Auf Depressionen und Verhaltensstörungen im

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Frühe nichtmotorische Symptome bei Parkinson
Auf Depressionen und Verhaltensstörungen im Schlaf achten
Beim idiopathischen Parkinsonsyndrom beginnt die Neurodegeneration
wahrscheinlich nicht in den Basalganglien, sondern oft – allerdings nicht
bei allen Patienten – im Riechhirn
und in der Medulla oblongata. Deshalb sind anfänglich nichtmotorische Symptome zu erwarten. Die
Parkinsonkrankheit beschränkt sich
auch keineswegs auf dopaminerge
neuronale Systeme, berichtete Professor Dr. Claudio Bassetti, Direttore
del Neurocentro (EOC) della Svizzera
Italiana, Ospedale Civico, Lugano, im
Rahmen der 183. Fortbildungstagung
der Schweizerischen Neurologischen
che mit Abnahme der Benennungsmöglichkeiten muss vom Arzt gezielt
mit Tests gesucht werden, denn die
Betroffenen berichten darüber nicht
spontan. Zu den nichtmotorischen
Frühsymptomen gehören auch Rücken- und Extremitätenschmerzen
sowie intestinale Beschwerden (z.B.
Obstipation, Entleerungsstörungen),
welche die Akzeptanz der Medikamente erschweren können.
Schläge und Würgen
im Schlaf
Professor Dr.
Claudio Bassetti
Gesellschaft an einem Symposium der
Firma Boehringer Ingelheim.
Geruchsstörungen können als Frühmanifestation auf eine beginnende
Parkinsonkrankheit hindeuten. Die
olfaktorische Diskriminierungsschwä-
Depressionen kommen sehr häufig
und schon früh vor. Bei der Auswahl
der Antidepressiva sollte der Schlaf
berücksichtigt werden. Patienten mit
Schlafstörungen profitieren besonders von sedierenden Antidepressiva,
schläfrige und apathische Patienten
dagegen von eher stimulierenden
Antidepressiva. Anticholinerg wirkende Antidepressiva sollten bei
älteren Patienten mit fortgeschrit-
Zugleich gegen chronische Schmerzen und Depressionen
Antidepressivum mit Doppeleffekt
Depressionen verstärken
chronische Schmerzen
Depressionen verstärken die
Schmerzwahrnehmung, da Betroffene pessimistisch auf den Schmerz
konzentriert sind. Zudem beeinträchtigen Depressionen die Schmerzverarbeitung und Schmerzbewältigung.
Schlafstörungen und andere depressive Symptome intensivieren
Schmerzen zusätzlich. Chronische
Schmerzpatienten mit Fibromyalgie
leiden häufig auch an Depressionen.
Anders als Hyperalgesie, Schmerz
und Müdigkeit gehört allerdings die
depressive Verstimmung nicht pri-
Professor Dr. Peter Keel
mär zu den Hauptsymptomen der
Fibromyalgie. Typischerweise sind
Schmerzpatienten leistungsorientierte Personen mit gutem Selbstvertrauen, die nicht auf sich selbst,
sondern auf ihren Körper wütend
sind, weil er bei Schmerzen versagt
hat, so der Referent.
Die Hyperalgesie kann bei Fibromyalgiepatienten medikamentös mit
Antiepileptika oder Antidepressiva,
durch kognitive Verhaltenstherapie
und durch Physiotherapie günstig
beeinflusst werden. Gegen die Müdigkeit und die Schlafstörungen
helfen Antidepressiva, psychodynamische Psychotherapie und Fitnesstraining.
Trizyklische Antidepressiva bessern bei Patienten mit Fibromyalgie
hauptsächlich die Schlafstörungen
und die Müdigkeit, jedoch weniger
die Schmerzen. Weil das vegetative
Nervensystem bei Fibromyalgie überreizt ist, reagieren die Patienten häufig mit heftigen Nebenwirkungen auf
Medikamente. Es empfiehlt sich des-
Dass Pramipexol (Sifrol®) nicht nur motorische Parkinsonsymptome, sondern auch
Depressionen günstig beeinflusst, wurde in einer 14-wöchigen, rando­misierten Studie
gezeigt, die den Dopaminagonisten (1,5 bis 4,5 mg Pramipexol täglich) mit dem SSRI-Antidepressivum Sertralin (50 mg täglich) verglich.1 An der Studie beteiligten sich nur
Parkinsonpatienten mit Major Depression, bei denen weder motorische Fluktuationen
noch Dyskinesien bestanden. So konnte der antidepressive Effekt des Dopaminagonisten
unabhängig von indirekten Beeinflussungen der Depression wegen Verbesserungen der
Motorik geprüft werden. Mit Pramipexol wurden signifikant häufiger Remissionen der
Depression erreicht (bei 60,6 %) als mit dem SSRI (27,3 %; p = 0,006). Die Autoren leiteten
aus den Studienergebnissen ab, dass der verwendete Dopaminagonist bei depressiven
Parkinsonpatienten eine Alternative zu Antide­pressiva darstellen kann.1
Um die Parkinsontherapie für die Patienten einfacher zu gestalten, wurde für Pramipexol
eine Formulierung mit verlängerter Wirkstofffreisetzung entwickelt, die in der Schweiz
allerdings noch nicht zugelassen ist. Die einmal tägliche Einnahme macht die Therapie
angenehmer und kann die Compliance und möglicherweise auch die Verträglichkeit
günstig beeinflussen, da die Stimulation der Dopaminrezeptoren kontinuierlicher erfolgt.
