Kapitel 08 klaus radek · carsten schwecke 01 Werbung Rundfunk braucht auch Werbung 02 03 04 05 06 07 08 1 09 10 11 12 147 © Mauritius Wer sagt was zu wem und benutzt dabei welchen Werbeträger mit welcher Wirkung? Was sich hier – frei nach der sogenannten Lasswell-Formel (Who says what in which channel to whom with what effect?) – so geordnet liest, ist in der Realität ein komplexer Prozess: Werbung zu machen. – werbung Wie Werbung Werbung wurde 08 2 Die Geburtsstunde moderner Werbung schlug zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Der amerikanische Psychologe John B. Watson begründete um 1913 den Behaviorismus. Watson war zuvor an der Universität mit weit reichenden Experimenten aufgefallen (»Albert B.«) und entwickelte schließlich das »Black-Box-Modell«, auch bekannt als »S-R-Modell«. S steht dabei für Stimulus, R für Reaktion. Watson war davon überzeugt, dass sich der Mensch in einem permanenten Konditionierungsprozess befindet und ausschließlich auf äußere Reize rea­ giert. Das Innere des Menschen sei entsprechend uninteressant, einem schwarzen Kasten gleich (»Blackbox«), nur die Außeneinflüsse zählten. Er glaubte, der Mensch käme als völlig unbeschriebenes Blatt zur Welt (Tabularasa-Theorie) und könne je nach Konditionierung alles werden: Ob Massenmörder oder Politiker, sei nur eine Frage der Einflussnahme von außen. Von dieser Idee war er so überzeugt, dass er schließlich sogar dem Weißen Haus den Vorschlag machte, mit Konditionierungsmaßnahmen den Weltfrieden herbeizuführen. Aufgrund privater Eskapaden verlor Watson schließlich seine Professur und begann bei der großen Werbeagentur Thompson zu arbeiten – für die Entwicklung der Werbung im 20. Jahrhundert eine schicksalhafte Wendung. Denn Watson wurde zum Begründer moderner, emotionaler Werbung. Zunächst musste er einige Zeit in einem Kaufhaus den Süßwarenstand betreuen und lernte so durch eigene Anschauung den Vorgang des Interesseweckens und Verkaufens. Schließlich führte er die Studie »What are you smoking and why?« durch, deren Ergebnis bahnbrechend war. Weil Raucher im Blindversuch ihre präferierte Marke nicht herausschme- 148 cken konnten, forderte Watson, die bislang auf einer Nutzenargumentation basierende Werbung (»Die Schachtel hält drei Wochen«) durch das Verkaufen eines Lebens­ gefühls zu ersetzen. Dies war die Geburtsstunde der Werbung, wie wir sie heute kennen. – Das Konstrukt »Einstellung« Edward C. Tolman – ebenfalls ein Vertreter der experimentellen Psychologie – entwickelte Watsons S-R-Modell in den 30er Jahren weiter und fügte die Komponente »O« für Organismus ein. Das »S-O-R«-Modell und das darauf basierende theoretische Konstrukt »Einstellung« wurde eine der wichtigsten Grundlagen in der Kommunikations- und Werbelehre. Im Gegensatz zu Watsons S-R-Modell beschrieb Tolman, dass das Innere des Menschen – also Wünsche, Meinungen, Einstellungen etc. – eine tragende Rolle im Verbund von Reiz und Reaktion spiele. Diese Ansammlung von Dispositionen bezeichnete er als intervenierende oder interne Variable. Die wichtigste dieser Variablen ist die Einstellung selbst, die auf einer affektiven (emotionale Reaktion), kognitiven (ratio­ nale Auseinandersetzung) und konativen (Handlungsabsicht) Komponente beruht. Ein vollständiges Durchlaufen des Reiz-Verarbeitungs-Absichts-Prozesses wird als Aktualgenese bezeichnet. Werbung wirkt im Idealfall eben so: affektiv (die Werbung wird überhaupt erst wahr­ genommen, beispielsweise durch eine auffällige Farboder Tongestaltung), kognitiv (die Werbung wird im Kopf verarbeitet) und konativ (eine Absicht wird begründet, zum Beispiel ein Produkt zu kaufen). Das A.I.D.A-Modell galt lange als das Grundprinzip beim Herstellen eines Kaufanreizes. A.I.D.A ist die Abkürzung für Attention – Interest – Desire – Action (also Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen, Aktion). Mittlerweile ist das Modell jedoch überholt, »Interesse und Verlangen« und »Verlangen und Aktion« sind – so ist heute klar – nicht immer kausal miteinander verkettet. Das theoretische Konstrukt der Einstellung nach Tolman hat diesen Platz eingenommen, da hier alle Möglichkeiten mit einbezogen werden, also auch die der negativen Handlungsabsicht. © akg © akg Werbung soll Reaktionen in den Nervenzellen des Hirns auslösen links: Werbung für das Haushaltsgerät Mixette um 1960 rechts: ein Werbeblatt der Firma Essig Kühne aus dem Jahre 1935 Sender-Empfänger-Modell Die einfachste Grundlage der Werbung ist das SenderEmpfänger-Modell: Der Werbetreibende als Sender sendet seine Botschaft an den Werbeempfänger, also den Konsumenten, aus. Die Marketingforschung überprüft, ob die Botschaft richtig ankommt und verstanden wird. Das sogenannte Transformationsmodell ist somit eine direkte Umsetzung des S-O-R-Modells nach Tolman. Wenn dies vollständig bedient wird, handelt es sich um erfolgreiche Werbung. Die wesentlichen Fragen (»Wer sagt was zu wem mit welcher Wirkung?