DAS ORCHESTER DER STADT In freundschaftlicher Zusammenarbeit mit VALERY GERGIEVS DAS FESTIVAL DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER Sonntag 15_11_2015 PROKOFJEW–MARATHON VALERY GERGIEV 3 M FÜ U TAG R SI E AL K LE der neue mini clubman. Ab jetzt bei Ihrem MINI Partner. Mehr Informationen auf www.MINI.de/clubman. Kraftstoffverbrauch (je nach Modell) innerorts: 8,0 bis 4,7 l/100 km, außerorts: 5,4 bis 3,7 l/100 km, kombiniert: 6,3 bis 4,1 l/100 km; CO2-Emissionen (je nach Modell), kombiniert: 147 bis 109 g/km. Fahrzeugdarstellung zeigt Sonderausstattung. Sergej Prokofjew – Pianist und Komponist (1918) 11 Uhr SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 »Symphonie classique« 1. Allegro | 2. Larghetto | 3. Gavotta: Non troppo allegro | 4. Molto vivace JOSEPH HAYDN Symphonie C-Dur Nr. 82 »Der Bär« 1. Vivace | 2. Allegretto | 3. Menuetto – Trio | 4. Finale: Vivace assai SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Des-Dur op. 10 Allegro brioso – Andante assai – Allegro scherzando – Cadenza – Animato VALERY GERGIEV, Dirigent HERBERT SCHUCH, Klavier MARIINSKY ORCHESTER 13 Uhr CARL MARIA VON WEBER Ouvertüre zur Oper »Der Freischütz« SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 16 1. Andantino | 2. Scherzo: Vivace | 3. Intermezzo: Allegro moderato 4. Finale: Allegro tempestoso CARL MARIA VON WEBER »Aufforderung zum Tanz« Rondeau brillant für Klavier op. 65 für Orchester bearbeitet von Hector Berlioz Moderato – Allegro vivace VALERY GERGIEV, Dirigent DENIS MATSUEV, Klavier MARIINSKY ORCHESTER 15 Uhr MAX REGER Vier Tondichtungen für großes Orchester nach Arnold Böcklin op. 128 1. »Der geigende Eremit«: Molto sostenuto | 2. »Im Spiel der Wellen«: Vivace 3. »Die Toteninsel«: Molto sostenuto | 4. »Bacchanal«: Vivace Programm SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26 1. Andante – Allegro | 2. Tema con variazioni: Andantino | 3. Allegro, ma non troppo VALERY GERGIEV, Dirigent BEHZOD ABDURAIMOV, Klavier MÜNCHNER PHILHARMONIKER 17 Uhr RODION SCHTSCHEDRIN »Tanja – Katja«, Romanze im Volkston für Frauenstimme und Streichorchester KARL AMADEUS HARTMANN Suite aus der Oper »Simplicius Simplicissimus« 1. Vorspiel | 2. Zwischenspiel – »Lied des Einsiedlers« | 3. »Drei Tänze der Dame« SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier (linke Hand) und Orchester Nr. 4 B-Dur op. 53 1. Vivace | 2. Andante | 3. Moderato | 4. Vivace RODION SCHTSCHEDRIN Konzert für Orchester Nr. 1 »Naughty Limericks« in einem Satz VALERY GERGIEV, Dirigent PELAGEYA KURENNAYA, Sopran ALEXEI VOLODIN, Klavier MARIINSKY ORCHESTER 19 Uhr JÖRG WIDMANN »Con Brio« Konzertouvertüre für Orchester WOLFGANG AMADEUS MOZART Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur KV 622 1. Allegro | 2. Adagio | 3. Rondo: Allegro SERGEJ PROKOFJEW Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 G-Dur op. 55 1. Allegro con brio | 2. Moderato ben accentuato | 3. Toccata: Allegro con fuoco 4. Larghetto | 5. Vivo VALERY GERGIEV, Dirigent JÖRG WIDMANN, Klarinette OLLI MUSTONEN, Klavier MÜNCHNER PHILHARMONIKER Programm 4 Sergej Prokofjew Nein, leicht hat er es noch keinem gemacht, dieser Sergej Sergejewitsch Prokofjew. Schon als junger Mann umgab er sich mit der Aura des Unnahbaren, der nur für die Musik lebt und sich um gesellschaftliche Konventionen wenig schert. Schwer zu fas­ sen ist auch sein Werk, dessen Ausdrucks­ vielfalt sich gängigen Einordnungen wider­ setzt: Mal kommt es kindgerecht daher wie »Peter und der Wolf«, mal verstörend wie die »Skythische Suite«; dem als ultra­ modern empfundenen 2. Klavierkonzert steht die retrospektive »Symphonie clas­ sique« gegenüber. Ganz zu schweigen von Prokofjews verschlungener Biographie, diesem Mäandern zwischen Ost und West, das nicht nur für wechselnde Schaffensbe­ dingungen sorgte, sondern nachträglich auch für extrem unterschiedliche Interpre­ tationen. Was z. B. bedeutete die Übersied­ lung in die Sowjetunion für ihn: künstleri­ sche Unterordnung – oder Befreiung aus den Klauen des Kapitalismus ? Widerhaken Prokofjews Beliebtheit beim Publikum nie geschadet. Eine Beliebtheit, die auf breiter musikalischer Basis steht, Symphonien und Konzerte ebenso umfasst wie Ballette, die Oper, Klaviermusik und Einzelwerke. Dass sein reichhaltiges Œuvre immer noch Entdeckenswertes bereithält – etwa die selten gespielten Klavierkonzer­ te Nr. 4 und 5 –, spricht für ihn. ZUR BIOGRAPHIE Aus wohlsituierten Verhältnissen stam­ mend, schreibt sich Prokofjew bereits mit zwölf Jahren am Petersburger Konservato­ rium ein, dem Eliteinstitut des Landes. Sei­ ne musikalische Begabung ist unter Leh­ rern und Mitschülern allgemein anerkannt, Freunde gewinnt er durch sein eigenwilli­ ges Auftreten jedoch kaum. Komposito­ risch neigt er den Modernisten zu und fes­ tigt diesen Ruf durch einige Urauffüh­ rungsskandale in den Vorkriegsjahren: Prokofjew, der Revolutionär. Wurde diese Frage in Zeiten des Kalten Kriegs noch heiß diskutiert, übt man sich heute in demonstrativer Gelassenheit. Als künstlerische Persönlichkeit erscheint Pro­ kofjew zu stark, um von Politik und Gesell­ schaft bis zur Marginalisierung verein­ nahmt zu werden. Andererseits konnte auch er sich den Zwängen und Forderungen des jeweiligen »Systems« niemals völlig entzie­ hen. Dass mit der Rückkehr in die alte, jetzt sozialistische Heimat eine Hinwendung zu neuen Gattungen einherging, ist jedenfalls kein Zufall: Statt Klavierkonzerten widmete er sich nun Filmmusik und Kantaten. Mit der politischen Revolution des Jahres 1917 kann der junge Himmelsstürmer al­ lerdings wenig anfangen. Stattdessen richtet er sein Augenmerk auf die Konzert­ säle des Westens. Vier Jahre lang, von 1918-22, lebt Prokofjew in den USA, wo er vor allem als Pianist Erfolge feiert, danach in Deutschland und Frankreich. Gastspiele führen ihn durch ganz Europa, die USA und, erstmals 1927, wieder in die russische Hei­ mat. Parallel dazu finden Premieren seiner Werke in Brüssel, Paris, Köln, Boston und Washington statt. Nach mehreren Aufent­ halten in der Sowjetunion entscheidet sich der mittlerweile verheiratete Prokofjew im Jahr 1936 zur endgültigen Rückkehr. Interessanterweise aber hat diese Werk­ biographie mit all ihren Verwerfungen und Hier allerdings gerät er mitten in den Ter­ ror Stalins, der längst auch die Kunst­ Sergej Prokofjew 5 schaffenden erfasst. Von direkter Verfol­ gung bleibt Prokofjew zwar verschont, doch werden die künstlerischen Einschrän­ kungen immer stärker, etliche seiner Wer­ ke als »volksfeindlich« verdammt. Erst in den Kriegsjahren nimmt der öffentliche Druck ab, dafür liegt das kulturelle Leben des Landes weitgehend brach. 