tenem Parkinsonsyndrom vermieden werden. Eine idiopathische
REM-Schlaf-Verhaltensstörung zu
erkennen ist wichtig, weil viele Patienten im Lauf der Jahre motorische
Parkinsonsymptome und kognitive
Störungen entwickeln. Betroffene
agieren ihre Träume mit Schrei-
en und Schlägen von Händen und
Füssen heftig aus, wobei Selbst- und
Fremdverletzungen vorkommen. In
der Polysomnografie fällt auf, dass
im REM-Schlaf plötzlich zuviel motorische Aktivität auftritt. Clonazepam gilt als Mittel der ersten Wahl
zur Behandlung dieser Parasomnie.
auf Schmerz, Müdigkeit und Alltagsfunktionen nachgewiesen.3 Gemäss
einer Post-hoc-Analyse der gepoolten
Daten bestand bei 26 % der Patienten
zu Beginn der vier Studien eine depressive Störung (major depressive
disorder).4 Nicht nur bei depressiven
Patienten, sondern auch bei Betroffenen ohne Depression reduzierte
Duloxetin im Verlauf von etwa drei
Monaten die Schmerzen und andere
Fibromyalgiesymptome signifikant
stärker als Placebo.
Auch depressiv Erkrankte klagen
beim Arzt häufig über körperliche
Schmerzen, beispielsweise Kopf-,
Rücken-, Bauchschmerzen oder nicht
klar lokalisierbare Muskel- und Skelettschmerzen. Möglicherweise ist bei
Depressionen die Schmerzverarbeitung verändert oder die Schmerzen
entstehen ähnlich wie bei der Fibromyalgie.5
myalgie während 12 Wochen Duloxetin (allmähliche Steigerung der
Tagesdosis von 20 mg bis 120 mg)
und 103 Patienten in der Kontrollgruppe Placebo.5 Die Dropout-Rate
wegen Nebenwirkungen war erstaunlich gering (17,3 % mit Duloxetin gegenüber 10,7 % mit Placebo). Sowohl
bei depressiven als auch bei nichtdepressiven Fibromyalgiepatientinnen
wurden die Schmerzen und andere
Fibromyalgiesymptome signifikant
besser beeinflusst als in der Placebogruppe.5
Unter Praxisbedingungen sei die
einschleichende Behandlung mit
anfänglich geringen Dosierungen
erschwert, weil Kapseln mit der niedrigsten Dosierung 30 mg Duloxetin
enthalten, so der Referent. Zwar
vereiteln initiale Nebenwirkungen
(z.B. Übelkeit) manchmal den Einsatz, doch ein Versuch lohnt sich,
sagte er.
Einschleichend dosieren
Im Rahmen einer placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten
92 Frauen und 12 Männer mit Fibro-
. . . .Behandlung
. . . . . . . . . . .neuropathischer
. . . . . . . . . . . . . . .Schmerzen
................
.. .. .. ..bei
.. .. .. Diabetikern
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Wochen
...................
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..0.. .. 1.. .. .. 2.. .. ..3 .. .. 4.. .. ..5.. .. 6.. .. .. 7.. .. ..8 .. .. 9.. .. 10
. . . 11. . .12. .
. . . . . . . . . . . .0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Duloxetin
.. .. .. .. .. ..60.. mg/Tag
.. .. .. .. (n=114)
.. .. .. .. .. .. ..
–0,5
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Duloxetin
.. .. .. .. .. ..120
. .mg/Tag
. . . . (n=113)
......
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –1,0
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Placebo
.. .. .. .. ..(n=115)
.. ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..**.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –1,5
.. .. .. .. .. **.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –2,0
.. .. .. .. .. .. .. .. **.. .. **.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..**.. .. **.. .. .. **.. .. ..**.. .. ..* .. .. *.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –2,5
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. **.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..* .. .. **.. .. ..* .. .. *.. .. ..**.. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –3,0
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..**.. .. **.. .. .. *.. .. **.. .. .. **.. .. ..**.. .. .. .. .. .. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. **.. .. ..**.. ..
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. –3,5
.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ***.. pp.. ≤≤..0,01
.. ..vs... Placebo
.. .. .. .. ..