«) der Lasswell-Formel sind somit geklärt. Im Rahmen der Mediaselektion wird schließlich der Werbeträger ausgewählt. Werbeträger werden in zwei Kategorien unterteilt. Kommunikationsträger im engeren Sinn (klassische Medien) sind Printmedien, elektronische Medien wie Hörfunk und Fernsehen, Plakatwände, Stadionbanden und Verkehrsmittel. Kommunikationsträger im weiteren Sinn (nichtklassische Medien) sind: Produktverpackung, Direktwerbung (Direktmarketing), Werbung am Point of Sale (Verkaufsförderung), Warenproben, Trikots und Sportfahrzeuge, zum Beispiel in der Formel 1. Die erweiterte Lasswell-Formel trägt diesen Überlegungen Rechnung: Wer übersetzt seine Zielsetzung in welche Werbebotschaft, benützt welchen Werbeträger, um bei welcher Zielgruppe zu welchem Zeitpunkt welche Wirkung zu erzielen? – Werbung in Radio und Fernsehen Werbung hat das alltägliche Leben fast völlig durchdrungen; man kann ihr nicht mehr »entkommen«, Werbung begleitet die Menschen in unserer Gesellschaft den ganzen Tag, von morgens bis nachts. Wer nach dem Aufstehen das Radio einschaltet, hört in den meisten Sendern Werbespots, wer während des Frühstücks Tageszeitungen liest, wird mit Anzeigen konfrontiert, wer mit dem Auto, dem Bus und der Bahn zur Arbeit fährt oder zum Einkaufen geht, kommt an ungezählten Plakatwänden vorbei. Die Zeitschriften sind voll von Anzeigen, Radio und Fernsehen senden beinahe rund um die Uhr Werbung. So ist es nicht verwunderlich, dass Werbung zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig herangewachsen ist. Für Werbung werden in Deutschland pro Jahr rund 30 Milliarden Euro ausgegeben, rund zwei Drittel davon gehen in die klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen. Werbung erfüllt gefragt oder ungefragt mehrere Aufgaben. Neben der Information der Verbraucher stimuliert sie die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen – ob diese Nachfrage echten Bedürfnissen entspricht, ist sicherlich diskussionswürdig, aber sie ist damit zu einem wichtigen Motor der Wirtschaftsleistung geworden. Darüber hinaus subventionieren Werbeschaltungen den Abgabepreis mancher Medienangebote, zum Beispiel im Printbereich: Ein Nachrichtenmagazin würde anzeigenfrei am Kiosk sicher nicht unter 10 Euro zu haben sein. – Definition Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in der Fassung vom 1. April 2004 definiert Werbung als »jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlichrechtlichen oder privaten Veranstalter entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte oder Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern«. Diese Definition bedeutet, dass nur kommerzielle Wirtschaftswerbung und Social Advertising, aber nicht weltanschauliche, religiöse oder politische Werbung (Ausnahme zu Bundestags- und EuropaparlamentsWahlkämpfen) statthaft ist. Im selben Rundfunkstaatsvertrag wird Sponsoring definiert als »Beitrag jeder natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rundfunktätigkeiten oder an der Produktion audiovisueller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person oder der Personenvereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistungen zu fördern«. 149 werbung – 08 3 © dpa werbung – 08 4 Rechtliche Rahmenbedingungen Werbung und Sponsoring im Fernsehen oder Radio unterliegen strengen rechtlichen Vorgaben, die in erster Linie der Rundfunkstaatsvertrag, aber auch andere Gesetze und Vorschriften festlegen. Diese sind unter anderem das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das Heilmittel­werbegesetz mit dem Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente sowie dem Gebot der Ausstrahlung von Pflichthinweisen (die im Übrigen nicht auf die Werbezeit angerechnet werden), Einschränkungen bei Werbung für alkoholische Getränke, das Verbot von Tabakwerbung und generell irreführender Werbung. Besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers, aber auch der Marktpartner aus Werbewirtschaft und Medien, gilt dem Jugendschutz. Es gibt einen speziellen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der als grundlegende Maxime besagt, dass Werbung Kindern und Jugendlichen weder körperlichen noch geistigen Schaden zufügen darf. Darüber hinaus gibt er beispielsweise vor, dass in der Werbung keine direkten Konsumaufforderungen an Kinder gestellt werden noch Kinder in gefährlichen Situationen gezeigt werden dürfen. Weiterhin gibt es spezielle Verhal­tensregeln des Deutschen Werberates für die Werbung von und mit Kindern. Der Rundfunkstaatsvertrag unterscheidet ausdrücklich zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Für beide gilt grundsätzlich, dass Werbung nicht die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher sowie den Schutz der Umwelt gefährden darf, dass Werbetreibende die redaktionellen Inhalte nicht beeinflussen dürfen, Werbung und Programm deutlich voneinander getrennt sein müssen, dazu zählen auch die eindeutige Trennung von Splitscreen-Werbung vom übrigen Programm sowie das Verbot von Schleichwerbung und Product-Placement. 