Metallionenkonzentration pH-abhängig, und dies in zur Anionenkonzentration reziproker Weise. Je nach Zusammensetzung des Festkörpers kann
+
die Abhängigkeit auch in 2. oder 3. Potenz zur H - Konzentration verlaufen:
Die Löslichkeit der schwer- und der unlöslichen Salze ist pH-abhängig. Damit
sind die Löslichkeiten der wichtigsten, die Zusammensetzung der natürlichen
Gewässer (nicht gültig für Meerwasser) regulierenden, Festkörper allesamt
pH abhängig. Die in unsern Regionen dominanten festen Phasen im
Gleichgewicht mit ihrer wässrigen Lösung sind die Hydroxide und die
Carbonate. Allen voran ist das Calciumcarbonat/Carbonat-Gleichgewicht
(Kalk-Gleichgewicht) von Bedeutung. Es ist deshalb angebracht, diesen
wichtigen Gleichgewichten ein eigenes Unterkapitel zuzuordnen. Die
exemplarisch dargestellten Reaktionen, Gleichgewichtsrechnungen und
graphischen Darstellungen sind natürlich von allgemeiner Gültigkeit und
vom Prinzip her auf jedes Löslichkeitsproblem anwendbar, sei dies im Reagenzglas, in grosstechnischen Produktionsanlagen, in biologischen Systemen
oder in der abiotischen Umwelt – Gesetze der Chemie bleiben Gesetze,
allüberall!
9.8
Hydroxide
Das Hydroxidion bildet mit den meisten Metallionen schwerlösliche Festkörper. Leichtlösliche Hydroxide sind die mit Metallkationen (M) der Gruppe I
+
mit der Ladung 1+ (M ) und einige der Gruppe II mit der Ladung 2+
2+
(M ): Strontium– und Bariumhydroxid; Calciumhydroxid ist ein Grenzfall.
9-18
9.8 Hydroxide
Zusammenfassung
• Jede wässrige Lösung enthält Hydroxidionen; ihre Konzentration nimmt
um den Faktor 10 zu, wenn der pH um 1 steigt.
• Viele Metallionen bilden schwerlösliche feste Hydroxide; ihre Stöchiometrie kann MOH, M(OH)2 oder M(OH)3 sein.
n+
• Die Konzentration vieler Metallionen M (aq) in Gewässern wird limitiert
durch die Löslichkeit ihres Hydroxids M(OH)n(s).
• Die Löslichkeit eines Metallhydroxids ist eine Funktion seiner Stöchiometrie, seiner Löslichkeitskonstante und des pH-Wertes der Lösung.
• Die Abhängigkeit der Löslichkeit eines Metallhydroxids von seiner
Stöchiometrie (Geradensteigung), seiner Löslichkeitskonstante (Achsenabschnitt der Geraden) und vom pH kann in einem Löslichkeitsdiagramm:
«logcMn2+ vs. pH» übersichtlich aufgezeichnet werden.
9.8.1
Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 1+
Es gibt nur wenige Beispiele solcher Hydroxide, sie werden deshalb hier aufgeführt, weil die Stöchiometrie ihrer Auflösung und deren pH-Abhängigkeit
besonders einfach sind und sich deshalb gut eignen zur Einführung einiger
–
neuen Überlegungen und Darstellungen. Das Hydroxidion (OH , oder auch
–
HO geschrieben) hat immer die Ladung 1–. Mit Metallionen (M) der La+
dung 1+ (M ) ergibt sich die allgemeine Formulierung:
Für die Auflösung des Festkörpers MeOH(s)
MOH (s ) = M+ (aq )+ OH – (aq ) .
K
s0
(9-19)
Mit der Gleichgewichtsbedingung:
 M+ (aq)  • ⋅  OH – (aq)  • = K .
s0

 

(9-20)
In der logarithmischen Formulierungsweise erhalten wir für die Auflösung
des Hydroxids nach Logarithmieren der Gleichung:
•
•
log  M+ (aq)  + log  OH– (aq)  = log K s0 .




(9-21)
Aufgelöst nach dem Logarithmus der Metallkonzentration und dem Ersatz
–
+
von [OH ] durch die gängigere Grösse [H ] mit:
•
•
log  OH– (aq ) = log K w − log  H+ (aq )




(9-22)
•
log  M+ (aq)  = log K s0 − log K w − pH .


