GESUNDHEIT Neuer Acetontest meldet Ketosen früher Nach dem LKV in Thüringen bietet jetzt auch der LKV in Rheinland-Pfalz routinemäßig die Messung von Milchaceton zur Ketoseprophylaxe an. Über die ersten Erfahrungen berichten Julia Bohrs und Dr. Karl Landfried.* K etosen sind die häufigste und bedeutendste Stoffwechselstörung bei Milchkühen. Sie treten in der subklinischen Form oft unbemerkt als Bestandsproblem auf und beeinträchtigen sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Tiergesundheit. Ursache dieser verbreiteten Erkrankung ist fast immer eine negative Energiebilanz kurz vor der Kalbung oder in den ersten Wochen der Laktation aufgrund der mangelhaften Futteraufnahme in dieser Zeit. Für die Früherkennung von ketotischen Stoffwechsellagen im Bestand eignet sich der Acetongehalt in der Milch. Der relativ einfach zu ermittelnde Wert gibt Auskunft über den Gehalt an Ketonkörpern, womit Rückschlüsse auf den Abbau von Körperfett gezogen werden können. Damit kann das Ketoserisiko in den ersten Laktationswochen genau ein*) Julia Bohrs, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westpfalz und Dr. Karl Landfried, Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle. R18 top agrar 10/2006 geschätzt werden. Je höher der Acetonwert, desto höher das Energiedefizit. Alternativ zur Acetonbestimmung in der Milch ist auch die Messung von BetaHydroxybuttersäure im Blut möglich. Nach dem Prinzip der Ketonkörpermessung im Harn oder in der Milch arbeiten auch die bekannten Ketoseteststreifen, die jedoch im physiologischen Bereich nicht so exakt arbeiten wie die Labormethoden. Aceton routinemäßig messen lassen Zwei Landeskontrollverbände bieten die Acetongehaltsmessung routinemäßig als zusätzlichen Parameter zur Überwachung der Stoffwechselsituation im Bestand an. Während der LKV in Thüringen damit schon sechs Jahre Erfahrung hat, ist der LKV in Rheinland-Pfalz Mitte des vergangenen Jahres in die Routineuntersuchung von Aceton eingestiegen. Der Ablauf sieht so aus: ■ Der beste Zeitpunkt für die Probenahme ist zwischen dem 6. und 10. Tag nach der Kalbung. Dann ist der Aceton- Der beste Zeitpunkt für die Acetonmessung in der Milch ist zwischen dem 6. und 10. Tag nach der Abkalbung. wert am aussagekräftigsten. Weil viele Betriebe den Aufwand scheuen, genau zu diesen Terminen zusätzliche Sonderproben für die Messung zu ziehen, bieten die LKVs an, die Acetonproben bei den ersten beiden MLP-Terminen nach der Abkalbung routinemäßig mitzumachen. Diese Lösung stellt aber einen Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen dar, denn für ein schnelles und zielgerichtetes Handeln kommen die Ergebnisse oft zu spät. ■ Acetonmessungen müssen anhand von Einzelgemelksproben durchgeführt werden. Die Bestimmung in der Sammelmilch ist wertlos, da Tiere mit erhöhten Konzentrationen durch den Verdünnungseffekt nicht erkannt werden. ■ Die Proben sollten während der Melkzeiten gezogen werden, um den Aufwand zu vermindern. Da Aceton flüchtig ist, müssen die Probeflaschen unmittelbar nach der Probenahme zügig verschlossen werden! Eine Lagerung der Proben bis zu sechs Tagen bei 4 °C ist unbedenklich. Praxisurteil Zusätzliche Sicherheit durch Acetonwerte Hans Lauer, Milchtongehaltsbestimmung viehhalter aus Stockborziehen: „Sonderproben exakt zwischen dem 6. nerhof in