Versuchsanleitung Massenzunahme relativistischer Elektronen

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Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil III
Massenzunahme relativistischer
Elektronen
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Version 4 (6/2014 HK, MD)
2
Massenzunahme relativistischer Elektronen
Ziel des Versuchs
Die geschwindigkeitsabhängige relativistische Masse eines Teilchens ist eine Kernaussage der
speziellen Relativitätstheorie. Dieser Versuch beschäftigt sich daher mit dem experimentellen
Nachweis der Massenzunahme relativistischer Elektronen, die beim β-Zerfall des radioaktiven
Isotops 204Tl entstehen. Die relativistischen Elektronen mit der Geschwindigkeit v, werden
durch ein homogenes Magnetfeld auf eine Kreisbahn abgelenkt. Anhand des Radius R und
des gemessenen Magnetfeldes B lässt sich der Impuls p berechnen. Wird nun noch die Energie mit Hilfe eines Detektors bestimmt, lässt sich aus dem Verhältnis vom Impuls p und der
kinetischen Energie Ekin die Masse m bestimmen. Zusätzlich wird in dem Versuch die Ruhemasse der Elektronen und die Lichtgeschwindigkeit bestimmt.
1.
Fragen
1. Welche Kräfte wirken auf ein Elektron, das sich in einem magnetischen Feld bewegt? In
welche Richtung wird es abgelenkt?
2. Beschreiben Sie die Funktionsweise eines Halbleiterdetektors zum Teilchennachweis.
3. Beschreiben Sie den β-Zerfall.
4. Was sind Konversionselektronen?
5. Weshalb findet der Versuch im Vakuum statt?
6. Berechnen Sie die maximale Geschwindigkeit der beim Zerfall von 204Tl entstehenden
Elektronen.
7. Wie groß muss das Magnetfeld sein, um die Elektronen mit der maximalen Geschwindigkeit auf eine Kreisbahn mit dem Radius R = 3 cm abzulenken?
2.
Einführende Literatur
• W. Demtröder, Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme
6. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013)
Kap. 3
• W. Demtröder, Experimentalphysik 2 - Elektrizität und Optik
6. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013)
Kap. 3
• W. Demtröder, Experimentalphysik 4 - Kern-, Teilchen- und Astrophysik
3. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2010)
Kap. 3
Titelbild:
W. Demtröder, Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme
6. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013) S. 119
Massenzunahme relativistischer Elektronen
3.
Grundlagen
3.1
β-Zerfall
3
β-Zerfälle sind Zerfälle radioaktiver Isotope, bei denen die Anzahl der Nukleonen im Kern,
d.h. die Massenzahl A, konstant bleibt, und die Kernladungszahl Z sich um eine Einheit ändert. Es gibt drei verschiedene Arten von β-Zerfällen.
Abbildung 1: β--(links) und β+-Zerfall (rechts).
Beim β--Zerfall emittiert ein Kern bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton ein
Elektron und erhöht seine Kernladungszahl von Z auf Z+1 (Abbildung 1 links). Energetisch
möglich ist dieser Prozess, wenn die Masse des Mutterkerns größer als die des Tochterkerns
plus eine Elektronenmasse m0 ist. Über die Einstein-Beziehung E = mc2 entspricht der Massenunterschied einer Energiedifferenz. Die Übergangsenergie Q ist die Differenz dieser Massen. Sie kann in Kernmassen m oder in Atommassen M, bei der die Massen der Hüllenelektronen mitberücksichtigt werden, ausgedrückt werden:
=
Q
c 2 [ M ( Z , A) − M ( Z + 1, A)] c 2
[ m(Z , A) − m(Z + 1, A) − m0 ]=
(1)
Beim β+-Zerfall emittiert der Kern bei der Umwandlung eines Protons in ein Neutron ein Positron und erniedrigt seine Kernladungszahl von Z auf Z-1 (Abbildung 1 rechts). Das Positron
ist ein „Antielektron“ mit allen Eigenschaften des Elektrons bis auf die positive Ladung. Für
diesen Zerfall muss die Übergangsenergie positiv sein:
=
Q
c 2 [ M ( Z , A) − M ( Z − 1, A) − 2m0 ] c 2
[ m(Z , A) − m(Z − 1, A) − m0 ]=
(2)
