Germanistik Livia Janos Die Syntax der Werbesprache. Ellipsen in Slogans Eine Untersuchung der Gemeinsamkeiten von Werbesprache und gesprochener Sprache aus syntaktischer und pragmatischer Perspektive Magisterarbeit Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für deutsche Philologie Die Syntax der Werbesprache: Ellipsen in Slogans Eine Untersuchung der Gemeinsamkeiten von Werbesprache und gesprochener Sprache aus syntaktischer und pragmatischer Perspektive Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades des Magister Artium vorgelegt von Livia Janos Wintersemester 2006/07 Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 1.1 Vorbemerkung................................................................................................................ 3 1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit ............................................................................................ 5 2 DIE WERBUNG 2.1 Funktion und Ziele der Werbung ................................................................................... 8 2.2 Werbeträger und Werbemittel ...................................................................................... 13 3 DIE WERBESPRACHE 3.1 Die Sprache der Werbung ............................................................................................ 16 3.2 Geschriebene und gesprochene Sprache ...................................................................... 22 3.3 Kommunikative Aspekte der Werbesprache................................................................ 27 3.4 Die Werbeanzeige als Textsorte................................................................................... 31 3.5 Aufbau der Werbeanzeige............................................................................................ 34 3.5.1 Die Schlagzeile......................................................................................................... 35 3.5.2 Der Haupttext ........................................................................................................... 37 3.5.3 Das Bild.................................................................................................................... 37 3.5.4 Der Slogan................................................................................................................ 39 4 ELLIPSEN IN SLOGANS 4.1 Definition der Ellipse ................................................................................................... 45 4.1.1 Unvollständigkeit vs. Vollständigkeit ...................................................................... 46 4.1.2 Das Kriterium der Verständlichkeit ......................................................................... 48 4.2 Arten von Ellipsen........................................................................................................ 50 4.2.1 Textsortenellipsen / Struktur-Ellipsen ...................................................................... 51 4.2.2 Aufschriften und ähnliche Textarten........................................................................ 52 4.2.3 Lexikalische Ellipsen ............................................................................................... 52 4.2.4 Kontextellipsen / Regelhafte Ellipsen....................................................................... 53 4.2.4.1 Koordinationsellipsen............................................................................................... 54 4.2.4.1.1 Vorwärtsellipsen................................................................................................... 64 4.2.4.1.2 Rückwärtsellipsen ................................................................................................ 65 4.2.4.2 Komparationsellipsen............................................................................................... 66 4.2.5 Entwicklungsbedingte Ellipsen ................................................................................ 68 4.2.6 Adjazenzellipsen ...................................................................................................... 