Teil V Quellen elektromagnetischer Strahlung

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Teil V
Quellen elektromagnetischer
Strahlung
93
Kapitel 11
Lösungen der inhomogenen
Wellengleichungen
11.1
Problemstellung
Bei Anwesenheit von Ladungen haben wir die inhomogenen Gleichungen (vgl. (7.9),
(7.10))
1 ∂2
(11.1)
∆A − 2 2 A = −µ0 j,
c ∂t
1 ∂2
ρ
∆Φ − 2 2 Φ = −
(11.2)
c ∂t
0
mit der Nebenbedingung (Lorentz-Eichung)
1 ∂Φ
= 0
c2 ∂t
zu lösen. Das Problem ist also die Lösung einer inhomogenen Wellengleichung
∇·A+
Ψ(r, t) = −γ(r, t),
=∆−
1 ∂2
,
c2 ∂t2
(11.3)
(11.4)
wobei Ψ für Φ, Ai und γ für ρ/0 , µ0 ji steht.
Green’schen Funktionen Die allgemeine Lösung von (11.4) setzt sich aus der (siehe Abschnitt 10) allgemeinen Lösung der homogenen Wellengleichung (9.8) und einer
speziellen Lösung der inhomogenen Wellengleichung zusammen. Zur Konstruktion einer
speziellen Lösung von (11.4) benutzen wir die Methode der Green’schen Funktionen. Mit
der Definition der Green’schen Funktion,
G(r, r0 ; t, t0 ) = −δ(r − r0 ) δ(t − t0 )
(11.5)
können wir als (formale) Lösung
Ψ(r, t) =
Z
G(r, r0 ; t, t0 ) γ(r0 , t0 ) d3 r0 dt0
94
(11.6)
angeben, wie man durch Einsetzen von (11.6) in (11.4) direkt bestätigt. Dabei haben wir
die Reihenfolge von Integration bzgl. r0 , t0 und Differentiation bzgl. r, t vertauscht.
Entsprechende Green’sche Funktionen können für alle inhomogene lineare Differentialgleichungen, wie z.B. die Schrödinger Gleichung in der Quantenmechanik, verwendet
werden.
Symmetrien und Kausalität Die Green’sche Funktion hat zwei fundamentale Eigenschaften,
G(r, r0 ; t, t0 ) = G(r − r0 ; t − t0 )
(11.7)
aufgrund der Invarianz von (11.5) gegen Raum- und Zeit-Translationen, sowie
G(r − r0 ; t − t0 ) = 0
für t < t0
(11.8)
wegen des Kausalitätsprinzips: Die Wirkung kann nicht vor der Ursache kommen.
11.2
Green’sche Funktion für den statischen Fall
Wir betrachten als Vorübung den (schon bekannten) Fall statischer Felder, z.B. des elektrostatischen Feldes. Die Coulomb Potential Φ der Poisson-Gleichung
∆Φ(r) = −
ρ(r)
0
(11.9)
ist mit
Z
0
1 Z ρ(r0 ) 3 0
0 ρ(r ) 3 0
Φ(r) =
d
r
=
G(r,
r
)
dr
4π0 |r − r0 |
0
durch die Green’schen Funktion
G(r, r0 ) =
gegegeben, welche die Differentialgleichung
1
1
4π |r − r0 |
∆G(r, r0 ) = −δ(r − r0 )
erfüllt.
(11.10)
(11.11)
(11.12)
Beweis für r 6= r0 Mit R = r − r0 und R = |R| finden wir
1
∆
R
1
R
= ∇· ∇
= −∇ ·
R
R3
1
3
R
3
3
= − 3∇ · R + 4 R ·
= − 3 + 3 = 0.
R
R
R
R
R
Damit ist die Definitionsgleichung (11.12) für die Green’sche Funktion im statischen Fall
für R 6= 0 erfüllt.
Beweis für |r − r0 | → 0 Man kann in einem Volumenintegral vom Typ
Z
1
f (R)∆
R
95
d3 R
(11.13)
den Integrationsbereich auf eine kleine Kugel vom Radius a mit Mittelpunkt bei R = 0
beschränken,
Z
1
f (R)∆
R
Z
1
d R = lim
f (R)∆
a→0 Kugel(a)
R
3
d3 R .
(11.14)
Ist nun f stetig um 0, so kann man f aus dem Integral herausziehen
Z
1
f (R)∆
R
Z
1
d R = lim f (R = 0)
∆
a→0
R
Kugel(a)
3
d3 R ,
(11.15)
und erhält nach dem Gauß’schen Satz
Z
1
∆
R
Kugel(a)
Also ist mit
Z
1
dR =
d3 R
∇· ∇
R
Kugel(a)
Z
Z
1
1 2
=
∇
· dF = −
R dΩ = −4π .
R
F (a)
F (a) R2
3
Z
1
f (R)∆
R
d3 R = −4πf (0)
(11.16)
die Definitionsgleichung (11.12) für die Green’sche Funktion im statischen Fall für allgemeine R = r − r0 erfüllt.
11.3
Green’sche Funktion für zeitabhängige Quellen
Laufzeit Da (11.5) die Wellengleichung für eine zeitlich und räumlich punktförmige
Quelle darstellt, muss G(r − r0 ; t − t0 ) eine Kugelwelle darstellen, welche den Ort r zur
Zeit t = t0 + |r − r0 |/c erreicht, wenn die sie auslösende Störung zur Zeit t0 am Ort r0
stattfindet. Dabei ist
|r − r0 |
c
die Zeit welche das Licht braucht um von r0 nach r zu gelangen.
Kugelwellen Eine Kugelwelle ist nur vom Radius R = |R| abhänging und muss quadratintegrabel sein, wenn die Gesamtenergie endlich sein soll. Wir machen daher nach (9.19)
den Ansatz
g(τ − R/c)
G(R, τ ) =
,
(11.17)
R
mit τ = t − t0 . Hier ist also R/c die Laufzeit.
Laplace-Operator in Kugelkoordinaten Wir verwenden die Dastellung
∆ =
∂2
2 ∂
+
+ Winkelanteil
2
∂R
R ∂R
96
(11.18)
des Laplace-Operators in Kugelkoordinaten und bestimmen g in (11.17) indem wir (11.17)
in (11.5) einsetzen,
1
R
1
∆g + 2∇
R
1 ∂2
= −4πg δ(R) +
g +
R ∂R2
1 ∂2
= −4πg δ(R) +
g.
R ∂R2
∆G = g∆
+
1
· ∇g
R
2 ∂
2 ∂
g − 2
g
2
R ∂R
R ∂R
(11.19)
Die erhaltene einfach Form ist der Grund bei der Definition der Green’sche Funktion in
(11.17) den Faktor 1/R explizit herauszuziehen. Wir haben
∇g = êr
∂g
+ Winkelanteil ,
∂R
(11.20)
verwendet, wobei ê = r/r der radiale Einheitsvektor ist.
Green’sche Funktionen für zeitabhängige Quellen Wir setzen nun (11.19) in die
Bestimmungsgleichung (11.5) für die Green’sche Funktion ein und erhalten
!
1 ∂2
−δ(R)δ(τ ) ≡ G(R, τ ) = ∆ − 2 2 G(R, τ )
(11.21)
c ∂τ
1 ∂ 2 g(τ − R/c)
1 ∂2
g(τ
−
R/c)
−
.
= −4πg(τ − R/c) δ(R) +
R ∂R2
c2 ∂τ 2
R
Diese Bestimmungsgleichung für g(τ − R/c) können wir lösen indem wir die δ-Funktionen
auf der linke Seite umschreiben,
δ(R)δ(τ ) = δ(R)δ(τ − R/c) .
Das ist möglich da ja δ(R) auch R = 0 impliziert. Damit erhalten wir
h
1 ∂2
1 ∂ 2 g(τ − R/c)
g(τ
−
R/c)
−
R ∂R2
c2 ∂τ 2
R
i
δ(R) 4πg(τ − R/c) − δ(τ − R/c) =
für (11.21), mit der Lösung
1
R
!
∂2
1 ∂2
−
g(τ − R/c) = 0,
∂R2 c2 ∂τ 2
4πg(τ − R/c) = δ(τ − R/c) .
Dabei ist die erste Gleichung trivialerweise erfüllt da g nur eine Funktion von τ − R/c ist.
Mit der Kausalitätsforderung G(r, r0 ; t − t0 ) = 0 für t < t0 erhalten wir also
G(r, r0 ; t − t0 ) =
δ(t − t0 − |r − r0 |/c)
4π|r − r0 |
97
(11.22)
für
t>t0
und damit nach (11.6) die allgemeine formale Lösung
Ψ(r, t) =
Z
3 0
dr
Z t
−∞
dt0
δ(t − t0 − |r − r0 |/c)
γ(r0 , t0 )
4π|r − r0 |
für die elektromagnetischen Potentiale.