1941 trennt sich Prokofjew von seiner Frau Lina zugunsten Mira Mendelsons, einer jungen Dichterin. Nach Kriegsende erleidet er vermehrt gesundheitliche Rückschläge, zudem wird er 1948 einer öffentlichen ­K ritik unterzogen, die einer Vernichtung seiner künstlerischen Existenz nahe­ kommt. Fünf Jahre später stirbt Prokof­ jew, am selben Tag wie Stalin. PROKOFJEW ALS PIANIST Mit einer einzigen Ausnahme schrieb Pro­ kofjew sämtliche Klavierkonzerte für den eigenen Vortrag. Dank seiner überragen­ den technischen Fertigkeiten darf man also fünf hochvirtuose, auf das Klavier fokus­ sierte Werke erwarten – was sie auch sind. Aber eben nur: auch. Denn Virtuosität steht bei Prokofjew stets im Dienst ande­ rer Eigenschaften: der Ausdrucksvielfalt, des komplexen Stimmengeflechts, der kör­ perlichen Präsenz von Musik. Pianistische Brillanz hat sich der kompositorischen Idee anzupassen, nicht umgekehrt. Sichtbarstes Zeichen hierfür ist die Tatsa­ che, dass jedes der fünf Konzerte zu ganz individuellen formalen Lösungen kommt. Auf den einsätzigen Erstling folgen Kon­ zerte mit vier, drei, vier und zuletzt sogar fünf Sätzen. Am klassischsten gibt sich das 3. Konzert, das dafür auf ein wesent­ liches Gestaltungselement, Durchführun­ gen nämlich, verzichtet. Bei den anderen bürstet Prokofjew die Satzcharaktere ge­ gen den Strich oder lädt Episodisches (So­ lokadenz, Intermezzi) mit Bedeutung auf. »Das« Prokofjew-Konzert gibt es nicht, sondern jeweils hochspannende Einzel­ lösungen. Als Interpret eigener Werke war Prokofjew eine Ausnahmeerscheinung, bewundert von Pianistenkollegen wie Emil Gilels und Heinrich Neuhaus, die seiner Darbietung »Klarheit und Exaktheit« sowie »einen ge­ wissen sportlichen Charakter« attestier­ ten. »Ich sehe noch seine große Gestalt am Flügel«, erinnerte sich Gilels, »besonders die unnachahmliche Art seines nur ihm ei­ genen Spiels aus der Schulter«. Für die Pianisten seiner Zeit, die größtenteils der Chopin-Liszt-Schule anhingen, bedeuteten seine »trockene Pedalgebung« und die »ungewöhnliche Sachlichkeit des Klavier­ klangs« je nach Standpunkt Affront oder Offenbarung. Sachlich, trocken, klar: Zuschreibungen, die auf Anschlag und Artikulation zielen, nicht aber auf das Klangresultat insge­ samt. Um noch einmal Neuhaus zu zitieren: »Ungeachtet seiner offensichtlichen Ver­ achtung des sogenannten ›Temperaments‹ und ›Gefühls‹ beherrschte er beides doch in solchem Maße, dass sein Spiel niemals einen routinemäßigen, blutleeren oder ab­ sichtlich kühlen Eindruck machte.« Blumi­ ger formulierte es die New York Times nach Prokofjews Amerika-Debüt: »Seine emoti­ onale Unbewegtheit kontrastierte zu den vulkanischen Eruptionen am Klavier.« Und, zum selben Anlass: »Von Stahl sind seine Finger, von Stahl seine Handgelenke, von Stahl seine Armmuskeln, von Stahl sind Bizeps und Trizeps…« Sergej Prokofjew 6 SERGEJ PROKOFJEW: »SYMPHONIE CLASSIQUE« OP. 25 JOSEPH HAYDN: SYMPHONIE C-DUR NR. 82 »DER BÄR« Der junge Prokofjew galt als Rebell: als Vertreter einer musikalischen Moderne, die unter allen Umständen mit der Tradition brechen wollte. Während die konservativen Teile des Publikums auf Werke wie die bei­ den ersten Klavierkonzerte mit Empörung reagierten, zollten ihm die avantgardisti­ schen Kreise Petersburgs umso größeren Respekt. Nach der Oktoberrevolution sah der marxistische Kulturpolitiker Lunart­ scharskij in Prokofjew einen Verbündeten: »Sie sind Revolutionär in der Musik, wir sind es im Leben.« An der realen Revolution, den Umbrüchen des Jahres 1917, nahm der Komponist nicht teil, im Gegenteil: Einen Großteil der Zeit verbrachte er auf dem Land, las Kant und schrieb Musik ohne jeden revolutionären Impetus, etwa das lyrische 1. Violinkon­ zert. Seine gleichzeitig entstandene 1. Symphonie geht noch einen Schritt weiter – bzw. einen zurück. Als »klassisch« darf nicht nur ihr traditioneller Zuschnitt bei reduziertem Orchesterapparat gelten, sondern auch ihre heitere Tonalität. Die Symphonie als Ausdruck von Weltflucht ? Das