Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre A2: Funktionen, Wachstumsraten und Elastizitäten 1 Überblick Die quantitative Beschreibung und Analyse ökonomischer Größen (Preise, Einkommen, Steuern, Sozialprodukt usw.) kann die isolierte Betrachtung einer einzelnen Variablen (U) oder auch die Kombination mehrerer Variablen (U und W) beinhalten. In beiden Fällen kann sich der Blick auf verschiedene „Ebenen“ richten, und zwar auf den absoluten Wert, auf die absoluten und auf die relativen (prozentualen) Veränderungen. Eine Variable U Betrachtungsebene absolute Werte: U absolute Veränderungen: Veränderungsraten: Zwei Variable U und W W U Verhältniszahlen dU (oder U) dW ( W) dW dU Ableitung Grenzbetrachtung Marginalanalyse %U %W %U Elastizitäten Die isolierte Betrachtung einer einzigen Variablen braucht an dieser Stelle nicht gesondert behandelt zu werden. Von größerem Interesse in den Wirtschaftswissenschaften ist die Verbindung mehrerer ökonomischer Größen. An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n 1. Gliederungszahl (Anteilswert): W ist eine Teilmenge von U Lohnquote (Anteil der Löhne am Volkseinkommen) Konsumquote (Anteil der Konsumausgaben am verfügbaren Einkommen) Sparquote (Anteil der Ersparnis am verfügbaren Einkommen) Anteil der Männer an der Gesamtbevölkerung Eigenkapitalquote (Anteil am Gesamtkapital) Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten 2. Meßzahl: W und U sind zwei gleichartige Teilmengen einer Gesamtmenge Eigenkapital : Fremdkapital Investitionsausgaben : Personalausgaben 3. Beziehungszahl: W und U sind zwei verschiedenartige Mengen Arbeitsproduktivität = Produktionsergebnis : Arbeitsstunden Stückkosten = Kosten : Produktionsmenge Pro-Kopf-Einkommen Wohndichte = Bevölkerung : Fläche 3 Funktionen Bislang waren W und U zwei beliebige ökonomische Größen. Im nächsten Schritt können wir W als eine Wirkungsgröße (abhängige Variable) interpretieren, die von einer Ursachengröße U (unabhängige Variable) abhängig ist. Ursache-WirkungsVerhältnisse werden durch eine Funktion beschrieben. Beispiele für isolierte Betrachtung einer Variablen: 1. absoluter Wert:................. Die Kosten betragen ................... K = ...15.800 € absolute Veränderung:..... Die Kosten sind gestiegen um .... dK = .....5.800 € relative Veränderung:....... Die Kosten sind gestiegen um .... %K = ......... 58% 2. Die Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinde Regenwald beliefen sich im vergangenen Jahr auf T = 17,5 Mio. €. Dies war gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um dT = 0,7 Mio. € bzw. um %T = 4%. 2 Verhältniszahlen Die Kombination von zwei Größen (W und U) durch Bildung eines Quotienten liefert Verhältniszahlen (Kennzahlen). Hier unterscheidet man Gliederungszahlen, Meßzahlen und Beziehungszahlen. Verhältnis zahl (Kennzahl) = W ist abhängig von U = W ist eine Funktion von U: W = f(U) Funktionen sind ganz allgemein ein Instrument zur Erfassung und Darstellung von Zusammenhängen (Ursache-Wirkungs-Beziehungen). Sie dienen zur Formulierung von Hypothesen, ihrer empirischen Überprüfung und zur Prognose. Beispiele Nachfragefunktion: Produktionsfunktion: Kostenfunktion: Erlösfunktion: xNE x K E = f(p,y,B) = f(r) = f(x) = f(x) vereinfacht: x = f(p) Von besonderem Interesse in der Wirtschaft sind Verhaltensfunktionen. Sie beschreiben Beziehungen, die vom menschlichen Handeln geprägt