Retardierte Green’sche Funktionen Die Inhomogenität in (11.5) stellt eine punktförmige Quelle dar, welche zur Zeit t0 am Ort r0 für eine (infinitesimal) kurze Zeit angeschaltet wird. Die von dieser Quelle hervorgerufene Störung breitet sich als Kugelwelle
mit der Geschwindigkeit c aus. Es muss also gelten:
• Die Kugelwelle G muss für t < t0 nach dem Kausalitätsprinzip verschwinden. Man
nennt Green’sche Funktionen welche das Kausalitätsprinzip erfüllen auch retardierte
Green’sche Funktionen.
• Sie muss am Ort r zur Zeit t = t0 + |r − r0 |/c ankommen, da elektromagnetische
Wellen sich mit der (endlichen) Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum ausbreiten.
• Da die Energie der Welle auf einer Kugeloberfläche verteilt ist, sollte G asymptotisch
wie R−1 verschwinden.
Die Green’sche Funktion (11.22) erfüllt genau diese Forderungen. Gleichung (11.6) zeigt,
wie man die Potentiale A, Φ zu gegebener Quellen-Verteilung ρ, j aus den Beiträgen für
punktförmige Quellen aufbauen kann.
11.4
Retardierte Potentiale
Mit (11.6) und (11.22) lauten die Lösungen von (11.1) und (11.2) für lokalisierte Ladungsund Strom-Verteilungen
und
1
1 Z
ρ(r0 , t0 ) δ(t − t0 − |r − r0 |/c)
d3 r0 dt0
Φ(r, t) =
4π0
|r − r0 |
A(r, t) =
1
µ0 Z
j(r0 , t0 ) δ(t − t0 − |r − r0 |/c)
d3 r0 dt0 .
4π
|r − r0 |
(11.23)
(11.24)
Die Lösungen (11.23) und (11.24) sind über (11.3) bzw. die Ladungserhaltung (6.3) miteinander verknüpft. Die Ausführung der Integrationen in (11.23) und (11.24) wollen wir
anhand von zwei praktisch wichtigen Spezialfällen untersuchen; dabei werden wir besonders auf die im Argument der δ-Distribution enthaltene Retardierung achten.
Quasistationäre Felder Vernachlässigt man die Retardierung in (11.23) und (11.24),
|r − r0 |
δ t−t −
c
0
!
→
98
δ(t − t0 ) ,
(11.25)
so erhält man quasistationäre Felder:
Φ(r, t) =
1 Z ρ(r0 , t) 3 0
d r,
4π0 |r − r0 |
(11.26)
µ0 Z j(r0 , t) 3 0
d r,
(11.27)
4π |r − r0 |
welche in der Theorie elektrischer Netzwerke und Maschinen auftreten. Die Näherung
(11.25) ist gerechtfertigt, wenn ρ und j sich während der Zeit, die eine elektromagnetische
Welle braucht, um die Distanz |r − r0 | zurückzulegen, (praktisch) nicht ändert.
A(r, t) =
Zeitlich periodische Quellen-Verteilungen Als erste Anwendung betrachten wir
zeitlich periodische Ströme und Ladungsverteilungen, wie sie typischeweise in Antennen
auftreten.
ρ = ρ(r) exp(−iωt);
j = j(r) exp(−iωt) .
(11.28)
Dann folgt aus (11.23), (11.24):
A = A(r) exp(−iωt) ,
Φ = Φ(r) exp(−iωt);
mit (k = ω/c) und
Φ(r) =
1 Z ρ(r0 ) exp(ik|r − r0 |) 3 0
d r,
4π0
|r − r0 |
(11.29)
(11.30)
µ0 Z j(r0 ) exp(ik|r − r0 |) 3 0
d r.
A(r) =
4π
|r − r0 |
(11.31)
(∆ + k 2 )Ψ(r) = −γ(r),
(11.32)
Die zugehörigen Differentialgleichungen ergeben sich aus (11.1), (11.2) und (11.28) zu:
wo Ψ für Φ, Ai und γ für ρ/0 , µ0 ji steht. Die Lösungen (11.30) und (11.31) können wir
dann mit der zu (11.32) gehörenden Green’schen Funktion
G(r, r0 ; k) =
als
Ψ(r) =
Z
exp(ik|r − r0 |)
4π|r − r0 |
γ(r0 ) G(r, r0 ; k) d3 r0
(11.33)
(11.34)
schreiben. Die Diskussion der Integrale (11.30), (11.31) werden wir später wieder aufgreifen.
11.5
Liénard-Wiechert Potentiale
Potentiale bewegte Punktladungen In vielen Anwendung ist es wichtig die retardierten Potential einer einzelnen Punktladung q zu kennen, welche sich auf der Bahn r0 (t)
bewegt. Die bewegte Punktladung wird durch
ρ(r, t) = q δ(r − r(t));
j(r, t) = q v(t) δ(r − r(t))
99
(11.35)
beschrieben. In (11.23) kann die r0 - Integration ausgeführt werden,
und analog
q Z
δ(t − t0 − |r − r0 |/c) 3 0 0
Φ(r, t) =
δ(r0 − r(t0 ))
d r dt
4π0
|r − r0 |
q Z δ(t − t0 − |r − r(t0 )|/c) 0
=
dt ,
4π0
|r − r(t0 )|
µ0 q Z v(t0 )δ(t − t0 − |r − r(t0 )|/c) 0
dt .
A(r, t) =
4π
|r − r(t0 )|
(11.36)
(11.37)
Rechnen mit δ-Funktionen Die Integrale (11.36), (11.37) haben die Form
Z
g(x) δ(f (x)) dx =
Z
Z
1
g(x) δ(f (x0 )(x − x0 )) dx =
g(x) δ(x − x0 ) dx ,
|f 0 (x0 )|
0
wobei wir f (x) um die Nullstelle x0 entwickelt haben, f (x0 ) = 0. Falls es mehr als eine
Nullstelle gibt, so ist eine Summe über alle Nullstellen durchzuführen. In unserem Falle
hat
f (t0 ) = (t0 − t) + |r − r(t0 )|/c
(11.38)
nur eine Nullstelle als Funktion von t0 , da das Teilchen sonst an verschiedenen Orten
gleichzeitig sein würde. Damit erhalten wir
Z
g(t00 )
;
|f 0 (t00 )|
g(t0 ) δ(f (t0 )) dt0 =
f (t00 ) = 0 .
(11.39)
Hierbei ist zu beachten, dass die Nullstelle t00 implizit eine Funktion der Zeit t ist.
(r,t)
observer
r(t’)
retarded
position
r(t)
actual
Nullstelle Um die Nullstelle t00 von f (t0 ) zu berechnen führen wir mit (11.38) die Entwicklung um t00 explizit durch:
"
#
1 ∂
f (t0 ) ≈ f (t00 ) + (t0 − t00 ) 1 +
|r − r(t0 )| ,
c ∂t0
wobei f (t00 ) = 0 ist. Mit den Abkürzungen
R(t0 ) = r − r(t0 );
v(t00 ) = ṙ(t00 ) =
100
∂
0 0 0
r(t
)
t =t0
∂t0
für den Abstand R lässt sich somit f (t0 ) für t0 in der Nähe von t00 als
f (t ) = (t −
0
0
t00 )
R(t00 ) · v(t00 )
1−
c |R(t00 )|
!
≡ (t0 − t00 ) κ(t00 )
(11.40)
schreiben, mit
κ(t00 ) = 1 −
R(t00 ) · v(t00 )
n·v
= 1−
;
0
c |R(t0 )|
c
n =
R
,
R
(11.41)
wobei die Nullstelle t0 von t abhängt.
Liénard-Wiechert Potentiale Also erhalten wir aus (11.36) und (11.37) die elektromagnetischen Potentiale bewegter Ladungen
Φ(r, t) =
1
q
1
q
=
0
0
0
4π0 R(t0 )κ(t0 )
4π0 R(t0 ) − R(t00 ) · v(t00 )/c
(11.42)
und analog
A(r, t) =
qµ0 v(t00 )
v(t00 )Φ(r, t)
0
=
µ
v(t
)Φ(r,
t)
≡
0
0
0
4π R(t00 )κ(t0i )
c2
(11.43)
.
Die Ausdrücke (11.42) und (11.43) nennt man Liénard-Wiechert Potentiale.
Relativistische Verkürzung Der „effektive Abstand“ zur Ladung ist durch die Projektion der Geschwindigkeit v des Teilchens
auf den momentanen Verbindungsvektor R
zum Beobachter relativistisch verkürzt,
1
R → R 1− n·v ;
c
n=
R
.
