„Erkrankungsprävalenzen und Gesundheitsversorgung von jungen, erwachsenen Wohnungslosen“ Fachtagung: Wohnungslosenhilfe in einer Kleinstadt 20.11.2013 in Emden Veranstalter: Tagesaufenthalt Emden & Hochschule Emden/Leer Prof. Dr. med. Gerhard Trabert Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. Hochschule RheinMain Wiesbaden „Wohnungslosendaten“: Keine repräsentative Datenerhebung Laut BAG Wohnungslosenhilfe: Von 2010 zu 2012 Anstieg um 15% auf 284.000 Prognose der BAG W: bis 2016 weiterer Anstieg um 30% auf 380.000 Frauenanteil ca. 22- 25% Anteil junger erwachsener Wohnungsloser (bis zum 25 Lebensjahr) kontinuierlich ansteigend Gründe für die Wohnungslosigkeit bei jungen Erwachsenen: „Wohnungslosigkeit ist eine Variante für junge Menschen, aus überfordernden, gewalttätigen oder vernachlässigenden Lebenslagen zu entkommen - eine Variante, die oftmals das vorläufige Ende einer langen Geschichte ist.“ (C. Wallner Vortrag 17.9.2010 Rheinberg) Armut / Wohnungslosigkeit und Krankheit / Gesundheit: Es gibt zahlreiche Studien die einen Zusammenhang von Armut und Krankheit aufzeigen. Selektionseffekt (Kranke werden eher arm): Bei Erwachsenen kommt es im Kontext Krankheit und Armut häufig zu einer sozialen Selektion: Chronisch schlechte Gesundheit erhöht das Risiko Armut. (Studie der Marburger Universität zu „Armutslebensläufen.“) Kausationseffekt (Arme werden eher krank): Hinweise für einen Kausationseffekt ergeben sich für Kinder. Wer in Armut aufwächst, hat als Erwachsener eine schlechtere Gesundheit. (Studie der Marburger Universität zu „Armutslebensläufen.“) Sozialstatus und Wohlbefinden Lebenserwartung und Oskarpreisträger Oskar Lebenserwartung (Mittelw., Jahre) Differenz (Jahre) p Gewinner 79.7 Nominierte 76.1 3.6 0.013 Kontrollgr. 75.8 3.9 0.003 Redelmeier & Singh, 2001 Lebenserwartung und Oskarpreisträger ein Beispiel für Inclusion / Exclusion?! Oskar Lebenserwartung (Mittelw., Jahre) > 1 Oskar 82.0 1 Oskar 79.3 Differenz (Jahre) 2.7 P 0.093 Redelmeier & Singh, 2001 Sozioökonomisches Panel : ( Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Erhebung im 5-Jahreszeitraum, Lampert und Kroll 2010) Lebenserwartungsunterschied zwischen dem reichsten und ärmsten Viertel der Bevölkerung bei Frauen um ca. 8 Jahre ! Lebenserwartungsunterschied zwischen dem reichsten und ärmsten Viertel der Bevölkerung bei Männern um ca. 12 Jahre ! 31 % der von Armut betroffenen Männer erreicht nicht das 65 Lebensjahr. Der Trend nimmt zu ! Arme sterben früher ! Mortalitätsdaten: Sektionsbefunde (Veith & Schwindt/1979) Sektionsbefunde (Reuhl & Lutz / 1996) Krankenaktenstudium (Locher / 1985) Sektionsbefunde (Ishorst-Witte / 2001) Krankenaktenstudium (Trabert/ 1989) 57,0 Lebensjahre 47,6 Lebensjahre 63,3 Lebensjahre 44,5 Lebensjahre 53,3 Lebensjahre Rechtsmedizin Uni-Hamburg (Ishorst-Witte / 2001): Bestätigung keine Anbindung zum medizinischen Regelsystem Bedeutende Anzahl psychiatrischer Erkrankungen (Suchterkrankungen, Suizide) Sterbeort: 35,1% die Straße; 25,1% Wohnheim; 20,9% Krankenhaus viele unbehandelte chronische Erkrankungen neben Akutversorgung Erkrankungsprävalenzquoten bei von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen: (Metaanalyse von Studien 1985 – 2012) Erkrankungsformen Prävalenzquoten Verdauungsorgane 20 – 45 % Atmungsorgane 25 – 70 % HerzKreislauferkrankungen Lebererkrankungen 28 – 52 % Hauterkrankungen 10 – 50 % 30 – 40 % Unfälle / Verletzungen 44 – 65 % Psychische Erkrankungen 20 - 80 % (????) Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden bei jungen Erwachsenen: 1. Auf das körperliche Wohlbefinden: - Fehl- Mangelernährung fehlende oder mangelhafte Körperpflegemöglichkeiten kein Schutz- und Erholungsraum dadurch stärkere Infektanfälligkeit und Gefahr der Chronifizierung und Verschlechterung von Erkrankungen - Risikofaktor Ernährung: ein Beispiel für eine strukturelle Benachteiligung aufgrund eines zu niedrigen Arbeitslosengeld II Ernährungsbudgets!; sowie einer Bildungschancenungleichheit ?! Shell-Jugendstudie (2006/2010): Jugendliche aus der so genannten Unterschicht zeigen weit häufiger gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen, wie z.B.: ungesunde Ernährung Bewegungsmangel regelmäßiger Zigarettenkonsum. Tagessatz eines wohnungslosen Menschen : Durchschnittlich ca. (382 € : 30 =) ca.12,70 € Hartz IV / Arbeitslosengeld 2 / Sozialgeld im Jahre 2013: Lebensalter Hartz Budget 0 – 5 Jahre 224 € 6 – 13 Jahre IV Ernährung Gesundheit Bildung 2,80 € tägl. 6,30€ monatl. 1 € monatl. 255 € 3,45 € tägl. 5,30€ monatl. 1,25€ monatl. 14 – 17 Jahre 289 € 4,55 € tägl. 7,00€ monatl. 0,40€ monatl. Erwachsener 382 € Single 4,52 € tägl. 16,43€ monatl. 1,46€ monatl. Besonderheiten zur Korrelation zwischen Jugendarmut und Gesundheitsrisiko: Bezüglich gesundheitsrelevantem Verhalten ( wie z.B. Ernährungsgewohnheiten, Bewegung usw.) zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zur sozialen Ungleichheit (familiärer Kontext). (siehe KIGGS-Studie, Shell-Studie) Bezüglich gesundheitsrelevantem Verhalten im Hinblick auf den Konsum von Tabak, Alkohol und sonstigen Drogen scheint nicht die familiäre Herkunft bestimmend zu sein, sondern andere Faktoren wie z.B. Gleichaltrigengruppe (PeerGroup), schulisches Umfeld, Schultyp, aktuelle Schulleistungen (als „eigene“ Statusindikatoren) (Richter und Lampert, 2008; Nickel et al., 2008) Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden: 2. Auf das psychische Wohlbefinden: - erhöhter Suchtmittelkonsum (Zigaretten, Alkohol) - fehlende Zukunftsperspektiven - Gefühl von Vernachlässigung, Hilflosigkeit, Einsamkeit - fehlende Rückzugsmöglichkeiten (Erhöhte Gefahr Opfer von Gewalttaten zu werden!) Wussten Sie schon? Von Armut betroffen zu sein bedeutet eine hohe Prävalenz bezüglich der Alkoholkrankheit (13% Männer; 2% Frauen) aber auch eine hohe Prävalenz bezüglich Alkoholabstinenz, denn der Anteil der Alkoholabstinenten nimmt mit abnehmendem sozioökonomischem Status deutlich zu und ist besonders bei den betroffenen Frauen in der Armutsbevölkerung am höchsten ausgeprägt : - 15% Väter und 42 %Mütter (25-50 J.) mit Kindern unter 15 Jahren (Henkel 2008), - 16,3% Männer und 35,8% Frauen (18 - 29J.) - 10 % Männer und 28% Frauen (18 - 59 J.) (Henkel 2008; Bloomfield et.al. 2000; Bundesgesundheitssurvey 1997 und 1998) Dass Armut psychisch krank macht, hat eine us-amerikanische Studie von Christopher Hudson (2005) die in der Fachzeitschrift „American Journal of Orthopsychiatry“ veröffentlicht wurde, eindeutig bestätigt. Bei vier Siebtel aller Depressions- und Schizophrenieerkrankungen wird die Armut der Patienten als entscheidender Verursachungsfaktor verantwortlich gemacht. KIGGS-Studie (2006) Kinder- und Jugendgesundheitsstudie (RKI) (Bella-Studie / Unterstudie): Psychische Auffälligkeiten nehmen zu ! 22 % zeigen psychische Auffälligkeiten 14 % sind manifest psychisch krank (Angststörungen, Depressionen). 31,3% der Kinder in sozial benachteiligten Verhältnissen sind psychisch auffällig. 