sind. (Daneben gibt es noch technische Funktionen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird). W U ___________________________________________________________________ 1a ___________________________________________________________________ 1b Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n 4 Marginalanalyse Beispiele: C = f(Y,V) ist eine Verhaltensfunktion für das Konsumverhalten von Haushalten. Sie besagt (Hypothese): Die Höhe der Konsumausgaben (C) ist abhängig von der Höhe des Einkommens (Y) und vom Vermögen. („C ist eine Funktion von Y und V“). I = f(i,G) ist eine Verhaltensfunktion für das Investitionsverhalten von Unternehmen. Hypothese: Die Investitionssumme (I) ist von den Zinsen (i) und den Gewinnen (G) abhängig. („I ist eine Funktion von i und G“). Um zu empirisch gehaltvollen (überprüfbaren) Aussagen zu gelangen, wird man diese allgemeinen Funktionen weiter präzisieren, indem man zusätzliche Annahmen trifft über ihre Form (lineare, exponentielle Form usw.), die zeitlichen Bezugsgrößen, ihre Parameter usw. Funktionen stellen im Allgemeinen zunächst einmal zwischen den absoluten Werten eine Verbindung her. Der Zusammenhang zwischen den absoluten Veränderungen von Ursache und Wirkung wird durch die 1. Ableitung wiedergegeben. In den Wirtschaftswissenschaften heißt dies auch „Grenzbetrachtung“ oder „Marginalanalyse“. Begriffsbeispiele: Grenzkosten, Grenzerlös, Grenzgewinn, Grenzsteuersatz, Grenznutzen, Grenzertrag, marginale Sparquote, marginale, marginaler Kapitalkoeffizient W' = 1. Ableitung (" Grenz....) dW oder dU dW = W’ · dU Beispiele: 1. Verhaltensfunktion für Anton: C = 500 + 0,7Y Anton gibt unabhängig von seinem Monatseinkommen einen Betrag von 500 € und zusätzlich 70% seines Einkommens (Y) für Konsumzwecke (C) pro Monat aus. Bei einem Einkommen von 3.000 € wird er beispielsweise 2.600 € ausgeben (Prognose). 2. Verhaltensfunktion für Unternehmen „Schuhladen“: W = 0,2E und I = 1.000 + 0,1G Der Schuhladen wird 20% der Erlöse (E) für Werbezwecke (W) ausgeben und für Investitionen (I) 1.000 € plus 10% der Gewinne (G) verwenden. Die bisher behandelten Funktionen sind „statische Funktionen“. Dies bedeutet, daß sämtliche Werte auf den selben Zeitraum bezogen sind. Bei unterschiedlichen Zeiträumen spricht man von einer „dynamische Funktion“. Beispiele: 1. Statische Konsumfunktion: Die Höhe der Konsumausgaben in einer Periode hängen vom Einkommen in dieser Periode ab. Ct = 500 + 0,7Yt 2. Dynamische Konsumfunktion: Die Höhe der Konsumausgaben in einer Periode hängen vom Einkommen der Vorperiode, dem Einkommen in dieser Periode und vom (erwarteten) Einkommen der nachfolgenden Periode ab. Ct = f(Yt–1, Yt, Yt+1) 3. Dynamische Investitionsfunktion: Die Investitionssumme (I) hängt ab vom Gewinn der Vorperiode, von den Gewinnerwartungen und vom aktuellen Zinssatz (i) Wenn sich die Ursachengröße um den absoluten Wert dU verändert, dann wird sich die Wirkungsgröße um das W'-fache verändern. Beispiel (Grenzkosten): Bei der Produktion von Regenschirmen fallen von der Herstellmenge unabhängige Kosten in Höhe von 10.000 € an (fixe Kosten). Hinzu kommen pro Regenschirm Kosten in Höhe von 20 € (variable Stückkosten). Kostenfunktion: Grenzkosten (1. Ableitung): Ursache-Wirkung: K = 10.000 + 20·x K' = dK:dx = 20 oder: dK = K'·dx = 20·dx Wenn dx = 4 dann dK = 80 Wird als Ursache die Produktionsmenge um vier Regenschirme erhöht (dx = 4), so werden als Wirkung davon die Kosten um 80 € (dK = 80) steigen. 