Rheinlandund 10. Tag zu ziehen Pfalz, nutzt den LKVService zur Acetonist uns zu aufwändig“, erklärt Lauer, der allen messung seit Mitte letzten Frischmelkern in den Jahres. Lauer ist überzeugt ersten drei Wochen vom Milchacetonwert als Ketoseindikator, obwohl er mit standardmäßig 200 bis deutlicheren Ausschlägen der 250 ml Propylenglykol Werte gerechnet hat: „Damit pro Tag verabreicht. habe ich zusätzliche SicherTrotz dieser ohnehin heit, subklinische Ketosen sehr guten Ketoseprophylaxe will er den schneller aufzuspüren“, meint Hans Lauer aus Lauer, der gemeinsam mit Stockbornerhof. Aceton-Service weiter nutzen: „denn die subseinen Partnern eine GbR mit klinisch erkrankte Kuh mit über 150 Kühen führt. Der Betrieb lässt bei der monatli- 2,0 mmol Aceton pro Liter hätte ich chen Milchkontrolle zusätzliche Proben ohne die Acetonmessung nicht so früh bei den Frischmelkern für die Ace- erkannt“, so der Milchviehhalter. -sl- ■ Die Ergebnisse werden den Betrieben, die sich für die Dauer von einem halben Jahr für den Test angemeldet haben, sofort nach der Untersuchung als Fax oder E-Mail mitgeteilt. ■ Mit jedem Analyseergebnis wird das Bewertungsschema zur Gesundheitsbeurteilung der Tiere mitgeliefert (Übersicht 1). Bei Proben aus der 1. Laktationswoche gilt: Wenn der Acetongehalt in der Milch unter 0,25 mmol/l liegt, ist die Kuh gesund. Bei Proben ab der zweiten Laktationswoche sollte der Acetongehalt maximal 1,0 mmol/l betragen. Liegen die Acetongehalte über diesen Grenzwerten, sollten die Tiere gezielt gegen Ketose behandelt werden. In unseren Untersuchungen wurden zwar in einzelnen Fällen auch Acetongehalte über den genannten Grenzwerten gemessen ohne dass die Tiere Krankheitssymptome zeigten, dennoch haben sich die Werte bei der Mehrzahl der Kühe bestätigt. In einer Milchviehherde mit stabiler Tiergesundheit sollten nach Angaben des LKV in Thüringen in den ersten zwei Monaten nach der Kalbung mindestens 93 % der Tiere einen normalen Milchacetonwert aufweisen. Bei der Interpretation müsse außerdem beachtet werden, dass die Werte morgens niedriger sind als abends und in den Sommer- und Herbstmonaten generell höher als im Winter und Frühjahr. ■ In Rheinland-Pfalz unterzeichnen Betriebe, die an dem Acetonprogramm teilnehmen möchten, einen Vertrag. Eine Sonderprobe kostet 1,25 E ohne MwSt. Betriebe ohne extra Vertrag bezahlen 2 E pro Probe. In Thüringen beträgt der Preis pro Probe 0,77 E o. MwSt. Weitere Infos zu der Dienstleistung, die auch Nicht-LKV-Mitglieder in Übersicht 1: Beurteilung der Anspruch nehmen könAcetongehalte in der Milch nen, erhalten Sie unter: ■ LKV Rheinland-Pfalz, Aceton- Beurteilung Acetonkonzentration Bad Kreuznach; Tel.: klasse mmol/l mg/l* 06 71/8 86 02-0, E-Mail: Norm-/[email protected] 1 < 0,200 < 11,5 gischer Bereich ■ Thüringer Verband für Leistungs- und QuaRisikobereich sub2 0,200 bis 0,249 11,5 bis 14,4 litätsprüfungen in der klinische Ketose Tierzucht, Erfurt; Tel.: 3 subklinische Ketose 0,250 bis 1,000 14,5 bis 58,0 03 61/74 97 70. 