hieße dann doch etwas vorschnell ge­ urteilt. Denn Prokofjews Auseinanderset­ zung mit Haydn und Mozart ging ausge­ rechnet auf den innovativsten seiner Leh­ rer, Tscherepnin, zurück. Nicht als Verbeu­ gung vor den Großen, sondern als Gegengift zu spätromantischer Überfrachtung. Klar­ heit, Transparenz, Konzentration auf das Wesentliche: Das waren Tugenden, die sich von den Klassikern lernen ließen. »Wenn Haydn heute noch lebte, dachte ich, würde er seine Art zu schreiben beibehalten und dabei einiges vom Neuen übernehmen. Solch eine Symphonie wollte ich schrei­ ben.« Und Haydn selbst ? Seine Produktivität lässt leicht vergessen, dass es »die« Haydn-Symphonie nicht gibt, sondern im­ mer nur Einzelwerke mit ganz individuellem Gepräge. So ist die Symphonie Nr. 82 Teil eines sechs Werke umfassenden Opus, das Haydn 1786 für ein großes, professionelles Orchester in Paris komponierte, und das C-Dur-Werk sollte den krönenden Ab­ schluss des Zyklus bilden. Aus dieser Funktion erklären sich der fest­ liche Glanz der Symphonie, ihr optimisti­ scher Tonfall. Der Witz steckt, wie so oft bei Haydn, im Detail: etwa wenn der fanfa­ renüberladene Beginn des 1. Satzes an schierer C-Dur-Positivität zu »ersticken« droht. Unmerklich schleichen sich MollTöne ein, Chromatik und Dissonanzen – und schon sind wir mitten drin in einem hoch­ energetischen symphonischen Prozess. Ähnlich ergeht es dem Seitenthema, über­ tragen auf die Sphäre des Pastoralen. Im 2. Satz führt Haydn das beliebte Modell der Doppelvariation durch: Ein Dur- und ein Mollthema werden abwechselnd Verände­ rungen unterworfen. Das Menuett spiegelt das Verfahren vom 1. Satz innerhalb weni­ ger Takte, während das Finale einen rusti­ kalen Ausklang bietet: einen »Bärentanz«, der dem Werk zu seinem Namen verhalf. Aber wie Haydn dessen populäre Elemente, an erster Stelle den Dudelsackklang, avan­ cierten symphonischen Techniken wie Stimmentausch, Imitation, Fortspinnung etc. unterwirft – das zeugt von einer Sou­ veränität, die ihresgleichen sucht. 1. Konzert 11 Uhr 7 Christian Ludwig Seehas: Joseph Haydn (1785) 1. Konzert 11 Uhr 8 SERGEJ PROKOFJEW: KLAVIER­ KONZERT NR. 1 DES-DUR OP. 10 Am jungen Sergej Prokofjew schieden sich die Geister. Sein lebenslanger Freund, der Komponist Mjaskowsky, hielt ihn für be­ gabter als Strawinsky, die Kollegin Vera Alpers bewunderte seinen »Wahrheitsfa­ natismus«, mit dem er auch Unschickliches ansprach – etwa die Fehler seiner Mitschü­ ler, über die er tabellarisch Buch führte. Ein Januskopf, dieser Prokofjew, »gleich­ zeitig geliebt und gefürchtet«, so Alpers. Auch seine Lehrer waren hin und her geris­ sen. Glasunow etwa, der Konservatoriums­ direktor, beurteilte Prokofjews Klavier­ spiel als »eigentümlich, originell, aber nicht immer von künstlerischem Geschmack durchdrungen«. Das kompositorische Ta­ lent des jungen Mannes stand außer Frage, an den Resultaten jedoch verzweifelte so mancher. »Extrem bis zum Äußersten«, nannte einer seiner Dozenten diese Musik, ein anderer fand sie schlichtweg »absto­ ßend«. Bevor nun allerdings ein falscher Eindruck entsteht: Zur Größe des Petersburger Kon­ servatoriums gehört, dass es auch sperri­ ge Charaktere stets förderte, solange die kompositorische Begabung offensichtlich war. Das galt für einen Rachmaninow und Schostakowitsch ebenso wie für Prokof­ jew. Schließlich kannte die russische Mu­ sikgeschichte der vergangenen 50 Jahre viele Exzentriker und Umstürzler; das Kon­ servatorium sah es als seine Hauptaufga­ be, diesen genialen »Typen« ein solides kompositorisches Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben. Und so verhehlte das Kollegium auch dem ersten reifen Werk Prokofjews seine Aner­ kennung nicht. 