5 Wachstumsraten Die relative (prozentuale) Veränderungsrate einer Größe ist die absolute Veränderung ( x oder dx) bezogen auf den Ausgangswert (x0 oder nur x). Sie wird üblicherweise in % ausgedrückt. (Unser Symbol: „%x“ bedeutet „prozentuale Veränderungsrate von x“.) Veränderungsrate (Wachstumsrate): %x = x dx x1 − x0 = = x0 x0 x Wir bezeichnen eine prozentuale Veränderung oft als „Wachstumsrate“. Eine solche Wachstumsrate kann auch negativ sein (Abnahme). It = f(Gt–1, Gt+t, it) ___________________________________________________________________ 2a ___________________________________________________________________ 2b Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre Prozentrechnung scheint eine der schwierigsten Rechenarten zu sein. Deshalb hier ganz kurz eine kleine Wiederholung: 1. Sie bezahlen (R) zusätzlich zum Preis von 500 € noch 5% Bearbeitungsgebühr: R = 500 (1 + 5%) = 500 (1 + 0,05) = 500 · 1,05 = 525 2. Sie bezahlen (Z) den Rechnungsbetrag von 525 abzüglich 4% Skonto. Z = 525 (1 – 4%) = 475 (1 – 0,04) = 475 · 0,96 = 504 3. Im Verkaufspreis von 464 € ist die Umsatzsteuer von 16% enthalten. Wie hoch ist der Preis (p) ohne Umsatzsteuer? p = 464 : (1 + 16%) = 464 : (1 + 0,16) = 464 : 1,16 = 400 4. Von ihrem Bruttoeinkommen (B) müssen Sie einen bestimmten Prozentsatz (t) als Steuern abführen. Ihr Nettoeinkommen (N) ist um diesen Steuerbetrag kleiner. Jetzt steigt ihr Bruttoeinkommen um 10%. Bei gleichem Steuersatz – das nehmen wir etwas realitätsfremd einmal an – müssen Sie auch 10% mehr Steuern bezahlen. Wie viel behalten Sie netto mehr übrig? Nichts? Falsch, natürlich haben sie netto 10% mehr! Es gilt N0 = t · B0 und N1 = t · B1, wobei t konstant ist (Annahme) wenn B1 = 1,1 · B0 (10% mehr) dann ist auch N1= 1,1 · N0 (10% mehr) 5. Der Umsatz im Februar (F) ist gegenüber dem Januarumsatz (J) um 20% gestiegen, dann im März (M) im Vergleich zum Februar um ebenfalls 20% gesunken. Ist der Umsatz im März also wieder gleich dem Januarumsatz? Nein, er ist niedriger, und zwar um 4%. F = J (1 + 20%) und M = F (1 – 20%) also M = J (1+ 0,2)(1– 0,2) = J ·0,96 = J (1 – 4%) Bei vielen Kennziffern, Begriffen und Definitionen haben wir es mit drei (und mehr) Größen zu tun. Beispiele Arbeitsvolumen = Erwerbstätige · Arbeitszeit ........................H = ET·h Arbeitslosenquote = Arbeitslose :Erwerbspersonen ..............ALQ = AL : EP Stückkosten = Kosten : Menge ..............................................k = K:x Hier gilt: Sind drei beliebige Größen (A, B, C) multiplikativ miteinander verknüpft sind, so sind die Veränderungsraten additiv miteinander verknüpft. Kurz An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n Dies ist eine Näherungslösung für „kleine“ Veränderungen, denn die richtige Veränderungsrate ist %A = %B + %C + %A · %C Was „klein“ ist, kann natürlich nicht generell festgelegt werden. Auch 6 Promille können manchmal „viel“ sein. In den Wirtschaftswissenschaften ist die Näherungslösung meistens ausreichend. Einerseits sind die empirischen Ausgangsdaten selbst oft mit Fehlern und anderen Ungenauigkeiten behaftet, und außerdem handelt es sich um gerundete Werte. Beispiele: 1. Erlös: E=p·x Näherungslösung: %E = %p + %x + %p · %x %E = %p + %x Als Folge einer Preisanhebung um 3% sinkt die Verkaufsmenge um 2%. Die Veränderungsrate