Deutscher Schwerhörigenbund e.V. Bundesverband der Schwerhörigen und Ertaubten Referat „Hörgeschädigte Senioren und Patienten“ Dipl.-Ing. Rolf Erdmann Linzer Str. 4, 30519 Hannover Tel./Fax: 0511/83 86 523 E-Mail: [email protected] Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität und Qualitätssicherung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 114 SGB XI in der teilstationären Pflege Stellungnahme des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. Vorbemerkungen Der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. (im Folgenden kurz: DSB) verfolgt seit vielen Jahren das Ziel, dass die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen, die zusätzlich hörgeschädigt sind, angemessen berücksichtigt werden. Dies ist bisher aus verschiedenen Gründen keineswegs gewährleistet. - Pflegegutachter des MDK als auch Pflegepersonal und Betreiber von Pflegeeinrichtungen verfügen nur selten über ausreichende Kenntnisse hinsichtlich der Situation pflegebedürftiger Menschen mit Behinderungen und speziell von Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung. - Die Kommunikationsprobleme hörgeschädigter Pflegepatienten werden nicht erkannt, was zu fehlerhaften Entscheidungen bei Begutachtung und Durchführung der Pflege führt. - Die vorliegende Hörschädigung wird in Pflegeheimen – egal ob stationär oder teilstationär - vielfach nicht erkannt, so dass mitunter völlig falsche Maßnahmen (z.B. falsche medikamentöse Behandlung in Annahme einer Demenzerkrankung) ergriffen werden. - Hörgeschädigte Pflegepatienten sind oft mit Hörgeräten unterversorgt bzw. tragen diese aus verschiedenen Gründen sehr selten oder gar nicht. Auch wird die Zahl von pflegebedürftigem Menschen mit zusätzlicher Hörschädigung sehr unterschätzt. Pflegebedürftige Menschen sind in der Regel 60 Jahre und älter. Bei Menschen über 60 Jahren ist ein Anteil von 35% hörbeeinträchtigt, bei Menschen über 70 Jahren beträgt dieser Anteil bereits 54%1. Nach neuesten Angaben soll dieser Anteil bei über 80jährigen Menschen sogar 90% betragen2. Man kann somit davon ausgehen, dass zwischen 30 und 50 % der pflegebedürftigen Menschen in Pflegeheimen schwerhörig oder ertaubt sind. In konkreten Zahlen: Nach einer sehr vorsichtigen Schätzung auf Basis der SOHN-Untersuchung sind mindestens 390.000 pflegebedürftige Menschen in Deutschland zusätzlich hörgeschädigt. Zwei vor wenigen Jahren veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchungen3 über die Situation hörgeschädigter Menschen in der Altenpflege sind zu ähnlichen Ergebnissen wie der DSB gekommen. 1 Quelle: Studie von Wolfgang SOHN (Universität Witten): Zahl der Hörgeschädigten in Deutschland, Bericht von 1999 2 Quelle: Studie der Fakultät für Medizin und Gesundheit von der Universität Wisconsin, Madison, veröffentlicht in: Hearit.org vom 01.08.11 3 Forschungsprojekt „Hörbeeinträchtigungen bei Bewohnern von Einrichtungen der stationären Altenpflege“, FriedrichAlexander Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Psychogerontologie, Abschlussbericht vom Mai 2006 DSB-Bundesgeschäftsstelle Geschäftsführer Jens Steffens Breite Straße 3, 13187 Berlin Telefon: (030) 47 54 11 14 Telefax: (030) 47 54 11 16 E-Mail: [email protected] Internet: www.schwerhoerigen-netz.de Bankverbindung Vorstand Mitglied im Dr. Harald Seidler (Präsident) PARITÄTISCHEN Renate Welter (Vizepräsidentin) Wohlfahrtsverband Andreas Kammerbauer (Vizepräsident) Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00 Konto: 3 133 400 IBAN: DE19100205000003133400 Eingetragen beim Amtsgericht BIC: BFSWDE33BER Berlin-Charlottenburg, VR 25501 Mitglied in der BAG Selbsthilfe e.V. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 2 von 11 Die nachfolgenden Anmerkungen haben wir in der Reihenfolge des vorliegenden Papiers geordnet. Bei allen nachfolgend aufgeführten Maßnahmen und Vorschlägen hält es der DSB für erforderlich, dass er als zuständiger anerkannter Behindertenverband bei deren Planung und Durchführung einbezogen wird, damit die Belange dieser Patientengruppe fachkompetent vertreten und im Endergebnis angemessen berücksichtigt werden. Der DSB hält die Berücksichtigung folgender Punkte für zwingend erforderlich: Zu Punkt 2.1.2 Darstellung der Pflegeinrichtung Sachverhalt In der Liste von Informationen zur Außendarstellung sind etliche Punkte aufgeführt. Vorschläge des DSB Nach Auffassung des DSB sollten folgende Punkte detailliert dargestellt werden: - getroffene Maßnahmen zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, - Informationen