16,4% der Kinder in der oberen Sozialschicht sind psychisch auffällig. Soziale Lage und Suizid: Erhöhtes Suizidrisiko bei: Sozialer Instabilität Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur Geschiedenen Menschen Alleinlebenden Menschen Arbeitslosigkeit Stadtbewohner Niedrige Schul- und Berufsausbildung Studie Berlin 1996 – 2005: Bei 20 – 40-Jährigen deutliche Korrelation zwischen Suizidrate und soziale Lage. Berlin: Stadtteile Friedrichshain-Kreuzberg / Mitte / Neukölln haben die ungünstigsten Sozialindizes und die höchsten Suizidsterberaten. Berlin: Stadtteile Steglitz-Zehlendorf / Treptow-Köpenick haben die günstigsten sozialen Bedingungen und die niedrigsten Suizidraten. Hohe Multimorbiditätsrate Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf das körperliche, psychische und soziale Wohlbefinden: 3. Auf das soziale Wohlbefinden: - Wohnbedingungen in Wohnheimen / Containern / Zelten oder auf der Straße“ - „Wohnumfeld“ (große Schlafsäle; keine Paarübernachtungsmöglichkeiten, Problem der Unterbringung von Hunden usw.) - Problem der sozialen Exclusion - eingeschränktes Freizeitverhalten und Freizeitmöglichkeiten Risikofaktor: Sexualität Sexualität: Verhütungsmittel sind teuer (Hartz IV Regelung problematisch; Verhütung nein Abtreibung ja;) Gefahr von sexueller Gewalt Gefahr der Ansteckung von sexuell übertragbaren Infektionserkrankungen (Hepatitis B und C; HIV-Infektion) Risikofaktor: Gewalterfahrung Sonderthema: Gewalt Im Kontext von Ausgrenzung und sozialer Benachteiligung nimmt auch Gewalt und Vernachlässigung zu. Opfer sind häufig Kinder / Jugendliche und Frauen. Gewalt im Rahmen von Suchtmittelgebrauch als Aggressionsstimulator, Unfallverstärker usw. Gewalt gegenüber wohnungslosen Menschen: Von 1989 bis 2010 sind mindestens 170 Wohnungslose von Tätern außerhalb der Wohnungslosenszene getötet worden. Von 1991 – 2010 sind mindestens 280 wohnungslose Menschen auf der Straße erfroren. (BAG 2010) Haupterkrankungsarten von ausländischen Mitbürgern: Speziell bei Migranten und Asylanten stellen psychische Folgen von Verfolgung und Traumatisierung ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Depressionen und Suizidalität dar. (Studie der Universität Konstanz: Ca. 1/3 der Asylsuchenden leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die häufig nicht erkannt und / oder ignoriert wird.) Risikofaktor: Arbeitslosigkeit Gedankensplitter zum Thema Bildung: Ungleiche Bildungschancen - abhängig vom Sozialstatus der Eltern Ca. 7,5 Millionen Deutsche sind funktionelle Analphabeten, d.h. die Betroffenen können die Buchstaben erkennen aber nicht die Zusammenhänge - die Wörter und deren Sinn. Erkrankungs- und Sterblichkeitsauffälligkeiten bei arbeitslosen Menschen: Mortalität (Sterbequote) 2,6 fach höher als bei Erwerbstätigen Suizidversuche 20mal häufiger als bei Erwerbstätigen (Suizidversuche mit tödlichem Ausgang ebenfalls häufiger) doppelt so hohes Risiko eines gewaltsamen Todes (suizidal, Unfälle) Risikofaktor: Umwelt Umwelt: Schlafplatz in Abbruchhäusern; Industrieanlagen, Müllanlagen Gefahren in Wohnheimen / Schlafsälen (leider immer wieder Krätze, Läuse usw.) ….. Risikofaktor: Geschlecht Gender - Aspekt: Guggenbühl (Schweizer Psychologe): „Die Schule ein weibliches Biotop.“ Jungs werden in der Schule benachteiligt! Jungs – die nicht verstandenen Schüler?! (Daten von Untersuchungen und Analysen von A. Guggenbühl Uni Bern) : 75% der Hauptschüler sind Jungs Time outs (Schulausschluss): fast ausschließlich Jungs (9:1) > 60% der Jungs bekommen während der Schulzeit eine „Diagnose“ z.B. ADS D.h. sie erleben sich als defizitär!! 