Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff M 11.5 Wahrscheinlichkeitsbegriff (ca. 10 Std.) Die Entwicklung eines abstrakten Wahrscheinlichkeitsbegriffs erlaubt es den Schülern, verschiedene bereits aus den vorhergehenden Jahrgangsstufen bekannte Begriffe und Vorgehensweisen zu präzisieren und zu erweitern. Sie erkennen, dass für weitergehende Betrachtungen von Zufallsexperimenten, die nicht der LaplaceAnnahme genügen, anwendbarer ein tragfähiger, Wahrscheinlichkeitsbegriff auf unterschiedliche nötig ist. Die Tatsache, Sachverhalte dass auch bedeutende Mathematiker bis zu seiner axiomatischen Fundierung lange um eine einwandfreie Definition des Wahrscheinlichkeitsbegriffs gerungen haben, macht den Schülern deutlich, dass in der Mathematik ein ständiger Prozess der Entwicklung von Begriffen und Aussagen stattfindet. Die Schüler arbeiten nun formaler mit Ereignissen und vertiefen dabei ihre bisherigen Kenntnisse. Sie erkennen, wie die Darstellung eines Ereignisses als Komplement-, Schnitt- oder Vereinigungsmenge es erleichtern kann, dessen Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Ausgehend vom bereits bekannten Begriff der bedingten Wahrscheinlichkeit lernen die Schüler, zwischen abhängigen und unabhängigen Ereignissen zu unterscheiden sowie Aussagen darüber zu machen, ob Ereignisse einander beeinflussen. axiomatische Definition von Wahrscheinlichkeit verknüpfte Ereignisse und ihre Wahrscheinlichkeiten 8.1 Das Zufallsexperiment Experimente, deren Ergebnisse vor der Versuchsdurchführung nicht eindeutig vorhergesagt werden können (selbst bei Wiederholung unter gleichen Bedingungen), heißen Zufallsexperimente. Beispiele: 1. Werfen einer Münze 2. Werfen eines Würfels 3. Ziehen aus einer Urne mit verschiedenfarbigen Kugeln 4. Lottospiel „6 aus 49“ 8.1 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Beispiel 1: Werfen einer Münze Versuch: Eine Münze wird einmal geworfen. Mögliche Ergebnisse: Kopf K – Zahl Z Die Menge aller möglichen Ergebnisse fasst man zum Ergebnisraum (auch Ergebnismenge genannt) zusammen. Hier: = Allgemein: Eine nichtleere, endliche Menge : 1 , 2 ,..., m m heißt Ergebnisraum eines Experiments, wenn (1) jedes Element i ein Ergebnis des Experiments bezeichnet und (2) jedem Ergebnis des Experiments genau ein Element aus entspricht. Beispiel 2: Werfen einer Würfels Versuch: Einmal einen Würfel werfen. Mögliche Ergebnisse: Ergebnisraum: = Beispiel 3: Ziehen aus einer Urne Eine Urne enthält 15 rote und 5 blaue Kugeln. Die Kugeln werden gut gemischt. Anschließend wird eine Kugel gezogen und ihre Farbe festgestellt. Mögliche Ergebnisse: Ergebnisraum: = Beispiel 4: Lottospiel „6 aus 49“ Ein mögliches Ergebnis: Beliebiges Ergebnis: Ergebnisraum: = 8.2 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Weitere Beispiele: a) Gleichzeitiges Werfen von zwei Würfeln: Man interessiert sich für die Augensumme = b) Gleichzeitiges Werfen zweier unterscheidbarer Würfel (rot und blau). Von Interesse sind die Augenzahlen der einzelnen Würfel. = c) Aus einer Urne mit roten und blauen Kugeln, die anderweitig nicht unterscheidbar sind, werden gleichzeitig zwei Kugeln zufällig herausgegriffen. Mögliche Ergebnisse: Ergebnisraum: = Änderung des Experiments, so dass es auf die Reihenfolge ankommt: 8.1.1 Der Ergebnisraum zusammengesetzter Zufallsexperimente Komplizierte Experimente („Werfen zweier unterscheidbarer Würfel“ usw.) lassen sich oft auf einfache Experimente („Werfen eines Würfels“) zurückführen. Dabei kann der Ergebnisraum des zusammengesetzten Experiments aus den Ergebnisräumen der Einzelexperimente abgeleitet werden. Beispiel: Werfen zweier unterscheidbarer Würfel 1. Würfel: 1 1;2;3;4;5;6 Durch Paarbildung ergibt sich der Ergebnis- 2. Würfel: 2 1;2;3;4;5;6 raum des zusammengesetzten Experiments. 