über den fachkompetenten Umgang des Pflegepersonals mit Menschen mit Hörbehinderungen. Beide Punkte sind bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung von großer Bedeutung. Zu Punkt 2.2.1. Funktion der verantwortlichen Pflegefachkraft Sachverhalt In einer Liste sind etliche Punkte der Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft aufgeführt. Vorschläge des DSB Zusätzliche Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft sollten sein: - Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, Prüfung der installierten Hilfseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen auf Funktion, Beachtung des korrekten Umganges mit Menschen mit Behinderungen, insbesondere bei bestehenden Kommunikationseinschränkungen, Bei der Dokumentation der Stammdaten sind Hinweise über Besonderheiten des Pflegepatienten auf dem Altendeckel vermerkt werden, z.B. Hörstatus oder Versorgung mit Hilfsmitteln. Die Durchführung dieser Aufgaben ist wichtig für die korrekte Behandlung des Pflegepatienten. Zu Punkt 2.2.2.1 Ausbildung Sachverhalt In der Ausbildung als Altenpfleger/ Pflegefachkraft wird das Thema Schwerhörigkeit und deren Folgen in der Pflege nur unzureichend, nahezu am Rande behandelt. Besonders der Umgang mit hörgeschädigten Patienten und der von ihnen genutzten Technik wird kaum vermittelt. Ebenso wenig werden die psychosozialen und kommunikativen Bedürfnisse schwerhöriger Pflegepatienten in der Ausbildung angemessen behandelt. Fehlerhafte Verhaltensweisen des Pflegepersonals gegenüber hörgeschädigten Pflegepatienten werden durch derartige Ausbildungsmängel verursacht. Vorschlag des DSB Projekt „Die Versorgungssituation hörbehinderter alter Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe“, Universität Dortmund, Institut für Gerontologie, Endbericht vom Mai 2006 Beide Arbeiten wurden durch die GEERS-Stiftung gefördert. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 3 von 11 Der DSB hält daher eine entsprechende Änderung der Altenpflege-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für dringend geboten. Folgende Ausbildungsinhalte werden als besonders notwendig angesehen: - Schwerhörigkeit und Ertaubung: Anatomie, Ursachen, Anzahl, Arten, psychosoziale Auswirkungen, Bewältigungsformen, Folgen von Schwerhörigkeit bzw. Ertaubung in der Pflege, Abgrenzung der Schwerhörigkeit bzw. Ertaubung von einer Demenzerkrankung, Bedingungen für eine erfolgreiche Kommunikation, richtiger Umgang mit hörgeschädigten Pflegepatienten, Vorstellung unterschiedlicher Kommunikationsformen Medikamente, die das Gehör gefährden, Technische Hilfen für Hörgeschädigte, Barrierefreie Ausstattung von Pflegeeinrichtungen. Der Gesetzgeber sollte nach Auffassung des DSB vorschreiben, dass diese Inhalte Pflichtteil der Ausbildung zum Altenpfleger sind. Es wird bei der detaillierten Ausarbeitung dieser Inhalte eine Zusammenarbeit mit dem DSB angeboten, der über entsprechendes Know-How verfügt. Zu Punkt 2.2.2.3 Weiterbildung Sachverhalt Vorhandene Altenpfleger sind kaum über die Bedarfe hörgeschädigter Pflegepatienten informiert. Vorschlag des DSB Die im vorstehenden Punkt genannten Ausbildungsinhalte sollten in Weiterbildungsangeboten als Pflichtveranstaltungen angeboten werden. Zu Punkt 2.3 Räumliche Voraussetzungen Sachverhalt Im vorliegenden Entwurf ist zwar von einer „alten- und behindertengerechten Ausstattung“ die Rede, die besser „barrierefreie Ausstattung“ genannt werden sollte. Erfahrungsgemäß wird bei Maßnahmen zur Barrierefreiheit in Pflegeeinrichtungen fast ausschließlich an die Belange von Menschen mit Gehbehinderungen gedacht. Die Bedürfnisse pflegebedürftiger Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung werden dagegen gewöhnlich weder erkannt noch berücksichtigt. Vorschläge des DSB Optische Anzeigen statt Lautsprecheraufrufe Patientenaufrufe über Lautsprecher in einer Pflegeeinrichtung sollten durch optische Anzeigen, z.B. mit Nummernaufruf ergänzt werden. Optische Warnanlagen Überall dort, wo in einer Pflegeeinrichtung akustische Warnanlagen, z.B. für Feuer- oder Terroralarm, vorhanden sind, müssen zusätzlich optische Warnanlagen installiert werden. Barrierefreie Telekommunikation Mit normalen Telefonen in den Patientenzimmern können pflegebedürftige Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung meist nichts anfangen. Es müssen daher schwerhörigengerechte Telefone angeboten werden. Hiermit sind einesteils besondere Telefone gemeint, andererseits auch anschließbare Telefonverstärker gemeint. Eine zusätzliche Telefon-Lichtklingel muss vorhanden sein, da der hohe Klang der Telefonklingeln oft nicht wahrgenommen werden kann. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 4 von 11 Nur so können hörgeschädigte Pflegepatienten ihr Recht auf Kommunikation mit der Außenwelt ausüben. Für ertaubte und gehörlose Patienten sollte ein Faxgerät vorhanden und nutzbar sein. Ebenso sind Internetanschluss und e-Mail im Einzelfall als Kommunikationsform wünschenswert. Barrierefreie Unterhaltungselektronik Fernsehgeräte in Zimmern und insbesondere in Gemeinschaftsräumen sind nur dann für Hörgeschädigte barrierefrei, wenn sie mit Videotext-Decoder ausgestattet, um den Empfang von Untertiteln zu ermöglichen. Weiterhin ist eine Übertragungseinrichtung für den Tonempfang notwendig. Wenn für den Rundfunkempfang Telefonhörer angeboten werden, muss auch die Möglichkeit bestehen, eine Übertragungseinrichtung anzuschließen. Tür-Lichtklingeln Pflegebedürftige Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung können das Anklopfen an die Tür meist nicht wahrnehmen. Wenn plötzlich jemand unvermutet im Bettenzimmer steht, kann dies beim pflegebedürftigen Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung ein sehr erhebliches Erschrecken auslösen. Ebenso wird auch die Privat- und Intimsphäre beeinträchtigt, und dies kann großen Einfluss auf die psychische Gesundheit eines Menschen haben. Zu bedenken ist außerdem, dass ein Hörgeschädigter erheblich unter Druck steht, wenn er ständig auf erhöhte, Kräfte bindende Reaktionsbereitschaft eingestellt sein muss. Durch Einbau einer Tür-Lichtklingel können diese Probleme vermieden werden. Dies betrifft grundsätzlich alle Senioren- und Pflegeheime wie auch Privatwohnungen. Vortragssäle Sollte es in Pflegeeinrichtungen Vortragssäle geben, müssen Maßnahmen vorgesehen werden, damit pflegebedürftige Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung auch an Veranstaltungen teilnehmen können. Folgende Maßnahmen können sinnvoll sein: Verwendung von FM-Anlagen (FunkÜbertragungsanlagen), Induktionsanlagen oder Infrarot-Anlagen, Dolmetscherangebote (Mitschrift durch Schriftdolmetscher und Laptop/ Beamer, Einsatz eines Gebärdendolmetschers LBG/ DGS). Schallschutzmaßnahmen Arzt- und Untersuchungsräume dürfen nicht schallhart sein, d.h. die Raume sollten eine gute Schallabsorption (z.B. Teppichböden, abgehängte Decken, Vorhänge, Mobiliar) zur Vermeidung einer schlechten Raumakustik erhalten. Menschen mit Hyperakusis haben besondere Probleme mit Lautstärken, die für guthörende Menschen ohne weiteres zu ertragen sind. Daher sind für diesen Personenkreis geeignete Lärmschutzmaßnahmen durchzuführen. Es muss darauf geachtet werden, dass sie nicht in der Nähe von Lärmquellen (z.B. An- und Abfahrbereich von Rettungsfahrzeugen) platziert werden. An dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit bei Störgeräuschen nur sehr schwer verstehen können. Auch für sie sind daher Lärmschutzmaßnahmen sinnvoll. Auch das guthörende Personal wird durch Lärmschutzmaßnahmen entlastet. Safes mit Zahlencode Diebstähle in Patientenzimmern sind eine schwer zu steuernde Problematik. Besonders gefährdet sind pflegebedürftige Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung, die in das Zimmer sich einschleichende Diebe nicht hören können. In die Schränke der Bettenzimmer sind Safes mit Zahlencode aufzustellen, in denen Geld, Wertsachen, Schlüssel, Ausweise usw. sicher hinterlegt werden können. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 5 von 11 Sichtscheiben im Eingangs- und Anmeldebereich Noch heute sind im Eingangs- und Anmeldebereich von Pflegeeinrichtungen Sichtscheiben anzutreffen, die eine Kommunikation besonders für hörgeschädigte Menschen stark erschweren. Auf diese Sichtscheiben sollte aus Gründen einer leichteren Verständigung, auch mit guthörenden Patienten, verzichtet werden, zumal sie auch architektonisch nicht mehr in die heutige Zeit passen. Zu Punkt 3.1.2 Aufnahme und Eingewöhnung Sachverhalt Im Erstberatungsgespräch sollen Hilfebedarf, Versorgungsleistungen und Gewohnheiten des Pflegepatienten besprochen werden. Hierzu zählt auch die Feststellung des Hörstatus des Pflegepatienten. Vorschlag des DSB Feststellung des Hörstatus Bekanntlich wollen ältere Schwerhörige ihre Kommunikationsprobleme nicht wahrhaben, leugnen sie gegenüber ihrer Umgebung und verstecken sie aus falscher Scham. Daher führen Fragen nach dem Hörstatus nicht selten zu falschen Antworten. Um Aufschluss