R
(r,t)
R
v(t’)
r(t’)
κ(t0 ) = 1 − n · v/c aus (11.41) ist also die
relative relativistische Verkürzung.
Statischer Grenzfall Der Grenzfall v → 0 für die Liénard-Wiechert Potentiale (11.42)
und (11.43) ergibt
q
A → 0;
Φ(r, t) →
,
(11.44)
4π0 R
das elektrische Potential einer unbewegten Punktladung.
101
11.6
Strahlung bewegter Punktladungen
Von Abstrahlung elektromagnetischer Wellen durch lokalisierte Ladungs- und StromVerteilungen sprechen wir, wenn der Energiefluss S durch die unendlich ferne Oberfläche
nicht verschwindet,
lim
R→∞
Z
S · dF 6= 0;
S =
E×B
.
µ0
(11.45)
Das bedeutet, dass die Felder E, B nicht stärker als R−1 abfallen dürfen, da die Oberfläche
wie R2 anwächst. Solche Felder nennt man Strahlungsfelder, im Gegensatz zu den
statischen Feldern, welche mit R−2 abfallen.
Fernfelder Wir sind nun an dem Verhalten der elektromagnetischen Felder bewegter
Ladungen im Limes großer Distanzen interessiert. Dort breitet sich die Stahlung frei aus
und werden ebenen Wellen immer ähnlicher, für welche nach (9.36)
B =
n̂ × E
c
gilt, wobei n̂ die Ausbreitungsrichtung ist. Daher betrachten wir bis auf weiteres nur das
elektrische Feld.
Integraldarstellung der Felder bewegter Punktladungen Wir wollen nun zeigen,
dass beschleunigte Punktladungen strahlen. Dazu müssen wir die zu den Liénard-Wiechert
Potentialen (11.42) und (11.43) gehörenden Felder über
B = ∇ × A;
E = −∇Φ −
∂A
∂t
(11.46)
berechnen, wobei wir für Φ, A die Form (11.36), (11.37) benutzen wollen. Mit den Abkürzungen
∇f (R) = n
∂f
;
∂R
R(t0 ) = r − r(t0 );
n =
R
(≡ êr )
R
erhält man
Z
−q
δ(t − t0 − |r − r(t0 )|/c) 0
∇r
dt
4π0
|r − r(t0 )|
(
!
!)
q Z 0 n(t0 )
R(t0 )
n(t0 ) 0 0
R(t0 )
0
=
dt
δ t −t+
−
δ t −t+
4π0
R2 (t0 )
c
cR(t0 )
c
−∇Φ(r, t) =
und
∂
−µ0 q ∂ Z ∞
v(t0 )
|r − r(t0 )|
0
− A(r, t) =
δ
t
−
t
−
∂t
4π ∂t −∞ |r − r(t0 )|
c
!
Z ∞
0
0
µ0 q
v(t ) 0 0
R(t )
=
dt0
δ t −t+
.
0
4π −∞
R(t )
c
102
!
dt0
Dabei bedeutet δ 0 (t0 −t+R(t0 )/c) die Ableitung nach ihrem Argument ξ = t0 −t+R(t0 )/c.
Mit µ0 0 = 1/c2 erhalten wir für das elektrische Feld
(
!
!)
R(t0 )
q Z 0 n(t0 )
R(t0 )
v(t0 )/c − n(t0 ) 0 0
0
E(r, t) =
dt
δ t −t+
+
δ t −t+
4π0
R2 (t0 )
c
cR(t0 )
c
!
Z
0
0
0
v(t )/c − n(t ) 0 0
R(t )
q
dt0
δ t −t+
,
(11.47)
≈
0
4π0
cR(t )
c
wobei der Term ∼ 1/R2 nicht zur Abstrahlung beiträgt.
Felder bewegter Punktladungen Zur Ausführung der t0 - Integration in den Integraldarstellungen (11.47) benutzen wir
!
d
1
R(t0 )
0
,
δ (ξ) =
δ
t
−
t
+
κ(t0 ) dt0
c
0
ξ = t0 − t + R(t0 )/c
(11.48)
mit κ(t0 ) = 1 − n · v/c aus (11.41). Somit wir der Ausdruck (11.47) für das elektrische
Feld im Fernfeld mit Hilfe einer partiellen Integration zu
v(t0 )/c − n(t0 )
κ(t0 )R(t0 )
−q d
E(r, t) ≈
4π0 dt0
!
(11.49)
im Fernfeld. Um die Differentiation nach t0 auszuführen bilden wir
dn
d r − r0 (t0 )
R
v
1
=
=
(n
·
v)
−
=
(n
·
v)n
−
v
.
dt0
dt0 |r − r0 (t0 )|
R2
R
R
(11.50)
Also können wir ṅ vernachlässigen, da es wie ∼ 1/R abfällt. Weiterhin haben wir
d
d
R·v
(κR) =
R−
0
0
dt
dt
c
=
v2
R
−n·v −
n·b
c
c
mit R = |r − r(t0 )| und der Beschleunigung b und
b =
dv
;
dt0
Ṙ =
1
R · (−v) = −n · v .
R
Somit finden wir den führenden Term
d
1
−1 −R n·b
≈
n
·
b
=
0
0
0
2
2
dt κ(t )R(t )
κR c
cκ2 R
(11.51)
im Fernfeld.
Entwicklung der Felder nach großen Entfernungen Setzen wir (11.50), (11.51) in
(11.49) ein und ordnen wir nach Potenzen von R−1 , so erhalten wir
q
E(r, t) =
4π0
1
v
n·b n−
2
3
cκR
c
103
− κb
+ O(R−2 ) .
ret
(11.52)
Die letzteren Terme sind im Hinblick auf die Ausstrahlungsbedingung (11.45) uninteressant. Dieser Ausdruck läßt sich mit Hilfe der Identität
v
v·n
v
× b = (n · b) n −
− b n2 −
n× n−
c
c
c
v
= (n · b) n −
− κb ,
(11.53)
c
umformen, wobei wir x × (y × z) = (x · z)y − (x · y)z benutzt haben.
Energiestromdichte Wie Eingangs erwähnt erhalten wir die magnetische Induktion
aus der Relation
n×E
B =
,
(11.54)
c
welche generell für den asymptotischen Bereich gilt. Wir finden dann für den PoyntingVektor
S =
E×B
E × (n × E)
1 2
n 2
=
=
nE − E(n · E) =
E ,
µ0
µ0 c
µ0 c
µ0 c
(11.55)
da n · E = 0 im Fernfeld. Mit (11.52) und (11.53):
q2n
S=
n×
16π 2 0 c3 κ6 R2
2
v
n−
×b
c
(11.56)
.
Hier haben wir 1/(20 µ0 ) = c2 /0 verwendet. Da |S| ∼ R−2 , ist die Ausstrahlungsbedingung
(11.45) erfüllbar.
Nur beschleunigte Ladungen strahlen Unser Ergebnis (11.56) besagt, dass nur
beschleunigte Punktladungen mit b 6= 0 strahlen.
Dass gradlinig, gleichförmig bewegte Punktladungen (b = 0) nicht strahlen, folgt ohne
jede Rechnung aus dem Relativitätsprinzip: Das Ruhe-System der Punktladung ist dann
ein Inertialsystem, in dem das elektrische Feld das Coulomb-Feld ist und das magnetische
Feld, per Definition, verschwindet, so dass S = 0 wird.
Anwendungen Unser Ergebnis (11.56) für die Strahlung beschleunigter Ladungen für
viele Phänomene und Anwendungen von Bedeutung.
• Bremsstrahlung
E1
Wenn ein geladenes Teilchen (z.B. Elektron)
in einem äußeren Feld abgebremst wird (z.B.
beim Aufprall auf ein Target), dann entsteht
Bremsstrahlung. Daraus resultiert das kontinuierliche Röntgenspektrum.
Mikroskopische entsteht der ‘Aufprall’ dadurch, dass das Teilche durch die Ladungen
abgelenkt wird.
104
-
e
v1
h·f=E 1-E 2
+
e
- E2
v2
• Synchrotron-Strahlung
Die Bewegung geladener Teilchen auf Kreisbahnen ist auch eine beschleunigte Bewegung. Die dabei entstehende Strahlung ist ein wesentliches Problem bei zyklischen
Teilchenbeschleunigern (Synchrotron); ein Teil der zugeführten Energie geht durch
Strahlung verloren. Wiederholt man das Verfahren periodisch erhält man einen Undulator.
• Strahlungsdämpfung
Im klassischen Atommodell bewegen sich die gebundenen Elektronen auf Kreis- bzw.
