MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 ERGÄNZUNGSFACH GESCHICHTE SCHRIFTLICH Moritz Spillmann / Dr. Hanspeter Stucker Prüfungsbedingungen: - Dauer: 180 Min - Hilfsmittel: keine - Prüfungsumfang: Von den vorliegenden 4 Themen A-D sind 3 Themen vollständig zu erarbeiten Thema A: China Aufgabe 1 Vergleichen Sie die beiden Frauenbilder (1979 und 2002) und versuchen Sie, die Unterschiede mit der historischen Entwicklung Chinas zu begründen Abbildung 1: 1979 Abbildung 2: 2002 Der chinesische Text unten auf dem Plakat von 1979 lautet übersetzt: „Ich fördere wertvolle Bodenschätze für mein Vaterland.“ 6 Punkte MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 Aufgabe 2 Der Meister sprach: „Wenn man durch Erlasse leitet und durch Strafen ordnet, so weicht das Volk aus und hat kein Gewissen. Wenn man durch Kraft des Wesens leitet und durch Sitten ordnet, so hat das Volk Gewissen und erreicht das Gute." Der Meister sprach: „Der Edle ist bewandert in der Pflicht, der Gemeine ist bewandert im Gewinn." Auf die Frage, was man tun müsse, um sittlich vollkommen zu werden, sprach der Meister: „Wenn du in einem Land wohnst, so diene dem Würdigsten unter seinen Großen und mache dir die Besten unter seinen Gelehrten zu Freunden." Aus: Konfuzius, Buch der Gespräche Bringen Sie diese drei Zitate des Konfuzius in Verbindung mit Maos Gesellschaftsideal und seinen Reformen. Begründen Sie. Sehen Sie einen Bezug zwischen diesen Konfuziuszitaten und Abbildung 1 zu Aufgabe 1? 6 Punkte Aufgabe 3 „Es kommt nicht darauf an, ob die Katze schwarz ist oder weiss, Hauptsache, sie fängt Mäuse“. „Reich werden ist schön“. Bringen Sie die beiden Parolen Deng Xiaopings (1902 – 1997) in Zusammenhang mit seinem neuen Kurs. Kann Deng noch als Marxist („Kommunist“) bezeichnet werden? Begründen sie Ihre Meinung. Sehen Sie einen Bezug zu Abbildung 2 in Aufgabe 1? 6 Punkte MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 Thema B: Ikonen der Weltgeschichte Aufgabe 1 Behauptung: „Personengeschichte ist eine veraltete und untaugliche Form, um die Vergangenheit zu verstehen.“ Legen Sie die Ihnen bekannten Theorien zur Personengeschichte dar und bewerten Sie von diesen Theorien ausgehend die eingangs gemachte Behauptung. Nehmen Sie auch selber Stellung. 6 Punkte Aufgabe 2 Die historische Zeit lässt sich unterteilen in: „Ereignis – Konjunktur – Struktur“. Erstellen Sie entsprechend zu der von Ihnen analysierten Person eine mögliche Unterteilung und setzen Sie die das Handeln der Persönlichkeit dazu in Beziehung. Welchen Handlungsspielraum besass also die Persönlichkeit? 6 Punkte Aufgabe 3 Die zwei Bilder zeigen die Flaggenhissung von Iwo Jima. Welches Bild wurde zu einer Ikone? Erklären Sie warum (folgen Sie dabei den Schritten der Quellenkritik bei Fotografien). Gehen Sie also von diesem Beispiel aus und formulieren Sie auch eine allgemeine Antwort, was ein Bild zu einer Ikone macht. Der beigefügte Text (Kasten) hilft Ihnen, die fotografierte Situation in den historischen Kontext einzuordnen. Foto Louis Lowery Foto Joe Rosenthal Hintergrund Am Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zwischen Japan und den USA zu einem blutigen Kampf um die strategisch wichtige Pazifikinsel Iwo Jima, bei dem 23'000 japanische und 7'000 amerikanische Soldaten getötet wurden. Am 23. Februar 1945 gelang den Amerikanern die Eroberung der Vulkaninsel. Louis Lowery fotografierte die Flaggenhissung auf dem Mount Suribachi. Die Flagge wurde jedoch durch eine grössere ersetzt: Joe Rosenthal fotografierte die zweite Flaggenhissung. 