über den Hörstatus zu erhalten, ist die Abschaffung eines transportablen Schnell-Hörtestgeräts anzuraten, mit dem ein grober Hörtest durchgeführt werden kann. Bei Auffälligkeiten ist ein HNO-Arzt hinzuziehen, der eine genaue objektive Hörprüfung vornimmt. Diese Maßnahme ist wegen der Verwechselungsgefahr einer Hörbehinderung mit einer Demenzerkrankung zwingend erforderlich. Zu Punkt 3.1.3 Pflegeplanung und Dokumentation Sachverhalt Da der Hörstatus des Pflegepatienten oft nicht bekannt ist, wird mit ihm falsch kommuniziert. Auch kann es dazu kommen, dass die Pflegeplanung fehlerhaft ist. Um dies zu vermeiden, muss die Pflegeanamnese vollständig durchgeführt werden. Vorschläge des DSB Hinweise zur Pflegeplanung bei hörgeschädigten Pflegepatienten Die notwendigen Hilfsmittel (Hörgeräte) und deren Nutzung müssen erfragt und dokumentiert werden. Wenn der Pflegepatient seine Hörgeräte nicht bzw. kaum nutzt, muss der Grund hierfür festgestellt werden. Bei nicht ausreichendem Sprachverstehen mit den Hörgeräten liegt vermutlich eine Unterversorgung vor, die durch einen Hörgeräteakustiker zu überprüfen ist. Bei beidseitiger Schwerhörigkeit müssen zwei Hörgeräte verordnet sein und auch getragen werden. Es ist festzustellen, ob der Pflegepatient überhaupt in der Lage ist, die Geräte selbständig einzusetzen und zu bedienen, Batteriewechsel vorzunehmen und die notwendige Pflege und Wartung durchzuführen. Dokumentation des Hörstatus des Pflegepatienten Damit jede Person über die Schwerhörigkeit informiert ist und hörgeschädigtengerecht kommuniziert, sind folgende Eintragungen auf dem Deckel der Patientenakte sinnvoll: Angaben über die Art der Hörschädigung • • • • • • resthörig = rh an Taubheit grenzend schwerhörig = tgsh hochgradig schwerhörig = hsh schwerhörig = sh spätertaubt = et gehörlos = gl Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 6 von 11 Angaben über die Art der Hörhilfe (welches Ohr) • • • • Hinter-dem-Ohr-Gerät = HdO Hörbrille = HB Im-Ohr-Gerät =IO Cochlea Implantat = CI Angaben über die gewünschte Kommunikationsform • • • • • Lautsprache mit Mundabsehen (langsam und deutlich sprechen) Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) Deutsche Gebärdensprache (DGS) Hilfestellung durch Fingeralphabet Aufschreiben Einsatz von Assistenzhilfen Notwendige Hilfen wie der Einsatz von Assistenzhilfen (Dolmetscherdienste, Kommunikationsassistenten, technische Kommunikationshilfen) müssen im Voraus geplant und beantragt werden. Derartige Hilfen sind nicht ständig erforderlich, aber doch in bestimmten Situationen zwingend notwendige Hilfen für pflegebedürftige und zusätzlich schwerhörige, ertaubte oder gehörlose Menschen. Aus Sicht des DSB müssen diese Assistenzhilfen bei der Pflegeplanung berücksichtigt werden. Zu Punkt 3.3 Soziale Betreuung Sachverhalt Aufgrund unzureichender Zeitvorgaben des MDK wird Pflegepatienten mit zusätzlicher Hörschädigung oft nur unzureichend kommuniziert. Vorschläge des DSB Um eine ausreichende Kommunikation mit hörgeschädigten Pflegepatienten sicherzustellen, müssen die Zeitvorgaben erhöht werden. Die heilende oder zumindest therapieunterstützende Wirkung der kommunikativen Zuwendung muss beachtet werden. Die Art der Kommunikation seitens des Pflegepersonals ist ein Maß für Wertschätzung und Achtung, die dem Pflegepatienten entgegengebracht wird. Wenn eine Kommunikation kaum stattfindet, empfindet sich ein hörgeschädigter Pflegepatient nicht als vollwertiger Mensch angenommen, er fühlt sich unverstanden, ausgeliefert, unglücklich und abgeschoben. Eine respektvolle, die Menschenwürde des Pflegepatienten achtende Behandlung – und dazu gehört eine angemessene Kommunikation - trägt dazu bei, dass er sich in seiner Pflegeeinrichtung wohl fühlt, seine Lebensqualität steigt. All dies hat Auswirkungen auf den Verlauf der gesundheitlichen Entwicklung, auf den Grad der Pflegebedürftigkeit und nicht zuletzt auf die Höhe der aufzuwendenden Kosten. Zu Punkt 3.3.2 Angebote der sozialen Betreuung Sachverhalt Gruppenangebote sind für hörgeschädigte Menschen grundsätzlich schwierige Kommunikationssituationen, da sie nicht verstehen können, wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Vorschläge des DSB Technische Hilfen bei Gruppenangeboten Bei Gruppenangeboten müssen entsprechende technische Hilfen eingesetzt werden wie z.B. eine Induktionsanlage in den Raum oder eine individuell zu nutzende FM-Anlage. Ohne diese Hilfen ist kein Sprachverstehen möglich und der hörgeschädigte Pflegepatient ist zwar anwesend, aber nicht einbezogen. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 7 von 11 Schriftliche Darstellung des Gesprochenen Eine Alternative zu technischen Hilfen bei Gruppenangeboten kann der Einsatz eines Schriftdolmetschers, der durch Mitschrift des Gesagten eine Teilnahme ermöglicht. Zu Punkt 3.4 Kommunikation mit Angehörigen Sachverhalt Richtigerweise werden Kontakte zu Angehörigen des Pflegepatienten vorgesehen. Bei Gesprächen in Anwesenheit von Angehörigen wird oft fehlerhaft kommuniziert – nämlich zwischen Pfleger/ Arzt und den guthörenden Angehörigen. Vorschlag des DSB Bei Gesprächen in Anwesenheit von Angehörigen darf auf keinen Fall über den Kopf des hörgeschädigten Patienten hinweg gesprochen werden. Das wird als sehr demütigend empfunden und verhindert den Aufbau des notwendigen Vertrauens. Zu Punkt 3.6. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen Sachverhalt Richtigerweise wird hier u.a. auf den behandelnden Arzt hingewiesen. Nach Kenntnis des DSB besteht bei Heimen nur im Ausnahmefall eine ständige Zusammenarbeit mit einem HNO-Arzt. Vorschläge des DSB Pflegeheime sollten grundsätzlich ständige Zusammenarbeit zu folgenden Institutionen pflegen: - Hörgeräteakustiker, HNO-Arzt, Zuständige Selbsthilfeverbände. Die Zusammenarbeit mit einem HNO-Arzt ist erforderlich, damit eine dringend behandlungsbedürftige Erkrankung wie z.B. ein Hörsturz sofort festgestellt und behandelt wird. Selbsthilfeverbände können weitere Informationen vermitteln und Hilfestellung leisten. Zu Punkt 4 Ergebnisqualität Sachverhalt In der Auflistung sind etliche Merkmale für eine gute Qualität aufgelistet, die der DSB begrüßt, jedoch nachfolgend ergänzt. Vorschläge des DSB Grundsätzlich sind nach Auffassung des DSB die zugehörigen Selbsthilfeverbände bei der Festlegung von Qualitätsstandards einzubeziehen. Qualitätsmerkmal „Zufriedenheit mit der Kommunikation“ Unter dem Stichwort sollte nach Auffassung des DSB konkret das Qualitätskriterium „Zufriedenheit des Pflegepatienten mit der Kommunikation und persönlichen Zuwendung“ genannt werden. Nach Meinung des DSB ist dieses Qualitätsmerkmal für alle Pflegepatienten sehr wichtig, in besonderem Maße aber für hörgeschädigte Pflegepatienten. Qualitätsmerkmal „keine Sekundärschäden“ Der DSB möchte darauf hinweisen, dass durch fehlerhafte Behandlungen Sekundärschäden verursacht werden können. Bei pflegebedürftigen Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung sind falsche Annahmen des Hörstatus und daraus folgende falsche Behandlungen und Maßnahmen keine Seltenheit. Noch selte- Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 8 von 11 ner sind technische Hilfen vorhanden bzw. werden richtig und regelmäßig genutzt. Auch besitzen hörgeschädigte Pflegepatienten nur selten angemessene Hörgeräte und benutzen diese auch regelmäßig. Ein großer Teil dieses Personenkreises ist unversorgt oder - mit nicht ausreichenden Hörgeräten - unterversorgt. Dies erschwert die Kommunikation und hemmt die Pflegeleistungen. Eine Unterversorgung in der Pflege entspricht nicht dem Maß des Notwendigen. Eine solche Unterversorgung liegt dann nach Auffassung des DSB vor, wenn nicht die erforderliche Zeit für eine menschenwürdige Kommunikation vorgehalten wird. Es ist ein nicht hinnehmbares pflegerisches Defizit, wenn sich aus Zeitmangel eine Vernachlässigung der Kommunikation mit dem hörgeschädigten Pflegepatienten ergibt. Beides – unzureichende Hörgeräteversorgung und Kommunikationsdefizite - kann zu Sekundärschäden führen, die zunächst psychischer Natur sind. Ausgrenzung, Einsamkeit und Isolation können zu schweren psychischen Problemen auswachsen und sogar zu physischen Erkrankungen führen. Es muss kontrolliert werden, ob mit den pflegebedürftigen Patienten mit zusätzlicher Hörbeeinträchtigung eine angemessene Kommunikation durchgeführt wird. Zur besseren Kontrolle schlägt der DSB die Entwicklung von Fragebögen vor, mit denen regelmäßig die Zufriedenheit der Leistungsberechtigten mit der Pflegequalität ermittelt wird. Bei Qualitätsprüfungen ist nicht nur der gesundheitliche und pflegerische Zustand des Pflegebedürftigen zu prüfen, sondern auch der psychische Zustand. Eine mangelhafte Kommunikation hat erhebliche Auswirkungen auf den psychischen Zustand, der zu einer Verschlechterung der Gesundheit führen kann, die Pflegesituation erschwert und somit höhere Kosten bewirkt. Qualitätsprüfungen sollten vom Pflegebedürftigen bzw. dessen Vertreter beantragt werden können. Daneben sollten auf Wunsch