8.3 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 1 2 (1;1),(1;2),(1;3),....,(6;5),(6;6) 11. Klasse Mathematik kartesisches Produkt (Kreuzprodukt) Definition: A1 A2 A3 .... An heißt kartesisches Produkt von n Mengen Sonderfall: An A A ... A 8.1.2 Das Zählprinzip Gegeben ist ein Ergebnisraum 1 2 3 ...n . Bekannt ist außerdem die Mächtigkeit (Anzahl der enthaltenen Elemente) der einzelnen Mengen: i ki . Gesucht ist die Anzahl der Elemente von . Baumdiagramm (zur Veranschaulichung des Zustandekommens aller möglichen Tupel) n=3 k1 1 2 1 K ; Z k2 2 4 2 1;2;3;4 k3 3 3 3 a; b; c 8.4 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Anzahl der Elemente beim zusammengesetzten Experiment: 8.5 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Allgemein gilt das Zählprinzip: Besteht ein zusammengesetztes Experiment aus n voneinander unabhängigen Einzel-experimenten mit k1 , k2 ,..., kn möglichen Ergebnissen, so hat das zusammengesetzte Experiment k1 k2 ... kn mögliche Ergebnisse. Beispiel: Werfen zweier unterscheidbarer Würfel 1 6 6 6 36 2 6 8.1.3 Vergröberung des Ergebnisraumes Die Mächtigkeit eines Ergebnisraumes hängt ab von der Information, die man bei den Versuchen gewinnt. Außerdem wird sie bestimmt von dem Merkmal, für das man sich bei der Ausführung des Experiments interessiert. Beispiel: Kontrolle maschinengefertigter Teile Experiment: „Zufälliges Entnehmen von 4 Teilen aus jeder Produktionsserie (Karton)“ b: brauchbar u: unbrauchbar Mögliche Ergebnisräume: a) bbbb , bbbu , bbub ,..., uuuu 24 16 b) Es interessiert nur die Anzahl der unbrauchbaren Stücke innerhalb jeder Stichprobe: 0;1; 2;3; 4 5 heißt Vergröberung von . 8.6 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Übungsaufgabe: Zwei Personen A und B tragen ein Tennisturnier aus. Diejenige Person, die zuerst zwei Spiele nacheinander oder zuerst insgesamt drei Spiele gewinnt, soll Turniersieger sein. Wie lauten die möglichen Ergebnisse? (Baumdiagramm!) 8.2 Der Ereignisraum Einem Ereignis aus dem Ergebnisraum entspricht eine Teilmenge von . Beispiel: Werfen eines Würfels G 2; 4;6 bedeutet das Ereignis „eine gerade Zahl wird gewürfelt“. Ein Ereignis A tritt genau dann ein, wenn das Ergebnis des Zufallsexperiments ein Element von A ist. A A ist eingetreten A A ist nicht eingetreten Die Menge aller Ereignisse aus (also die Menge aller Teilmengen von ) heißt Ereignisraum () . Besondere Ereignisse: a) ist das „sichere Ereignis“ b) (leere Menge) ist das „unmögliche Ereignis“ 8.2.1 Mächtigkeit des Ereignisraumes () Ist die Mächtigkeit eines Ergebnisraumes m, so hat der zugehörige Ereignisraum die Mächtigkeit 2m . m 2m 8.7 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Übungsaufgabe: 1. Beim zweimaligen Würfeln eines Würfels sei der Ergebnisraum dargestellt durch 1; 2;3; 4;5;6 . Man stelle folgende Ereignisse durch Mengen dar: 2 A: „Augensumme 10“ B: „Augensumme 5“ C: „Augensumme gerade“ D: „Augensumme 7 oder 10“ E: „Augensumme k ( 2 k 12 )“ F: „Augenzahl beim 2. Wurf ist um mind. 1 aber höchstens 2 größer als die Augenzahl beim 1. Wurf“ 2. Aus einer Urne mit 10 roten und 10 weißen Kugeln werden nacheinander mit Zurücklegen 4 Kugeln entnommen. Gib zu jedem Ereignis Ei die zugehörige Teilmenge auf möglichst einfache Weise an. E1 : „die 2. Kugel ist rot“ E2 : „genau die 2. Kugel ist rot“ E3 : „mindestens eine Kugel ist rot“ E4 : „die beiden ersten und die beiden letzten Kugeln sind rot“ 8.8 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik 3. Gib zu jeder der folgenden Teilmengen Ei eine Wortform des Ereignisses an. E5 rrrw E6 rrrw, rrrr E6 rrrw, rrwr , rwrr , wrrr , rrrr 4. Zu einer Party erwartet Susanne 2 Mädchen und 3 Jungen. Die 5 Gäste treffen nacheinander ein. Beschreibe folgende Ereignisse durch Ergebnismengen: 8.2.2 A: „Der erste Gast ist ein Mädchen.“ B: „Unter den ersten drei Gästen sind die zwei Mädchen.“ C: „Der letzte Gast ist kein Junge.“ Relationen und Verknüpfungen Beispiel: Ein Wurfpfeil wirft auf eine so große quadratische Scheibe geworfen, dass sie vom Wurfort mit Sicherheit getroffen werden muss. Jeder Punkt der Scheibe ist ein mögliches Versuchsergebnis, und da nach Voraussetzung keine weiteren Ergebnisse eintreten können, ist die Gesamtfläche der Scheibe. Man betrachtet folgende Ereignisse: A: Fläche des rot umrandeten Kreises B: Fläche des blau umrandeten Kreises 8.9 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik a) Relationen zwischen Ereignissen Gleichheitsrelation Mengen Interpretation bei Veranschaulichung am Ereignissen Beispiel Zwei Mengen A und B Zwei Ereignisse A und heißen genau dann B heißen genau dann gleich, wenn jedes gleich, wenn mit dem Element aus A auch Ereignis A auch das Element von B ist und Ereignis B eintritt und umgekehrt. umgekehrt. Teilmengenrelation Mengen Interpretation bei Veranschaulichung am Ereignissen Beispiel Eine Menge A heißt Gilt für zwei Ereignisse Teilmenge von B genau A und B aus einem dann, jedes Ereignisraum A B, so Element von A auch tritt mit dem Ereignis A Element von B ist. stets auch das Ereignis wenn B ein. Man sagt: „Das Ereignis A zeiht das Ereignis B nach sich.“ 8.10 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik b) Verknüpfungen von Ereignissen – Operationen mit Ereignisraum Komplement Das Komplement von Das A, immer bezogen auf mentäre die Grundmenge , ist auch Gegenereignis zu die aller A genannt, tritt genau Elemente von , die dann ein, wenn A nicht nicht zu A gehören. eintritt. A | A Bezeichnung: Menge zu A komple- Ereignis A, Ereignis „nicht-A“ Vereinigung Die Vereinigung zweier Das Ereignis A B tritt Mengen B genau dann ein, wenn enthält alle Elemente, das Ereignis A oder das die A oder B oder Ereignis B oder beide beiden Mengen ange- eintreten. hören. Bezeichnung: A und Ereignis „A oder B“ Durchschnitt Der Durchschnitt Das Ereignis A B tritt zweier Mengen A und B genau dann ein, wenn enthält alle Elemente, sowohl das Ereignis A die A und B ange- als auch das Ereignis B hören. eintritt. Bezeichnung: Ereignis „A und B“ 8.11 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff Ist „A und unmögliche B“ das Ereignis A B= ), (also 11. Klasse Mathematik so können A und B nicht gleichzeitig eintreten. Sie sind „unvereinbar“. Relatives Komplement Das relative Komplement von A B A ist das Ereignis, das genau dann bzgl. B ist die Menge eintritt, aller Elemente