Ellipsenbahnen um den Atomkern. Dabei strahlen sie als beschleunigte Ladungen
kontinuierlich elektromagnetische Wellen ab. Der resultierende Energieverlust führt
zu instabilen Bahnen und schließlich zum Kollaps des Atoms im klassischen Modell.
Dieser Widerspruch zur experimentellen Beobachtung wird erst in der Quantentheorie bzw. Quantenelektrodynamik (QED) aufgelöst.
105
Kapitel 12
Multipolstrahlung
12.1
Langwellen-Näherung
Antennen emitieren Strahlung aufgrund zeitlich oszillierender Ströme. Wir sind nun daran
interessiert zu berechnen in welche Richtung abgestrahlt wird. Wir beschränken uns also
auf harmonisch oszillierende Strahlungsquellen.
Lorentz Eichung für oszillierende Quellen Für eine Quellen-Verteilung der Form
ρ = ρ(r) exp(−iωt);
j = j(r) exp(−iωt)
(12.1)
A = A(r) exp(−iωt)
(12.2)
hatten wir in Abschnitt 11.4
Φ = Φ(r) exp(−iωt);
gefunden, sowie (mit k = ω/c)
1 Z ρ(r0 ) exp(ik|r − r0 |) 3 0
dr ,
Φ(r) =
4π0
|r − r0 |
(12.3)
µ0 Z j(r0 ) exp(ik|r − r0 |) 3 0
A(r) =
dr .
4π
|r − r0 |
Bei der Diskussion von (12.3) können wir uns im Folgenden auf A(r) beschränken, da A
und Φ direkt über die Lorentz-Konvention
∇·A+
1 ∂Φ
= 0
c2 ∂t
(12.4)
zusammenhängen. Also, zusammen mit (12.2),
Φ(r) =
c2
∇ · A(r) .
iω
(12.5)
Alternativ können wir für die Felder auch die Beziehungen
B =
e×E
;
c
E = cB × e
106
(12.6)
benutzen, welche allg. für Strahlungsfelder in der Lorentz-Eichung gelten, wobei e die
Ausbreitungsrichtung ist.
Langwellen - Näherung Zur weiteren Behandlung von (12.3) machen wir die Langwellen - Näherung
2π
,
(12.7)
d0 λ =
k
wobei d0 den Radius einer Kugel angibt, welche die Ladungs- und Stromverteilung umfasst.
• Für die optische Strahlung von Atomen ist
d0 ≈ 1 Å = 10−10 m;
λ ≈ 5000 Å = 5 · 10−7 m
• Für die γ-Strahlung von Atomkernen:
d0 ≈ 10−15 m;
λ ≈ 10−13 m .
Bei der Diskussion von (12.3) sind nun die Längen d, λ und r wesentlich.
Nahzone: d0 < r λ In der Nahzone gilt
k|r − r0 | =
2π
|r − r0 | 1 ,
λ
(12.8)
und wir erhalten:
1 Z ρ(r0 ) 3 0
Φ(r) =
d r;
4π0 |r − r0 |
µ0 Z j(r0 ) 3 0
A(r) =
dr .
4π |r − r0 |
(12.9)
Der Ortsanteil der Potentiale zeigt nach (12.9) die gleiche Struktur wie in Elektro- und
Magnetostatik.
Angesichts der Zeitabhängigkeit (12.2) spricht man von quasistatischen Feldern,
für die E, B wie R−2 abfallen, so dass die Ausstrahlungsbedingung (11.45) nicht erfüllt
ist.
Das bedeutet nur, dass die Nahfelder nicht zur Abstrahlung beitragen, und nicht dass
es keine Abstrahlung gäbe, welche durch die Fernfelder zustande kommt.
Fernzone: d0 λ r Wegen
kr =
2πr
1
λ
(12.10)
können wir dann die Taylor-Reihe in (r0 /r)
|r − r | =
0
X
n
(−)n 0
r · r0
r · r0
(r · ∇)n r ≈ r −
= r 1− 2
n!
r
r
107
!
(12.11)
in (12.3) benutzen:
A(r) = A0 (r) + A1 (r) + · · ·
=
=
µ0
4π
Z
d3 r0 j(r0 )
r · r0
exp(ikr)
exp(−ikr · r0 /r) 1 − 2
|
{z
}
r
r
{z
|
r·r0
1−i r k
0
1 + r·r
r2
µ0 exp(ikr) Z 3 0
d r j(r0 ) 1 +
4π
r
|
mit k = ω/c und dem Richtungsvektor
!−1
1
− ik (e · r0 ) + · · ·
r
{z
}
o
n
ω
0
≈ 1 − i c (e · r )
}
r
.
r
e =
(12.12)
(12.13)
Multipole Zu beachten ist, daß für das Strahlungsfeld nur der Term ∼ O(r−1 ) für das
Vektorpotential relevant ist. Dieser Term hat viele Beiträge mit jeweils unterschiedlichen
Winkelabhängigkeiten, den sog. Multipolen. Wir analysieren nun die wichtigsten Multipole
und werden in Kapitel 13 dann die systematische Gruppierung der einzelnen Term in der
Form von Multipolen diskutieren.
12.2
Elektrische Dipol-Strahlung
Inversionssymmetrie Zum ersten Term in (12.12)
A0 (r) =
µ0 exp(ikr) Z 3 0 0
d r j(r )
4π
r
(12.14)
trägt nur die Komponente des Stromes bei, welche inversionssymmetrisch ist.
js (r0 ) =
mit
1 0
j(r ) + j(−r0 ) ;
2
ja (r0 ) =
js (r0 ) = js (−r0 );
1 0
j(r ) − j(−r0 ) ,
2
ja (r0 ) = −ja (−r0 ) .
(12.15)
Zum Integral in (12.14) trägt nur der inversionssymmetrische Anteil js der Stromverteilung
bei.
Elektrisches Dipolmoment Analog zu der Diskussion im Abschnitt 5.4 formen nun
(12.14) um. Allerdings gilt nun ∇ · j = −ρ̇ 6= 0, mit der Konsequenz, dass A0 (r) nicht
mehr verschwindet.
Z
V
ji d3 r0 =
=
Z
ZV
F
∇0 · (x0i j) d3 r0 −
x0i (j · df 0 ) −
Z
V
Z
V
x0i (∇0 · j) d3 r0
x0i (−ρ̇) d3 r0 = −iω
108
(12.16)
Z
V
x0i ρ(r0 ) d3 r0 ,
Da die Ladungs- und Stromverteilung räumlich begrenzt sind sowie unter Ausnutzung der
Kontinuitätsgleichung
∇ · j − iωρ = 0 .
(12.17)
Mit der Definition
d =
Z
V
r ρ(r) d3 r
für das elektrische Dipolmoment wird A0 (r) dann zu
A0 (r) = −iω
µ0 exp(ikr)
d
4π
r
(12.18)
,
der Strahlung welche durch einen oszillierenden elektrischen Dipol erzeugt wird.
Felder der elektrischen Dipolstrahlung Für die Felder folgt mit
∇×
d
−1
−1 r
= 2 ∇ × (rd) = 2 × d,
r
r
r r
e =
r
r
(da ijk ∂j rdk = ijk rj dk /r) und
∇ × exp(ikr) d = ik exp(ikr)
und somit
ω
r
× d = i exp(ikr) e × d ,
r
c
µ0 2 exp(ikr)
ω
(e × d) ,
4πc
r
beschränkt haben.
B0 (r) = ∇ × A0 =
wobei wir uns auf die Terme ∼ r−1
(12.19)
Energiestromdichte Das entsprechende elektrische Feld für die elektrische Dipolstrahlung (12.19) folgt aus (12.6),
E0 (r) = c (B0 × e) .
(12.20)
Damit können wir nun die Energiestromdichte S = E × B/µ0 für die elektrische Dipolstrahlung zu
S0 =
c
c
c
(B0 × e) × B0 =
e (B0 )2
e(B0 )2 − B0 (B0 · e) =
µ0
µ0
µ0
(12.21)
berechnen (vergl. (11.55)), wobei wir benutzt haben dass B0 · e = 0 im Strahlungsfeld ist.
Wir benutzen |e × d| = d sin θ, den Realteil von (12.19) und
finden mit (12.21)
d
S0 =
µ0
cos (kr − ωt)
ω 4 d2 sin2 θ
e,
2
16π c
r2
2
(12.22)
r
θ
wobei θ der von e und d eingeschlossene Winkel ist.
Für den zeitlichen Mittelwert folgt:
S0 =
2
µ0
4 2 sin θ
ω
d
e
16π 2 c
2r2
109
.
(12.23)
Der Dipol strahlt also nicht in Richtung von d (θ = 0), sondern maximal senkrecht zu d
(θ = 900 ). Die sin2 θ - Abhängigkeit ist charakteristisch für Dipolstrahlung.