68 4.2.7 Handlungsellipsen .................................................................................................... 69 4.2.7.1 Situative Ellipsen...................................................................................................... 70 4.2.7.1.1 Person-Ellipsen..................................................................................................... 71 4.2.7.1.2 Ereignis-Ellipsen .................................................................................................. 72 4.2.7.1.3 Objekt-Ellipse....................................................................................................... 72 4.2.7.2 Empraktische Ellipsen.............................................................................................. 73 4.2.7.2.1 Empraktische Ellipsen in direktiven Sprechhandlungen...................................... 74 4.2.7.2.2 Empraktische Ellipsen in assertiven Sprechhandlungen...................................... 75 4.2.7.2.3 Empraktische Ellipsen in expressiven Sprechhandlungen ................................... 76 4.2.7.3 Phatische Ellipsen .................................................................................................... 77 5 ZUSAMMENFASSENDE GEDANKEN........................................................................ 79 Bibliographie............................................................................................................................ 82 2 1 EINLEITUNG Elliptischen Satzstrukturen begegnet man täglich auf Schritt und Tritt. Man hört sie und gebraucht sie im Alltagsgespräch, sie dominieren in der auf Spannung bedachten Sportreportage, die Tageszeitung weist sie in Überschriften sowie im Kommentar, im Kulturteil und auf der Sportseite in großer Zahl auf, wir finden sie immer häufiger in der schöngeistigen Literatur, und auch in wissenschaftlichen Abhandlungen tauchen solche syntaktisch unvollständigen Strukturen auf. (Schreiber, 1982: 169) 1.1 Vorbemerkung Im alltäglichen Sprachgebrauch ist zu beobachten, dass Äußerungen oft nur teilweise ausformuliert werden. Man verwendet im Gespräch häufig verkürzte, „unvollständige“ Sätze. Die Verwendung von nicht vollständigen Formen folgt in der Regel daraus, dass ein Sprachereignis immer in eine Sprechsituation eingebettet ist: Insofern diese eindeutig und klar ist, brauchen die Sprecher nur einen Teil dessen explizit zu sagen, was ihre Botschaft ausmacht. Sie können denjenigen Teil der Äußerung weglassen, von dem sie annehmen können, dass ihn die Hörer bereits wissen oder aufgrund der Hintergrundinformationen selbst erschließen können: Wir sprechen in Ellipsen, wir ersparen uns immer wieder Informationselemente, die sich aus anderen Elementen der Information, der Welt- oder der Sprachinformation, von selbst ergeben. (Wandruszka 1971: 88, in: Ortner 1987: 138) Unvollständig erscheinende Sätze, sogenannte Ellipsen1, setzen also einen sprachlichen oder situativen Kontext voraus. In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf, inwieweit Ellipsen als „unvollständige“ oder „vollständige“ Phänomene der Sprache zu bezeichnen sind. Hierzu vertritt die linguistische Forschung zwei Positionen: Die erste geht vom traditionellen grammatischen Gesichtspunkt aus, dass jeder elliptische Satz unvollständig und zu ergänzen sei, da er von einem vollständigen Satz ableitbar ist. Die zweite Position erklärt aus der kommunikativen Perspektive, es handle sich bei Ellipsen um selbständige Strukturen, die in dem Sinne vollständig sind, dass sie – zumindest zum Teil – keine Ergänzung benötigen, da sie aus dem jeweiligen sprachlichen und situativen Kontext (meistens) eindeutig, und deshalb durchaus zu verstehen sind. Aus pragmatischer Sicht wäre eine Vervollständigung der Ellipse in vielen Fällen gar nicht sinnvoll. 1 Zur linguistischen Definition von Ellipsen siehe Kapitel 4.1. 