150 – Social Advertising: Die Rapper Tyrell a.ka. Twenty Zack und Di Albo sangen 2005 für einen Kinospot des hessischen Ausländerbeirats, um die Wahlbeteiligung zu den Ausländerbeiräten in Hessen zu vergrößern Fernsehwerbung in öffentlich-rechtlichen Sendern Die Fernsehwerbung in den öffentlich-rechtlichen Fernsehangeboten unterliegt deutlich schärferen Regle­ mentierungen als bei den privaten Fernsehanbietern. Sie ist explizit auf Das Erste und das zdf beschränkt (§15 Abs. 1 RStV). Die dritten Fernsehprogramme (von br, hr, mdr, ndr, rb, rbb, sr, swr, wdr), KI.KA, phoenix, 3sat und arte sind werbefrei. Fernsehwerbung im Ersten und im zdf darf höchstens 20 Minuten täglich betragen und ist auf die Zeit werktags bis 20.00 Uhr beschränkt (§15 Abs. 1 RStV). Der Rundfunkstaatsvertrag definiert neben der Dauer auch die Häufigkeit von Werbeeinschaltungen im Ersten und im zdf; zum Beispiel dürfen Fernsehsendungen von über 45 Minuten Länge nur einmal unterbrochen werden (§ 14 Abs. 3 RStV). Gottesdienste und Kindersendungen genauso wie Nachrichtensendungen dürfen nicht unterbrochen werden. Die Übertragung von Sportereignissen darf nur in den Pausen für Werbung unterbrochen werden. Zusätzlich konkretisieren ard-Richtlinien die gesetzlichen Bestimmungen. – Fernsehwerbung in privaten Sendern Da private Fernsehveranstalter nicht aus der Rundfunkgebühr finanziert werden, müssen sie ihre Programme aus Werbeeinnahmen, Sponsoring, Teleshopping oder sonstigen Einnahmen bestreiten. Zu Letzteren gehören Abonnements, Pay-per-View-Angebote und Mehrwertdienste per Telefon oder Handy. Fernsehwerbung in den privaten Sendern unterliegt keiner uhrzeitlichen Beschränkung, sie darf rund um die Uhr ausgestrahlt werden. Der Anteil der Werbung darf jedoch 20 Prozent der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. Der Anteil von Werbeinseln an einer Programmstunde liegt somit bei maximal zwölf Minuten – rein rechnerisch kann also jeder Privatsender täglich 280 Minuten Werbung ausstrahlen. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt die Platzierung von Werbung sowohl zwischen zwei Sendungen als auch innerhalb einer Sendung, die sogenannte Unterbrecherwerbung. – – Der Werbemarkt in Deutschland Im Jahr 2005 wurden brutto mehr als 19 Mrd. Euro in Werbung in den klassischen Medien investiert. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs von 0,96 Mio. Euro (+5,3%). Die meisten Gelder flossen mit 8,04 Mrd. Euro (42,1%) in Fernsehwerbung, gefolgt von 4,99 Mrd. Euro (26,1 %) in Tageszeitungen und 3,87 Mrd. Euro (20,3%) in Publikumszeitschriften. Mit deutlichem Abstand folgten Hörfunk mit 1,17 Mrd. Euro (6,1 %), Plakate mit 0,61 Mrd. Euro (3,2%) und Fachzeitschriften mit 0,42 Mrd. Euro (2,2%). Werbemarkt 2005: Anteil der Werbeträger am Bruttoumsatz in Prozent HF - Hörfunk, TV - Fernsehen, PK - Plakate, TZ - Tageszeitungen, PZ - Publikumszeitschriften, FZ - Fachzeitschriften Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, eigene Berechnungen HF 6,1 % TZ 26,1 % TV 42,1 % PZ 20,3 % PK 3,2 % FZ 2,2 % werbung Nicht erlaubt ist die Unterbrechung der Übertragung von Gottesdiensten oder Kindersendungen sowie von Nachrichtensendungen bis zu einer halben Stunde Dauer. Um dennoch einen Werbeblock einschieben zu können, werden Nachrichtensendungen darum gerne als »Journal« oder »Nachrichtenmagazin« bezeichnet oder redaktionell in zwei Teile zerlegt, indem die Nachrichten vom Wetter getrennt präsentiert werden. Zwischen zwei Unterbrecherwerbeblöcken innerhalb einer Sendung müssen mindestens 20 Minuten Programm liegen. Bei Sendungen, die länger als 45 Minuten dauern, ist mehr als eine Unterbrechung zulässig. Ursprünglich bildeten Spielfilme die Ausnahme von dieser Regelung, sie durften nur alle 45 Minuten unterbrochen werden, um den dramaturgischen Faden nicht reißen zu lassen. Auch hier bedienten sich die Privatsender eines Tricks, um mehr Unterbrechungen zu erzielen: Die ausgestrahlten Spielfilme bzw. deren Sendeplätze wurden einfach als Sendereihe tituliert. Angebote, die in diesem Kontext laufen, dürfen ganz normal, also alle 20 Minuten unterbrochen werden. Darum also heißen die Spielfilmsendeplätze bei rtl, ProSieben oder sat.1 »Der große Sonntagsfilm«, »Blockbuster«, »Eventkino« oder »Saturday Night Action«. Die Landesmedienanstalten (finanziert durch Gebührengelder) kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die kommerziellen Sender. Im Falle eines Verstoßes – wenn zwischen zwei Werbeblöcken zum Beispiel nur 17 Minuten Programm liegen – droht eine Abmahnung. 