von , Ereignis B, aber nicht die der Menge B und das Ereignis A eintritt. nicht Bezeichnung: der angehören. Menge A B A wenn das ist B A | B A „B und (nicht-A)“ Andere Darstellungsmöglichkeiten von Ereignissen: a) b) 8.12 Unterrichtskonzept Beispiel: 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik A, B Diagramm Umgangssprache Ereignissprache Formale Sprache a) Beide Ereignisse treten ein. b) Höchstens eines der beiden Ereignisse tritt ein. c) Keines von beiden tritt ein. d) Mindestens eines von beiden tritt ein. e) Genau eines von beiden tritt ein. 8.13 Unterrichtskonzept 8.2.3 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Umgangssprache, Ereignissprache, formale Sprache Beispiel: Werfen eines Würfels Ereignisse: A: „Augenzahl höchstens 3“ B: „Augenzahl ist durch 3 teilbar“ Gesucht: Ereignis, für das folgende Aussage gilt: „Es tritt genau eines der beiden Ereignisse A oder B ein.“ Umgangssprache: Ereignissprache: Formale Sprache: 8.2.4 Rechengesetze 8.14 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Beispielaufgabe: „Werfen eines Würfels“ Ergebnisraum 1;2;3;4;5;6 Ereignisse: A: „Die ersten beiden Zahlen der Ziffernfolge 1;2;3;4;5;6 fallen.“ B: „Die letzten beiden Zahlen der Ziffernfolge fallen.“ C: „Nur gerade Ziffern fallen.“ Interpretiere die folgenden Ereignisse: a) A B C b) A B C c) A B C Für die Interpretation kann folgendes Diagramm eine wertvolle Hilfe sein: Mehrfeldertafel 8.15 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Übungsaufgabe: Bei einer Verlosung, an der Frau Weiß, Frau Schwarz und Frau Roth teilnehmen, wird als erster Preis eine Ferienreise und als zweiter Preis ein Fernsehapparat verlost. A, B und C seien die Ereignisse: A: „Eine der drei Frauen gewinnt die Ferienreise“ B: „Frau Weiß gewinnt die Ferienreise nicht“ C: „Die drei Frauen gewinnen nicht beide Preise“. Welche der folgenden Ereignisse sind eingetreten, wenn Frau Schwarz die Ferienreise gewinnt, die beiden anderen Frauen dagegen leer ausgehen? a) A b) B c) C d) AB e) AB f) A g) AC h) BC i) A C 8.16 Unterrichtskonzept 8.3 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Die relative Häufigkeit Ist A ein Ereignis aus einem Ereignisraum und tritt in einer Folge von n Versuchen A genau z-mal ein, so nennt man z die absolute Häufigkeit von A und hn A relative Häufigkeit von A ( z n die ). Eigenschaften der relativen Häufigkeit: hn A 1. 0 hn A 1 z n rationale Zahl 2. Ist A das sichere Ergebnis, dann ist z=n und somit hn A hn 1 3. Ist A (unmögliches Ereignis), dann ist z=0 und somit hn A hn 0 4. Für zwei unvereinbare Ereignisse A und B, d.h. A B , also können A und B nicht gleichzeitig eintreten, gilt: hn A B hn 0 . Dann gilt für hn A B z1 z2 z1 z2 hn A hn B n n n Also: A B hn A B hn A hn B 5. Für zwei vereinbare Ereignisse A und B, d.h. A B , also können A und B gleichzeitig eintreten, gilt: z A B z A z B z A B . Also: A B hn A B hn A hn B hn A B 6. Es gilt außerdem: hn A hn A 1 8.17 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Empirisches Gesetz der großen Zahlen: Es handelt sich dabei um die Eigenschaft, dass sich bei jedem Zufallsexperiment bei einer großen Anzahl von Versuchen (unter gleich bleibenden Bedingungen) der Wert der relativen Häufigkeit für ein bestimmtes Ereignis um einen festen Wert stabilisiert. Übungsaufgaben: 1. In einem Studentenheim wohnen 200 Studenten. 