des Pflegebedürftigen auch die zuständigen maßgeblichen SelbsthilfeOrganisationen von Menschen mit Behinderungen antragsberechtigt sein. Qualitätsmerkmal „Unterstützung zur Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit“ Der DSB geht davon aus, dass hier nicht die Einbuße an Kommunikationsfähigkeit durch eine Hörbehinderung gemeint ist. Daher erfolgen die nachstehenden Anmerkungen, in denen weitere Unterstützungsmaßnahmen vorgeschlagen werden: - Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie Kommunikationstraining im Nachgang einer Hörgeräte- oder CI-Versorgung, Audiotherapie, Tinnitustherapie. Zu diesen Therapie-Empfehlungen folgende Erläuterungen. Kommunikationstraining Nach einer Hörgeräteversorgung, besonders wenn es sich um eine Erst-Versorgung handelte, muss gewährleistet sein, dass die erforderlichen Hilfsmittel tatsächlich regelmäßig benutzt werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn das neue Hören mit Hörgeräten richtig gelernt und geübt wird. Es ist zu bedenken, dass das hörentwöhnte Ohr mit den vielen neu gehörten Geräuschen nicht zurecht kommt. Leider ist es nicht möglich, Hörgeräte einfach anzulegen und dann sofort besser zu hören (wie etwa eine Brille sofort besseres Sehen ermöglicht). Vielmehr handelt es sich oft um einen langen Gewöhnungsprozess, der nur durch entsprechendes Training verkürzt und optimiert werden kann. Dadurch wird die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und Patient erleichtert und so eine Verbesserung der Pflegesituation bewirkt. Audiotherapie und Tinnitustherapie Unter Audiotherapie werden die erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen nach einer akuten Schwerhörigkeit, nach einem Hörsturz und nach erfolgter Hörgeräteversorgung verstanden Audiotherapie führt zu dem optimal möglichen Sprachverstehen mit Hörgeräten. Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 9 von 11 Eine Tinnitustherapie ist bei einem dekompensierten Tinnitus quälenden Ausmaßes erforderlich, bei der dem Tinnitusbetroffenen beigebracht wird, den Tinnitus zu ertragen und mit ihm zu leben. Entsprechende Maßnahmen können im Einzelfall notwendig sein, daher müssen diese Angebote bekannt sein. Rehabilitationsmaßnahme nach CI-Versorgung Nach einer erfolgreichen Versorgung mit einem oder zwei Cochlea Implantaten (kurz: CI) müssen die Betroffenen das neue Hören mit dem CI erlernen. Nicht immer sind die der Operation folgenden stationären Maßnahmen der operierenden Kliniken hierzu ausreichend. Dann sind Rehabilitationsmaßnahmen in speziellen Kliniken angezeigt. Zu Punkt 6 Maßnahmen der Tagespflegeeinrichtung zur Qualitätssicherung Sachverhalt Den empfohlenen Maßnahmen wird seitens des DSB zugestimmt, sie sollten aber wie folgt ergänzt werden. Vorschläge des DSB Ausbildung/ Ernennung von Beauftragten für Hörgeschädigte Nach Auffassung des DSB sollte jede Pflegeeinrichtung einen Beauftragten für Hörgeschädigte ernennen, dessen Aufgabe es u.a. ist, als Ansprechpartner bei Kommunikationsproblemen zu dienen. Ein solcher Beauftragter – das könnte ein Pflegeassistent oder Audiotherapeut sein – soll dem Personal wie auch den Patienten Hilfestellung geben und Probleme bewältigen helfen. Der Beauftragte für Hörgeschädigte muss - - die verschiedenen Kommunikationsformen der Hörgeschädigten (deutliche Sprache, lautsprachbegleitende Gebärden, Deutsche Gebärdensprache, Fingeralphabet, notfalls aufschreiben) beherrschen, spezielle Kenntnisse aufweisen, z.B. Informationen geben über technische Hilfen, spezielle Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen für schwerhörige und ertaubte Menschen, Schwerbehindertenausweis sowie Hilfestellung zu deren Beantragung bieten. Hierdurch ist er in der Lage, sowohl bei Kommunikationsproblemen zwischen Patient und Pflegepersonal als auch bei erforderlichen Informationen und Anträgen Hilfestellung zu geben. Zur Durchführung dieses umfangreichen Tätigkeitsfeldes ist nach Auffassung des DSB eine besondere Ausbildung notwendig, an der Berater des DSB beteiligt sein sollten. Berlin, 03.03.12 /RE Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 10 von 11 ANHANG Zum besseren Verständnis der vorstehenden Anmerkungen und Empfehlungen des DSB sehen wir es als notwendig an, über einige Fakten und grundsätzliche Feststellungen hinsichtlich der Situation hörgeschädigter Menschen sowie daraus sich ergebende Folgerungen für die Pflegebedürftigkeit zu informieren. 