Prof. Dr. med., Dipl. Soz.Päd. Gerhard Trabert

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„Erkrankungsprävalenzen und
Gesundheitsversorgung von jungen,
erwachsenen Wohnungslosen“
Fachtagung: Wohnungslosenhilfe in einer
Kleinstadt
20.11.2013 in Emden
Veranstalter:
Tagesaufenthalt Emden & Hochschule Emden/Leer
Prof. Dr. med. Gerhard Trabert
Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.
Hochschule RheinMain Wiesbaden
„Wohnungslosendaten“:





Keine repräsentative Datenerhebung
Laut BAG Wohnungslosenhilfe: Von 2010 zu
2012 Anstieg um 15% auf 284.000
Prognose der BAG W: bis 2016 weiterer
Anstieg um 30% auf 380.000
Frauenanteil ca. 22- 25%
Anteil junger erwachsener Wohnungsloser
(bis zum 25 Lebensjahr) kontinuierlich
ansteigend
Gründe für die Wohnungslosigkeit
bei jungen Erwachsenen:
„Wohnungslosigkeit ist eine Variante für junge
Menschen, aus
 überfordernden,
 gewalttätigen
 oder vernachlässigenden Lebenslagen zu
entkommen - eine Variante, die oftmals das
vorläufige Ende einer langen Geschichte ist.“
(C. Wallner Vortrag 17.9.2010 Rheinberg)
Armut / Wohnungslosigkeit und
Krankheit / Gesundheit:
Es gibt zahlreiche Studien
die einen Zusammenhang
von Armut und Krankheit
aufzeigen.
Selektionseffekt
(Kranke werden eher arm):


Bei Erwachsenen kommt es im
Kontext Krankheit und Armut häufig zu
einer sozialen Selektion:
Chronisch schlechte Gesundheit
erhöht das Risiko Armut.
(Studie der Marburger Universität zu
„Armutslebensläufen.“)
Kausationseffekt
(Arme werden eher krank):


Hinweise für einen Kausationseffekt
ergeben sich für Kinder.
Wer in Armut aufwächst, hat als
Erwachsener eine schlechtere
Gesundheit.
(Studie der Marburger Universität zu
„Armutslebensläufen.“)
Sozialstatus und Wohlbefinden
Lebenserwartung
und Oskarpreisträger
Oskar
Lebenserwartung
(Mittelw., Jahre)
Differenz
(Jahre)
p
Gewinner
79.7
Nominierte
76.1
3.6
0.013
Kontrollgr.
75.8
3.9
0.003
Redelmeier & Singh, 2001
Lebenserwartung
und Oskarpreisträger
ein Beispiel für Inclusion /
Exclusion?!
Oskar
Lebenserwartung
(Mittelw., Jahre)
> 1 Oskar
82.0
1 Oskar
79.3
Differenz
(Jahre)
2.7
P
0.093
Redelmeier & Singh, 2001
Sozioökonomisches Panel :
( Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung;
Erhebung im 5-Jahreszeitraum, Lampert und Kroll 2010)




Lebenserwartungsunterschied zwischen dem
reichsten und ärmsten Viertel der Bevölkerung
bei Frauen um ca. 8 Jahre !
Lebenserwartungsunterschied zwischen dem
reichsten und ärmsten Viertel der Bevölkerung
bei Männern um ca. 12 Jahre !
31 % der von Armut betroffenen Männer
erreicht nicht das 65 Lebensjahr.
Der Trend nimmt zu ! Arme sterben früher !
Mortalitätsdaten:
Sektionsbefunde
(Veith & Schwindt/1979)
Sektionsbefunde
(Reuhl & Lutz / 1996)
Krankenaktenstudium
(Locher / 1985)
Sektionsbefunde
(Ishorst-Witte / 2001)
Krankenaktenstudium
(Trabert/ 1989)
57,0
Lebensjahre
47,6
Lebensjahre
63,3
Lebensjahre
44,5
Lebensjahre
53,3
Lebensjahre
Rechtsmedizin Uni-Hamburg