Beim Elektroneneinfang (EC, von „electron capture“) fängt sich der Kern ein Elektron aus der
Atomhülle ein und erniedrigt durch die Umwandlung eines Protons in ein Neutron dabei die
Kernladungszahl um eine Einheit. Die Übergangsenergie ist durch den Überschuss der Masse
des Mutterkerns zuzüglich einer Elektronenmasse über die Masse des Tochterkerns gegeben:
=
Q
c 2 [ M ( Z , A) − M ( Z − 1, A)] c 2
[ m(Z , A) − m(Z − 1, A) + m0 ]=
(3)
Vergleicht man Gl. (2) und Gl. (3), ergibt sich, dass β+- und EC-Zerfall konkurrierend auftreten können, wenn das Mutteratom mindestens zwei Elektronenmassen schwerer ist als das
Tochteratom.
Wird die Energie, der beim β- oder β+ emittierten Teilchen, gemessen, zeigt sich im Unterschied zum α-Zerfall, dass ihre Energien über einen weiten Bereich kontinuierlich verteilt
sind, obwohl Mutter- und Tochterkern einen energetisch wohldefinierten Zustand darstellen
(Abbildung 2). Nur ganz wenige Teilchen besitzen eine kinetische Energie, die der Übergangsenergie Q entspricht. Alle anderen Teilchen haben niedrigere Energien. Diese Beobachtung schien die Energieerhaltung zu verletzen. Deshalb hat Pauli in den 30er Jahren postuliert,
4
Massenzunahme relativistischer Elektronen
dass bei den β-Zerfällen noch ein weiteres Teilchen emittiert werden muss, dass ungeladen ist
und entweder keine oder eine sehr kleine Ruhemasse besitzt. Er nannte dieses Teilchen zunächst Neutron, da das heutige Neutron damals noch nicht entdeckt war und später Neutrino.
Erst viele Jahre später ist es gelungen, die Existenz des Neutrinos nachzuweisen.
Mit dem Neutrino besteht der Endzustand nach dem β-Zerfall aus drei Teilchen, auf die die
Übergangsenergie beliebig verteilt werden kann und das β-Spektrum erscheint daher kontinuierlich. Es können Elektronen mit Energien zwischen Null bis zur Übergangsenergie emittiert
werden, falls die Neutrinos keine Ruhemasse haben. Die jeweils zur Übergangsenergie fehlende Energie wird vom Neutrino aufgenommen.
Abbildung 2: Energiespektrum von β--Teilchen.
3.2
γ-Zerfall und Konversionselektronen
Der γ-Zerfall tritt in Verbindung mit dem α- und β-Zerfall auf, falls die Übergänge zu einem
angeregten Zustand des Tochterkerns führen. Der Tochterkern gibt dann diese Anregungsenergie durch Emission von γ-Strahlung ab. γ-Strahlung ist im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Strahlungsarten keine Teilchenstrahlung, sondern eine elektromagnetische Welle
(Photonen), wie Licht und Röntgenstrahlung. Über die Beziehung E = hv ist die Energie der
Strahlung mit ihrer Frequenz verknüpft. Die Energien dieser Übergänge sind spezifisch für
ein bestimmtes Radionuklid, so dass man aus der Bestimmung der γ-Energien Rückschlüsse
auf die in einer radioaktiven Probe enthaltenen Isotope ziehen kann.
Beim γ-Zerfall kann der angeregte Kern seine Energie auch durch elektromagnetische Wechselwirkung auf ein Hüllenelektron übertragen, welches dann das Atom verlässt. Das Atom
bleibt als positiv geladenes Ion zurück. Dieser Prozess wird innere Konversion genannt. Die
austretenden Elektronen zeigen dabei eine diskrete Energie, die sich aus der Differenz, der im
Kern frei werdenden Energie Eγ und der Bindungsenergie EB des Elektrons (je nach Schale
verschieden) zusammensetzt:
E=
Eγ − EB
e
(4)
Die Konversionselektronen zeigen somit, anders als Elektronen aus dem β-Zerfall, ein Linienspektrum und sind daher gut für eine Energieeichung eines β-Detektors geeignet.
3.3
Relativistische Betrachtung bewegter Teilchen
Bei der Beschreibung bewegter Teilchen sind die Energie und der Impuls die beiden wichtigsten Erhaltungsgrößen. Für einen ruhenden oder gleichförmig bewegten Körper sind als Folge
des zweiten Newtonschen Axioms
Massenzunahme relativistischer Elektronen
5