08 5 Hörfunkwerbung Die Hörfunkwerbung ist auf 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt begrenzt (§ 15 Abs. 5 RStV). Pro Stunde dürfen zwei Werbeblöcke, die nicht länger als dreieinhalb bis vier Minuten sein dürfen, ausgestrahlt werden. Die Werbezeit pro Stunde ist auf sieben bis acht Minuten beschränkt. Auch die öffentlich-rechtlichen Radioangebote dürfen an Sonn- und Feiertagen keine Werbung ausstrahlen. 151 © dpa werbung Lediglich ca. 8,3 Prozent der gesamten Werbeeinnahmen aus Radio und Fernsehen gingen an den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Mit rückläufiger Tendenz – der Anteil von ard und zdf an den Gesamtwerbeaufwendungen ist über die Jahre immer geringer geworden. Die meisten Gelder für Fernsehwerbung konnte mit mehr als 2,2 Mrd. Euro rtl verbuchen, gefolgt von sat.1 (1,62 Mrd. Euro) und ProSieben (1,38 Mrd. Euro). ard und zdf liegen mit Brutto-Werbeeinnahmen in Höhe von 0,20 Mrd. Euro bzw. 0,13 Mrd. Euro noch deutlich hinter den Privatsendern der zweiten Generation wie rtl ii, vox und kabel 1. Der Fernsehwerbemarkt wird schon heute de facto durch die Sendergruppen von rtl und ProSiebensat.1 beherrscht. Diese verfügen über einen Umsatzmarktanteil von insgesamt knapp 80 Prozent. Der Umsatzmarktanteil von ard und zdf beträgt gemeinsam lediglich 4,4 Prozent. Die meisten Gelder für Hörfunkwerbung konnten die Radioangebote der Privaten unter dem Dach des RMS (Radio Marketing Service) mit 696,1 Mio. Euro verbuchen; das entspricht einem Umsatzmarktanteil von fast 60 Prozent. Die werbeführenden ard-Radioangebote konnten dagegen mit knapp 415 Mio. Euro nur 36 Prozent der Gelder für Hörfunkwerbung einnehmen. Die sonstigen Radioanbieter spielen mit Brutto-Werbeumsätzen von 55, 7 Mio. Euro nur eine unbedeutende Rolle. 08 6 152 – Werbezeitenvermarktung in Deutschland Die Fernseh-, aber auch Radiosender vermarkten ihre Werbezeiten in der Regel nicht selbst, sondern beauftragen damit eigens zu diesem Zweck gegründete Tochterunternehmen. Die großen Vermarkter für die Werbung führenden deutschen Fernsehangebote sind: – ard Werbung Sales & Services (AS&S) (Das Erste) – zdf Werbefernsehen – SevenOne Media (sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24, 9Live) – IP Deutschland (rtl, vox, n-tv, Super rtl, rtl Shop) – Sonstige (dsf, mtv, viva, Tele 5, rtl ii) Die großen Vermarkter für die Radioangebote mit Werbung sind: – AS&S national/regional (öffentlich-rechtlich und privat als Mandant) – RMS national/regional (privat) – Energy national/regional (privat) – Sonstige Auch bei den Landesrundfunkanstalten der ard ist die Abwicklung der Werbung selbstständigen Tochtergesellschaften übertragen, mit denen Ergebnisabführungsverträge bestehen, d. h., Einnahmen aus Werbung und Sponsoring werden nach Abzug eines Unkostenanteils an die jeweilige Landesrundfunkanstalt überwiesen. Die Werbetöchter der Landesrundfunkanstalten und des zdf erhalten keine Subventionen aus den Rundfunkgebühren. Sie sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die der vollen Steuerpflicht unterliegen. © dpa Der ehemalige Bundesliga-Manager Rainer Calmund während der Dreh­ arbeiten zu einem Werbespot für den Mobilfunkanbieter O2 Um Werbe- und Sponsoreinnahmen geht es vor allem bei der Vermarktung der Bundesligarechte im privaten Fernsehen, im Internet und im Mobilfunk – Bedeutung von Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Werbung in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radio­angeboten ist Garant des Wettbewerbs unter den Marktteilnehmern und gleichzeitig eine wichtige zusätzliche Finanzierungsquelle. Die Werbewirtschaft nimmt das Angebot, die qualitativ attraktiven Zielgruppen der Öffentlich-Rechtlichen, die bei den Privaten so nicht zu finden sind, zumindest am Vorabend mit Werbung zu erreichen, stark an. Ein nennenswerter Wettbewerb findet auf dem Fernsehwerbemarkt somit lediglich zwischen 17.oo Uhr und 20.00 Uhr statt, also zu einer Zeit, zu der Das Erste und das zdf Werbung im Fernsehen ausstrahlen. Dieser verschärfte Wettbewerb drückt sich in den Spotpreisen der TV-Anbieter aus. In diesem Zusammenhang ist der absolute Preis eines Werbeträgers allein nicht sehr aussagekräftig. Der Preis muss vielmehr in Beziehung zu seiner Leistung für den Werbetreibenden gesehen werden. – Tausenderkontaktpreis Letztlich ausschlaggebend ist – neben qualitativen Aspekten – das Verhältnis der Kosten zur Größe der erreichten Zielgruppe: Präferierte Werbezielgruppe in Deutschland sind Erwachsene im Alter von 14 bis 49 Jahren. Dies wird mit der Maßeinheit des Tausender­ kontaktpreises (TKP) ausgedrückt. Dieser Wert gibt in Euro an, wie hoch die Kosten sind, um bei einem Werbeträger 1.000 Kontakte in der gewünschten Zielgruppe zu erreichen. Dieser errechnet sich aus dem Preis der Werbeschaltung(en) multi­pliziert mit tausend, dividiert durch die Anzahl der in der Zielgruppe gemessenen Werbe-Kontakte (s. Tabelle auf nachfolgender Seite). Die TKPs von rtl, ProSieben und sat.1 sind vor 20.00 Uhr deutlich niedriger als nach 20.00 Uhr. Der Tausender­kontaktpreis am Hauptabend lag zum Beispiel bei sat.1 im Jahr 2005 in der werberelevanten Zielgruppe um 39 Prozent über dem TKP des Vorabends. Die absoluten Kosten wurden sogar mehr als verdoppelt (+ 163 %) bei einem Reichweitenanstieg von »nur« 17 Prozent. Dies zeigt, dass der Preisanstieg bei den kommerziellen Rundfunkveranstaltern vom Vorabend zum Haupt­abend nicht unbedingt in Relation zum Anstieg der Zuschauerzahlen steht. Eine vergleichbare Preis­ strategie verfolgen auch die übrigen privaten Fernsehanbieter. werbung Die Werbetöchter gestalten die Werberahmenprogramme und übernehmen die Kosten der Mutteranstalten für die Abspielung und Ausstrahlung. Wie die Rundfunkanstalten sind auch die Werbegesellschaften in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie unterhält eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft, die ard-Werbung Sales & Services GmbH. Zu den zentralen Aufgaben der GmbH zählen die Vermarktung der nationalen Fernseh- und Radio-Werbezeiten sowie Forschung und Service, ferner die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Radio- und TV-Angebote der ardWerbung. Die ard-Werbung Sales & Services GmbH ist der zentrale Ansprechpartner für den Werbemarkt und Dienstleister zwischen Medien und Werbewirtschaft. Sie kümmert sich um das Media-Marketing und damit um die Refinanzierung der Programme durch Werbung. 08 7 153 Zielgruppe Erwachsene (14- bis 49-Jährige) Vermarkter/Medien Brutto-Preise 2005 (EUR) Reichweite (Mio.) TKP (EUR) 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr IP-Sender rtl vox n-tv 16.241 4.237 993 42.399 12.323 959 0,792 0,296 0,021 1,544 0,678 0,025 20,50 14,31 47,44 27,45 18,19 38,71 ProSiebensat.1 sat.1 ProSieben Kabel 1 n24 17.593 12.696 3.550 573 28.740 24.576 8.483 1.168 0,881 0,575 0,259 0,023 1,036 0,860 0,439 0,044 19,96 22,08 13,73 24,49 27,75 28,57 19,32 26,54 rtl ii rtl ii 4.202 9.792 0,298 0,506 14,08 19,34 Öffentlich-Rechtliche ard zdf 14.933 14.098 werbefrei werbefrei 0,511 0,438 werbefrei werbefrei 29,24 32,17 werbefrei werbefrei werbung 08 8 vgl: GfK-Fernsehforschung, Standardwerbung, Tarifart 1–20, mo. bis sa., Fernsehpanel D+EU 2006 Die werbetreibende Wirtschaft erreicht nach 20.00 Uhr durch die Werbefreiheit in ard und zdf sowie den dritten Fernsehprogrammen der ard ca. 45 Prozent aller Fernsehzu­schauer nicht. Deshalb weisen die Verbände der Werbewirtschaft wiederholt darauf hin, dass der Erhalt der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die werbetreibende Wirtschaft unbedingt notwendig ist und ihre Abschaffung gravierende Auswirkungen auf den Fernsehmarkt hätte. Noch drastischer wären die Auswirkungen eines Verzichts von Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Der Hörfunkwerbemarkt wird bereits heute durch den Vermarkter der meisten privaten Radioangebote, den RMS, beherrscht. Er verfügte im Jahr 2005 über einen Umsatzmarktanteil von ca. 60 Prozent. Die ard war mit einem Umsatzmarktanteil von fast 36 Prozent der deutlich kleinere Marktteilnehmer. Durch einen Verzicht auf die Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk könnte der Vermarkter RMS fast eine Monopolstellung einnehmen und die Hörfunkpreise nach Belieben diktieren. Auswirkungen hätte dies nicht zuletzt auf die Preise der Produkte, in die die Kosten der Werbung eingehen. 154 Die meisten Werbetreibenden, die Werbung in öffentlich-rechtlichen Programmen buchen, tun dies aber bewusst, um Zielgruppen mit ihrer Werbung zu erreichen, die sie bei den privaten Rundfunkveranstaltern nicht erreichen. Ein weiterer Grund, warum Werbekunden bewusst das Umfeld der öffentlich-rechtlichen Programme belegen, ist der erhoffte positive Imagetransfer vom Programm auf das beworbene Produkt. Die Kunden fühlen sich darüber hinaus in den hochwertigen, professionellen, kompetenten und seriösen Umfeldern der Öffentlich-Rechtlichen besser aufgehoben. Ein Verzicht auf Werbung in ard und zdf hätte auch erhebliche Auswirkungen auf die Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Werbung und Sponsoring ermöglichen es zum Beispiel, teure Sport­rechte ohne weitere Belastung der Gebührenzahler zu refinanzieren. Bestes Beispiel für die gelungene Re­ finanzierung von Sportrechten durch Werbung sind die Rechte an den Spielen der 1. Fußball-Bundesliga. Es ist