1. Anzahl pflegebedürftiger Patienten, die zusätzlich hörgeschädigt sind Kurzfassung für schnelle Leser: Etwa 30 bis 50% aller Pflegepatienten, mind. 390.000 Personen, sind zusätzlich hörgeschädigt. Pflegebedürftige Menschen sind in der Regel 60 Jahre und älter. Bei diesem Personenkreis ist ein hoher Anteil zwischen 30 bis 50 % schwerhörig oder ertaubt. In konkreten Zahlen: Nach einer sehr vorsichtigen Schätzung sind mindestens 390.000 als pflegebedürftig anerkannte Menschen in Deutschland zusätzlich hörgeschädigt. 2. Wesen und Auswirkungen von Hörschädigung Kurzfassung für schnelle Leser: Schwerhörigkeit wird sehr unterschätzt - Nicht die Hörschädigung an sich, sondern deren Auswirkungen sind das eigentliche Problem und führen im Alter zur Isolation. Das Thema Hörschädigung findet in unserer Gesellschaft sehr geringes Interesse. Trotz der UNBehindertenrechtskonvention sind Kommunikationsbarrieren nahezu überall vorhanden. Barrierefreiheit, Teilhabe und Selbstbestimmung schreiten nur sehr langsam voran. Diese Fehlentwicklung führt zu erheblichen Versäumnissen und Benachteiligungen gegenüber hörgeschädigten Menschen in vielen Bereichen. Die Belange der über 13 Millionen schwerhörigen, etwa 200.000 ertaubten und ca. 80.000 gehörlosen Menschen werden als geringfügig angesehen. Hörschäden sind unsichtbar und daher für Guthörende schwer vorstellbar. Wer seine Augen schließt, kann nachempfinden, was Blindheit bedeutet. Wer sich jedoch die Ohren zuhält, hört mit der Knochenleitung weiter Ertaubung und Schwerhörigkeit ist somit nicht nachvollziehbar. Dies macht es Guthörenden oft so schwer, das rechte Verständnis für Hörgeschädigte und ihre Probleme aufzubringen. Vielfach wird angenommen, dass bei Schwerhörigkeit alles leiser gehört wird. Das trifft nur bei der seltenen Mittelohrschwerhörigkeit zu. Bei der am häufigsten auftretenden Innenohrschwerhörigkeit können verschiedene Frequenzen kaum oder gar nicht wahrgenommen werden. Wegen der fehlenden hohen Töne klingt alles anders, oft bruchstückartig. Die Auswirkungen einer Hörschädigung im täglichen Leben und im Beruf sind vor allem stark abhängig vom Lebensalter bei Eintritt der Hörschädigung. Frühschwerhörige sind es nicht anders gewohnt, als schlecht zu hören, sie haben meist nur geringfügige Probleme mit Annahme der Behinderung und Bewältigung der Kommunikationsprobleme. Ebenso geht es gehörlosen Menschen, die ebenfalls von Kindheit an betroffen sind und daher unbefangen mit der eigenen Behinderung umgehen. Dagegen erleben Menschen, die als berufstätige Erwachsene oder als Senioren schwerhörig werden oder ertauben, einen krassen, oft äußerst schmerzhaften Bruch in der Lebensplanung. Die bisher verwendete Kommunikation funktioniert nur noch unvollkommen oder gar nicht mehr. Das führt zu Verunsicherung und sehr großen Ängsten vor sozialen Kontakten. Nicht die Hörstörung ist selbst das große Problem, sondern die Kommunikationsstörung mit der Umwelt, die zu Isolation, Verlust von Partnern oder Freunden, sozialen Beziehungsstörungen mit psychischen Auswirkungen und oft auch physischen Erkrankungen führt. Bei fortschreitender Verschlechterung des Hörvermögens verändern sich oft Persönlichkeit und Selbstwertgefühl von Menschen, die im Alter hörgeschädigt werden. Sie ziehen sich daher meist zurück und werden – obwohl sie eine große Bevölkerungsgruppe mit über 7 Millionen Menschen stellen - von der Gesellschaft überhaupt nicht wahrgenommen. Schwerhörige und ertaubte Menschen benötigen als Ausgleich für die eingeschränkte Hörfähigkeit technische Übertragungsanlagen und Schriftdolmetscher. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beherrschen sie keine Gebärdensprache. Dagegen erhalten gehörlose Menschen mit der Stellung von Gebärdensprachdolmetschern die richtige Hilfestellung. 3. Kommunikation mit hörgeschädigten Pflegepatienten Kurzfassung für schnelle Leser: Die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und hörgeschädigtem Pflegepatient kann bis zu 50% höheren Zeitaufwand bedeuten! Für die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und hörgeschädigtem Pflegepatient erfordert einen bis 50% höheren Zeitaufwand gegenüber einem guthörenden und ansonsten gleichartig pflegebedürftigen Menschen. Bei hörgeschädigten Pflegepatienten sind Anweisungen und Gespräche „nebenher” nicht möglich. Um verstehen zu können, sind Schwerhörige meist und Ertaubte grundsätzlich immer auf das Absehen vom Mund ange- Stellungnahme des DSB Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität Seite 11 von 11 wiesen. Das bedeutet: Grundvoraussetzung für eine funktionierende