165 von ihnen sprechen Englisch, 73 Französisch, 49 sprechen beide Sprachen. Wie groß ist die relative Häufigkeit der Studenten, die a) mindestens eine, b) keine der beiden Sprachen sprechen. 2. 52% aller Deutschen sind Frauen. 67 % aller Deutschen Männer schnarchen. Wie groß ist die relative Häufigkeit der schnarchenden Männer unter den Deutschen? 3. Bei einer Mathematikschulaufgabe ergab sich für die Noten folgende Verteilung: Note 1 2 3 4 5 6 Anzahl 2 4 5 8 7 1 Berechne die relative Häufigkeit der einzelnen Noten. 8.18 Unterrichtskonzept 8.4 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Definition der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses Sind bei einem Zufallsexperiment alle Ergebnisse aus „gleich wahrscheinlich“, so ist die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A gleich der Anzahl der Elemente von A dividiert durch die Anzahl der Elemente von : Eine Funktion , die jedem Ereignis A eine reelle Zahl zuordnet, heißt Wahrscheinlichkeitsverteilung, wenn sie folgende Eigenschaften besitzt: Axiom I: Axiom II: Axiom III: Satz 1: P A P A 1 Die Summe der Wahrscheinlichkeiten eines Ereignisses und seines Gegenereignisses ist gleich 1. Satz 2: P 0 Die Wahrscheinlichkeit des unmöglichen Ereignisses ist gleich 0. Satz 3: Sind A und B zwei Ereignisse mit A B , so gilt das Monotoniegesetz der Wahrscheinlichkeitsmaßes: P A P B Satz 4: 0 P A 1 für alle A 8.19 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Satz 5: Sind A1, A2, A3, …., An paarweise unvereinbare Ereignisse, so ist P A1 A2 A3 ... An P A1 P A2 P A3 ... P An Satz 6: Sind A und B zwei beliebige Ereignisse, so ist P A B P A P B P A B Beachte: 1. A P ( A) 0 Aber: P (A) 0 A 2. A P ( A) 0 P ( A) 0 A 3. A P ( A) 1 P ( A) 1 A 4. A P ( A) 1 P ( A) 1 A 5. A B P (A) P (B ) P (A) P (B ) A B 6. A B P (A) P (B ) P (A) P (B ) A B 8.4.1 Beispiele für Wahrscheinlichkeitsverteilungen a) Münze Die Münze hat die Seiten W (Wappen) oder Z (Zahl). Geht man von einer idealen Münze (Laplace-Münze) aus, so darf man davon ausgehen, dass beide Seiten mit der gleichen Wahrscheinlichkeit fallen. Das ergibt für den einfachen Münzwurf die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung: W Z P () 1 2 1 2 8.20 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Wirft man eine Münze zweimal so liegt ein zweistufiges Zufallsexperiment mit den gleichwahrscheinlichen Elementarereignissen WW, WZ, ZW, ZZ vor. Man erhält folglich als Wahrscheinlichkeitsverteilung: b) WW WZ ZW ZZ P () 1 4 1 4 1 4 1 4 Würfel Ein idealer Würfel (Laplace-Würfel) hat ebenfalls für alle Elementarereignisse die gleiche Wahrscheinlichkeit. 1 2 3 4 5 6 P () 1 6 1 6 1 6 1 6 1 6 1 6 Beim zweimaligen Würfelwurf hat der Ergebnisraum die Mächtigkeit 36. Daher ergibt sich: P () c) 1 36 , wobei 11;12;13;...;65;66 Urne Aus einer Urne mit zehn Kugeln (6 rot, 3 schwarz, 1 weiß) wird eine Kugel gezogen. Man erhält folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung: Jedes r s w P () 6 10 3 10 1 10 Zufallsexperiment und dessen Ausgänge kann durch ein Urnenexperiment simuliert werden! 8.21 Unterrichtskonzept d) 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Glücksrad Die einfachste Form eines Glücksrades ist eine in Sektoren geteilte Scheibe, die vor einem Zeiger gedreht wird. Hat ein Kreissektor eines idealen Glücksrades den Mittelpunktswinkel , dann wird ihm die Wahrscheinlichkeit p 360 zugeordnet. 