3 Die Reduzierung und Auslassung sprachlicher Mittel in Äußerungen ist möglich, weil die Situation des mündlichen Diskurses es erlaubt, also wenn in Bezugnahme auf Allgemeinwissen etwas vorausgesetzt werden kann, wenn eine unausgesprochene Übereinstimmung der Gesprächspartner bereits besteht oder etwa durch die Verwendung nonverbaler Sprachzeichen wie Mimik, Gestik erzielt wird. Das Streben nach sprachlicher Sparsamkeit im Gespräch, also nach Sprachökonomie, erklärt sich durch das Verhaltensmuster des Menschen, nicht jeden einzelnen Gedankengang zu verbalisieren und darüber hinaus in vollständigen Sätzen auszudrücken, um einerseits aus energetischen Gründen seine sprachliche Aktivität auf ein ausreichendes Maß zu reduzieren, andererseits um schnellere Übermittlung von Information zu erlangen. Grundsätzlich kann also die Ellipse als Produkt der Ökonomie in der Sprachverwendung betrachtetet werden, welche sich als grammatische Reduktion analysieren lässt. Für die Ellipsenanalyse sind beide, sowohl die grammatisch-syntaktischen als auch die kommunikativ-pragmatischen Aspekte von Bedeutung, da manche syntaktische Eigenschaften der Ellipse unabhängig von letzteren nicht entsprechend beschrieben werden können. Die Reduktion der Sätze beschränkt sich jedoch nicht allein auf die gesprochene Sprache. Ellipsen treten auch in der Sprache der Werbung häufig auf.2 Dies lässt vermuten, dass sich die Werbung die gesprochene Sprache als Vorbild nimmt und der vollständig ausformulierte Satz oftmals gar nicht erwünscht ist. Das Verhältnis zwischen Werbesprache und gesprochener Sprache lässt sich allerdings nicht nur durch das Aufzeigen von Anleihen aus der Alltagssprache hinsichtlich des Satzbaus erklären, sondern auch Wortschatz und Redewendungen in der Werbesprache liefern dafür zahlreiche Belege. Denn um die Mehrheit der Öffentlichkeit zu erreichen, muss die Werbung selbstverständlich auch „deren Sprache sprechen“. So werden Ellipsen – wie in der gesprochenen Sprache auch – besonders gern in der Werbesprache verwendet, weil sie durch Kürze und Knappheit gekennzeichnet sind. Durch die Verwendung einer einfachen Syntax bzw. von elliptischen Sätzen findet eine deutliche Annäherung an die Alltagssprache statt. In Angleichung an alltägliche Gespräche zeigt sich also auch in der Sprache der Werbung die Ökonomietendenz. Der Behauptung, dass die Tendenz im gegenwärtigen Kommunikationsverhalten, sich mit möglichst minimaler Aufwendung auszudrücken, vornehmlich in der gesprochenen und weniger in der geschriebenen Sprache zu beobachten ist, ist damit nicht zuzustimmen. Denn sogar im schriftlichen Medium der Werbung, in den Werbeanzeigen, werden kurze, knappe Sätze 2 Die Sprache der Werbung wird in dieser Arbeit als geschriebene Sprache behandelt, denn auch Radiospots oder die akustisch vermittelten Elemente eines Fernsehspots etwa basieren letztlich auf Schrift. 4 besonders bevorzugt. Allein der Slogan, der Kern der Anzeige, ist zumeist ein „unvollständiger“ Satz, eine Ellipse. Die grammatische Reduktion wird in Slogans zwar, wie auch im alltäglichen Gespräch, aus sprachökonomischen Gründen eingesetzt, allerdings nicht weil es die Sprechsituation – wie in der gesprochenen Sprache – es erlaubt, sondern vielmehr deswegen, um bewusst eine höhere Aufmerksamkeit und Einprägsamkeit beim Werbepublikum zu erzielen. Die Merkfähigkeit wird durch eingängige Slogans wie zum Beispiel „Alles Müller, oder was?“ oder „Nimm 2!“ unterstützt. In Analogie zur gesprochenen Sprache können Ellipsen in der Werbesprache unter syntaktischen und pragmatischen Aspekten beschrieben werden. Gemeinsam ist, dass beide Bereiche der Kommunikation sich in der Regel auf Kontextwissen und auf ein bereits vorhandenes allgemeines Wissen der Rezipienten stützen können. Zwar besteht in der Werbung die Möglichkeit eines direkten, spontanen Gesprächs zwischen den Kommunikationsteilnehmern nicht, dementsprechend kann auf kein Situationswissen zurückgegriffen und können nonverbale Signale nicht unmittelbar wahrgenommen werden. Jedoch erleichtern Bilder und erklärende Textteile die Rezeption der Werbebotschaft. Die zusätzlichen kommunikativen Ergänzungen und die Wissensbestände zusammen ermöglichen die richtige Aufnahme von Information sowohl bei den Gesprächspartnern in der gesprochenen Sprache, als auch beim Adressaten in der Werbung, wobei die Sprachkompetenz des Kommunikationspartners in beiden Fällen als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Diese ist ein wichtiges Kriterium für die Verständigung, und zwar in jeglicher Kommunikationssituation. 