Ladungsverteilung von Kern und Nukleon - Formfaktoren Handout zum Vortrag von Daniel Götz am 26.01.2009 im Rahmen des Fortgeschrittenen-Praktikums 1 Einführung Dieser hat die Einheit einer (effektiven) Fläche und ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projektil in das Raumwinkelelement dΩ um das Target gestreut wird (siehe Abbildung 2). Der Rutherfordsche WQ lässt sich sowohl klassisch als auch quantenmechanisch herleiten, wobei beide Herleitungen zum gleichen Ergebnis führen: 1 4Z 2 e4 E 02 1 Z 2 e4 dσ . = = 4 2 2 2 dΩ Ruth (4π0 ) |qc| (4π0 ) 4E sin4 θ2 Den Grundbaustein zur Analyse der Ladungsverteilungen von Kern und Nukleon lieferte E. Rutherford im Jahre 1910. Indem er α-Teilchen an Goldatomen streute fand er heraus, dass die Masse des Atoms in einem positiv geladenen, winzigen Kern konzentriert ist. Sein Versuch birgt jedoch zwei wesentliche Probleme: • Target und Projektil sind ausgedehnt und Dabei wurde der Rückstoß auf das Target, sowie die Ausdehnung des Targets vernachlässigt. Für große q 2 , bzw. Streuwinkel θ und Projektilenergien E wird der WQ sehr klein, was große Präzision bei der Vermessung dieses Bereichs erfordert. Um Spineffekte des Elektrons bei relativistischen Geschwindigkeiten zu berücksichtigen, wird der Rutherford-WQ noch um einen Faktor zum Mott-WQ ergänzt: dσ dσ 2 2 θ = 1 − β tan , dΩ Mott dΩ Ruth 2 • zwischen beiden wirken (nur unzureichend bekannte) Kernkräfte. Die Lösung dieser Probleme ist es, Elektronen als Projektile zu verwenden. Diese sind punktförmig und nehmen nicht an der starken Wechselwirkung teil. Die Wechselwirkung wird (bis auf einen vernachlässigbaren Anteil durch die schwache WW) durch die Quantenelektrodynamik sehr präzise beschrieben. Im mikroskopischen Bereich muss die Betrachtung des Problems quantentheoretisch erfolgen. Wie im Feynman-Diagramm (Abbildung 1) dargestellt, erfolgt die Streuung durch den Austausch eines virtuellen Photons mit Impuls wobei β = vc . 3 q = p − p0 , q nennt man Impulsübertrag. Im Folgenden werden nur elastische Streuungen betrachtet, d.h. Teilchenanregungen und -zerfälle werden ignoriert. 2 3.1 Formfaktoren Kerne Der gemessene WQ ist gegeben durch 2 dσ dσ = F (q 2 ) , dΩ exp dΩ Mott Wirkungsquerschnitte (1) Um Streuprozesse zu analysieren bedient man sich dσ . des differentiellen Wirkungsquerschnitts (WQ) dΩ wobei der Formfaktor (FF) F (q 2 ) mit der auf 1 normierten Ladungsverteilung Zef (x) = ρ(x) über die Abbildung 1: Feynman-Diagramm zur Streuung eines Elektrons an einem Kern in niedrigster Ordnung Störungstheorie; Quelle: Povh, Rith, Scholz, Zetsche: Abbildung 2: Zum differentiellen Wirkungsquerschnitt; Quelle: http://wiki.physik.uni-frankfurt. Teilchen und Kerne, Springer-Verlag, 7. Auflage de/index.php/Wirkungsquerschnitt 1 Fouriertransformation in Beziehung steht: Z i F (q 2 ) = d3x exp q · x f (x). ~ 2 Q wobei τ = 4M c2 , GE der elektrische und GM der magnetische FF ist. Beide bestimmt man mit der sogenannten Rosenbluth-Separation, indem man den experimentellen WQ bei festem Q2 (aber veschiedenen θ und E) misst, durch den Mott-WQ dividiert, gegenüber tan2 θ2 aufträgt und anschließend einen linearen Fit hindurch legt. Anhand der Steigung und des Achsenabschnitts lassen sich mit Gleichung (4) die beiden FF ermitteln. Führt man dies für viele Werte von Q2 durch, so ergibt sich für beide FF des Protons und für den magnetischen FF des Neutrons ein Verlauf, den man nach Normierung auf die Werte bei Q2 = 0 näherungsweise durch einen Dipol beschreiben kann, (2) Der FF lässt sich nach Gleichung (1) bestimmen, indem man den experimentell gemessenen WQ durch den Mott-WQ dividiert. Aus dem FF lässt sich der mittlere quadratische Ladungsradius hr2 i gewinnen, indem man die Exponentialfunktion in Gleichung (2) um q 2 = 0 entwickelt. Man erhält 2 2 2 dF (q ) , (3) hr i = −6~ dq 2 q2 =0 der Radius ist also durch die Steigung des FF bei verschwindendem Impulsübertrag gegeben. Um die Ladungsverteilung zu bestimmen, modelliert man sich (bspw. aufgrund theoretischer oder phänomenologischer Überlegungen) eine Ladungsverteilung und transformiert diese in den Impulsraum um einen FF zu erhalten, welcher dann direkt an den WQ gefittet wird. Ein einfaches Modell, welches Kerne mit Massenzahl A & 40 grob beschreibt, ist die Fermi-Verteilung GD (Q2 ) = 1+ Q2 0.71 (GeV/c)2 −2 , welcher einer exponentiell abfallenden Ladungsverteilung entspricht. Mit Gleichung (3) ermittelt man daraus einen Ladungsradius von q 2 i = 0.81 fm. hrE (5) 4 ρ(0) ρ(r) = 1 + exp r−c a Experiment am MAMI Neuere Messungen zeigen starke Abweichungen vom Dipolverlauf bei Q > 1 GeV/c. Diese lassen sich gut durch einen Doppel-Dipol beschreiben. Man findet allerdings bei allen vier FF von Proton und Neutron auch eine hügelförmige Abweichung vom DoppelDipol bei Q ≈ 0.2 (GeV/c)2 (siehe Abbildung 4). Dieser Bereich wurde am MAMI präzise neu vermessen und wird momentan anhand verschiedener Modelle untersucht. Vorläufige Fits zeigen einen höheren Ladungsradius von q 2 i ≈ 0.89 fm hrEp (siehe Abbildung 3). Sie entspricht der Form einer homogenen Kugel mit diffusem Rand. 3.2 Nukleonen Zur Untersuchung von Nukleonen verwendet man die Rosenbluth-Formel: dσ dσ E 0 G2E (Q2 ) + τ G2M (Q2 ) = + dΩ dΩ Mott E 1+τ θ + 2τ G2M (Q2 ) tan2 , (4) 2 gegenüber des Dipol-Fits aus Gleichung (5). Abbildung 3: Fermi-Verteilung als Modell der Ladungsverteilung schwerer Kerne; Die Breite a hängt mit der Hautdicke t zusammen: t = 2a ln 9; Quel- Abbildung 4: Unterschied zwischen gemessenem Formfaktor und Doppel-Dipol: Hügelförmige Abweichung bei Q2 ≈ 0.2 (GeV/c)2 , hier am Beispiel von GE des Protons; Quelle: Friedrich, Walcher: http: le: Povh, Rith, Scholz, Zetsche: Teilchen und Kerne, Springer-Verlag, 7. Auflage //www.arxiv.org/abs/hep-ph/0303054 2