8.4.2 Wahrscheinlichkeitsverteilungen mehrstufiger Zufallsexperimente und Pfadregel Bei mehrstufigen Zufallsexperimenten wird in der Regel ein Baumdiagramm gezeichnet. Beispiel 1: Aus einer Urne mit zehn Kugeln, von denen 6 rot, 3 schwarz und 1 weiß sind, werden zwei Kugeln ohne Zurücklegen gezogen. Bestimme die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Elementarereignisse. Lösung: 8.22 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Man stellt fest: Die Summe aller Wahrscheinlichkeiten, die von einem Verzweigungspunkt ausgehen, ist stets 1. Außerdem bestimmt man die Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse mithilfe der Bruchrechnung, z.B. hat das Elementarereignis rr die Wahrscheinlichkeit 5 9 von 6 10 = 1. Pfadregel: In einem mehrstufigen Zufallsexperiment erhält man die Wahrschein-lichkeit eines Elementarereignisses als das Produkt der Wahrscheinlichkeiten auf den Teilstrecken des Pfades, der zu diesem Elementarereignis führt. Damit ergibt sich im Beispiel 1 die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung: rr rs rw sr Ss sw wr ws P () Beispiel 2: Gleiche Urne wie in Beispiel 1, aber fünfmaliges Ziehen ohne Zurücklegen. Bestimme die Wahrscheinlichkeit des Elementarereignisses rrswr. Lösung: Dieses Experiment führt zu einem riesigen, unübersichtlichen Baum. Da aber nur ein Elementarereignis interessiert, genügt es den entsprechenden Pfad zu zeichnen: Man erhält also: P rrswr 8.23 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Beispiel 3: Gleiche Urne und gleiches Experiment wie in Beispiel 1. Bestimme die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A: „Die beiden gezogenen Kugeln haben die gleiche Farbe.“ Lösung: P (A) P (rr ) P (ss ) 2. Pfadregel: Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses erhält man als Summe der Wahrscheinlichkeiten der Elementarereignisse (Pfade), die zu diesem Ereignis gehören. Beispiel 4: Gleiche Urne wie in Beispiel 1, aber es werden jetzt zwei Kugeln mit Zurücklegen gezogen. Bestimme die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A: „Die beiden gezogenen Kugeln haben die gleiche Farbe.“ Lösung: 8.24 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Übungsaufgaben 1. In einem fernen Lande werden in den Schulen die 3 Fremdsprachen Deutsch, Englisch und Französisch angeboten. 40% der Schüler lernen Deutsch, 60% Englisch und 55% Französisch. Manche der Schüler lernen 2 Fremdsprachen, und zwar 30% Englisch und Deutsch, 20% Französisch und Deutsch und 35% Französisch und Englisch. 20% der Schüler wollen später Karriere machen und lernen daher 3 Fremdsprachen. Ein Tourist, der diese 3 Fremdsprachen beherrscht, trifft auf einen Einheimischen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit kann er sich mit diesem verständigen? (Mehrfeldertafel) 2. In einem Bus sitzt eine Reisegruppe von 20 Personen. Zwei Personen haben Schmuggelware bei sich, einer dieser Schmuggler ist Herr Anton. Ein Zollbeamter ruft der Reihe nach 3 Personen aus dem Bus heraus. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er a) Herrn Anton, b) mindestens einen der Schmuggler, c) beide Schmuggler bei dieser Kontrolle entdeckt? Zeichne dazu ein Baumdiagramm mit den Wahrscheinlichkeiten auf den Pfaden. 3. Auf einer Weihnachtsfeier eines Vereins wird eine Tombola veranstaltet. Im Glückshafen liegen 4 Gewinnlose und 16 Nieten. a) Theodor zieht 2 Lose. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, mindestens ein Gewinnlos zu ziehen? b) Wie viele Lose muss Theodor mindestens ziehen, um mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50% mindestens ein Gewinnlos zu ziehen? 8.25 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik 8.5 Unabhängigkeit zweier Ereignisse Ist das Ereignis B eingetreten, dann ist die bedingte Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses A gleich . Zwei Ereignisse werden als stochastisch unabhängig bezeichnet, wenn das Eintreten der Bedingung B die Wahrscheinlichkeit von A nicht beeinflusst. Das ist bedeutet also bzw. . Die Ereignisse A und B heißen (stochastisch) unabhängig, wenn gilt P A B P A P B Andernfalls heißen die Ereignisse abhängig. Stochastische Unabhängigkeit in der Vierfeldertafel Sind A und B stochastisch unabhängig, so steht im Feld A B der Vierfeldertafel für Wahrscheinlichkeiten statt P A B nun P A P B . Im Feld für A B steht dann P A B P (B ) P A P B 1 P A P B ) P A P B Analog füllt man die Felder für A B und A B aus und erhält folgende Vierfeldertafel: B B A P A P B P A P B A P A P B P A P B Satz: Die Ereignisse A und B sind genau dann stochastisch unabhängig, wenn die Vierfeldertafel der Wahrscheinlichkeiten eine Multiplikationstafel ist. 8.26 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Satz: Die Unabhängigkeit zweier Ereignisse bleibt erhalten, wenn man eines davon durch sein Gegenereignis ersetzt. A und B unabhängig A und B unabhängig A und B unabhängig A und B unabhängig VORSICHT! Die Begriffe der Unvereinbarkeit und Unabhängigkeit dürfen keinesfalls verwechselt werden! A und B unvereinbar A B A und B unabhängig P A B P A P B 8.27 Unterrichtskonzept 8. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff 11. Klasse Mathematik Übungsaufgaben 1. Von den Autos, die in regelloser Folge auf einer Straße gefahren kommen, sind 2 3 PKW und 1 3 LKW. 75 % der PKW sind nur mit 1 Person besetzt, 10 % der LKW sind mit 2 oder mehr Personen besetzt. a) Zeige die Abhängigkeit folgender Ereignisse: „Das nächste Fahrzeug ist ein LKW“ – „Im nächsten Fahrzeug sitzen mindestens 2 Personen“. b) Bei welchem anderen Anteil der LKW und sonst unveränderten Daten wären die Ereignisse abhängig? 2. Erfahrungsgemäß haben 12 % eines Abiturjahrgangs die 7. Klasse, 9 % die 9. Klasse wiederholt. Nimm an, dass das Wiederholen dieser Klassen unabhängig erfolgt. Wie viel Prozent haben a) keine der beiden Klassen, b) die 7., aber nicht die 9. Klasse wiederholt? 3. Theodor und Dorothea sind öfters montags krank, und zwar Theodor mit der Wahrscheinlichkeit 1 3 und Dorothea mit der Wahrscheinlichkeit nur mit der Wahrscheinlichkeit von 2 5 1 2 . Es kommt vor, dass sie am Montag beide im Unterricht anwesend sind. Man prüfe durch Rechnung, ob die montägliche Erkrankung von Theodor und Dorothea unabhängige Ereignisse sind. 4. Herr Anton stellt fest, dass bei 20 Fahrten mit der S-Bahn einmal seine Fahrkarte kontrolliert wird. Er beschließt daraufhin verwerflicherweise, auf Kosten anderer zu fahren und bei 3 % seiner Fahren keine Fahrkarte zu lösen. Dies hat zur Folge, dass er in 2 von 1000 Fahren von einer Kontrolle ohne Fahrkarte überrascht wird. Lege eine Vierfeldertafel der Wahrscheinlichkeiten an. Sind die Ereignisse „Anton besitzt eine gültige Fahrkarte“ und „A wird kontrolliert“ stochastisch unabhängig? 8.28