der Erlöse beträgt dann: Richtige Lösung) Alternative Rechnung Näherungslösung: 2. Stückkosten: k=K:x Näherungslösung: %E = 3% − 2% − 3% · 2% (1+3%)(1-2%) = 1,0094 %E = 3% – 2% = 0,94% = 1 + 0,94% = 1% %k = (%K – %x) : (1 + %x) %k = %K – %x Als Folge einer Produktionsausweitung um 5% steigen die Gesamtkosten um 3%. Die Veränderungsrate der Stückkosten beträgt dann: Richtige Lösung Alternative Rechnung Näherungslösung: %k = (3% – 5%) : (1 + 5%) = −1,9% (1+3%):(1+5%) = 0,981 = 1 – 0,019 %K = 3% – 5% = –2% 6 Elastizitäten Der bislang dargestellte Zusammenhang zwischen Veränderungsraten kann beispielsweise auf jede Verhältniszahl angewendet werden und setzt keine UrsacheWirkungs-Beziehung voraus. Das Verhältnis von Wachstumsraten, interpretiert als Verknüpfung von Ursache und Wirkung, führt zum Begriff der „Elastizität“. Die allgemeine Definition lautet: Aus „mal“ wird „plus“ und aus „geteilt durch“ wird „minus“. Aus A=B·C wird Elastizität = %A = %B + %C prozentual e Veränderun g der Wirkungsgr öße prozentual e Veränderun g der Ursachengr öße Beispiele: Erlös = Preis ·Menge aus E = p·x wird Umsatzrentabilität = Gewinn : Umsatz aus r = G:E wird Steuersatz = Steuer : Einkommen aus t = T:Y wird E% = p% + x% r% = G% – U% t% = T% – Y%. ___________________________________________________________________ 3a e = %W dW dU dW W = = : : %U W U dU U ___________________________________________________________________ 3b Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre Die Elastizität gehört zu den wichtigsten analytischen Maßgrößen der Wirtschaftswissenschaften. Durch eine Elastizität wird die Stärke der Reaktion (Empfindlichkeit, Reagibilität) auf eine Ursache gemessen. Diese Elastizität ist eine „Punktelastizität“, d.h. sie ist in der Regel in jedem Punkt (Ausgangslage) einer Funktion unterschiedlich, auch bei einer linearen Funktion. Hier ist zwar die „Steigung“ (1. Ableitung; „Grenz…“) überall gleich, nicht aber die Elastizität. Ausnahmsweise kann bei speziellen Funktionen an jeder Stelle die Elastizität überall gleich groß sein. So ist beispielsweise bei jeder Ursprungsgerade in jedem Punkt der Betrag der Elastizität genau 1, denn zwischen Ursache und Wirkung besteht hinsichtlich der prozentualen Veränderungen eine direkte proportionale Beziehung. Auch eine gleichseitige Hyperbel (y·x = c) hat überall eine konstante Elastizität. Da man in den Wirtschaftswissenschaften eine Fülle von Ursache-Wirkungs-Beziehungen herstellen kann, gibt es eine ebensolche Fülle von verschiedenen Elastizitäten. Die wichtigsten Elastizitäten sind: • Preiselastizität • Kostenelastizität = Kostenänderung : Mengenänderung • Steuerelastizität des Einkommens = Steuerzahlung (Änderung) : Einkommensänderung • Zinselastizität der Investitionen = Investitionsvolumen (Änderung) : Zinsänderung = Mengenänderung : Preisänderung Beispiele: Wenn das Einkommen (Y) um %Y = 4% wächst (Ursache), steigt die Steuerzahlung (T) möglicherweise um %T = 5% (Wirkung). Die „Steuerelastizität“ bezüglich des Einkommens ist e = 1,25 (nicht Prozent). Bei Justus sei die „Elastizität der Ausgaben für Urlaubsreisen (A) bezüglich des Einkommens (Y)“ genau e = 2,4. Wenn das Einkommen von Justus um 2% zunimmt, wird er das 2,4-fache, also 4,8% mehr für Urlaubsreisen ausgeben. Das Vorzeichen der Elastizität gibt an, ob sich Ursachen- und Wirkungsgröße gleichgerichtet (positives Vorzeichen) oder entgegengesetzt (negatives Vorzeichen) verändern. Unabhängig vom Vorzeichen gibt der absolute Betrag der Elastizität an, wie stark die Reaktion ist. Dabei hat sich folgende Sprachregelung (Konvention) herausgebildet: Elastizität (nur Betrag – ohne Vorzeichen) e e e e = 0 ......: < 1 ......: ≥ 1 ......: = ∞ ......: vollkommen unelastische (starre) Reaktion ......... keine Wirkung unelastische Reaktion .................... Wirkung kleiner als Ursache elastische Reaktion ........................ Wirkung größer als Ursache vollkommen elastische Reaktion.... (theoretischer Grenzfall) ___________________________________________________________________ 4a An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n Preiselastizität Eine der wichtigsten Elastizitäten ist die „Preiselastizität“. Sie wird in verschiedenen Varianten verwendet: Stets beschreibt sie, wie sich die Menge verändert (Wirkung), wenn sich der Preis verändert (Ursache). Pr eiselastizität = prozentuale Mengenände rung ( Wirkung) prozentual e Pr eisänderun g (Ursache) ep = dx x %x dx dp : : = = p dp p %p x Mit „Menge“ kann die nachgefragte oder auch die angebotene Menge gemeint sein. Dementsprechend unterscheidet man eine „Preiselastizität des Angebots“ und eine „Preiselastizität der Nachfrage“. Im Allgemeinen gilt die Konvention: Mit „Preiselastizität“ ist die „Preiselastizität der Nachfrage“ gemeint. Die direkte Preiselastizität beschreibt, wie sich die Menge eines Gutes A ändert, wenn sich der Preis dieses Gutes ändert. Demgegenüber gibt die indirekte Preiselastizität an, wie sich die Menge eines Gutes A ändert, wenn sich der Preis eines anderen Gutes B ändert. Sie heißt auch Kreuz-Preis-Elastizität oder TRIFFIN´scher Koeffizient. Beispiele zur Preiselastizität der Nachfrage: 1. Nachfrage-Funktion: x = f(p). Die Nachfragemenge (x) sei abhängig vom Preis (p) des Gutes. Geplant sei eine Preiserhöhung um 3%. Die Preiselastizität (in dieser Ausgangslage) sei bekannt und betrage ep = –1,2. Ursache-Wirkung: Wenn dann %p = +3% %x = +3% · –1,2 = –3,6% Eine Preiselastizität von –1,2 bedeutet, dass eine Preiserhöhung um einen bestimmten Prozentsatz (hier: 3%) einen relativen Mengenrückgang um das 1,2-fache (hier: 3,6%) bewirkt (elastische Reaktion). 2. Die Preiserhöhung sei 5%. Als Folge davon nimmt die Nachfragemenge um 3% ab. Die Preiselastizität ist dann –0,6 (unelastische Nachfrage). Die Kreuz-Preis-Elastizität ist für komplementäre Güter negativ und für substitutive Güter positiv. Der absolute Betrag ist ein Maßstab für die Stärke der Güterbeziehung. Bei Substitutionsgütern kann die kpe als Kennziffer für die Wettbewerbsintensität gelten. Beispiele: Wir nehmen einmal an, dass der Preis für Heizöl steigt (Ursache). Welche Wirkungen können eintreten? ___________________________________________________________________ 4b Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n 1. Als Folge davon wird die Heizölnachfrage sinken (direkte Preiselastizität; ist negativ). Dahinter kann ein Konsumverzicht (Einkommenseffekt) oder auch eine Konsumverlagerung (Substitutionseffekt) stehen. 2) Grenzkosten (1. Ableitung) 2. Die Nachfrage nach Heizöl-Feuerungsanlage (komplementäres Gut zu Heizöl) wird tendenziell sinken. Die kpe ist ebenfalls negativ. 