2/3 der Klienten im schulpsychologischen Dienst sind Jungs 63% der Gymnasiasten sind Mädchen Autismus: in angelsächsischen Ländern fast ausschließlich Jungs Legasthenie: fast nur Jungs betroffen Sprach- bzw. Kommunikationsunterschiede zwischen den Geschlechtern: Mädchen: Beziehungssprache Jungs: Berichtssprache Mädchen: Subjektorientierung Jungs: Objektorientierung Männer / Jungs neigen zu „Grandiositäten“, zur Selbstüberschätzung im Sinne einer Selbstmotivation Jungs kommunizieren durch Provokationen Besonderheiten zur Korrelation zwischen Jugendarmut und Gesundheitsrisiko: Im Vergleich zum Zusammenhang von Kinderarmut und Gesundheit/Krankheit: Weniger starke Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und gesundheitlichen Störungen. Ein Einfluss zwischen sozialer Ungleichheit und der subjektiv empfundenen Gesundheit findet sich besonders bei Mädchen. Jugendliche Mädchen scheinen empfindsamer gegenüber den Einflüssen sozialer Ungleichheit zu reagieren als Jungen. Wohnungslose Frauen: verstärkt sexuellen Übergriffen ausgesetzt verstärkt körperlicher und seelischer Gewalt ausgesetzt ( Entwertungs- und Demütigungsverhalten) zu wenig spezielle Beratungs- und Übernachtungsmöglichkeiten …… Gewalterfahrungen wohnungsloser Frauen: 56% ausgeraubt 34% körperlich angegriffen 2/3 sexuell missbraucht 1/3 vergewaltigt (Greiffenhagen,1997) „Die gewaltbedingten Wohnungsverluste sind bei den Frauen auf gut 16 % in 2005 gestiegen.“ (BAG, 2007) Risikofaktor: Gesundheitssystem Risikofaktor: Gesundheitssystem Entsolidarisierung im Gesundheitssystem (u.a. keine Parität zwischen Arbeitgeber und -nehmer) Zunehmende Privatisierung Exklusion durch Säumniszuschläge, Notlagentarife, Basistarif Hohe finanzielle Kosten (Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen) für den Einzelnen besonders den chronisch Kranken. Immer mehr und komplexere bürokratische Hürden. Verschuldung durch Krankheit. Was folgt aus der Analyse der Unterversorgungsrealitäten und Risikofaktoren? Meines Erachtens sind 3 Handlungsebenen bzw. Aktionsbereiche von entscheidender Bedeutung: • Erstens ist eine von Respekt und Wertschätzung geprägte Diskussion zum Kontext Armut / Wohnungslosigkeit und Gesundheit einzufordern. • Zweitens muss auf der praktischen Ebene schnell, kompetent, betroffenenzentriert agiert werden. • Drittens sind die gesellschaftsstrukturellen Verursachungsmechanismen zu benennen, zu kritisieren, eventuell auch zu skandalisieren und neue Inklusionsstrukturen zu schaffen. 1. Respektvolle, wertschätzende Kommunikation! Jesper Juul (Dänischer Familientherapeut) Begriff: Gleichwürdigkeit Wissenschaftlicher Exkurs 1: Chaostheoretischer bzw. affekttheoretischer Ansatz nach Ciompi / Heise im Kontext von zwischenmenschlichen Beziehungen: Nach einem Chaos kommt es zu einer neuen Ordnung. Kognition und Affektion gehören zusammen. Denken und Fühlen gehören zusammen wie Geist und Körper. In gewissen Emotionszuständen lassen sich nur gewisse Gedanken entwickeln. Die Verbesserung des emotionalen Zustandes (z.B. durch eine empathische, anerkennende, wertschätzende Grundhaltung des Profis) kann kohärentes Denken ermöglichen. Auch das Ambiente muss von Wertschätzung geprägt sein. Die Bedeutung der richtigen Zeit berücksichtigen. (Häufige immer wiederkehrende Begegnungen.) Affekt der Sympathie, auf Seiten des Profis, von zentraler Bedeutung für das Verstehen des Klienten. Wissenschaftlicher Exkurs 2: Modell der Sequenziellen Traumatisierung nach Hans Keilson im Kontext Trauma Verarbeitung: Art und Weise der Trauma Ver- und bearbeitung in Bezug auf die Trauma - Begleiter, kann ausschlaggebender sein als das traumatische Ereignis selbst. = Tertiäre Traumatisierung Tertiäre Traumatisierung entscheidend für die Ausbildung einer Traumatisierungsreaktion bzw. Chronifizierung psychischer und physischer Beeinträchtigungen Entscheidend in der „dritten Phase“ „… ein neues Leben mit