1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit Das vorrangige Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine systematische Beschreibung von Ellipsen in Slogans und zugleich auch ein Beitrag zur Kontrastierung der Gemeinsamkeiten mit der gesprochenen Sprache in dieser speziellen Sprachverwendung. Die Untersuchung soll einen Einblick in die Sprachverwendung in der Werbung schaffen, indem versucht wird, einen Bruchteil der wichtigsten syntaktischen Besonderheit der deutschen Werbesprache in Werbeanzeigen zu erläutern. An dieser Stelle muss eine Eingrenzung vorgenommen werden. Es würde den Rahmen sprengen, in dieser Abhandlung sämtliche Formen der Werbesprache zu berücksichtigen und eine allgemeingültige Regel zwischen gesprochener Sprache und Werbesprache aufzustellen. Deshalb soll der Vergleich auf ein Teilgebiet eingeschränkt und exemplarisch an einem 5 Werbemittel überprüft werden. Die Slogans in den Werbeanzeigen scheinen mir dafür geeignet zu sein, da es sich hierbei um einen signifikanten Vorkommensbereich von Ellipsen handelt. Neben der Beschreibung von syntaktischen Eigenschaften der Ellipsen in Slogans werden auch die Grenzen zu anderen sprachwissenschaftlichen Bereichen wie vor allem die Pragmatik (und zum Teil auch die Semantik) berührt, denn elliptische Konstruktionen lassen sich ohne den Bezug auf ihre Verständlichkeit (und Bedeutung) nicht untersuchen. Die Verständlichkeit von Werbebotschaften in ihrer textlichen und visuellen Darstellung spielt für die Interpretation durch die Adressaten und damit für die Gesamtheit der Werbehandlung eine wichtige Rolle. Da aber eine Eingrenzung des Themengebiets dieser Arbeit vorgenommen werden muss, wird auf eine pragmatische Überprüfung visueller Illustration verzichtet. Die Untersuchung wird sich auf die Sprache bzw. auf den Slogan als Textelement beschränken und sich nur kurz der Beziehung zwischen Slogan und anderen Elementen der Werbeanzeige widmen. Ebenso wird bei den Beispielen die Vielfalt der Darstellungsmöglichkeiten des für die Interpretation bedeutsamen sprachlichen und visuellen „Umfeldes“ des Slogans innerhalb der Werbeanzeige nur angedeutet. Um nachprüfbare Ergebnisse zu erzielen, war es zweckmäßig, für die Analyse nur ein Werbemittel und einen Werbeträger zu wählen – in diesem Fall die Slogans der Werbeanzeigen –, wobei die angeführten Beispiele aus der „Datenbank der Werbung“ im Medium Internet stammen. Das Korpusmaterial für die Untersuchung wurde mit Hilfe der Quelle www.slogans.de ausgesucht und zusammengestellt. Slogans.de ist ein großes deutsches Internetrechercheportal für Marken, Slogans und Kommunikation. Es präsentiert ein auf Korrektheit geprüftes Informationsangebot zur Recherche mit einer umfangreichen Datenbank von über 25.000 Slogans, wertvollen Fachbeiträgen und Praxistipps von und für Werbefachleute. Im Rahmen der Recherchen greifen die auf Werbeslogans spezialisierten Fachleute auf ein Archiv von über 300.000 Anzeigen sowie auf Fachbücher und Filmmaterial zurück und verfolgen die laufenden Anzeigenschaltungen in relevanten Printmedien. Weiterhin recherchieren sie in den globalen Online-Media-Archiven von Verlagen, Verbänden, dem Deutschen Patent- und Markenamt. Den Ergebnissen der folgenden Sprachanalyse liegen rund 100 Werbeslogans aus dieser Datenbank zugrunde. Die vorliegende Arbeit ist in drei große thematische Abschnitte gegliedert. Um eine mögliche Verbindung zwischen Werbesprache und gesprochener Sprache greifbar machen zu können, ist zunächst eine Auseinandersetzung mit grundlegenden werbestrategischen und -psychologischen, sowie linguistischen Erkenntnissen notwendig. An erster Stelle erfolgt deshalb ein 6