(Ishorst-Witte / 2001):
Bestätigung keine Anbindung zum
medizinischen Regelsystem
Bedeutende Anzahl psychiatrischer
Erkrankungen (Suchterkrankungen,
Suizide)
Sterbeort: 35,1% die Straße; 25,1%
Wohnheim; 20,9% Krankenhaus
viele unbehandelte chronische
Erkrankungen neben Akutversorgung
Erkrankungsprävalenzquoten bei von
Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen:
(Metaanalyse von Studien 1985 – 2012)
Erkrankungsformen
Prävalenzquoten
Verdauungsorgane
20 – 45 %
Atmungsorgane
25 – 70 %
HerzKreislauferkrankungen
Lebererkrankungen
28 – 52 %
Hauterkrankungen
10 – 50 %
30 – 40 %
Unfälle / Verletzungen
44 – 65 %
Psychische Erkrankungen 20 - 80 % (????)
Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf
das körperliche, psychische und soziale
Wohlbefinden bei jungen Erwachsenen:

1. Auf das körperliche Wohlbefinden:
-
Fehl- Mangelernährung
fehlende oder mangelhafte Körperpflegemöglichkeiten
kein Schutz- und Erholungsraum dadurch stärkere
Infektanfälligkeit und Gefahr der Chronifizierung und
Verschlechterung von Erkrankungen
-
Risikofaktor Ernährung:
ein Beispiel für eine strukturelle
Benachteiligung aufgrund eines zu
niedrigen Arbeitslosengeld II
Ernährungsbudgets!;
sowie einer
Bildungschancenungleichheit ?!
Shell-Jugendstudie (2006/2010):
Jugendliche aus der so genannten Unterschicht
zeigen weit häufiger gesundheitsgefährdende
Verhaltensweisen, wie z.B.:



ungesunde Ernährung
Bewegungsmangel
regelmäßiger Zigarettenkonsum.
Tagessatz eines
wohnungslosen Menschen :
Durchschnittlich ca.
(382 € : 30 =) ca.12,70 €
Hartz IV / Arbeitslosengeld 2 /
Sozialgeld im Jahre 2013:
Lebensalter
Hartz
Budget
0 – 5 Jahre
224 €
6 – 13 Jahre
IV Ernährung
Gesundheit
Bildung
2,80 € tägl.
6,30€ monatl.
1 € monatl.
255 €
3,45 € tägl.
5,30€ monatl.
1,25€ monatl.
14 – 17 Jahre 289 €
4,55 € tägl.
7,00€ monatl.
0,40€ monatl.
Erwachsener 382 €
Single
4,52 € tägl.
16,43€ monatl.
1,46€ monatl.
Besonderheiten zur Korrelation zwischen
Jugendarmut und Gesundheitsrisiko:


Bezüglich gesundheitsrelevantem Verhalten ( wie
z.B. Ernährungsgewohnheiten, Bewegung usw.)
zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zur
sozialen Ungleichheit (familiärer Kontext). (siehe
KIGGS-Studie, Shell-Studie)
Bezüglich gesundheitsrelevantem Verhalten im
Hinblick auf den Konsum von Tabak, Alkohol und
sonstigen Drogen scheint nicht die familiäre
Herkunft bestimmend zu sein, sondern andere
Faktoren wie z.B. Gleichaltrigengruppe (PeerGroup), schulisches Umfeld, Schultyp, aktuelle
Schulleistungen (als „eigene“ Statusindikatoren)
(Richter und Lampert, 2008; Nickel et al., 2008)
Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf
das körperliche, psychische und soziale
Wohlbefinden:

2. Auf das psychische Wohlbefinden:
- erhöhter Suchtmittelkonsum (Zigaretten,
Alkohol)
- fehlende Zukunftsperspektiven
- Gefühl von Vernachlässigung, Hilflosigkeit,
Einsamkeit
- fehlende Rückzugsmöglichkeiten (Erhöhte
Gefahr Opfer von Gewalttaten zu werden!)
Wussten Sie schon?