Bemerkungen
• Charakteristisch für Strahlungsfelder ist ihre Eigenschaft, dass E, B und S ein
orthogonales Dreibein bilden (vgl. Abschnitt 9.3).
• Ein (mit der Frequenz ω) oszillierender Dipol ist nur durch beschleunigte Punktladungen realisierbar. (12.23) ist also konform mit der allgemeinen Aussage (11.56).
• Die Strahlung niedrigster Multipolarität ist Dipol-Strahlung (l=1), nicht MonopolStrahlung (l=0)! In der Quantentheorie wird gezeigt, wie die Multipolarität der
Strahlung und der Drehimpuls der Photonen zusammenhängen. Da Photonen einen
Eigendrehimpuls haben (Spin 1), gibt es keine drehimpuls-freie Strahlung, d.h.
Monopol-Strahlung. Der Spin der Photonen ist direkt mit der Tatsache verknüpft,
dass Strahlungsfelder Vektor-Felder sind.
12.3
Magnetische Dipol-Strahlung
Der 2. Term der Entwicklung (12.12) lautet
A1 (r) = −iω
µ0 exp(ikr) Z
j(r0 )(e · r0 ) d3 r0 ;
4πc
r
e =
r
.
r
(12.24)
In diesem Fall trägt nur der antisymmetrische Anteil ja (r0 ) = (j(r0 ) − j(−r0 ))/2 der
Stromverteilung, siehe (12.15), bei.
110
Magnetisches Dipolmoment vs. elektrisches Quadrupolmoment Das verbleibende Integral in (12.24) ist durch das magnetische Dipolmoment und den elektrischen
Quadrupoltensor bestimmt. Diese Namensgebung wird sich in Kapitel 13 klären, wenn
wir die systematische Entwicklung des Fernfeldes nach Kugelfunktionen diskutieren.
An dieser Stelle benutzen wir die Identität,
(e · r0 ) j =
o
1n
1 0
(r × j) × e +
(e · r0 ) j + (e · j) r0 ,
2
2
(12.25)
und stellen fest, daß sich die Integranden in (12.24) bei einer formellen Vertauschung
r0 ↔ j(r0 ) in einen antisymmetrischen und symmetrischen Anteil aufteilen.
Magnetischer Dipol Mit der Definition
1Z
(r × j) dV
m =
2 V
(4.39) des magnetischen Dipolmoments wird der antisymmetrische Anteil zu
(m)
A1 (r) = −iω
µ0 exp(ikr)
(m × e) .
4πc
r
(12.26)
Der magnetische Dipol-Anteil des Vektorpotentials geht formal in den elektrischen DipolAnteil (12.18) über, wenn man
1
(m × e)
c
→
d
(12.27)
ersetzt. Damit kann man aus (12.19) und (12.20) für die Feldstärken sofort ablesen,
(m)
B1 (r) =
und
µ0 2 exp(ikr) ω
e
×
(m
×
e)
4πc2
r
(m)
(m)
E1 (r) = c (B1
Wir beachten, dass analog zu (12.21)
(m)
S1
=
× e) .
(12.28)
(12.29)
c (m) 2
e B1
µ0
gilt, da as Magnetfeld B im Fernfeld weiterhin senkrecht zur Ausbreitungsrichtung r steht.
Abstrahlung und Vergleich Analog zu (12.23) findet man für die im Zeitmittel abgestrahlte Energie
2
µ0
(m)
4 2 sin θ
S1 =
ω
m
e,
(12.30)
16π 2 c3
2r2
wobei θ der Winkel zwischen m und e ist. Das kommt daher, dass e senkrecht zu m × e
steht und daher für (12.28)
|e × (m × e)|2 = |m × e|2 = m2 sin2 θ
ist.
111
• Der Vergleich von (12.30) und (12.23) zeigt, dass sich elektrische und magnetische
Dipol-Strahlung in ihrer Frequenz- und Winkelabhängigkeit nicht unterscheiden.
• Der einzige Unterschied zwischen elektrischer und magnetischer Dipol-Strahlung
liegt in der Polarisation:
– Für einen elektrischen Dipol liegt der Vektor des elektrischen Feldes
E || (e × d) × e = e2 d − (e · d) e
in der von e und d aufgespannten Ebene.
– Für einen magnetischen Dipol liegt der Vektor des elektrischen Feldes
E ||
e × (m × e) × e =
e2 m − (e · m) e × e = m × e
senkrecht zu der von e und m aufgespannten Ebene.
• nothing
Die elektrische Dipolstrahlung wird
durch oszillierende inversionssymmetrische Ströme hervorgerufen,
die magnetische Dipolstrahlung
typischerweise durch oszillierende
Kreisströme.
js
ja
Elektrische Quadrupol-Strahlung Der 2. Term in (12.25) hat die Form
(e)
A1 (r) = −iω
o
µ0 exp(ikr) Z n
j(e · r0 ) + r0 (e · j) d3 r0 .
4πc
2r
(12.31)
Ohne auf die Einzelheiten einzugehen bemerken wir, dass sich (12.31) wie folgt umschreiben läßt:
(e)
A1 (r)
µ0 2 exp(ikr) Z
= −
ω
(e · r0 ) r0 ρ(r0 ) d3 r0 .
4πc
2r
(12.32)
Dieses Integral hat die Form von Quadrupolmomenten, vgl. (1.26)), d.h. der Integrand ist
proportional zur Ladungsdichte und quadratisch in den Ortskoordinaten. Für die Systematik verweisen wir auf Kapitel 13.
112
Anwendung in der Atom- und Kernphysik Atome und Kerne können unter Emission bzw. Absorption von elektromagnetischer Strahlung ihren Zustand ändern. Die Multipolentwicklung ist die für diese Situation passende Beschreibung des elektromagnetischen
Feldes. In der Atomphysik dominiert in der Regel die elektrische Dipolstrahlung:
• Die Energieflüsse der elektrischen Dipolstrahlung S̄0 , siehe (12.23), und der magne(m)
tischen Dipolstrahlung S̄1 skalieren wie
S̄0 ∼ ω 4
d2
;
c
(m)
S̄1
∼ ω4
m2
.
c3
Da das magnetische Dipolmoment m durch bewegte Ladungen bewirkt wird, ist somit die Abstrahlung der magnetischen Dipolstrahlung um den Faktor (v/c)2 kleiner
als die Abstrahlung der elektrischen Dipolstrahlung.
(e)
• Berechnet man den Energiefluss S̄1 der elektrischen Quadrupolstrahlung so findet
man im Vergleich
ω 4 d2
ω 6 Q2
(e)
,
S̄0 ∼
;
S̄1 ∼
c
c3
wobei das elektrische Dipolmoment linear zu den atomaren Abmessungen d0 ist, das
elektrische Quadrupolmoment dagegen ∼ d20 . Somit ist
(e)
S̄1
S̄0
d0
ω 2 d20
∼
= k 2 d20 = (2π)2
2
c
λ
!2
1.
Die Verhältnisse sind in der Kernphysik komplizierter. Eine genaue Diskussion ist hier
nur im Rahmen der Quantentheorie möglich.
113
Kapitel 13
Systematik der Multipolentwicklung
13.1
Eigenschaften der Kugelfunktionen
Wir wollen ein vollständiges Funktionensystem in den Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ), mit
r = (r cos ϕ sin ϑ, r sin ϕ sin ϑ, r cos ϑ)
(13.1)
entwickeln. Dieses Funktionensystem, die Kugelfunktionen, ist für viele Problemstellungen
von essentieller Bedeutung, wie z.B. für
• die systematische Entwicklung des elektromagnetischen Fernfelds;
• die Wellenfunktionen des Wasserstoffatoms in der Quantenmechanik;
• die Formulierung von Streuprozessen in der Kern- und Teilchenphysik;
und vieles mehr.
Kugelflächenfunktionen Die Lösungen von Differentialoperatoren bilden i.Allg. ein
vollständiges Funktionensystem. Warum dieses so ist wird in der Quantenmechanik näher
besprochen werden.
Wir betrachten Ansätze ψ(r, θ, ϕ) der Form
ψ (l) ∼
1
rl+1
Ylm (ϑ, ϕ);
ψ(l+1) ∼ rl Ylm (ϑ, ϕ)
l = 0, 1 . . . ,
(13.2)
wobei sich die Ylm (ϑ, ϕ) als die Kugelflächenfunktionen herausstellen werden.
• Mit den ψ (l) lassen sich die Fernfelder beschreiben und entwickeln.
• Mit den ψ(l+1) lassen sich Funktionen, welche im Ursprung regulär sind, nach Kugelfunktionen entwickeln.