4 5 Risikobereich klinische Ketose klinische Ketose * mmol x 58,08 = mg/l 1,001 bis 2,000 58,1 bis 116,0 > 2,000 > 116,0 Ab Klasse 2 sollten die Tiere gegen Ketose behandelt werden. top agrar 10/2006 R19 GESUNDHEIT Lohnt die routinemäßige Acetonmessung? Ist der Milchacetongehalt ein verlässlicher Parameter für die Früherkennung von Ketosen? Julia Bohrs und Dr. Karl Landfried aus Rheinland-Pfalz berichten. O b sich die routinemäßige Bestimmung des Acetonwertes als Indikator für eine ketotische Stoffwechsellage lohnt, wurde an der Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle untersucht. Dabei wurden die Milchacetonwerte einer Herde mit 45 Kühen im Zeitraum von drei Wochen vor bis sechs Wochen nach der Abkalbung erfasst. Die Versuchstiere (Rasse Dt. Holstein) wiesen im Schnitt 2,23 Laktationen sowie eine mittlere Leistung von 9 628 kg Milch (404 kg Fett, 316 kg Eiweiß) auf. Ihr Körpergewicht betrug im Mittel 635 kg. Allen laktierenden Kühen wurde vor und während der Untersuchung eine TMR mit 6,9 MJ NEL und 175 g nXP pro kg TM gefüttert. In der frühen Trockenstehphase wurde die TMR mit 39 % Stroh verdünnt. Zur Anfütterung wurde die TMR unter Zugabe eines phosphorreichen Mineralfutters mit 19 % Heu verschnitten. Mehrkalbskühe erkranken häufiger an Ketosen Im Untersuchungszeitraum zeigten neun von 45 Kühen sichtbare Anzeichen einer Ketose, die behandelt werden musste. Zwei Tiere erkrankten an einer Labma- Die Acetonmessung in der Milch liefert schnell und zuverlässig genaue Ergebnisse zur Einschätzung des Ketoserisikos. Fotos: LKV Rheinland-Pfalz, privat. genverlagerung. Die verbleibenden 34 Kühe waren unauffällig. Von den Kühen zwischen dritter und sechster Laktation musste jede zweite wegen einer Ketose behandelt werden (53,3 %). Dagegen erkrankte von den Zweitkalbskühen nur eine (7,1 %) an Ketose, von den Erstkalbskühen keine. Übersicht 2: Tagesmilchmenge und Milchacetongehalt nach der Abkalbung* Woche nach der Kalbung 1. Woche 2. Woche 3. Woche 4. Woche 5. Woche 6. Woche 42-Tage-Leistung unauffällige Kühe erkrankte Kühe Milchmenge in Acetongehalt in Milchmenge in Acetongehalt in kg/Tier/Tag kg/Tier/Tag mmol/l mmol/l 26,6 0,22 34,0 0,83 32,3 0,26 33,0 1,46 34,5 0,29 30,0 1,20 35,7 0,36 28,2 1,31 35,6 0,32 29,6 0,63 35,9 0,17 34,5 0,42 Ø 33,4 Ø 31,6 *) Mittelwerte nach Laktationswochen R20 top agrar 10/2006 Gute Korrelation zwischen Blut und Milchmessung Als wichtiger Hinweis für eine Ketose dient sowohl ein erhöhter Acetongehalt in der Milch als auch ein erhöhter Gehalt an Hydroxybuttersäure im Blut. In der vorliegenden Untersuchung konnte zunächst gezeigt werden, dass in der 2. Laktationswoche ein enger Zusammenhang zwischen den Gehalten an Hydroxybuttersäure im Blut und Aceton in der Milch gegeben ist. Beim Vergleich der mittleren Milchacetongehalte wurden deutliche Unterschiede zwischen unauffälligen und erkrankten Kühen erkennbar. In der Milch der kranken Kühe konnten in den ersten sechs Wochen der Laktation deutlich erhöhte Acetonwerte nachgewiesen werden (Übersicht 2). Bereits in der ersten Laktationswoche lag der Acetonwert im Mittel bei 0,83 mmol/l und damit fast vier Der Milchacetonwert unterscheidet sich zwischen unauffälligen und kranken Tieren deutlich. Praxisurteil Viele schleichende Ketosen früh entdeckt dardmäßig Propylen„Der Acetonwert gibt mir einen guten Überglykol verabreicht, kommt es immer wieblick über die Stoffwechsellage meiner Herde. So der zu Problemen. habe ich bei etwa acht bis „Bei einem Leiszehn Kühen mit schleichender tungsniveau über 8 000 kg wird es immer Tiere Ketose schon frühzeitig gegensteuern können“, erklärt