der ard gelungen, den Rechteerwerb vollständig durch Einnahmen aus Werbung und Sponsoring zu re­ finanzieren. – Schleichwerbung Zwar investiert die Industrie jährlich allein in Deutschland mehr als acht Mrd. Euro, um ihre Produkte im Fernsehen zu bewerben, die Effektivität dieser Maßnahmen ist jedoch sehr umstritten. Werbepausen sind für die Fernsehkonsumenten klar erkennbar: Die Senderkennung wird in dieser Zeit nicht eingeblendet und die Trennung erfolgt durch optische Mittel, in der Regel durch kurze Jingles. Zudem umrahmen die Sender nahezu jede Werbeinsel mit Programmtrailern, so dass der Konsument die meist vier- bis siebenminütigen Unterbrechungen genau abpassen kann und für andere Aktivitäten nutzt: Der Gang zur Toilette, die Rauchpause, die Versorgung mit Snack-Nachschub oder das Umschalten zu anderen Sendern sind der Alptraum jedes Werbetreibenden. Für die Werbeindustrie besonders interessante Programme, etwa Spielfilme bei den großen Privatsendern, verlieren in den Werbepausen oft mehr als die Hälfte ihrer Zuschauer. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Industrie bereits seit langem massiv versucht, ihre Produkte auch in den Programmen selbst zu platzieren. In anderen europäischen Ländern, etwa Italien, ist es längst üblich, dass zum Beispiel ein Magazin-Moderator selbst Werbebotschaften vorliest, und das zwischen zwei Beiträgen, so dass kein Zuschauer verloren geht. Weitaus häufiger ist jedoch die akustische oder visuell wahrnehmbare Präsentation von Produkten jeder Art – oder anders: Product-Placement. – Rechtliche Rahmenbedingungen Das deutsche Medienrecht kennt zwei Grundsätze, die die Trennung von Werbung und Programm regeln. Beide sind im Rundfunkstaatsvertrag gesetzlich geregelt. Das ist zum einen das Gebot, Werbung vom übrigen Programm deutlich zu trennen und als solche zu kenn­ zeichnen. Sie darf »das übrige Rundfunkprogramm inhaltlich nicht beeinflussen«. Zum anderen verbietet der Rundfunkstaatsvertrag Schleichwerbung im Programm. Schleichwerbung ist »die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers, wenn sie zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann«. Schleichwerbung ist also durch drei Merkmale gekennzeichnet: Eine kommerzielle Leistung oder ihr Erbringer muss erkennbar sein, sie muss in werblicher Absicht erfolgen und sie muss geeignet sein, die Zuschauer über die wahre (Werbe-)Absicht zu täuschen. Das Erfordernis der Werbeabsicht gilt als erfüllt, wenn die Darstellung gegen Geld oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Aus dieser Definition wird deutlich, dass die redaktionell veranlasste Darstellung von Produkten keine Schleichwerbung darstellt und daher zulässig ist, sofern sie nicht über das redaktionell erforderliche Maß hinausgeht. In der heutigen Zeit ließe sich ansonsten eine reale Umwelt kaum noch darstellen. Wenn also ein Kommissar einen Dienstwagen fährt und das Fahrzeug ausschließlich aus dramaturgischen und inhaltlichen Gründen im Bild erscheint, handelt es sich um eine zulässige Produktdarstellung. Erlaubt ist es auch, wenn das Fahrzeug dem Sender für die Dreharbeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird (Produktionshilfe), solange dies nicht an Bedingungen hinsichtlich der Darstellung in der Sendung geknüpft wird. Zu einem Fall von (illegaler) Schleichwerbung wird dieses Beispiel aber, wenn der Autohersteller dafür zahlt, dass sein Produkt im Bild erscheint. Im Dezember 2006 hat das Europäische Parlament eine neue EU-Richtlinie in erster Lesung beschlossen, die unter anderem eine Lockerung der Regelungen für Produktplatzierungen vorsieht. Danach soll Product155 werbung Die Werbeerträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks helfen, die Höhe der Rundfunkgebühren zu begrenzen. Würden sie wegfallen, müssten die Gebühren deutlich erhöht werden, um das bei unveränderter Programmvielfalt und -qualität entstehende Defizit aus­ zugleichen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Mischfinanzierung, d.h. in der Finanzierung durch Rundfunkgebühren, Werbung und sonstige Einnahmen, eine Mög­ lichkeit, einseitige Abhängigkeiten zu lockern und die Programmgestaltungsfreiheit der Rundfunkanstalten zu stärken. 