(9-23)
ergibt sich:
9.8.2
Hydrolysekonstante
K s0 und K w sind beides Konstanten (die von der Temperatur abhängen)
und sie können zu einer einzigen Konstante, der Hydrolysekonstante, zusammengefasst werden. Diese ist im Rahmen des pH als Mastervariable ganz
einfach viel bequemer, als die Löslichkeitskonstante. Hydrolysekonstanten
werden für viele Gleichgewichte in wässriger Lösung (nicht nur, für Löslichkeitsgleichgewichte) verwendet und allgemein mit einem hochgestellten Stern
vor dem entsprechenden K bezeichnet, als ∗K oder eben ∗K s0 . Welches
Gleichgewicht steht hinter der Hydrolysekonstante? Wir addieren die
Hydroxid-Auflösungsgleichung (9-19) und die Umkehrung der Autoprotolysegleichung von Wasser (Kapitel 8.4):
9-19
9
Auflösung und Fällung
= M+ (aq )+ OH– (aq )
MOH(s )
H+ (aq )+ OH – (aq ) = H2O(l )
K s0
K w–1
(9-24)
und erhalten als Reaktionsgleichung:
= M+ (aq )+ H2O(l ) K s0 ·K w–1
MOH(s )+ H+ (aq )
(9-25)
mit dem Gleichgewichtsausdruck:
 M+ (aq ) •


 H+ (aq )