sozialer Sicherheit und Stabilität aufzubauen…“ Trauma Verarbeitung ist ein Prozess, den wir mit gestalten und begleiten können, kein abgeschlossenes Ereignis Pädagogen / Kontext-Akteure sind somit aktiv am Trauma Prozess beteiligt Konzepte der Wertschätzung: Salutogenese versus Pathogenese / (Gesundheitsförderung) Resilienzförderung (Ressourcenorientierte und den Menschen wertschätzende Konzepte) Mainzer-Studie (2010, Trabert), anhand einer Befragung wohnungsloser Menschen hinsichtlich ihrer Stärken! Was können andere Menschen, die nicht in Ihrer Situation sind, von Ihnen lernen? Wo, würden Sie sagen, liegen Ihre Hauptstärken? Was ist Ihr größter Wunsch?* 1. Frage: Was können andere Menschen, die nicht in Ihrer Situation sind, von Ihnen lernen? Umgang mit anderen Menschen / Mitgefühl / Hilfsbereitschaft / Toleranz (n = 12 / 30%) „Wie man mit „wenig“ überleben kann! Überleben in jeder Situation. (n=12 / 30%) Zusammenhalt (n=5, 12,5%) Was könnten uns diese Antworten sagen? Konsequenzen für wen und was? Ressource: Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, soziale Kompetenz Ressource: Überlebensstrategien, Kreativität, ….. Gabriele Haug-Schnabel (Verhaltensbiologin): „Die Aufgabe des Erziehers ist nicht die Fehlersuche, sondern die Schatzsuche.“ 2. Verbesserung jetzt, konkret, praktisch, betroffenenzentriert! Stéphane Hessel: “Macht Euch klar, was euch stört und empört, und dann versucht herauszufinden, was ihr konkret dagegen unternehmen könnt.“ Stéphan Hessel: „Empört Euch!“ Er schließt mit den Worten: „Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“ Konsequenzen „praktisch“: Niederschwellig angelegte medizinische Sprechstunden („vor Ort“) - Arzt geht zum Patienten („Geh-Struktur“), Sprechstunden in sozialen Brennpunkten (z.B. Vorsorgeuntersuchungen und Impfangebote) kultursensibles Handeln (Transkulturelle Sensibilität) interdisziplinäre Versorgungskonzepte (Sozialpädagogik / Pädagogik & Psychologie & Medizin) Konsequenzen „praktisch“: Gesundheitsprävention unter Berücksichtigung des Settingansatzes (KIGA, KITA, Schule, Lebensraum, Arbeitsplatz) (§20 Abs. 1 SGB V) Screening-Untersuchungen im KIGA/KITA (Stichwort: Frühförderung) Konsequenzen „praktisch“: Stärkere Vernetzung vorhandener zielgruppenorientierter Einrichtungen (z.B. Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, Schule, Jugend-, Sozial-, Gesundheitsamt) Einbeziehung der Betroffenen Reintegration in die medizinische Regelversorgung (komplementär) - keine Etablierung einer Armutsmedizin 3. Nachhaltige, strukturelle Verbesserung! Konsequenzen „strukturell“: Verbesserung der ökonomischen Lebensbedingungen von Menschen die von Armut betroffen sind (Erhöhung der sozialen Transferleistungen) Keine weitere Privatisierung im Gesundheitsbereich, Aufrechterhaltung des Solidarprinzips, keine Zuzahlungen Konsequenzen „strukturell“: Stärkere Gewichtung von Prävention und Gesundheitsförderung (Salutogenese) Verabschiedung eines Präventionsgesetzes Stärkung von Selbsthilfe-Ressourcen und Eigeninitiative betroffener Familien (Resilienzförderung) Gesundheitserziehung von Kindern in KIGA und Schule (Fach: Gesundheit) Gesundheitserziehung von Eltern sozialer Risikogruppen (Settingansatz) Ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital bestimmen Gesundheit (nach T. Abel Uni Bern) : Soziale Ungleichheit Aktive und passive Lebensgestaltung Gesundheitsungleichheit Ökonomisches Kapital Soziales Kapital Kulturelles Kapital Gesundheitsförderndes oder gefährdendes Handeln Finanzielle Ressourcen, bestimmen Wohnraum, Umwelt, Ernährung, Bewegung usw. Soziale Ressourcen bestimmen Kompensationsmöglic