Von Armut betroffen zu sein bedeutet eine hohe
Prävalenz bezüglich der Alkoholkrankheit
(13% Männer; 2% Frauen) aber
auch eine hohe Prävalenz bezüglich Alkoholabstinenz,
denn der Anteil der Alkoholabstinenten nimmt mit
abnehmendem sozioökonomischem Status deutlich zu
und ist besonders bei den betroffenen Frauen in der
Armutsbevölkerung am höchsten ausgeprägt :
- 15% Väter und 42 %Mütter (25-50 J.) mit Kindern
unter 15 Jahren (Henkel 2008),
- 16,3% Männer und 35,8% Frauen (18 - 29J.)
- 10 % Männer und 28% Frauen (18 - 59 J.)
(Henkel 2008; Bloomfield et.al. 2000; Bundesgesundheitssurvey 1997
und 1998)
Dass Armut psychisch krank macht, hat
eine us-amerikanische Studie von
Christopher Hudson (2005) die in der
Fachzeitschrift „American Journal of
Orthopsychiatry“ veröffentlicht wurde,
eindeutig bestätigt.
Bei vier Siebtel aller Depressions- und
Schizophrenieerkrankungen wird die Armut
der Patienten als entscheidender
Verursachungsfaktor verantwortlich gemacht.
KIGGS-Studie (2006)
Kinder- und Jugendgesundheitsstudie (RKI)
(Bella-Studie / Unterstudie):
Psychische Auffälligkeiten nehmen zu !
 22 % zeigen psychische Auffälligkeiten
 14 % sind manifest psychisch krank
(Angststörungen, Depressionen).
 31,3% der Kinder in sozial benachteiligten
Verhältnissen sind psychisch auffällig.
 16,4% der Kinder in der oberen Sozialschicht
sind psychisch auffällig.
Soziale Lage und Suizid:
Erhöhtes Suizidrisiko bei:
 Sozialer Instabilität
 Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur
 Geschiedenen Menschen
 Alleinlebenden Menschen
 Arbeitslosigkeit
 Stadtbewohner
 Niedrige Schul- und Berufsausbildung
Studie Berlin 1996 – 2005:



Bei 20 – 40-Jährigen deutliche Korrelation
zwischen Suizidrate und soziale Lage.
Berlin: Stadtteile Friedrichshain-Kreuzberg /
Mitte / Neukölln haben die ungünstigsten
Sozialindizes und die höchsten
Suizidsterberaten.
Berlin: Stadtteile Steglitz-Zehlendorf /
Treptow-Köpenick haben die günstigsten
sozialen Bedingungen und die niedrigsten
Suizidraten.
Hohe Multimorbiditätsrate
Auswirkungen von Wohnungslosigkeit auf
das körperliche, psychische und soziale
Wohlbefinden:

3. Auf das soziale Wohlbefinden:
- Wohnbedingungen in Wohnheimen / Containern /
Zelten oder auf der Straße“
- „Wohnumfeld“ (große Schlafsäle; keine
Paarübernachtungsmöglichkeiten, Problem der
Unterbringung von Hunden usw.)
- Problem der sozialen Exclusion
- eingeschränktes Freizeitverhalten und
Freizeitmöglichkeiten
Risikofaktor: Sexualität
Sexualität:



Verhütungsmittel sind teuer (Hartz IV
Regelung problematisch; Verhütung nein Abtreibung ja;)
Gefahr von sexueller Gewalt
Gefahr der Ansteckung von sexuell
übertragbaren Infektionserkrankungen
(Hepatitis B und C; HIV-Infektion)
Risikofaktor: Gewalterfahrung
Sonderthema: Gewalt



Im Kontext von Ausgrenzung und sozialer
Benachteiligung nimmt auch Gewalt und
Vernachlässigung zu.
Opfer sind häufig Kinder / Jugendliche und
Frauen.
Gewalt im Rahmen von Suchtmittelgebrauch
als Aggressionsstimulator, Unfallverstärker
usw.
Gewalt gegenüber
wohnungslosen Menschen:

Von 1989 bis 2010 sind mindestens
170 Wohnungslose von Tätern
außerhalb der Wohnungslosenszene
getötet worden.