Die Lösungsansätze (13.2) sollen die Laplace-Gleichung ∆ψ = 0 erfüllen,
∆
1
rl+1
Ylm (ϑ, ϕ)
= 0;
∆ rl Ylm (ϑ, ϕ)
114
= 0.
(13.3)
Laplace-Operator Der Laplace-Operator hat in Kugelkoordinaten die Form
!
∂2
∂
∂
1
∂2
2 ∂
1
∆ =
sin
ϑ
+
,
+
+
2
r2 sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
r2 sin2 ϑ ∂ϕ2
|∂r {z r ∂r}
{z
|
= ∆r
= ∆ϑ,ϕ
(13.4)
}
wobei ∆r und ∆ϑ,ϕ den radialen und den Winkel-abhängigen Anteil des Laplace Operators
bezeichnen. Führt man die r-Differentiationen in (13.2) aus, siehe unten, so bleibt in
beiden Fällen
(
1 ∂
∂
sin ϑ
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
!
)
1 ∂2
+
+ l(l + 1) Ylm (ϑ, ϕ) = 0
sin2 ϑ ∂ϕ2
;
(13.5)
dieses ist der Grund für die Wahl der r-Abhängigkeiten in (13.2). Mit (13.4) kann man
(13.5) auch als
l(l + 1)
∆ϑ,ϕ Ylm (ϑ, ϕ) = −
Ylm (ϑ, ϕ) .
(13.6)
r2
schreiben1 .
Radialer Laplace-Operator Wie holen die radiale Differentiation nach:
∆r r =
l
"
#
h
i
2 ∂
∂2
l
+
r
=
l(l
−
1)
+
2l
rl−2 = l(l + 1) rl−2
∂r2 r ∂r
und
∆r r
−l−1
=
"
#
h
i
2 ∂
∂2
−l−1
+
r
=
(l
+
1)(l
+
2)
−
2(l
+
1)
r−l−3 = (l + 1)l r−l−3
2
∂r
r ∂r
Seperation des Azimutwinkels Mit dem Separationsansatz2
Ylm (ϑ, ϕ) = exp(imϕ) Flm (ϑ)
(13.7)
für die Kugelflächenfunktionen (sphärisch Harmonischen) Ylm (ϑ, ϕ) reduziert sich (13.5)
auf
(
!
)
1 ∂
∂
m2
sin ϑ
−
+ l(l + 1) Flm = 0 .
(13.8)
sin ϑ ∂ϑ
∂ϑ
sin2 ϑ
Der Index m in (13.7) muss ganzzahlig sein, da ϕ eine eineindeutige Funktion ist
ϕ(r, ϑ, ϕ) = ϕ(r, ϑ, ϕ + 2π)
→
1
m = 0, ±1, ±2, . . . .
(13.9)
In der Quantenmechanik wird sich ~2 l(l + 1) als Eigenwert von L2 herausstellen, wobei L = r × p
der Drehimpulsoperator ist.
2
~m entspricht in der Quantemechanik dem Drehimpuls für Rotationen um die z-Achse.
115
Die erlaubten Werte für m werden wir noch bestimmen.
Lösung via Rekursion Zur Lösung von Gleichung (13.8) führen wir
1 d
d
= −
sin ϑ dϑ
dξ
ξ = cos ϑ;
(13.10)
ein, so dass (13.8) in
(
d
d
(1 − ξ 2 )
dξ
dξ
übergeht.
!
)
m2
−
+ l(l + 1) Flm = 0 .
1 − ξ2
(13.11)
• Für l = m kann man die Lösung (bis auf einen Normierungsfaktor) sofort angeben,
Fll ∝ (1 − ξ 2 )l/2 = (sin ϑ)l
(13.12)
,
denn dann gilt
!
d
d
l d
(1 − ξ 2 )l/2 (−2ξ)
(1 − ξ 2 )
(1 − ξ 2 )l/2 =
dξ
dξ
2 dξ
(1 − ξ 2 )l/2 2
ξ
−
1
+
1
− l(1 − ξ 2 )l/2
1 − ξ2
"
#
l2
2
= (−l − l) +
(1 − ξ 2 )l/2
1 − ξ2
= l2
und (13.11) ist erfüllt.
• Die Lösungen (13.7) zu m 6= l erhält man dann rekursiv (bis auf einen Normierungsfaktor) aus
d
∂
+ i cot ϑ ∂ϕ
Ylm ≡ A− Ylm
Yl,m−1 = e−iϕ − dϑ
Fl,m−1 =
d
− dϑ
− m cot ϑ Flm
.
(13.13)
Der Beweis (durch Einsetzen von (13.13) in (13.8)) ist ebenso elementar wie langwierig. Alternativ kan man zeigen (ausrechnen), dass der Absteigeoperator A−
und der Drehimpulsoperator ∆ϑ,ϕ vertauschen (d.h. die Reihenfolge ist egal),
A− ∆ϑ,ϕ = ∆ϑ,ϕ A− ,
womit für die Lapace Gleichung in Kugelkoordinaten (13.6)
−l(l + 1)
A− Yl,m
r2
eine Lösung der Lapace Gleichung, aber mit
∆ϑ,ϕ Yl,m−1 = ∆ϑ,ϕ A− Yl,m = A− ∆ϑ,ϕ Yl,m =
folgt. Somit ist mit Yl,m auch A− Yl,m
einer Potenz von exp(imϕ) weniger.
Mit(13.13) sind die Flm Polynome in cos ϑ und sin ϑ der Ordnung l, da die Differentiation nach ϑ und Multiplikation mit cot ϑ die Ordnung von Fll nicht ändern.
116
• Man kann mit analogen Methoden zeigen, daß Flm für alle m-Werte mit |m| > l
verschwindet. Also folgt
.
−l ≤ m ≤ l
Einige Kugelfunktionen niedriger Ordnung Zur Illustration führen wir die ersten
Kugelfunktionen explizit auf,
Y00 =
√1
4π
Y11 = −
Y10 =
Y22 =
q
1
4
∗
(ϑ, ϕ).
mit Yl−m (ϑ, ϕ) = (−)m Ylm
3
4π
q
Y21 = −
Y20 =
q
3
8π
cos ϑ
15
q2π
q
5
4π
sin ϑ eiϕ
(13.14)
sin2 ϑ e2iϕ
15
8π
sin ϑ cos ϑ eiϕ
3
2
cos2 ϑ −
1
2
Skalarprodukt Eine wichtige Eigenschaft der Kugelfunktionen ist die Orthogonalität.
Um sie zu formulieren müssen wir ein Skalarprodukt definieren.
Wir betrachten zwei quadrat-integrable Funktionen fn (x) und fm (x) auf dem Intervall
[a, b]. Wir definieren dann durch
(fm , fn ) =
Z b
a
∗
fm
(x)fn (x) dx
117
(13.15)
das Skalarprodukt (fn , fm ). Als Norm von fn wird
(fn , fn ) =
Z b
a
|fn (x)|2 dx ≥ 0
(13.16)
wie üblich definiert. Das Skalarprodukt im Raum der quadrat-integrablen Funktionen hat
dieselben Eigenschaften wie das Skalarprodukt in Vektoräumen mit endlichen Dimensionen.
• Linearität
Das Skalarprodukt ist linear im zweiten Argument und anti-linear im ersten Argument,
(f1 + λf2 , g) = (f1 , g) + λ∗ (f2 , g);
(f, g1 + λg2 ) = (f, g1 ) + λ(f, g2 ) .
• Orthogonalität
Man nennt 2 Funktionen f (x) und g(x) orthogonal wenn
(f, y) = 0 .
(13.17)
Hilberträume Ein Funktionenraum mit einem Skalarprodukt nennt man auch einen
Hilbertraum. Mehr hierzu in der Quantenmechanik.
• Abgeschlossenheit
Ein Hilbertraum ist abgeschlossen. Wenn zwei Funktionen f (x) und g(x) Elemente
des Hilbertraumes sind, dann auch jede Linearkombination
λ1 f (x) + λ2 g(x) .
• Null-Element
Die Norm einer Funktion f (x)
(f, f ) = 0
f (x) ≡ 0
⇔
verschwindet dann und nur dann wenn die Funktion selber verschwindet. Jeder
Hilbertraum hat ein Null-Element.
• Orthonormalsystem
Eine Menge von Funktionen fn (x) bilden ein vollständiges Orthonormalsystem wenn
(fn , fm ) = δnm
gilt und wenn jede Funktion f (x) als Linearkombination
f (x) =
X
cn fn (x)
(13.18)
n
der Basisfunktionen fn (x) dargestellt werden kann. Dabei nennt man die cn die
Entwicklungskoeffizienten. Diese sind durch
(fm , f ) =
X
cn (fm , fn ) =
n
bestimmt.