Definition:
•
=
K s0
Kw
= *K s0 .
(9-26)
Die Hydrolysekonstante der Auflösungsreaktion eines Metallhydroxids der Zusammensetzung M(OH)n(s) ist:
*
K s0 :=
K s0
n
.
(9-27)
(K w )
In der logarithmischen Form wird daraus:
log ∗K s0 = log K s0 + n ·pK w .
9.9
(9-28)
Graphische Darstellung
Ganz analog zum Gebrauch der graphischen Methode in der Darstellung von
Säure-Base-Reaktionen verwenden wir sie hier, um die pH-abhängige Löslichkeit von Salzen darzustellen. Die auffälligsten Vorteile einer Graphik
sind:
• Übersichtliche Präsentation, in welchen pH- und Konzentrationsbereichen
Festkörper existenzfähig sind und wo nicht.
• Leichte Erkennbarkeit aller Gleichgewichtsorte des Festkörpers mit seiner
gesättigten Lösung im interessierenden pH-Bereich.
• Bei Lösungen mehrerer Salze eine übersichtliche Darstellung, welches in
welchem pH-Bereich der thermodynamisch stabile Festkörper ist.
• Leichte Bestimmbarkeit des Gleichgewichtzustands der Ionenkonzentrationen und des pH-Werts beim Auflösen eines Salzes in Wasser.
Die Ausgangssituation zur graphischen Darstellung von Festkörpergleichgewichten ist dieselbe wie für Säure-Base-Gleichgewichte:
• Wir starten mit einem ca. 14 x 14 Einheiten (cm) grossen Quadrat. Seine
Abszisse ist die unabhängige Variable pH (von 0 bis pKw) und seine Ordinate ist die abhängige Spezieskonzentration in logarithmischer Auftra+
gung (von –pKw bis 0). Im Quadrat werden auch die Diagonalen als H –
Konzentration resp. OH -Konzentration eingetragen.
• Darin eingetragen werden die Geraden, welche das Gleichgewicht zwischen Festkörper und homogener Ionenlösung darstellen. Auf der einen
Seite der Gleichgewichtsgerade ist der Bereich der Übersättigung (Q >
K), auf der anderen Seite ist der Bereich der Untersättigung (Q < K).
Die Geraden haben die Steigungen 0, –1, –2 oder –3.
• Im Nahbereich von Geradenschnittpunkten ( pHSchnittpkt. ± 1pH ) gilt korrekterweise eine Kurve: Die Summe von 2 Konzentrationen. Bei Bedarf
kann die Kurve gezeichnet werden, in vielen Fällen ist dies unnötig.
9-20
9.9 Graphische Darstellung
9.9.1
Graphische Darstellung der Löslichkeit von Hydroxiden
9.9.1.1
Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 1+
Wir greifen zurück auf die Gleichgewichtsformulierung der Auflösung eines
Metall-(mono)-hydroxids:
(9-19)
-2
–
[M ]·[OH ] = Ks0 und mit [M ] = [OH ] = ≈Ks0; und in logarithmischer
+
–
Form: log [M ] = log[OH ] = ½log Ks0.
Man beachte, dass sowohl der pH als auch die Ionenkonzentrationen von der
Ionenstärke abhängen, was in den Bereichen pH < 2 und pH > 12 zu Abweichungen von einer Geraden führt. Wir berücksichtigen diese Abweichungen
nicht. Geraden in diesen Bereichen sind also mit Vorbehalt zu interpretieren.
Beispiel 9.9
Graphische Darstellung der Silberhydroxid-Löslichkeit
m = +1
+1
-1 4
+
2
4
Figur 9.8
•
6 pH 8
10
12
14
Löslichkeitsdiagramm
der Metallhydroxide
Löslichkeits-/Fällungsdiagramm eines
Metallhydroxids der Zusammensetzung
+
MOH(s). Die Gerade M stellt die mit
dem Festkörper im Gleichgewicht stehende Metallkonzentration dar (Sättigungskonzentration); rechts davon ist
Übersättigung (Festkörper), links davon Untersättigung (kein Festkörper).