Von 1991 – 2010 sind mindestens 280
wohnungslose Menschen auf der
Straße erfroren. (BAG 2010)
Haupterkrankungsarten von ausländischen
Mitbürgern:
Speziell bei Migranten und Asylanten
stellen psychische Folgen von
Verfolgung und Traumatisierung ein
erhöhtes Erkrankungsrisiko für
Depressionen und Suizidalität dar.
(Studie der Universität Konstanz: Ca. 1/3 der Asylsuchenden leidet
unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die häufig nicht
erkannt und / oder ignoriert wird.)
Risikofaktor: Arbeitslosigkeit
Gedankensplitter zum Thema
Bildung:

Ungleiche Bildungschancen - abhängig vom
Sozialstatus der Eltern

Ca. 7,5 Millionen Deutsche sind funktionelle
Analphabeten, d.h. die Betroffenen können die
Buchstaben erkennen aber nicht die
Zusammenhänge - die Wörter und deren Sinn.
Erkrankungs- und Sterblichkeitsauffälligkeiten
bei arbeitslosen Menschen:



Mortalität (Sterbequote) 2,6 fach höher als
bei Erwerbstätigen
Suizidversuche 20mal häufiger als bei
Erwerbstätigen (Suizidversuche mit
tödlichem Ausgang ebenfalls häufiger)
doppelt so hohes Risiko eines
gewaltsamen Todes (suizidal, Unfälle)
Risikofaktor: Umwelt
Umwelt:



Schlafplatz in Abbruchhäusern;
Industrieanlagen, Müllanlagen
Gefahren in Wohnheimen / Schlafsälen
(leider immer wieder Krätze, Läuse usw.)
…..
Risikofaktor: Geschlecht
Gender - Aspekt:

Guggenbühl (Schweizer Psychologe):
„Die Schule ein weibliches Biotop.“
Jungs werden in der Schule benachteiligt!
Jungs –
die nicht verstandenen Schüler?!
(Daten von Untersuchungen und Analysen von A. Guggenbühl Uni Bern) :








75% der Hauptschüler sind Jungs
Time outs (Schulausschluss): fast ausschließlich
Jungs (9:1)
> 60% der Jungs bekommen während der Schulzeit
eine „Diagnose“ z.B. ADS
D.h. sie erleben sich als defizitär!!
2/3 der Klienten im schulpsychologischen Dienst
sind Jungs
63% der Gymnasiasten sind Mädchen
Autismus: in angelsächsischen Ländern fast
ausschließlich Jungs
Legasthenie: fast nur Jungs betroffen
Sprach- bzw. Kommunikationsunterschiede zwischen den
Geschlechtern:






Mädchen: Beziehungssprache
Jungs: Berichtssprache
Mädchen: Subjektorientierung
Jungs: Objektorientierung
Männer / Jungs neigen zu „Grandiositäten“,
zur Selbstüberschätzung im Sinne einer
Selbstmotivation
Jungs kommunizieren durch Provokationen
Besonderheiten zur Korrelation zwischen
Jugendarmut und Gesundheitsrisiko:
Im Vergleich zum Zusammenhang von Kinderarmut
und Gesundheit/Krankheit:

Weniger starke Zusammenhänge zwischen
sozialer Herkunft und gesundheitlichen
Störungen.

Ein Einfluss zwischen sozialer Ungleichheit und der
subjektiv empfundenen Gesundheit findet sich
besonders bei Mädchen. Jugendliche Mädchen
scheinen empfindsamer gegenüber den Einflüssen
sozialer Ungleichheit zu reagieren als Jungen.
Wohnungslose Frauen:




verstärkt sexuellen Übergriffen ausgesetzt
verstärkt körperlicher und seelischer Gewalt
ausgesetzt ( Entwertungs- und
Demütigungsverhalten)
zu wenig spezielle Beratungs- und
Übernachtungsmöglichkeiten
……
Gewalterfahrungen wohnungsloser
Frauen:
 56%
ausgeraubt
 34% körperlich angegriffen
 2/3 sexuell missbraucht
 1/3 vergewaltigt (Greiffenhagen,1997)

„Die gewaltbedingten Wohnungsverluste
sind bei den Frauen auf gut 16 % in 2005
gestiegen.“ (BAG, 2007)
Risikofaktor: Gesundheitssystem
Risikofaktor: Gesundheitssystem