d 
d2 

=
F ma
= m =
v m 2=
x 0
dt
dt
(5)
der Impuls und die kinetische Energie konstant:

1 2 1 p2


=
p mv und =
Ekin =
mv
2
2 m
(6)
Hierbei wird die Masse der Teilchen als konstant angenommen, was bei den betrachteten Geschwindigkeiten v, die wesentlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit c sind, zulässig ist. Bei
sehr großen Geschwindigkeiten, darf die Masse m eines bewegten Teilchens jedoch nicht
mehr als konstant betrachtet werden, da sie mit der Geschwindigkeit zunimmt. Aus Einsteins
spezieller Relativitätstheorie [1] folgt für die relativistische Masse eines bewegten Teilchens
(v) γ=
m=
m0
m0
(7)
1 − v2 c2
wobei m0 = m(v=0) die Ruhemasse eines Teilchens bezeichnet. Abbildung 3 zeigt diesen Zusammenhang. Es wird daraus deutlich, dass die maximale Geschwindigkeit v eines Teilchens
mit endlicher Ruhemasse (m0 ≠ 0) immer kleiner als die Lichtgeschwindigkeit c sein muss.
Abbildung 3: Abhängigkeit der Masse m vom Verhältnis v/c [2].
Die Energie, die einem Teilchen der Masse m zur Beschleunigung zugeführt werden muss,
dient also bei wachsender Geschwindigkeit immer weniger zur Erhöhung dieser, sondern zur
Vergrößerung der Masse. Aus Einsteins berühmter Formel E = mc2 folgt mit Hilfe der relativistischen Masse m(v):
2
2
=
=
γ m=
E mc
0c
m0 c 2
(8)
1 − v2 c2
Diese Gesamtenergie lässt sich nun in zwei Teile trennen:
E = mc 2 = mc 2 + m0 c 2 − m0 c 2 = m0 c 2 + (m − m0 ) c 2
 
E0
(9)
Ekin
Der Anteil m0c2 = E0 ist die sogenannte Ruheenergie, die das Teilchen aufgrund seiner Masse
hat, der andere Teil stellt die Bewegungsenergie Ekin = (m - m0)c2 dar.
6
Massenzunahme relativistischer Elektronen
Um den Zusammenhang zwischen Gesamtenergie E und dem Impuls p zu bestimmen wird
zunächst Gl. (8) quadriert und mit c² erweitert:
m0 2 c 4
m02 c 6
=
= m02 c 4 + m 2 v 2 c 2
c2 / c2 − v2 c2 c2 − v2


Mit der relativistischen Erweiterung des klassischen Impuls p = mv

m0 v



p = m(v)v =γ m0 v =
1 − v2 c2
=
E2
(10)
(11)
ergibt sich für Gl. (9)
E =E0 + Ekin = m02 c 4 + p 2 c 2
(12)
Damit ist die kinetische Energie eines relativistischen Teilchens
Ekin =
m02 c 4 + p 2 c 2 − m0 c 2
(13)
Die relativistische Geschwindigkeit ergibt sich durch Einsetzen von Gl. (8) in Gl. (9) und
Auflösen nach v:
=
v c 1−
3.4
m0 2 c 4
( Ekin + m0 c 2 ) 2
(14)
Kräfte auf bewegte Ladungen
Wenn sich Ladungen in Magnetfeldern bewegen, tritt außer der Coulombkraft zwischen den
Ladungen noch eine weitere Kraft auf, die sogenannte Lorentzkraft. Es lässt sich zeigen, dass
eine Ladung q durch eine Kraft abgelenkt wird, die immer senkrecht zum Magnetfeld B und

senkrecht zur Geschwindigkeit v der Ladung gerichtet ist (Abbildung 4):