08 9 © dpa werbung 08 10 Placemant in Spielfilmen, Serien, Sport- und leichten Unterhaltungssendungen erlaubt werden, wenn die Zuschauer zu Beginn der Sendung informiert werden. Während den privaten Rundfunkveranstaltern diese Deregulierung nicht weit genug geht, lehnt der öffentlichrechtliche Rundfunk den EU-Vorstoß ab, da nach seiner Auffassung eine Irreführung der Zuschauer allein durch die Transparenzregeln nicht wirksam ausgeschlossen wird (Zapper nehmen zum Beispiel den Hinweis nicht wahr, weil sie erst später zuschalten) und beim ProductPlacement auch die verfassungsrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit durch kommerzielle Einflussnahmen beeinträchtigt wird. Da der Rundfunkstaatsvertrag sich nur an Rundfunksendungen ausrichtet, sind die speziellen Vorschriften zur Trennung von Werbung und Programm auch nur auf Fernseh- und Hörfunksendungen anwendbar. Bei anderen Medien, wie zum Beispiel Kinofilmen, Printmedien oder Mediendiensten im Internet, fehlt es an einer vergleichbar detaillierten gesetzlichen Regelung. Dennoch gilt das Verbot der Schleichwerbung – allerdings in abgestufter Form – auch dort. Die insoweit schärferen Regelungen für den Rundfunk erklären sich aus der besonderen Bedeutung des Rundfunks für die öffentliche Meinungsbildung und der medienspezifischen Gefahr einer suggestiven Beeinflussung. Einen Sonderfall stellen Kinospielfilme im Fernsehen dar. An sich würden hier die strengen Regeln für den Rundfunk greifen. Die Sender schaffen es aber nur in Ausnahmefällen, sich Bearbeitungsrechte an diesen Filmen einräumen zu lassen, so dass eine Beseitigung an sich unzulässiger Product-Placements regelmäßig nicht möglich ist. Da eine strenge Anwendung des Schleichwerbeverbots daher faktisch dazu führen würde, dass insbesondere große US-Kinoproduktionen in Deutschland überhaupt nicht ausgestrahlt werden könnten, ist es allgemein anerkannt, dass solche Filme trotz Product-Placements ausgestrahlt werden dürfen. 156 – Product-Placement soll einen Imagetransfer zwischen dem Produkt und dem Film bewirken, hier zwischen BMW und »James Bond« 1997. In diesen Jahren hatte BMW in Großbritannien wegen seines Verhaltens gegenüber seinen Arbeitern ein negatives Image. Zwei britische Gewerkschaften riefen zu einem BMW-Boykott auf. James Bond sei »weltweit ein Symbol für britischen Patriotismus«, was mit dem Namen BMW nicht mehr in Einklang zu bringen sei (»Times« v. 20.3.2000) Formen und Inhalte von Product-Placements Bei der Einordnung von Placements wird in der Werbebranche nach Inhalt und Form unterschieden. Das traditionelle Product-Placement meint die Integration eines einzelnen Produkts in einen szenischen Zusammenhang, zum Beispiel eine bestimmte Bier- oder Automarke. Bei einem Generic Placement wird eine ganze Warengruppe oder Gattung eingebaut, zum Beispiel Plasmafernseher, Wackelpudding oder Öko-Strom im Allgemeinen. Diese Form wird darum gern von Quasi-Monopolisten genutzt, da ohnehin jeder Zuschauer weiß, wer oder was gemeint ist, auch ohne ein Markenlogo zu sehen. Corporate Placement bezieht sich auf die Eingliederung eines ganzen Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe, einzelne Produkte spielen keine Rolle. Das Message-Placement schließlich transportiert eine allgemeine Botschaft, ein Motto, zum Beispiel einen sozialen Appell. Sonderformen sind Themen-Placements (zum Beispiel erkrankt die Hauptfigur einer Serie an einer neuartigen Krankheit, ein Pharmaunternehmen will sie durch das Placement zum Gesprächsthema machen), LocationPlacements (zum Beispiel spielt eine ganze Fernsehserie in einem Dorf im Schwarzwald, das sich eine Stärkung des Tourismusgeschäfts verspricht), Image-Placements (zum Beispiel wird eine Fernsehshow aus einem bestimmten Freizeitpark gesendet, um die Attraktivität des Parks darzustellen) und Service-Placements (zum Beispiel nutzt die Hauptfigur eines Films bestimmte Serviceleistungen wie Kreditkarten oder Breitbandinternetanschlüsse). Die Integration selbst erfolgt auf verschiedenen Wegen. Visual Placement ist noch immer der Standard: Ein Produkt taucht, oft von einer Figur benutzt, im Bild auf. Diese simple Integration ist nicht angreifbar, solange ein »natürlicher« Zusammenhang gegeben ist (jede Bierflasche hat ein Etikett) und die Werbebotschaft nicht dominiert. Dies gilt auch für On-Set-Placements, hierbei wird ein Produkt in die Requisite einer Szene integriert. Dies erfolgt ohne direkten Bezug zur Handlung oder zu den handelnden Personen, zum Beispiel steht scheinbar zufällig eine bestimmte Flasche Whisky auf dem Tisch, an dem sich die Figuren unterhalten. Beim Verbal Placement wird das Produkt nicht gezeigt, aber es wird darü- – Der weltberühmte Volleyball Das berühmteste Creative Placement der jüngeren Kinogeschichte ist ein Volleyball. Tom Hanks strandet mit ihm im Gepäck auf einer einsamen Insel (Cast Away, 2000). Der Ball ist sein einziger Bezugspunkt, er spricht mit ihm, malt ihm ein Gesicht auf und nimmt ihn mit, als er die Insel verlässt. Den Ball nennt er bei seinem Namen – dem Namen des Herstellers, der durch den Film quasi über Nacht weltberühmt wurde. Creative Placements sind mittlerweile zu einem wichtigen Faktor bei der Finanzierung von Filmen geworden. Weltweit stellen vor allem europäische und US-amerikanische Unternehmen Millionenbeträge zur