6 Punkte MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 Thema C: Palästina Prinzipienerklärung über vorübergehende Selbstverwaltung (Oslo I 1993) Die Regierung des Staates Israel und die PLO […], die das palästinensische Volk vertritt, stimmen darin überein, daß es an der Zeit ist, Jahrzehnte der Konfrontation und des Konfliktes zu beenden; sie anerkennen gegenseitig ihre legitimen und politischen Rechte und streben nach einem Leben in friedlicher Koexistenz und in gegenseitiger Würde und Sicherheit, und danach, eine gerechte, dauerhafte und umfassende Friedensregelung sowie eine historische Aussöhnung auf dem Weg des vereinbarten politischen Prozesses zu erreichen. Demgemäß stimmen beide Seiten folgenden Prinzipien zu: Artikel I Ziel der Verhandlungen Das Ziel der israelisch-palästinensischen Verhandlungen im Rahmen des laufenden Nahost-Friedensprozesses ist es, unter anderem, für das palästinensische Volk der Westbank und im Gazastreifen eine Palästinensische Interimsbehörde, den gewählten Rat (der Rat) für einen Zeitraum von nicht mehr als fünf Jahren einzurichten, was zu einer dauerhaften Übereinkunft auf der Grundlage der Resolutionen 242 und 338 des UNSicherheitsrates führt. […] Artikel III Wahlen 1. Damit sich das palästinensische Volk der Westbank und im Gazastreifen nach demokratischen Prinzipien selbst regieren kann, werden direkte, freie und allgemeine politische Wahlen zum Rat unter vereinbarter Beaufsichtigung und internationaler Überwachung abgehalten werden, während die palästinensische Polizei die öffentliche Ordnung gewährleisten wird. […] Artikel IV Jurisdiktion Die Jurisdiktion des Rates wird sich auf die Gebiete der Westbank und des Gazastreifens erstrecken mit Ausnahme der Angelegenheiten, über die in den Verhandlungen über den dauerhaften Status verhandelt werden wird. Beide Seiten betrachten die Westbank und den Gazastreifen als eine einzige territoriale Einheit, deren Integrität während der Übergangsperiode aufrechterhalten werden wird. Artikel V Übergangsperiode und Verhandlungen über den dauerhaften Status 1. Die fünf Jahre dauernde Übergangsperiode wird mit dem Abzug aus dem Gazastreifen und aus Jericho beginnen. MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 2. Die Verhandlungen über den dauerhaften Status zwischen der Regierung Israels und den Vertretern des palästinensischen Volkes werden sobald wie möglich beginnen, jedoch nicht später als mit Beginn des dritten Jahres der Übergangsperiode. 3. Es besteht Einverständnis darüber, daß diese Verhandlungen die verbleibenden Fragen abdecken sollten, darunter Jerusalem, Flüchtlinge, Siedlungen, Sicherheitsregelungen, Grenzen, Beziehungen zu und Zusammenarbeit mit anderen Nachbarn sowie andere Fragen von gemeinsamem Interesse. 4. Die beiden Parteien stimmen darin überein, daß das Ergebnis der Verhandlungen über einen dauerhaften Status nicht durch Vereinbarungen, die für die Übergangsperiode geschlossen werden, vorweggenommen oder beeinflußt werden darf. Die Resolution 242 des UNO-Sicherheitsrates vom 22/11/1967 fordert den Rückzug der israelischen Truppen aus den im Sechstagekrieg 1967 besetzten Gebieten und räumt jedem Staat in der Region das Recht ein, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen in Frieden zu leben. Die Resolution 338 des UNO-Sicherheitsrates vom 22/10/1973 (während des Yom-Kippur-Krieges beschlossen), fordert alle Parteien zu einem Waffenstillstand und zu Verhandlungen auf der Grundlage der Resolution 242 des Sicherheitsrates auf. Aufgabe 1 Fassen Sie die wichtigsten in der oben stehenden Prinzipienerklärung gefassten Beschlüsse zusammen und erklären Sie, wie es dazu kam. 6 Punkte Aufgabe 2 Welche der Beschlüsse wurden in der Folge ganz oder teilweise umgesetzt und welche nicht? Kommentieren und begründen Sie. 6 Punkte Aufgabe 3 Machen Sie sich darüber Gedanken, woran Ihrer Meinung nach der Osloer Friedensprozess insgesamt gescheitert ist. Begründen Sie Ihre Meinungen. 6 Punkte MATURITÄTSPRÜFUNG 2011 Thema D: Wirtschaftsgeschichte Aufgabe 1 Vergleichen Sie die „ursprüngliche Akkumulation“ bei Adam Smith und Karl Marx. Inwiefern hängen die Unterschiede auch von der historischen Erfahrung des jeweiligen Autors ab? 6 Punkte Aufgabe 2 Formulieren Sie die Kritik Keynes an der Politik des „Laissez-Faire“. Stellen Sie dabei auch historische Bezüge her. Welche Position würde Adam Smith in dieser Auseinandersetzung einnehmen? 6 Punkte Aufgabe 3 Inwiefern lässt sich die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Schweiz in der Nachkriegszeit mit den Begriffen „Stabilität“ und „Dynamik“ erklären? Gehen Sie auf die Grundzüge der Theorie des Wirtschaftshistorikers Siegenthaler ein und nehmen Sie beispielhaft Bezug auf die konkrete Geschichte. 6 Punkte MATURITÄTSPRÜFUNG 2011