 
(15)
F= qv × B
Abbildung 4: Ablenkung eines Elektronenstrahls durch ein äußeres Magnetfeld
bei senkrechtem Einschuss in ein homogenes Magnetfeld B senkrecht zur Zeichenebene [3].
Massenzunahme relativistischer Elektronen
7
Die Lorentzkraft wirkt also als Zentripetalkraft und es gilt
qvB =
mv 2
R
(16)
mit dem Impuls
p = qBR
3.5
(17)
Massenbestimmung bewegter Elektronen
Bewegen sich Ladungen, hier Elektronen mit der Ladung e, in einem homogenen Magnetfeld
B mit der Geschwindigkeit v auf einer Bahn mit bekanntem Radius R, lässt sich nach Gl. (17)
ihr Impuls berechnen. Wird nun mit einem geeigneten Detektor auch die kinetische Energie
der Elektronen gemessen, lässt sich ihre Masse bestimmen. Aus Gl. (13) ergibt sich
p2
1 E
= 2 kin + m0
2 Ekin c 2
4.
Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung
4.1
Versuchsaufbau
(18)
Als Quelle für die Elektronen verschiedener Energien wird das Isotop Thallium-204 (204Tl)
verwendet. Die Strahlungsquelle hat eine Aktivität von 3.7 MBq und zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 3.8 Jahren ohne Gamma-Übergänge zu 3% durch Elektroneneinfang in den
Grundzustand von 204Hg und zu 97% durch β--Zerfall in den Grundzustand von 204Pb. Die
β-Endpunktsenergie beträgt 764 keV (Abbildung 5). Bei dieser Energie haben die Elektronen
eine Geschwindigkeit von etwa 0.9c, sie sind also hochrelativistisch.
Abbildung 5: Radioaktives Zerfallsschema von 204Tl [4].
Damit sich die Elektronen frei und ohne Stöße mit Gasatomen bewegen können, muss der
Versuch im Vakuum durchgeführt werden. Dazu dient eine Vakuumkammer aus Aluminium,
in der die Elektronen in einem externen Magnetfeld auf eine Kreisbahn mit dem Radius
R = 30 mm ablenkt werden. In dieser Kammer befindet sich die 204Tl-Quelle, der Detektor zur
Energiemessung und eine 207Bi-Quelle zur Energieeichung (s. unten) des Detektors. Das Vakuum in der Kammer wird durch eine Drehschieber-Vakuumpumpe erzeugt, die einen Enddruck von bis zu 10-3 mbar erreichen kann. Das tatsächlich erreichte Vakuum wird mit einer
Vakuum-Messröhre bestimmt.
8
Massenzunahme relativistischer Elektronen
Abbildung 6 zeigt die Messkammer mit ihren einzelnen Komponenten.
Abbildung 6: Messkammer mit den einzelnen Komponenten.
Die Kammer ist so konstruiert, dass sich die Elektronenquelle 204Tl und der Detektor an den
Endpunkten eines Halbkreises mit dem Radius R = 30 mm befinden und die Elektronen sich
auf diesem Halbkreis bewegen. Der Radius der Kreisbahn wird durch drei Blenden definiert.
Seitlich zwischen dem Detektor und der Elektronenquelle ist eine Einbuchtung zur Positionierung der Hall-Sonde angebracht, damit das Magnetfeld während der Messung bestimmt werden kann. Zusätzlich ist die 207Bi-Quelle in die Kammer eingebaut, sodass sie bei Bedarf zur
Energieeichung vor dem Detektor positioniert werden kann, ohne dass die Kammer für die
Eichung belüftet werden muss. Die Wände der Kammer sind so dick, dass die beim Zerfall
der benutzten Isotope auftretende Strahlung praktisch vollständig abgeschirmt wird.
Das benötigte Magnetfeld wird durch einen Elektromagneten der Firma Bruker erzeugt, der
aus zwei in Reihe geschalteter Spulen besteht. Der Elektromagnet verfügt über eine Wasserkühlung mit Durchflusswächter, um die in den Spulen erzeugte Wärme abzuführen. Der
Magnet erzeugt in einem Bereich von ± 30 mm um die Mitte der Polschuhe ein Magnetfeldmit hinreichender Homogenität. Zur Messung des Magnetfeldes steht eine Hall-Sonde zur
Verfügung, die mit Hilfe von “CASSY Lab“ betrieben wird. Die Hall-Sonde liefert dabei einen Fehler von ± 2% + 0.5% des Bereichsendwertes.
Für die Messung der Elektronenenergie wird ein Halbleiterdetektor CA-016-025-2000 der
Firma ORTEC (Abbildung 7) benutzt. Es handelt sich um einen Oberflächen-SperrschichtDetektor, der aus einem n-dotierten Silizium-Einkristall besteht. Er ist auf der Vorderseite mit
einer dünnen Gold- und auf der Rückseite (nicht sichtbar) mit einer dünnen Aluminium-