X
n
118
cn δmn = cm
(13.19)
Orthogonalität der Kugelfunktionen Die Kugelfunktionen sind auf der Einheitskugel
orthonormiert,
(Ylm , Yl0 m0 ) ≡
Wegen
Z 2π
0
Z 2π
0
dϕ
Z π
0
∗
(θ, ϕ)Yl0 m0 (θ, ϕ) = δll0 δmm0 .
sin ϑ dϑ Ylm
dϕ exp(i(m − m0 )ϕ) =
(
2π
0
für m = m0
für m =
6 m0
(13.20)
(13.21)
ist die Orthogonalität bzgl. m sofort klar. Die normierten Funktionen auf dem Einheitskreis sind enstprechend
1
√ exp(imϕ) .
(13.22)
2π
Unter Zuhilfenahme der Bestimmungsgleichung (13.11) für die Flm (ϑ) kann man leicht
deren Orthogonalität bzg. θ nachweisen. Wir verzichten hier auf den expliziten Nachweis. Damit sind dann die Kugelfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) = exp(imϕ) Flm (ϑ), siehe (13.7)
vollständig normiert.
Entwicklung nach Kugelfunktionen Die Kugelfunktionen sind auf der Einheitskugel
vollständig, d.h. jede Funktion
f (~r, r = 1) = f (r = 1, ϑ, ϕ) = g(ϑ, ϕ) .
(13.23)
lässt sich nach Kugelfunktionen entwickeln. Analog zu (13.18) und (13.19) gilt daher die
Darstellung
g(ϑ, ϕ) =
∞ X
l
X
alm Ylm (ϑ, ϕ) ,
(13.24)
l=0 m=−l
mit den Entwicklungskoeffizienten alm
alm =
Z
∗
dΩ Ylm
(ϑ, ϕ) g(ϑ, ϕ) ≡ (Ylm , g) .
(13.25)
In (13.24) haben wir verwendent, daß l = 0, 1, . . . ist, siehe (13.2).
Allgemeine Lösung der Laplace-Gleichung Die allgemeine Lösung der LaplaceGleichung
∆ψ(r, ϑ, ϕ) = 0
(13.26)
können wir daher in sphärischen Koordinaten durch eine Reihenentwicklung in Kugelfunktionen darstellen
ψ(r, ϑ, ϕ) =
∞ X
l
h
X
i
alm rl + blm r−l−1 Ylm (ϑ, ϕ) .
l=0 m=−l
119
(13.27)
13.2
Legendre Polynome
Die Legendre Polynome bilden ein wichtiges Basissystem auf dem Intervall x ∈ [−1, 1].
Es gibt viele Darstellungsmöglichkeiten für die Legendre Polynome, hier interessieren wir
uns für den Zusammenhang mit den Kugelfunktionen. Dafür betrachten wir die Variabeltransformation
x = cos θ;
dx = − sin θ dθ ,
mit θ ∈ [0, π].
Z 1
−1
. . . dx =
Z π
0
. . . sin θ dθ ,
Legendre- und Kugelfunktionen Wir betrachten nun Funktionen g(ϑ, ϕ) auf der
Einheitssphäre, welche nicht vom Azimutwinkel ϕ abhängen,
g(ϑ, ϕ) ≡ g(ϑ) .
Dieses ist für die Kugelflächenfunktionen Ylm für m = 0 der Fall. Wir definieren mit
Yl0 (ϑ, ϕ) =
s
2l + 1
Pl (cos ϑ) .
4π
(13.28)
die Legendre Polynome Pl (cos ϑ). Diese sind nicht auf eins normiert, es gilt
Z π
0
sin θ dθPl (cos ϑ)Pl0 (cos ϑ) =
2
δll0 ,
2l + 1
(13.29)
was sofort aus der Orthonormalität (Ylm , Yl0 m0 ) = δll0 δmm0 der Kugelfunktionen folgt. Eine
allgemeine Funktion g(ϑ) läßt sich daher in Legendre Polynome entwickeln,
g(ϑ) =
∞
X
l=0
mit den Entwicklungskoeffizienten
al0 =
s
s
2l + 1
al0 Pl (cos θ)
4π
2l + 1 Z
dΩ Pl (cos ϑ) g(ϑ, ϕ) .
4π
Einige Legendre-Polynome niedriger
Ordnung Mit x = cos θ haben die ersten
Legendre-Polynome die folgende Gestalt:
P3 (x) =
(13.32)
5x3 − 3x /2
(13.31)
1
P0(x)
P1(x0
P2(x)
P3(x)
0.5
Pn(x)
P0 (x) = 1
Pl (x) = x
P2 (x) = 3x2 − 1 /2
(13.30)
0
-0.5
-1
-1
-0.5
0
x
0.5
1
Diese Polynome kann man sich in niedrigster Ordnung schnell selber rekursiv ausrechen. Man geht von P0 (x) = 1 aus und verwendet die Orthonormierung (13.29) um P1 (x)
zu bestimmen, usw.
120
Entwicklung von 1/r nach Legendre Polynomen Wir betrachten nun die Entwicklung von
1
1
r0
q
=
;
1,
(13.33)
|r − r0 |
r
r2 + (r0 )2 − 2 r · r0
nach Potenzen von r0 /r, welche die Grundlage für die Multipolentwicklung darstellt. Wir
verwenden Kugelkoordinaten
x = r sin ϑ cos ϕ
x = r0 sin ϑ0 cos ϕ0
y = r sin ϑ sin ϕ
y 0 = r0 sin ϑ0 sin ϕ0
z = r cos ϑ
z 0 = r0 cos ϑ0
(13.34)
und legen den Beobachtungspunkt r auf die z-Achse,
r = (0, 0, r);
r · r0 = rr0 cos θ0 .
Damit wird (13.33) zu
1
1
= (1 + )−1/2 ;
0
|r − r |
r
r0
=
r
r0
− 2 cos θ0
r
!
(13.35)
.
Wir betrachten nun die Terme niedrigster Ordnung,
1
3
5
1
1
=
1 − + 2 − 3 + . . .
0
|r − r |
r
2
8
16

1
1 r0
=
1−
r
2r
5
−
16
r0
r
r0
− 2 cos θ0
r
!3
!
3
+
8
r0
r
!3

r0
− 2 cos θ0
r
und ordnen nach Potenzen von r0 /r:

1
1
r0
=
1
+
cos θ0 +
|r − r0 |
r
r
+

r0
r
!3
r0
r
!2
!2
3 cos2 θ0 − 1
2
(13.36)

1
r0
P0 (cos θ0 ) + P1 (cos θ0 ) +
≡
r
r
r0
r
wie ein Vergleich mit (13.32) zeigt. Damit finden wir mit
121
!2
...
5 cos3 θ0 − 3 cos θ0
+ ...
2
∞
1
r0
1X
=
|r − r0 |
r n=0 r
r0
− 2 cos θ0
r
!n
!2

P2 (cos θ0 ) + . . .  ,
Pn (cos γ)
(13.37)
die Entwicklung des Coulomb-Potentials nach Legendre Polynomen Pn (x), wobei nun allg.
γ der Winkel zwischen r und r0 ist, also
cos(γ) =
siehe (13.34).
r · r0
= cos θ cos θ0 + sin θ sin θ0 (cos ϕ cos ϕ0 + sin ϕ sin ϕ0 )
r r0
= cos θ cos θ0 + sin θ sin θ0 cos(ϕ − ϕ0 ) ,
(13.38)
Additionstheorem Aus (13.38) folgt, dass man die Legendre Polynome Pl (cos γ) nach
Kugelfunktionen in (θ, ϕ) und (θ0 , ϕ0 ) entwickeln kann. Das wichige Additionstheorem
Pl (cos γ) =
l
4π X
Y ∗ (θ0 , ϕ0 )Ylm (θ, ϕ)
2l + 1 m=−l lm
(13.39)
wollen wir an dieser Stelle nicht beweisen. Wir merken nur an, dass der Beweis darüber
erfolgt, dass man Pl (cos γ) zunächst als Funktion von (θ, ϕ) ansieht und in Ylm (θ, ϕ)
entwickelt und dann zeigt, dass die Koeffizienten dieser Entwicklung proportional zu den
∗
Ylm
(θ0 , ϕ0 ) sind.
13.3
Multipolentwicklung statischer Felder
Wir können nun unsere Kenntnisse der Kugelfunktionen und der Entwicklung (13.37)
benutzen um in einem ersten Schritt die Entwicklung elektrostatischer Felder, wie wir sie
schon in Abschnitt 1.4 in niedrigster Ordnung betrachtet haben, zu systematisieren.