Entsolidarisierung im Gesundheitssystem (u.a.
keine Parität zwischen Arbeitgeber und -nehmer)
Zunehmende Privatisierung
Exklusion durch Säumniszuschläge,
Notlagentarife, Basistarif
Hohe finanzielle Kosten (Zuzahlungen,
Eigenbeteiligungen) für den Einzelnen besonders
den chronisch Kranken.
Immer mehr und komplexere bürokratische
Hürden.
Verschuldung durch Krankheit.
Was folgt aus der Analyse der
Unterversorgungsrealitäten und
Risikofaktoren?
Meines Erachtens sind 3 Handlungsebenen bzw.
Aktionsbereiche von entscheidender Bedeutung:
• Erstens ist eine von Respekt und Wertschätzung
geprägte Diskussion zum Kontext Armut /
Wohnungslosigkeit und Gesundheit einzufordern.
• Zweitens muss auf der praktischen Ebene schnell,
kompetent, betroffenenzentriert agiert werden.
• Drittens sind die gesellschaftsstrukturellen
Verursachungsmechanismen zu benennen, zu
kritisieren, eventuell auch zu skandalisieren und
neue Inklusionsstrukturen zu schaffen.
1. Respektvolle, wertschätzende
Kommunikation!
Jesper Juul
(Dänischer Familientherapeut)
Begriff: Gleichwürdigkeit
Wissenschaftlicher Exkurs 1:
Chaostheoretischer bzw. affekttheoretischer Ansatz nach
Ciompi / Heise im Kontext von zwischenmenschlichen
Beziehungen:

Nach einem Chaos kommt es zu einer neuen Ordnung.

Kognition und Affektion gehören zusammen. Denken und
Fühlen gehören zusammen wie Geist und Körper.

In gewissen Emotionszuständen lassen sich nur gewisse
Gedanken entwickeln.

Die Verbesserung des emotionalen Zustandes (z.B. durch eine
empathische, anerkennende, wertschätzende Grundhaltung des
Profis) kann kohärentes Denken ermöglichen. Auch das Ambiente
muss von Wertschätzung geprägt sein.

Die Bedeutung der richtigen Zeit berücksichtigen. (Häufige immer
wiederkehrende Begegnungen.)

Affekt der Sympathie, auf Seiten des Profis, von zentraler
Bedeutung für das Verstehen des Klienten.
Wissenschaftlicher Exkurs 2:
Modell der Sequenziellen Traumatisierung nach Hans Keilson im
Kontext Trauma Verarbeitung:
 Art und Weise der Trauma Ver- und bearbeitung in Bezug auf die
Trauma - Begleiter, kann ausschlaggebender sein als das traumatische
Ereignis selbst.
 = Tertiäre Traumatisierung
 Tertiäre Traumatisierung entscheidend für die Ausbildung einer
Traumatisierungsreaktion bzw. Chronifizierung psychischer und
physischer Beeinträchtigungen
 Entscheidend in der „dritten Phase“ „… ein neues Leben mit sozialer
Sicherheit und Stabilität aufzubauen…“
 Trauma Verarbeitung ist ein Prozess, den wir mit gestalten und
begleiten können, kein abgeschlossenes Ereignis
 Pädagogen / Kontext-Akteure sind somit aktiv am Trauma Prozess
beteiligt
Konzepte der Wertschätzung:
Salutogenese versus Pathogenese /
(Gesundheitsförderung)
 Resilienzförderung

(Ressourcenorientierte und den
Menschen wertschätzende Konzepte)
Mainzer-Studie (2010, Trabert),
anhand einer Befragung wohnungsloser
Menschen hinsichtlich ihrer Stärken!



Was können andere Menschen, die nicht in
Ihrer Situation sind, von Ihnen lernen?
Wo, würden Sie sagen, liegen Ihre
Hauptstärken?
Was ist Ihr größter Wunsch?*
1.
Frage:
Was können andere Menschen, die nicht in
Ihrer Situation sind, von Ihnen lernen?