Massenzunahme relativistischer Elektronen
9
schicht bedeckt (arbeitet also als Schottky-Diode). An der Gold-Silizium-Kontaktstelle bildet
sich ein Raumbereich ohne freie Ladungsträger aus, die Sperrschicht oder auch SchottkySperrschicht genannt wird. Da diese sich sehr dicht unter der Goldschicht befindet, spricht
man auch von einer Oberflächensperrschicht. Die Oberfläche des Detektors ist sehr empfindlich, vermeiden Sie daher jede Berührung. Dringt ionisierende Strahlung, wie Elektronen in
den Detektor ein, verlieren die Teilchen Energie durch Ionisation des Halbleitermaterials.
Dabei werden Elektronen-Loch-Paare gebildet, die durch die angelegte Spannung von +180 V
abgesaugt werden. Die Anzahl der erzeugten Elektronen-Loch-Paare ist proportional zum
Energieverlust der Elektronen im Detektor.
Abbildung 7: Silizium-Halbleiterdetektor der Firma Ortec.
480
pulser
CSP 10
preamplifier
Easy-MCA
-8K
572
amplifier
Computer
Detektor
Kammer
428
Detector Bias
Supply
Oszilloskop
DSO-X 2012A
Abbildung 8: Blockschaltbild der Messelektronik.
Abbildung 8 zeigt den Aufbau der Messelektronik. Der Halbleiterdetektor ist an einen ladungssensitiven Vorverstärker (Fast Comtec CSP 10) angeschlossen, dieser formt die Signale
des Detektors und verstärkt sie geringfügig, damit der eigentliche Verstärker in seinem optimalen Arbeitsbereich arbeitet. Ferner schleift der CSP 10 die Spannungsversorgung von
+180 V (ORTEC 428 Detector Bias Supply) durch, um die Oberflächensperrschicht im De-
10
Massenzunahme relativistischer Elektronen
tektor auf die benötigte Dicke auszubilden. Zusätzlich kann am Vorverstärker der Pulser ORTEC 480 angeschlossen werden, um Signale für die Eichung vorzugeben. Die Signale vom
Vorverstärker werden durch den dahinter geschalteten Verstärker ORTEC 572 geformt und
auf Spannungspulse von 0 V bis 10 V verstärkt. Diese Signale werden anschließend im Vielkanalanalysator ORTEC EASY-MCA 8K durch einen ADC (Analog-to-Digital-Converter)
mit einer Auflösung von maximal 8192 Kanälen digitalisiert und als Histogramm gespeichert.
Ein Mikroprozessor steuert sowohl die Datenerfassung als auch die Kommunikation zum
Computer über eine USB-Schnittstelle. Das digitale Speicher-Oszilloskop der Firma Agilent
Typ DSO-X 2012A kann zum Überprüfen der Signale genutzt werden. Am Computer übernimmt die Software MAESTRO der Firma Ortec die Datenerfassung, -übertragung und die
Auswertung. Die mit MAESTRO erfassten Daten können als Kanal-Histogramm oder Energie-Histogramm abgespeichert und in die Datenanalysesoftware Origin importiert werden.
4.2 Energieeichung des Detektors
Die Messwerte, die sich im MAESTRO ablesen lassen, werden zunächst nicht in der Einheit
eV ausgegeben, sondern es wird ein Histogramm erstellt, welches die Häufigkeiten pro Spannungsintervall des Verstärkers den einzelnen Kanälen zuordnet (213 = 8192 Kanäle). Nun
müssen diesen Kanälen noch konkrete Energiebeträge zugeordnet werden (Eichung). Dazu
werden Referenzsignale benötigt, deren Energiewerte bekannt sind.
Zur Eichung werden Konversionselektronen genutzt. Als Quelle hierfür wird das Isotop Wismut-207 (207Bi) verwendet. 207Bi zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 32 Jahren durch
Elektroneneinfang in den Grundzustand von 207Pb. Bevor jedoch der Grundzustand erreicht
wird, liegen angeregte Zustände vor, welche unter Aussendung von γ-Quanten oder Konversionselektronen ihre Energie abgeben (Abbildung 9). Die Konversionselektronen haben eine
scharfe bekannte Energie und können zur Eichung benutzt werden.
Abbildung 9: Radioaktives Zerfallsschema von 207Bi [4].
Die auftretenden Konversionselektronen mit der höchsten Intensität haben Energien von
481.7 keV und 975.7 keV und werden zur Eichung benutzt. Es treten noch Linien bei ca.
Massenzunahme relativistischer Elektronen