0,001vs.
Placebo
Verbesserung
Bei neuropathischen Schmerzen
und beim Fibromyalgieschmerz liegt
eine Beeinträchtigung absteigender
Bahnen vor, wobei aszendierende
Schmerzsignale ungenügend moduliert werden. Weil die Dysfunktion
der deszendierenden schmerzhemmenden Bahnen die Neurotransmitter
Serotonin und Noradrenalin betrifft
eignen sich dual wirksame Antidepressiva wie Duloxetin. Sie hemmen
die Wiederaufnahme von Serotonin
und Noradrenalin zur Verstärkung der beeinträchtigten zentralen
Schmerzinhibition. Auch die Affekte
beeinflussen die Schmerzmodulation beträchtlich, betonte Professor
Dr. Peter Keel, Chefarzt der Klinik
für Psychiatrie und Psychosomatik,
Bethesda-Spital, Basel.
halb in der Praxis, mit sehr geringen
Dosen von Amitriptylin (10 mg vor
dem Schlafengehen) zu beginnen und
keine Retardpräparate zu verwenden.
Allmählich kann dann die Dosis bis
75 mg gesteigert werden. Alternativen
sind Nortriptylin, das besonders stark
schlafanstossende Trimipramin und
Trazodon.
Während SSRI in etlichen Studien
enttäuschten, haben sich dual wirksame Antidepressiva als wirksam
erwiesen. Duloxetin wirkt gegen neuropathische Schmerzen (Grafik) und
hat zudem einen schlafanstossenden
Effekt, so der Referent. In den USA
ist Duloxetin zur Behandlung der Fibromyalgie zugelassen, in der Schweiz
besteht derzeit keine Zulassung für
diese Indikation.
Vier grössere, randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien
haben für Duloxetin günstige Effekte
Mittlere Veränderung des mittleren
Punktwerts der Schmerzstärke in 24 Stunden
AARAU – Zwischen chronischen Schmerzen und Depressionen
bestehen enge Beziehungen. Dass Depressionen die Schmerz­
bewältigung erheblich erschweren, wird am Beispiel der
Fibromyalgie deutlich. Dual wirksame Antidepressiva wie
Duloxetin (Cymbalta®) beeinflussen nicht nur die Depression,
sondern wirken auch direkt schmerzmodulierend und verbes­
sern überdies die Schlafqualität.
Dopaminagonist wirkt antidepressiv
Quelle: nach Goldstein DJ et al. 2
MT-Grafik
Duloxetin (Cymbalta ) reduziert die Schmerzintensität bei diabetischer Neuropathie signifikant
stärker als Placebo. Der Effekt ist bereits nach der ersten Behandlungswoche ausgeprägt.
®
Referenzen:
1
Barone P et al., Pramipexole vs sertraline in the treatment of depression in Parkinson´s disease. J Neurol 2006; 253: 601–607
G
oldstein DJ et al., Duloxetine vs. placebo in patients
with painful diabetic neuropathy. Pain 2005; 116: 109–118
2
H
udson JI et al., What makes patients with fibromyalgia
feel better? Correlations between patient global impression of improvement and changes in clinical symptoms
and function: a pooled analysis of 4 randomized placebo-controlled trials of duloxetine. J Rheumatol 2009; 36:
2517–2522
3
A
rnold LM et al., Comparisons of the efficacy and safety
of duloxetine for the treatment of fibromyalgia in patients with versus without major depressive disorder. Clin
J Pain 2009; 25: 461–468
4
A
rnold LM et al., A doubleblind, multicenter trial comparing duloxetine with placebo in the treatment of fibromyalgia patients with or without major depressive disorder.
Arthritis Rheum 2004; 50: 2974–2984
5
Die gekürzten Fachinfo finden Sie auf der
Indexseite dieser Ausgabe.
IMPRESSUM
MT 09/2010
AARAU – Nichtmotorische Probleme kommen im Zusammenhang
mit dem idiopathischen Parkinsonsyndrom sehr häufig vor und
verdienen vermehrt Beachtung. Zu den Frühmanifestationen,
die Monate bis Jahre vor den motorischen Parkinsonsymptomen
auftreten können, gehören Geruchsstörungen, Rheumaschmer­zen,
Darmbeschwerden, Depressionen und REM-Schlaf-Verhaltens­
störungen.
Idee und Konzeption:
INTER MEDICAL, Grosspeterstrasse 23,
Postfach, 4002 Basel
Information: Boehringer Ingelheim (Schweiz) GmbH
Objektleitung: Dr. med. Christine Mücke
Redaktion: Alfred Lienhard, Dr. pharm. Chantal
Schlatter, Winfried Powollik
Layout: Olivier Kilchherr, Patrik Brunner
Produktion: Patrik Brunner
© Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages
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