Verfügung, um die Konzeption und Finanzierung von Filmen schon vor Produktionsstart zu beeinflussen. Die damit einhergehenden Gefahren liegen auf der Hand. Der Rundfunk, der Faktor und Medium der öffent­ lichen Meinungsbildung sein soll, gerät in Gefahr, von wirtschaftlichen Interessen vereinnahmt zu werden. Wirtschaftlich weniger mächtige gesellschaftliche Gruppen oder Themen, die für die Wirtschaft uninteressant sind, hätten es zunehmend schwerer, im Programm berücksichtigt zu werden. Zudem ist es dem ProductPlacement und seinen verschiedenen Abwandlungen eigen, unterschwellig zu wirken. Anders als bei der klas- sischen Werbung wird den Zuschauern nicht sofort bewusst, ob diese Darstellung nun aus redaktionellen Gründen erfolgt oder weil ein Unternehmen hierfür Geld gezahlt hat. Mag die Vorgehensweise im Fernsehbereich zwar sanfter und mit einem nicht so punktuell eingesetzten Finanzvolumen ausgestattet sein wie im Kino, so sind derartige Maßnahmen trotz des Verbots auch im deutschen Fernsehen zu sehen. Für Außenstehende, selbst für Experten, ist dabei häufig schwer festzustellen, ob es sich hierbei um künstlerische Darstellungsfreiheit oder um Schleichwerbung handelt. Besonders schwierig zu erkennen sind die Fälle, in denen nicht für ein bestimmtes Produkt, sondern für Warengruppen oder ganz all­ gemein für bestimmte Themen geworben wird. Fern­ sehkommissare fahren Autos bestimmter Baureihen, Anwälte löffeln Wackelpudding, Ermittler lutschen Lollis, Showmaster verzehren Gummibärchen, das ist Fernsehalltag. Die Fernsehsender sind z.T. auch sehr erfin­derisch in der Schaffung neuer Werbeformen. Ein Privatsender ging im Jahr 2005 gar so weit, einem Lebens­ mittelhersteller ein Titelpatronat zu verkaufen: Die Show mit dem Markennamen im Titel wurde in der Prime Time ausgestrahlt, der Sender von der Landesmedien­ anstalt aber abgemahnt. werbung ber gesprochen, zum Beispiel, indem eine Figur eine andere bittet, ihr Schokolade einer bestimmten Marke mitzubringen. Das Gegenteil – die am weitesten entwickelte Form von Placement – ist Creative Placement. Hier wird das Produkt zum sinnstiftenden Teil der Handlung. Bereits vor 40 Jahren fuhr Dustin Hoffman in der Schlussszene von The Graduate (Die Reifeprüfung, 1967) mit einem roten Sportwagen italienischen Fabrikats vor. Die Szene ging in die Kinogeschichte ein und blieb so sehr im kollektiven Gedächtnis, dass sie im Jahr 2004 von einem anderen Autohersteller für einen Werbe­spot neu gefilmt wurde: Diesmal fuhr Dustin Hoffman einen Wagen deutscher Bauart. 08 11 157 – werbung 08 Rundfunk braucht Werbung – Schleichwerbung will der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht Umso größer war der Skandal, als auch in den Produkten öffentlich-rechtlicher Sender im Jahr 2005 Fälle von Schleichwerbung aufgedeckt wurden. Beispielsweise hatte sich ein Reiseveranstalter in die Vorabendserie Marienhof eingekauft: Ein ganzes Reisebüro war dauerhaft Spielort der Handlung, eine der Hauptfiguren arbeitete dort, die Kulisse war im Stil des tatsächlichen Reisebüros gestaltet und der Name des fiktiven Büros ähnelte dem Slogan der Kette. Andere Fälle von Schleichwerbung wurden in diversen Tatort-Folgen und Fernsehfilmen seit den 80er Jahren entdeckt. Die ard hat diese Fälle rückhaltlos aufgeklärt und personelle Konsequenzen gezogen. Allein im wdr wurden 90 Fernsehfilme gesichtet und auf potenzielle Schleichwerbung überprüft. Schließlich wurde von der ard eine Clearingstelle zur Aufklärung und Prophylaxe unter Vorsitz des swr geschaffen. Darüber hinaus richteten die Werbetöchter der ard eine Programmbeobachtungsstelle bei der wdr mediagroup ein. Die unerlaubte Produktwerbung trifft die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an ihrer empfindlichsten Stelle. Sie verletzt nicht nur die Maxime des Rundfunkstaatsvertrags, Programm von Werbung klar zu trennen. Sie beeinträchtigt vor allem die Glaubwürdigkeit der Sender, die sich aus Gebühren finanzieren und der Allgemeinheit verpflichtet sind. 12 158 Von Schleichwerbung sind nicht nur die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten betroffen, auch bei priva­ ten Sendern wurden bereits mehrfach Fälle von Schleichwerbung aufgedeckt. So hat die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz bei den sat.1-Sendungen Frühstücksfernsehen und 17.30 Uhr Live aus Berlin in den Jahren 2000 bis 2005 unerlaubte Produktwerbung in »beträchtlichem Ausmaß« festgestellt. Über direkte Kontakte oder Vermittlungsagenturen wurden Beiträge ausgestrahlt, die in Zusammenarbeit mit Unternehmen oder Verbänden produziert wurden. Die ProSiebenSat.1 Media AG hat daraus Konsequenzen gezogen. Die Landesmedienanstalt als Aufsichtsorgan hat finanzielle Sanktionen erteilt und eine öffentliche Rüge ausgesprochen.