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560 keV und 1055 keV auf [4], die für die Eichung jedoch eine zu niedrige Zählrate aufweisen. Abbildung 10 zeigt das mit MAESTRO gemessene Elektronenspektrum von 207Bi. Die
zur Energieeichung benutzten Linien sind rot markiert.
Abbildung 10: Elektronen-Spektrum von 207Bi, gemessen in MAESTRO; die zur
Eichung benutzten Linien der Konversionselektronen sind rot markiert.
4.3 Versuchsdurchführung
Hinweis
In dem Versuch werden radioaktive Quellen benutzt, die innerhalb der Messkammer ausreichend abgeschirmt sind. Die Kammer enthält außerdem einen sehr empfindlichen (und teuren) Detektor. Falls Probleme auftreten sollen, darf die Kammer nur durch den/die Betreuer/in geöffnet werden!
Aufgabe 1: Energieeichung des Detektors
Messen Sie das Elektronenspektrum der eingebauten 207Bi-Quelle. Positionieren Sie dafür die
Quelle vor dem Detektor und evakuieren Sie die Kammer auf ein Vakuum von etwa
10-2 mbar. Versorgen sie den Detektor mit einer eine Spannung von + 180 V (niemals höhere
oder negative Spannung, da dies den Detektor beschädigt!) Nutzen Sie das gemessene Spektrum für eine Energieeichung des Detektors. Übertragen Sie danach das Spektrum nach Origin
und bestimmen Sie die Energien der Linien. Nach der Eichung darf die Verstärkung der Detektorsignale nicht mehr verändert werden.
Aufgabe 2: Messung der Elektronenenergien aus dem Zerfall von 204Tl
Bestimmen Sie die Energie der am Detektor ankommenden Elektronen aus dem Zerfall von
Tl nach Durchlauf der Kreisbahn bei verschiedenen Magnetfeldern. Positionieren Sie dafür
die evakuierte Kammer zwischen den Polschuhen des Magneten. Beginnen Sie bei einer
Flussdichte von 50 mT und messen Sie in 5 mT Schritten bis zu einer maximalen Flussdichte
von 115 mT, bei einer jeweiligen Messzeit von etwa 5 Minuten. Übertragen Sie die Spektren
nach Origin und bestimmen Sie die Energien samt Fehler für jede Flussdichte. Bestimmen Sie
anschließend die Energie-Impuls-Relation, die Ruhemasse der Elektronen, die Lichtgeschwindigkeit und die relativistische Massenzunahme.
204
12
Massenzunahme relativistischer Elektronen
Auswertung
Hinweise zur Fehlerabschätzung:
Die dominierenden Fehlerquellen für die berechneten Größen sind
- die Größe des Magnetfeldes: Der maximale Messfehler der benutzten Hall-Sonde beträgt
2% + 0.5% vom Messbereichsendwert,
- der Radius der Elektronbahn beträgt 30 mm ±1 mm.
Energie-Impuls-Relation
Tragen Sie die in Aufgabe 2 gemessen Energien (in Einheiten von keV) gegen den errechneten Impuls (in Einheiten von keV/c) laut Gl. (17) auf und vergleichen Sie grafisch die Werte
mit dem klassischen (Gl. (6)) und relativistischen Energie-Impuls-Zusammenhang (Gl. (13)).
Ruhemasse und Lichtgeschwindigkeit
Bestimmen Sie die Ruhemasse m0 der Elektronen und die Lichtgeschwindigkeit c anhand von
Gl. (18).
Relativistische Massenzunahme
Bestimmen Sie aus den gemessenen Daten die relativistische Massenzunahme der Elektronen.
Tragen Sie dazu die relativistischen Massen m(v) gegen die Geschwindigkeit v bzw. die kinetischen Energie Ekin anhand von Gl. (7) und Gl. (14) auf.
4.5 Geräteliste
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Vakuummesskammer mit Sperrschicht-Detektor, 204Tl- und 207Bi-Quelle
Magnet mit Stromversorgung
Vorverstärker FAST comtech CSP 10
Ortec 428 Detector Bias Supply
Pulser Ortec 480
Verstärker Ortec 572
Digital-Oszilloskop Agilent DSO-X 2012A
Vielkanalanalysator Ortec EASY-MCA 8K
Sensor-CASSY mit Hall-Sonde
PC
Literatur
[1] A. Einstein, Zur Elektrodynamik bewegter Körper, Ann. Phys. 17 (1905) 891
[2] W. Demtröder, Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme
6. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013) S. 119
[3] W. Demtröder, Experimentalphysik 2 - Elektrizität und Optik
6. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013) S. 94
[4] R.B. Firestone, V.S.Shirley, C.M. Baglin, S.Y. Frank Chu, J. Zipkin, Table of Isotopes
(8th ed., Wiley-Interscience, New York 1996)
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