Kommunikation ist Sichtkontakt, um das Mundabsehen zu ermöglichen. Mundabsehen ist sehr schwer, erfordert eine hohe Konzentration und eine gute Kombinationsgabe. Menschen im höheren Lebensalter können Mundabsehen meist nur sehr begrenzt erlernen. Da viele Wörter ähnlich aussehen (Beispiel: Mutter - Butter) und viele Konsonanten im Mund gebildet werden und gar nicht abzusehen sind, kann ohnehin höchstens 30% des Gesprochenen durch Absehen verstanden werden. In diesen Fällen ist zeitaufwändiges Aufschreiben die einzige Möglichkeit zur Kommunikation. Zusammenhänge oder Vorgänge müssen oft mit großer Geduld, mitunter mehrfach, erklärt werden. Spürt der Hörgeschädigte bei seinem Pfleger Ungeduld und Reizbarkeit, so wird er selbst nervös, unsicher und versteht dann erfahrungsgemäß noch weniger und „schaltet einfach ab“. Dies kann fatale Folgen haben. Erhebliche Probleme ergeben sich zusätzlich, wenn schwerhörige Pflegepatienten ihre Hörgeräte nicht tragen können, z.B. beim Waschen oder beim Röntgen. Da sie ohne Hörgeräte praktisch nichts verstehen können, sind dann besondere, zeitaufwändige Vorkehrungen erforderlich. Gemäß einer Modellrechnung des DSB-Referats „Hörgeschädigte Senioren und Patienten“ werden allein für die Morgentoilette doppelt so viele Pflegeminuten bei hörgeschädigten Patienten benötigt als bei gut hörenden Patienten. 4. Versorgung mit Hörhilfen Kurzfassung für schnelle Leser: Hörgeschädigte Pflegepatienten sind selten mit ausreichenden Hörgeräten versorgt. Dies erschwert die Kommunikation und hemmt die Pflegeleistungen! Nur wenige hörgeschädigte Pflegepatienten besitzen angemessene Hörgeräte und benutzen diese auch regelmäßig. Ein großer Teil dieses Personenkreises ist unversorgt oder - mit nicht ausreichenden Hörgeräten - unterversorgt. Hierfür sind verschiedene Gründe ursächlich, insbesondere die hohen Eigenleistungen, die sich Pflegepatienten nur sehr selten leisten können. Eine Unterversorgung erschwert die Kommunikation, hemmt die Pflegeleistungen und führt zu psychischen Sekundärschäden und damit insgesamt höheren Kosten. Hörgeräte werden nicht benutzt, wenn das „neue Hören“ damit nicht geübt und gelernt wurde. Das oft jahrelang hörentwöhnte Ohr kommt mit den vielen Geräuschen nicht zurecht. Denn es ist nicht möglich, die Hörgeräte einfach anzulegen und dann sofort besser zu hören (wie etwa eine Brille sofort besseres Sehen ermöglicht). Dies ist mitunter ein langer Gewöhnungsprozess, der durch entsprechendes Training verkürzt werden kann. Durch Audiotherapie (u.a. Kommunikationstraining mit Hörgeräten) wird erreicht, dass Hörgeräte nicht in der Schublade landen. Gleichzeitig wird durch das Training die Kommunikation bei der Pflege erleichtert und eine Verbesserung der Pflegesituation bewirkt. In bisher seltenen Einzelfällen treten in der Pflege auch ertaubte Menschen in Erscheinung, die mit einem Cochlea Implantat (CI) versorgt sind. Dies ist eine elektronische High-Tech-Hörprothese, die das Innenohr überbrückt. In vielen Fällen ist es möglich, mit dem CI gutes Wortverstehen zu erreichen. 5. Unterscheidung Gehörlosigkeit - Taubheit Kurzfassung für schnelle Leser: Oft werden Gehörlosigkeit und Taubheit miteinander verwechselt. Der wesentliche Unterschied ist die Kommunikation: Ertaubte Menschen kommunizieren in der Lautsprache, während Gehörlose mit Gebärdensprache kommunizieren. Spätertaubung betrifft Menschen, deren Gehör nach dem Spracherwerb, durch Unfall oder Krankheit, verloren gegangen ist. Sie erreichen mit den vorhandenen Hörresten auch bei Verwendung von Hörgeräten kein Sprachverstehen mehr. Meist können sie normal sprechen, mitunter klingt ihre Sprache etwas undeutlich. Die Kommunikation ist über Mundabsehen, Anwendung von lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) und Aufschreiben möglich. Oft stellt bei spätertaubten Menschen das CI eine Versorgungsform dar, mit der Sprachverstehen wieder möglich ist. Als Gehörlose werden dagegen Menschen bezeichnet, die taub geboren wurden oder ihr Gehör vor dem Spracherwerb verloren haben. Auch bei Gehörlosen können geringe Hörreste vorliegen, mit denen jedoch auch mit Hörgeräten nur Geräusche wahrgenommen werden können. Sie wurden früher fälschlich als „Taubstumme“ bezeichnet. Gehörlose kommunizieren hauptsächlich in der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Aufgrund wachsender Zahlen von gehörlos geborenen Kindern, die mit einem Cochlea Implantat (CI) versorgt werden, wird die Zahl der Gehörlosen tendenziell rückläufig sein.