Umgang mit anderen Menschen / Mitgefühl /
Hilfsbereitschaft / Toleranz
(n = 12 / 30%)

„Wie man mit „wenig“ überleben kann!
Überleben in jeder Situation. (n=12 / 30%)

Zusammenhalt (n=5, 12,5%)
Was könnten uns diese Antworten sagen?
Konsequenzen für wen und was?



Ressource: Hilfsbereitschaft, Mitgefühl,
soziale Kompetenz
Ressource: Überlebensstrategien, Kreativität,
…..
Gabriele Haug-Schnabel
(Verhaltensbiologin):
„Die Aufgabe des Erziehers ist
nicht die Fehlersuche, sondern die
Schatzsuche.“
2. Verbesserung jetzt, konkret,
praktisch, betroffenenzentriert!
Stéphane Hessel:
“Macht Euch klar, was euch stört
und empört, und dann versucht
herauszufinden, was ihr konkret
dagegen unternehmen könnt.“
Stéphan Hessel:
„Empört Euch!“ Er schließt mit den Worten:
„Neues schaffen heißt Widerstand
leisten.
Widerstand leisten heißt Neues
schaffen.“
Konsequenzen „praktisch“:



Niederschwellig angelegte medizinische
Sprechstunden („vor Ort“) - Arzt geht zum
Patienten („Geh-Struktur“), Sprechstunden in
sozialen Brennpunkten (z.B. Vorsorgeuntersuchungen und Impfangebote)
kultursensibles Handeln (Transkulturelle
Sensibilität)
interdisziplinäre Versorgungskonzepte
(Sozialpädagogik / Pädagogik & Psychologie
& Medizin)
Konsequenzen „praktisch“:

Gesundheitsprävention unter
Berücksichtigung des Settingansatzes
(KIGA, KITA, Schule, Lebensraum,
Arbeitsplatz) (§20 Abs. 1 SGB V)

Screening-Untersuchungen im KIGA/KITA
(Stichwort: Frühförderung)
Konsequenzen „praktisch“:



Stärkere Vernetzung vorhandener
zielgruppenorientierter Einrichtungen (z.B.
Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe,
Schule, Jugend-, Sozial-, Gesundheitsamt)
Einbeziehung der Betroffenen
Reintegration in die medizinische
Regelversorgung (komplementär) - keine
Etablierung einer Armutsmedizin
3. Nachhaltige, strukturelle
Verbesserung!
Konsequenzen „strukturell“:


Verbesserung der ökonomischen
Lebensbedingungen von Menschen die von
Armut betroffen sind (Erhöhung der sozialen
Transferleistungen)
Keine weitere Privatisierung im
Gesundheitsbereich, Aufrechterhaltung des
Solidarprinzips, keine Zuzahlungen
Konsequenzen „strukturell“:




Stärkere Gewichtung von Prävention und
Gesundheitsförderung (Salutogenese)
Verabschiedung eines Präventionsgesetzes
Stärkung von Selbsthilfe-Ressourcen und
Eigeninitiative betroffener Familien
(Resilienzförderung)
Gesundheitserziehung von Kindern in KIGA
und Schule (Fach: Gesundheit)
Gesundheitserziehung von Eltern sozialer
Risikogruppen (Settingansatz)
Ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital
bestimmen Gesundheit (nach T. Abel Uni Bern) :
Soziale Ungleichheit
Aktive und passive
Lebensgestaltung
Gesundheitsungleichheit
Ökonomisches
Kapital
Soziales
Kapital
Kulturelles
Kapital
Gesundheitsförderndes oder gefährdendes
Handeln
Finanzielle Ressourcen,
bestimmen Wohnraum,
Umwelt, Ernährung, Bewegung
usw.
Soziale Ressourcen
bestimmen
Kompensationsmöglic
hkeiten, Zugänge zu
med. Leistung. ,
Unterstützungsmechan
ismen in Krisenzeiten
usw.
Kulturelle Ressourcen
bestimmen Wissen,
Werte, Fähigkeiten die
gesundheitsfördernd sind
Gesundheit
„Zugänge“ schaffen; Inklusion
fördern :