pKw
0
AgOH(s)
m = -1
-2
+1
-4
1/
–3.85
H+
-6
Man zeichne graphisch das Löslichkeits-/Fällungsdiagramm log[Ag , aq] vs.
pH von Silberhydroxid in reinem Wasser bei θ = 25°C :
m = +1
+1
2·logKs0
Ag+
-8
OH-10
-12
a) Über die Löslichkeitskonstante: pKs0 = 7.7.
-14
b) Über die Hydrolysekonstante *Ks0.
0
2
−
Die Reaktionsgleichung ist: −AgOH (s )+ Ag+
aq + OHaq = 0
pK s0 = 7.7 .
a) Mit der Löslichkeitskonstante Ks0 (s. Figur 9.9):
• Das Diagramm zeichnen wir im Bereich: 0
≤≈ pH ≤≈ 14.00 und
–14 ≤≈ log[Spezies(aq)] ≈≤ 0, weil der pKw bei 25 °C 14.00 beträgt.
–
• Die Gerade [OH ] vs. pH hat die Steigung +1 und geht durch den Punkt
(0/–14).
+
• Die Gerade [Ag ] vs. pH hat die entgegengesetzt gleiche Steigung, wie die
–
+
–
[OH ]-Gerade, weil das Produkt [Ag ]·[OH ] eine Konstante ist und weil
+
–
damit log[Ag ] + log[OH ] = konstant = logKs0 ist.
–
+6
14
log* K s0
+1
m = -1
pKw
+2
0
AgOH(s)
-2
-4
H+
Ag+
-6
b) Mit der Hydrolysekonstante *Ks0 (s. Figur 9.10):
-1 2
• Der Logarithmus der Hydrolysekonstante ist laut Gleichung (9-28):
log*Ks0 = –7.7 + 14.00 = 6.3. Sie ist laut Gl. (9-29) der Achsenab–
+
schnitt der Geraden log[Ag ], welche dieselbe Steigung hat wie in a).
Damit ist das Diagramm sehr einfach herzustellen, s. Figur 9.10.
12
Löslichkeitsdiagramm
von Silberhydroxid
6.3
+4
-1 0
–
10
Konstruktion über die Steigung der
+
[Ag ]-Geraden und den Schnittpunkt
–
mit der [OH ]-Geraden bei ½ log Ks0.
• Die Geraden [Ag ] und [OH ] schneiden sich am Punkt ≈Ks0 resp:
+
–
log[Ag ] = log[OH ] = ½ log Ks0 = –3.85. Siehe Figur 9.9.
• Der Diagramm-Bereich und die Gerade log[OH ] vs. pH wie in a)
6 pH 8
4
Figur 9.9
Lösung
+
+
-1 0
0
Dies ist eine Geradengleichung: «y = m·x + q» (mit y = log[M aq], x = pH
und q = log*Ks0. Diese Gerade stellt die Gleichgewichtskonzentration des
+
gelösten Metallions M (aq) als Funktion des pH dar, wie es in Figur 9.8
dargestellt ist. Log*Ks0 ist der Achsenabschnitt (bei pH 0) und –1 ist die
Steigung. Weitere eingetragene wichtige Orte sind: Die Autoprotolysekonstante Kw (Kw = 14.00 bei 25 °C) und die Löslichkeitskonstante Ks0. Diese ist
+
–
als ½log Ks0 am Schnittpunkt der [M , aq] und der [OH ], weil dort gilt:
1/2·logKs0
-8
+
+
H
(9-29)
e+
M
-6
-1 2
 = log ∗K − pH .
log  M+
s0
 aq 
–
MeOH(s)
m = -1
und setzen in der logarithmischen Formel für seine Metallkonzentration
(Gleichung (9-23)) die logarithmische Form der Hydrolysekonstante (Gleichung (9-28)) ein und erhalten für den Logarithmus der GleichgewichtsMetallkonzentration:
+
+1
-4
H-
K s0 .
pKw
0
O
MOH (s ) = M+ (aq )+ OH– (aq )
log* Ks0
-8
OH-
-1 4
0
2
Figur 9.10
4
6 pH 8
10
12
14
Löslichkeitsdiagramm
von Silberhydroxid
Konstruktion über die Steigung der
+
[Ag ]-Geraden und ihren Achsenabschnitt log *Ks0.
9-21
9
Auflösung und Fällung
9.9.1.2
Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 2+
Der Grossteil der wichtigeren Hydroxide wird gebildet mit Metallkationen
2+
der Ladung 2+ M . Deren Auflösungsgleichung (die Fällungsgleichung ist in
umgekehrter Richtung) ist:
–
M (OH ) (s ) = M2+
aq + 2OHaq
2
K s0 .
(9-30)
Mit der Gleichgewichtsbedingung für Spezieskonzentrationen ergibt sich:
2
K s0
 M2+ (aq)  • ⋅  OH – (aq)  •  =