mit Ketose geben“, Joachim Berg von der GbR meint Berg. Auch er Berg in Argenthal in Rheinlässt aus Zeitgründen land-Pfalz. zwei Proben bei der Der Landwirt nimmt mit monatlichen MLP mitseinen 95 Kühen bereits seit machen. „Wir nehmen in Kauf, dass an diesen Mitte 2005 an dem Aceton- Joachim Berg aus Terminen nicht immer programm des LKV teil. „Ke- Argenthal. tose war in unserem Betrieb die besonders gefährdeschon immer eines der größten Prob- ten Tiere erwischt werden. Andererseits leme. Wir bekamen die Tiere nach der ist der Acetonwert auch zu einem späteAbkalbung oft nur schlecht ans Fres- ren Zeitpunkt in der Laktation noch sen“, erzählt Berg. Obwohl auch er sei- hilfreich für die Rationsoptimierung“, nen HF-Kühen zur Prophylaxe stan- weiß Berg. -sl- mal höher als bei den unauffälligen Kühen. Nach einem weiteren Anstieg verblieb der Mittelwert dieser Tiere drei Wochen lang deutlich über 1,0 mmol Aceton pro Liter. Der Spitzenwert von im Mittel 1,46 mmol/l wurde bereits in der 2. Laktationswoche registriert. Die Durchschnittswerte der unauffälligen Tiere schwankten hingegen zwischen 0,17 und 0,36 mmol Aceton/l, wobei der höchste Wert in der 4. Laktationswoche erreicht wurde. Wie aussagekräftig ist der Fett-Eiweiß-Quotient? Als Hilfsmittel zur Erkennung einer Ketose wird in der Praxis häufig der FettEiweiß-Quotient (FEQ) in der Milch herangezogen. Ein FEQ beim Einzeltier über 1,5 gibt einen Hinweis auf eine Ketose. Da über die Milchleistungskontrolle die Fett- wie auch die Eiweißwerte monatlich festgestellt werden, ist dieser Parameter schon heute jeden Monat ohne zusätzliche Kosten verfügbar. Zieht man allein den FEQ zur Beurteilung des Gesundheitszustandes der Tiere heran, waren in der vorliegenden Untersuchung rund 50 % aller vorher als unauffällig festgestellten Kühe Ketose-verdächtig! Der FEQ scheint deshalb als alleiniger Ketose-Parameter wenig geeignet. Empfohlen wird daher, den FEQ stets herdenbzw. tierindividuell zu interpretieren. Beim Milchacetongehalt lagen in der ersten Laktationswoche 13 Kühe über einem Wert von 0,25 mmol/l, von denen rund 60 % später an Ketose erkrankten und auch behandelt wurden. In der zweiten Laktationswoche lagen zehn Kühe im Milchacetongehalt über dem Wert von 1,0 mmol/l, von denen 80 % an Ketose erkrankten und behandelt wurden. Zwei der erkrankten Kühe mussten bereits am Ende der 1. Laktationswoche behandelt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Milchacetongehalt im Vergleich zum FettEiweiß-Quotient über die Stoffwechsellage der Kühe eine treffsichere und auch genauere Aussage erlaubt. Fazit Der Acetongehalt in der Milch eignet sich gut, um frühzeitig ketotische Stoffwechsellagen bei Kühen zu erkennen. Daher ist die routinemäßige Acetonbestimmung in der Milch der Frischmelker durch den LKV zu empfehlen. Ein positiver Nebeneffekt einer solchen routinemäßigen Milchacetonbestimmung ist, dass den Kühen in den ersten beiden Wochen nach der Kalbung mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dadurch können andere Erkrankungen, wie z.B. Gebärparese oder Gebärmutterentzündungen, die oft eine Ketose als Folgeerkrankung nach sich ziehen, früher entdeckt werden. Den vollständigen Versuchsbericht lesen Sie im Internet unter www.topagrar.com in der Rubrik Leserservice/Rind. top agrar 10/2006 R21