Bildungszugang; eine Chancengleichheit ist
in Deutschland immer noch nicht verwirklicht
(OECD-Studie; PISA-Studie)
Einkommenszugang; Arbeitslosengeld II /
Sozialgeld ist zu niedrig bemessen (siehe u.a.
Ernährungsaspekt, Bildungsaspekt)
Sozialpsychiatrischer, sozialarbeiterischer,
sozialmedizinischer Versorgungszugang;
niedrigschwellige Präventions- und
Gesundheitsförderungsangebote (SettingAnsatz)
Verfahren des Job-Centers (Arbeitsagentur) für Menschen ohne festen Wohnsitz (Durchwanderer)
ohne Krankenversicherungsschutz September 2010
medizinische
Versorgung
PatientIn
Krankenkasse
kann nicht direkt zum Arzt!
4.
1.
Aufsuchen medizinischer Hilfe
möglich,
wenn der/die PatientIn dann noch
lebt und laufen kann!
Bewilligung des Antrages
Am gleichen Tag?
KV-Schutz gilt weiterhin nur für den
laufenden Kalendermonat. D.h., das
ganze Procedere muss der/die
Betroffene jeden Monat wiederholen!
Job-Center
2.
3.
ggf. erforderliche zusätzliche
Schritte:
Ausweis neu beantragen
Abmeldebescheinigung besorgen
andere KK aufsuchen, die
Mitgliedsbescheinigung ausstellt
Antragstellung erst am nächsten Tag
möglich, weil zu spät vor Ort
Zimmermann/Trabert 2010
Persönliches Vorsprechen
zur Anmeldung:
Mitgliedsbescheinigung oder
Wahlrechtserklärung
ausstellen lassen
Persönliches Erscheinen mit erforderlichen Dokumenten zur
Antragstellung von ALG II und Krankenversicherung, zu
bestimmten Öffnungszeiten: Was ist außerhalb dieser Zeiten?
Deutsche Bürger:
gültiger Ausweis (teilweise nicht vorhanden)
zusätzlich aktuelle Abmeldebescheinigung,
Mitgliedsbescheinigung bzw. Wahlrechtserklärung der gewählten
KK (Wird nicht von jeder Kasse ausgestellt!)
Ausländische Mitbürger:
Nationalpass
gültiger Aufenthaltstitel, sowie eine
Erklärung, wann und zu welchem Zweck sie in die BRD eingereist
sind
(Papiere oft nicht vorhanden)
Capabilities
(Ansatz / Paradigma von Amartya K. Sen)
These: Armut soll nicht bloss als Mangel an
Ressourcen verstanden werden. Armut geht
zusätzlich mit einem Mangel an Freiheit
einher, auf eine Weise zu leben, für die sich
Menschen mit guten Gründen entscheiden.
Capabilities sind Befähigungen /
Verwirklichungschancen / Fähigkeiten, bestimmte
Lebensentwürfe zu verwirklichen.
Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag
des Deutschen Caritasverbandes:
Repräsentative Umfrage
(2030 Personen über 18 Jahren wurden befragt) zur Gesundheitsversorgung von
Obdachlosen, Asylbewerbern und Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus:
U.a. folgender Frageinhalt: Sollen obdachlose Menschen, Asylbewerber,
Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, die einen erschwerten
(Anmerkung von uns: keinen Zugang) Zugang zum deutschen
Gesundheitssystem haben, einen Anspruch auf eine medizinische
Vollversorgung haben.
62,3% bejahten dies
47,1% ist sogar bereit, zusätzlich zu ihrem eigenen
Krankenversicherungsbetrag einen monatlichen Beitrag zuleisten, um die
medizinische Versorgung dieser Menschengruppen zu finanzieren.
Im Durchschnitt würden die befragten Menschen 4 € hierfür zahlen.
Diese Form der Solidarität bekundeten die Befragten egal welcher
politischen Partei sie sich besonders verbunden fühlten (im Hinblick auf die
im Bundestag derzeit sich befindenden Parteien).
Kurt Marti (Schweizer Philosoph):
„Wo kämen wir hin,
wenn jeder sagte,
wo kämen wir hin
und keiner ginge,
um zu sehen,
wohin wir kämen,
wenn wir gingen.“
„Wege entstehen dadurch, dass
man sie geht.“
Franz Kafka (österr. Romanautor
tschech. Herkunft)
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