  
 
γ M2 + ⋅ γ 2
(9-31)
OH –
und in logarithmischer Schreibweise, aufgelöst nach der Metallionenkonzentration und für die Aktivitätskoeffizienten = 1, erhalten wir:
•
•
log  M2+ (aq)  = log K s0 − 2 ⋅ log  OH– (aq)  .




(9-32)
Die Hydrolysereaktion des Metallhydroxids mit der Hydrolysekonstante ist:
2+
M (OH ) (s )+ 2H+
aq = Maq + 2H2O (l )
2
∗
K s0
(9-33)
und hat für die Metallkonzentration den Gleichgewichtsausdruck:
2
 M2+  • = ∗K ·  H+  • 
s0 
 aq 
  aq  
und
K s0 = K s0 ·K w–2 .
∗
(9-34)
+
Die lösliche Metallkonzentration ändert sich quadratisch zur [H (aq)]!
In der logarithmischen Schreibform mit der Hydrolysekonstante ergibt sich:
•
log  M2+ (aq)  = log ∗K s0 − 2 pH .


(9-35)
Der Logarithmus der Metallkonzentration nimmt um 2 Einheiten ab, wenn
der pH um +1 steigt!
Graphische Darstellung im log[Spezies(aq)] vs. pH -Diagramm
+ 16
Neu ist, dass die Steigung der gesuchten Geraden den Wert –2 (statt –1) hat
–
und dass ihr Schnittpunkt mit der OH -Geraden nicht mehr bei ½ logKs0
2+
–
liegt, da die beiden Spezies [M (aq)] und [OH (aq)] nicht im Verhältnis 1:1,
sondern im Verhältnis 1:2 im Festkörper vorliegen. Stellen wir die Situation
in einem Beispiel dar und eruieren dabei auch noch graphisch den pH der
Lösung, wenn festes Metallhydroxid reinem Wasser zugegeben wird.
c
log* Ks0
15.2
+1
+ 14
m = -2
Beispiel 9.10 Graphische Darstellung der Mangan(II)-hydroxid-Löslichkeit
+1
m = -2
+2
pKw
0
Mn2+
–2
Mn(OH)2 (s)
[OH–]
-4.2
–4
-4.5
[Mn 2+]
H+
–6
–8
2+
Mn2+
–14
4
6 pH 8
10
12
14
pH − 9.8
Figur 9.11
–
c) Man bestimme graphisch die [Mn (aq)] und die [OH (aq)] der gesättigten Lösung.
–12
2
a) Man zeichne das Stabilitäts-(=Löslichkeits-) diagramm von Pyrochroit.
b) Man finde graphisch den pH der gesättigten Pyrochroit-Lösung.
OH-
–10
0
10 Milligramm pulverisiertes Pyrochroit (Mn(OH)2(c)) werden mit reinem
Wasser auf einen Liter aufgefüllt und genügend lange Zeit bei θ = 25 °C
äquilibriert. Pyrochroit hat eine Hydrolysekonstante von: log*Ks0 = 15.2.
Stabilitätsdiagramm
von Pyrochroit
d) Man berechne die Löslichkeitskonstante K
s0
von Pyrochroit.
e) Welche Masse Pyrochroit hat das heterogene System im Gleichgewicht?
Lösung
a) Zeichnen des Stabilitäts-/Löslichkeitsdiagramms von Pyrochroit wie in
Figur 9.11 mit Detail in Figur 9.12:
9-22
9.9 Graphische Darstellung
2+
Die Gerade der Gleichgewichtslöslichkeit log[Mn (aq)] geht laut
Gl. (9-35) durch den Achsenabschnitt q = log*Ks0 und hat die Steigung
m = –2. Man beachte die aus Platzgründen unterbrochene
Ordinatenachse.
+
–
2·M
n2
+
+
d) Die Löslichkeitskonstante berechnet sich aus der Hydrolysekonstante und
der Autoprotolysekonstante mit n = 2 (Gl. (9-28)) zu:
2
Mn
c) Die Hilfsgerade parallel der Ordinate durch pHGG liefert die Gleichge–
–
–5
2+
wichts-Werte von log[OH ] ≈ –4.2; [OH ] ≈ 6.3·10 M und log [Mn ] ≈≈
2+
–5
–4.5; [Mn ] ≈≈ 3.2·10 M.
[OH–]
A
log 2 = 0.30…
B
[Mn2+]
O
H–
2+
b) Es gilt die Neutralitätsbedingung: 2·[Mn (aq)] + [H (aq)] = [OH (aq)].
+
2+
Da im gesamten pH-Bereich [H (aq)] << [Mn (aq)] ist, vereinfacht sich
2+
–
dies zu: 2·[Mn (aq)] = [OH (aq)]. Gleichheit ist der Schnittpunkt der
–
2+
Geraden der [OH (aq)] mit der von 2·[Mn (aq)]. In logarithmischer
2+
2+
Schreibung: Log(2·[Mn (aq)]) = log 2 + log[Mn (aq)] und weil log 2 =
2+
+0.30 ist, verläuft die Gerade von log 2·[Mn (aq)] um +0.30 Einheiten
2+
vertikal versetzt, parallel oberhalb der log[Mn (aq)]-Geraden. Deren
Schnittpunkt ist der Gleichgewichtsort (Punkt A in Fig. 9.12) und liefert
auf der Abszisse den gesuchten pH-Wert von ca. 9.8.
-13
log K s0 = log ∗K s0 − 2 pK w = 15.2 − 28.0 = −12.8 ; Ks0 = 1.6·10 .
log 2 = 0.30…
e) Die Massenbilanz ist der Schlüssel zur Problemlösung: Die Stoffmenge
Mn ist konstant und gleich der Summe von Mn in allen Phasen α:
nMn =
Mn(OH) , s
Mn
α
= nMn
+ nMn
∑ α nMn
2
Mn(OH)2 , s
nMn
Mn
= nMn(OH) (0 ) − nMn
2+
2+
, aq
= nMn(OH) (0 ) = 0.1125 mol und:
2
, aq
;
2
pH −
9.8
Figur 9.12 Konstruktionsdetail
10fach vergrösserter Ausschnitt
des eingekreisten Bereichs oben. A
ist die Lösung des gesuchten pH.
= 0.1125 mmol − 3.2·10−5 mol dm -3 ·1dm3 = 80.5 µ mol
mMn(OH ) , s = 7.2 mg .
2
9.9.1.3
Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 3+
Eisen und Aluminium kommen in der Umwelt häufig als 3-wertige Kationen
vor und können feste Hydroxide bilden. Für ihre graphische Darstellung, ihre
Hydrolysekonstanten und die Berechnungen der Löslichkeiten gelten die gleichen Gesetze, wie sie für die ein- und zweiwertigen Metallkationen beschrieben wurden. Für die allgemeine Reaktionsgleichung ihrer Auflösung:
M (OH ) (s ) = M3aq+ + 3OH−
aq
3
K s0
(9-36)
gilt die Gleichgewichtsformulierung (in der logarithmischen Form):
•
log  M3aq+  = log ∗K s0 − 3 pH


log ∗K s0 = log K s0 + 3 pK w .
(9-37)
Die Löslichkeitskonstante Ks0 lässt sich aus den ∆fG°-Werten berechnen.
9-23
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