hkeiten, Zugänge zu med. Leistung. , Unterstützungsmechan ismen in Krisenzeiten usw. Kulturelle Ressourcen bestimmen Wissen, Werte, Fähigkeiten die gesundheitsfördernd sind Gesundheit „Zugänge“ schaffen; Inklusion fördern : Bildungszugang; eine Chancengleichheit ist in Deutschland immer noch nicht verwirklicht (OECD-Studie; PISA-Studie) Einkommenszugang; Arbeitslosengeld II / Sozialgeld ist zu niedrig bemessen (siehe u.a. Ernährungsaspekt, Bildungsaspekt) Sozialpsychiatrischer, sozialarbeiterischer, sozialmedizinischer Versorgungszugang; niedrigschwellige Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote (SettingAnsatz) Verfahren des Job-Centers (Arbeitsagentur) für Menschen ohne festen Wohnsitz (Durchwanderer) ohne Krankenversicherungsschutz September 2010 medizinische Versorgung PatientIn Krankenkasse kann nicht direkt zum Arzt! 4. 1. Aufsuchen medizinischer Hilfe möglich, wenn der/die PatientIn dann noch lebt und laufen kann! Bewilligung des Antrages Am gleichen Tag? KV-Schutz gilt weiterhin nur für den laufenden Kalendermonat. D.h., das ganze Procedere muss der/die Betroffene jeden Monat wiederholen! Job-Center 2. 3. ggf. erforderliche zusätzliche Schritte: Ausweis neu beantragen Abmeldebescheinigung besorgen andere KK aufsuchen, die Mitgliedsbescheinigung ausstellt Antragstellung erst am nächsten Tag möglich, weil zu spät vor Ort Zimmermann/Trabert 2010 Persönliches Vorsprechen zur Anmeldung: Mitgliedsbescheinigung oder Wahlrechtserklärung ausstellen lassen Persönliches Erscheinen mit erforderlichen Dokumenten zur Antragstellung von ALG II und Krankenversicherung, zu bestimmten Öffnungszeiten: Was ist außerhalb dieser Zeiten? Deutsche Bürger: gültiger Ausweis (teilweise nicht vorhanden) zusätzlich aktuelle Abmeldebescheinigung, Mitgliedsbescheinigung bzw. Wahlrechtserklärung der gewählten KK (Wird nicht von jeder Kasse ausgestellt!) Ausländische Mitbürger: Nationalpass gültiger Aufenthaltstitel, sowie eine Erklärung, wann und zu welchem Zweck sie in die BRD eingereist sind (Papiere oft nicht vorhanden) Capabilities (Ansatz / Paradigma von Amartya K. Sen) These: Armut soll nicht bloss als Mangel an Ressourcen verstanden werden. Armut geht zusätzlich mit einem Mangel an Freiheit einher, auf eine Weise zu leben, für die sich Menschen mit guten Gründen entscheiden. Capabilities sind Befähigungen / Verwirklichungschancen / Fähigkeiten, bestimmte Lebensentwürfe zu verwirklichen. Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes: Repräsentative Umfrage (2030 Personen über 18 Jahren wurden befragt) zur Gesundheitsversorgung von Obdachlosen, Asylbewerbern und Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus: U.a. folgender Frageinhalt: Sollen obdachlose Menschen, Asylbewerber, Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, die einen erschwerten (Anmerkung von uns: keinen Zugang) Zugang zum deutschen Gesundheitssystem haben, einen Anspruch auf eine medizinische Vollversorgung haben. 62,3% bejahten dies 47,1% ist sogar bereit, zusätzlich zu ihrem eigenen Krankenversicherungsbetrag einen monatlichen Beitrag zuleisten, um die medizinische Versorgung dieser Menschengruppen zu finanzieren. Im Durchschnitt würden die befragten Menschen 4 € hierfür zahlen. Diese Form der Solidarität bekundeten die Befragten egal welcher politischen Partei sie sich besonders verbunden fühlten (im Hinblick auf die im Bundestag derzeit sich befindenden Parteien). Kurt Marti (Schweizer Philosoph): „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.“ „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ Franz Kafka (österr. Romanautor tschech. Herkunft)