Entwicklung des elektrischen Potentials Für eine lokalisierte Ladungsverteilung
ρ(r) können wir das Potential
1 Z ρ(r0 ) 3 0
dr
Φ(r) =
4π0 |r − r0 |
(13.40)
mit Hilfe der Multipolentwicklung (13.37) des Coulomb Potentials und des Additionstheorems (13.39) nach Legendre Polynomen entwickeln,
!l
∞
1 Z 3 0 0 1X
r0
Φ(r) =
d r ρ(r )
Pl (cos γ))
4π0
r l=0 r
!l
∞
l
1 Z 3 0 0 1X
r0
4π X
=
d r ρ(r )
Y ∗ (θ0 , ϕ0 )Ylm (θ, ϕ)
4π0
r l=0 r 2l + 1 m=−l lm
≡
∞
l
X
1 X
1
1
qlm Ylm (ϑ, ϕ) ,
0 l=0 rl+1 2l + 1 m=−l
(13.41)
mit den Entwicklungskoeffizienten
qlm =
Z
∗
d3 r0 ρ(r0 ) (r0 ) Ylm
(ϑ0 , ϕ0 ) .
l
122
(13.42)
Die Entwicklung (13.41) ist mit (13.42) die Multipolentwicklung des elektrostatischen
Potentials einer lokalisierten Ladungsverteilung.
• Der Index l ≥ 0 klassifiziert das asymptotische Verhalten der einzelnen Terme in
der Taylor-Reihe für große Abstände r.
• Der Index m numeriert die Komponenten der Multipolmomente zu festem l. Zu
jedem l treten 2(l + 1) Werte −l, −l + 1, ...., l − 1, l von m auf.
• Es gilt
∗
Yl−m (ϑ, ϕ) = (−)m Ylm
(ϑ, ϕ) .
(13.43)
Die in (13.41) auftretende Kombination
∗
∗
Ylm (ϑ, ϕ) Ylm
(ϑ0 , ϕ0 ) + Yl−m (ϑ, ϕ) Yl−m
(ϑ0 , ϕ0 )
ist somit reell und bzgl. (ϑ, ϕ) und (ϑ0 , ϕ0 ) symmetrisch.
Entwicklungskoeffizienten Die niedrigsten Entwicklungskoeffizienten qlm für die Multipolentsicklung des Potentials lauten, siehe (13.42) und (13.14),
l=0 :
q00 =
mit
Q =
als der Gesamtladung.
Z
s
1
Q
4π
ρ(r0 ) d3 r0
(13.44)
l=1 :
q11
s
s
3 Z 3 0
3
0
0
0
= −
d r ρ(r )(x + iy ) = −
(dx + idy );
8π
8π
s
s
3 Z 3 0
3
q10 =
d r ρ(r0 )z 0 =
dz ,
4π
4π
wobei dx , dy , dz die Komponenten des Dipolmoments d sind.
l=2 :
q22 =
q21
s
s
15 Z 3 0
1
15
d r ρ(r0 )(x0 − iy 0 )2 =
(Q11 − Q22 − 2iQ12 ) ;
32π
3 32π
s
s
15 Z 3 0
−1 15
0 0 0
0
= −
d r ρ(r )z (x − iy ) =
(Q13 − iQ23 ) ;
8π
3 8π
q20
3
=
2
s
s
r02
1 5
5 Z 3 0
0
02
d r ρ(r )(z − ) =
Q33 ,
4π
3
2 4π
123
mit den Komponenten des Quadrupoltensors Qij , i, j = 1, 2, 3.
Ein Vergleich mit Kapitel 1.4 zeigt, dass wir mit diesen Ergebnissen die Multipolentwicklung des elektrostatischen Potentials damit auf systematische Weise reproduziert
haben.
13.4
Multipolentwicklung des Strahlungsfeldes
Wir betrachten zeitlich periodische Felder A(r, t) = exp(iωt)A(r) und die Wellengleichung
im quellenfreien Raum,
∆A(r, t) −
1 ∂2
A(r, t) = 0;
c2 ∂t2
∆A(r) + k 2 A(r) = 0 ,
(13.45)
mit der Dispersionsrelation des Lichtes ω = ck. In Abschnitt 9.2 haben wir mit den ebenen
Wellen ein vollständiges Funktionensystem beschrieben, welches (13.45) löst.
Kugelwellen im freien Raum Außer den ebenen Wellen besitzt die Wellengleichung
(13.45) auch Kugelwellen als Lösungen. Wir machen den Ansatz
A(r) = alm
gl (r)
Ylm (ϑ, ϕ) ,
r
(13.46)
wobei alm ein Koeffizienten-Vektor ist und die radialen Funktionen gl (r) noch zu bestimmen sind. Mit (13.4) und (13.6)
∆ = ∆r + ∆ϑ,ϕ ;
∆ϑ,ϕ Ylm (ϑ, ϕ) = −
l(l + 1)
Ylm (ϑ, ϕ)
r2
geht (13.45) mit (13.46) in
−k 2
gl (r)
gl (r)
Ylm (ϑ, ϕ) = (∆r + ∆ϑ,ϕ )
Ylm (ϑ, ϕ)
r
r
!
gl (r)
gl (r)
Ylm (ϑ, ϕ) +
∆ϑ,ϕ Ylm (ϑ, ϕ)
= ∆r
r
r
!
gl (r)
gl (r) l(l + 1)
= ∆r
Ylm (ϑ, ϕ) −
Ylm (ϑ, ϕ)
r
r
r2
über. Der erste Term auf der rechten Seite formen wir zu
!
d2
2 d gl
+
2
dr
r dr r
!
2
d gl0
gl
=
− 2 +
dr r
r
r
gl
∆r
=
r
gl0
gl
− 2
r
r
!
=
1 00
g
r l
um. Damit finden wir mit
(
)
d2
l(l + 1)
2
+
k
−
gl (r) = 0
dr2
r2
124
(13.47)
die Laplace Gleichung für den Radialanteil einer Kugelwelle.
Othonormale Funktionensysteme Für l = 0 sind die Lösungen g0 (r) von (13.47)
sofort ersichtlich,
g0 (r) ∝ sin(kr);
g0 (r) ∝ cos(kr);
g0 (r) ∝ exp(±ikr) .
(13.48)
Aus diesen drei Ansätzen kann man rekursiv die gl (r) konstruieren und so drei Funktionensysteme gewinnen. Dafür verwendet man meist die dimensionslose Variable ρ = kr.
g0 (ρ)
(−)l gl (ρ)/ρ
Symbol
sin ρ
sphärische Bessel-Funktionen
jl (ρ)
− cos ρ
sphärische Neumann-Funktionen
nl (ρ)
sphärische Hankel-Funktionen
h±
l (ρ)
exp(±iρ)
Die sphärischen Bessel- und Neumann-Fuktionen sind Lösungen von (13.45) bei endlichen
Volumina und entsprechenden Randbedingungen.
Allgemeine Lösung Die allgemeine Lösung der Wellengleichung (13.45) für Kugelwellen
im freien Raum kann nun als
A(r) =
o
Xn
−
alm h+
l (ρ) + blm hl (ρ)
l,m
Ylm (ϑ, ϕ)
(13.49)
geschrieben werden. Für Abstrahlungsprobleme ist blm = 0, da h−
l eine einlaufende Kugelwelle beschreibt. Die Koeffizienten alm der auslaufenden Kugelwelle h+
l werden bestimmt
aus den Multipolmomenten durch Vergleich von (13.49) und (12.12) für ρ = kr 1.
Entwicklung einer ebenen Welle nach Kugelfunktionen Die Funktionen
h±
l (ρ)Ylm (ϑ, ϕ)
bilden wie die ebenen Wellen exp(ik · r) eine vollständige Basis. Welche Basis man wählt,
hängt von der Problemstellung ab.
Da beide Funktionensysteme vollständig sind, lassen sich ebene Wellen nach Kugelfunktionen entwickeln. Der Einfachheit halber wählen wir k = (0, 0, k), dann tritt in
exp(ik · r) = exp(ikz) = exp(ikr cos ϑ)
(13.50)
der Winkel ϕ nicht mehr auf und die Entwicklung hat die Form
exp(ikz) =
X
al jl (kr) Yl0 (ϑ)
l
125
,
(13.51)
wobei die jl die sphärischen Bessel-Funktionen sind. Die Koeffizienten lauten
al = i (2l + 1)
l
s
4π
.
2l + 1
Die Beziehung (13.51) ist von zentraler Bedeutung für die Formulierung von Streuexperimenten in der Atom-, der Kern- und der Teilchenphysik. Eine ebene Welle (Licht,
Elektron, Teilchen) streut an einer lokalisierten Ladungs-/Masseverteilung, welche durch
ihre Multipolmomente beschrieben wird.
126
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