3) Elastizität (in Ausgangslage): 3. Andererseits wird die Nachfrage nach Erdgas (substitutives Gut zu Heizöl) steigen; die kpe ist positiv. Je leichter die Substitution fällt, desto höher ist der absolute Betrag der kpe als Ausdruck für die geringe Substitutionslücke und die starke Wettbewerbsintensität zwischen Öl und Gas. Die Nachfrage nach Torf als Alternative zu Heizöl wird vermutlich kaum steigen. Die kpe ist klein (wahrscheinlich sogar gleich Null). Dies bedeutet, daß zwischen Öl und Torf keine spürbare Konkurrenz existiert. Kostenelastizität Die Kostenelastizität) beschreibt, wie stark (empfindlich) die Kosten auf eine Mengenänderung reagieren. Kostenelas tizität = eK = prozentual e Kostenände rung ( Wirkung) prozentual e Mengenände rung (Ursache ) dK K %K dK dx : : = = = K′ : k x dx k %x K Beispiel zur Kostenelastizität: Kosten-Funktion: K= f(x). Die Produktionsmenge steigt um 2%. Die Kostenelastizität (in der Ausgangslage) sei ke = 0,4. Ursache-Wirkung: Wenn dann %x = 2% %K = % ·0,4 =0,8% Eine Kostenelastizität von ke = 0,4 besagt, dass bei einer Ausweitung der Produktionsmenge um einen bestimmten Prozentsatz (z.B. 2%) die Kosten um das 0,4fache (also 0,8%) anwachsen (unelastische Reaktion). Beispiel zur Grenzanalyse und Elastizität. Die Herstellkosten (K) für Regenschirme sind von der Produktionsmenge (x) abhängig gem. der Kostenfunktion (1). Gegenwärtig (Ausgangslage) werden 2.000 Regenschirme hergestellt. Es sollen zusätzlich 5%, also 100 Regenschirme mehr produziert werden. 1) Kostenfunktion: Ursache-Wirkung: K = 10.000 + 20·x Wenn dann x0 = 2.000 K0 = 50.000 Ursache-Wirkung: (absolute Werte) Ursache-Wirkung: (relative Werte) dK : dx = K' = 20 Wenn dann dx = 100 dK = 100 · 20 = 2.000 ke = 0,8 Wenn dann %x = 5% %K = 5% · 0,8 = 4% Die Ausgangsmenge verursacht Kosten in Höhe von 50.000 €. Die absolute Produktionssteigerung um 100 Stück verursacht 20-fache Zusatzkosten von absolut 2.000 €. Die relative Produktionssteigerung um 5% erhöht die Kosten um das 0,8-fache, also um 4%. Steuerelastizität Der Steuertabelle für Deutschland (Grundtabelle 2004) sind die Angaben der ersten beiden Zeilen entnommen. Hieraus lassen sich dann die weiteren Größen errechnen. Steuersätze und Steuerelastizität zu versteuerndes Jahreseinkommen: Y Steuerschuld: T = f(Y) Durchschnittssteuersatz: t =T:Y Grenzsteuersatz: T' = dT : dY Steuerelastizität: te = %T : %y = T´:t 40.000 € 41.000 € 9.547€ 23,9% 9937 € 24,3% 39,0% 1,63 Die Berechnungsformel für den Einkommensbereich von 12.740 bis 52.151 € lautet: T = 265,78z2 + 2.405z + 1.016, wobei z = (Y – 12.739):10.000 Der Durchschnittssteuersatz besagt: Bei einem Einkommen von 40.000 € (41.000 €) beträgt die Steuerlast 23,9% (24,3%). Der Grenzsteuersatz besagt: Von jedem Zusatzeinkommen (ausgehend von 40.000 €) in Höhe von 1,00 € müssen 39% davon (also 0,39 €) als zusätzliche Steuern abgeführt werden. Die Steuerelastizität besagt: Ein Einkommensanstieg um 1% (bezogen auf die Ausgangslage) verursacht einen Anstieg der Steuerlast um 1,6%. Wenn x1 = 2.100 dann K1 = 52.000 ___________________________________________________________________ 5a ___________________________________________________________________ 5b Prof. Dr. Friedrich Wilke Volkswirtschaftslehre Übungsaufgabe 1 Wodurch unterscheiden sich die beiden nachfolgenden Gleichungen? a) S = Y – C b) S = 0,12Y Übungsaufgabe 2 Welche Sachverhalte beschreiben die nachfolgenden Gleichungen? Um welchen Gleichungstyp handelt es sich jeweils? (1) C = f(Y) (2) Ct = f(Yt–1,Yt,Yt+1) (3) S = Y – C (4) S = f(Y,i) (5) S = 400 € (6) It = f(Gt–1,it,Et+1) Übungsaufgabe 3 Die beiden Nachfragefunktionen lauten: (1) x = 40 Zigaretten/Tag (2) x = 100 − 2p a) Interpretieren Sie die beiden Nachfragefunktionen. b) Zeichnen Sie beide Nachfragefunktionen in ein Diagramm. Übungsaufgabe 4 Die makroökonomische Konsumfunktion sei: C = 600 + 0,8Y a) Zeichnen Sie den Verlauf der Konsumfunktion und der daraus ableitbaren Sparfunktion in ein Diagramm für Y = 0 bis Y = 6.000. b) Bestimmen Sie die durchschnittliche und marginale Konsumquote für Y = 2.000, 3.000, 4.000 und 6.000. Übungsaufgabe 5 In der Ausgangslage werden x0 = 40.000 kg produziert mit Herstellkosten von K0 = 240.000 € und zum Preis von p0 = 11,00 € verkauft. Die Produktionsmenge soll gesteigert werden um 10.000 kg. Die Stückkosten werden dann auf k1 = 5,60 € fallen. Damit die neue Menge abgesetzt werden kann, muss der Preis um 10% reduziert werden. a) Wie hoch sind Grenzkosten, Grenzerlöse und Grenzgewinne? b) Wie hoch ist Preiselastizität c) Wie hoch ist die Kostenelastizität? Übungsaufgabe 6 Die Marketingabteilung meldet der Geschäftsleitung, dass Fall A: bei einer Preisanhebung um 2% die Absatzmenge um 1% sinken wird, Fall B: bei einer Preissenkung um 15% die Absatzmenge um 20% steigen wird. a) Wie verändern sich in beiden Fällen die Erlöse (=Umsätze)? Vergleichen Sie die Näherungslösung mit der exakten Lösung. b) Wie hoch ist jeweils die Preiselastizität? ___________________________________________________________________ 6a An h a n g 2 : W a c h s t u m s r a t e n u n d E l a s t i z i t ä t e n Übungsaufgabe 7 Der Steuertabelle für Deutschland sind folgende Angaben zu entnehmen (Grundtabelle, gerundet): zu versteuerndes Jahreseinkommen Y 30.000 .. 32.000 70.000 ..72.000 Steuerschuld T 5.959 .... 6.634 22.655 ..23.555 a) Ermitteln Sie die (vier) Durchschnittssteuersätze (t) und die (zwei) Grenzsteuersätze (T'). b) Wie hoch ist jeweils Steuerelastizität)? Übungsaufgabe 8 Aufgrund der schlechten Auftragslage soll durch Kurzarbeit eine Kosteneinsparung von 8% erreicht werden. Dafür muss die Produktionsmenge um 5% sinken. a) Wie werden sich die Stückkosten verändern? b) Wie groß ist die Kostenelastizität)? Übungsaufgabe 9 Die Kostenfunktion lautet: K = 2.000 + 50x Wie hoch sind für x = 10 und 100 a) die Stückkosten b) die Kostenelastizität? Übungsaufgabe 10 Ein Unternehmen plant eine Preiserhöhung um 10%. Es liegen folgende Informationen vor: – Die Marketingabteilung beziffert die Preiselastizität der Nachfrage auf –2. – Die Kalkulation meldet eine Kostenelastizität von 1,5. a) Berechnen Sie die Änderungsraten der Absatzmenge, Erlöse, Gesamtkosten und der Stückkosten. b) Sie werden gefragt, wie sich die Gewinnsituation verändert. Wie lautet Ihre Antwort? Hinweis: Näherungslösung reicht aus. Übungsaufgabe 11 Ein Konkurrenzunternehmen hat die Preise für sehr ähnliche Produkte um 10% gesenkt. Deshalb werden die eigenen Preise um 5% reduziert. Dennoch verschlechtert sich die Auftragslage. Die Verkaufsmenge (= Produktionsmenge) muss um 8% gedrosselt werden. Als Folge davon sinken die Gesamtkosten um 4%. a) Berechnen Sie die (direkte) Preiselastizität der Nachfrage und die KreuzPreis-Elastizität (indirekte Preiselastizität)? b) Berechnen Sie die Kostenelastizität Hinweis: Näherungslösung reicht aus. ___________________________________________________________________ 6b