1911, im Alter von 20 Jah­ ren, entwarf er ein Concertino für Klavier und Orchester, das er sukzessive zu einem veritablen Klavierkonzert in einem Satz ausarbeitete. Bei der Uraufführung 1912 spielte er selbst den Solopart. Die Kritiken waren, wieder einmal, geteilt, doch wurde das Stück nach Prokofjews Studienab­ schluss 1914 zum Rubinstein-Wettbewerb des Konservatoriums zugelassen – und ge­ wann. Wie aber kann ein einsätziges Werk als »veritables« Klavierkonzert gelten ? Genau an diesem Punkt zeigt sich die komposito­ rische Reife des jungen Prokofjew. Durch die dreimalige Wiederkehr des energiege­ ladenen Hauptthemas, durch traditionelle Elemente wie Seitenthema, Durchführung und Kadenz wird die formale Geschlossen­ heit des Satzes gewährleistet. Gleichzeitig spielt Prokofjew mit der Viersatzfolge der klassischen Symphonie: Nach der ersten Wiederholung des Hauptthemas schiebt er ein Andante als quasi langsamen Satz ein, die Durchführung gestaltet er als Scherzo. Ein mehrdeutiges Formkonzept also, und das in bezwingender Knappheit. Als originell und zukunftsweisend erweist sich auch die klangliche Gestaltung des Werks. Männlich, eisern, sportlich – mit solchen Attributen wurde Prokofjews Spiel von Zeitgenossen belegt, und diese Eigen­ schaften zeigen sich bereits im 1. Klavier­ konzert. Klarheit und Durchhörbarkeit trotz massiven Orchestereinsatzes sind beeindruckend, und der Klavierpart be­ sticht durch zahlreiche technische Neue­ rungen: extreme Register, weite Sprünge, trockener bis metallischer Klang, das Aus­ kosten rhythmischer Muster, toccatenhaf­ te Passagen. Ein Werk der Jugend und doch eines für die Zukunft. 1. Konzert 11 Uhr 9 Sergej Prokofjew (um 1913) 1. Konzert 11 Uhr 10 CARL MARIA VON WEBER: OUVERTÜRE ZUR OPER »DER FREISCHÜTZ« UND »AUFFORDERUNG ZUM TANZ« »Weber kam zur Welt, um den Freischütz zu schreiben.« Positives und Negatives durchkreuzen sich in diesem Bonmot Hans Pfitzners: Ist Weber zu beglückwünschen, weil er uns die romantische Oper schenkte – oder müssen wir ihn bedauern, weil er außer dem »Freischütz« kompositorisch nichts zu sagen hatte ? Nüchtern betrach­ tet, schießen beide Interpretationen weit übers Ziel hinaus. Weder verdankt sich die deutsche Oper der Romantik Webers Wirken allein, noch beschränkt sich sein Schaffen auf dieses eine, freilich herausragende Werk. Vor allem seine Klaviermusik – virtuos, glanzvoll, gefällig – fand zahlrei­ che Nachahmer; Komponisten wie Chopin, Mendelssohn und besonders Liszt, zu des­ sen Paradestücken Webers »Aufforderung zum Tanz« gehörte, sind ohne sein Vorbild nicht denkbar. »Aufforderung zum Tanz« entstand 1819, als Hommage an Webers junge Frau Caro­ line. Das Thema der Zweisamkeit spiegelt sich in der quasi szenischen Kompositions­ idee, gemäß der ein Mann eine Frau zum Tanz bittet und diese nach anfänglichem Zögern einwilligt. Ausgestaltet wird diese Miniaturhandlung freilich nur im einleiten­ den Moderato. Der Hauptteil des Werks besteht im Tanz selbst, einer Folge von Schnellwalzern, mal stürmisch, mal schmachtend oder auch derb stampfend. Werbung und Antwort vertraut Weber na­ heliegenderweise getrennten Stimmen in Bariton- bzw. Sopran-Lage an. Die Orches­ terbearbeitung durch Hector Berlioz (1841) macht daraus einen Dialog von Cel­ lo und Klarinette. Notengetreues Echo be­ deutet Zustimmung, aufs Parkett schreitet man in Terzparallelen. Dann geben sich beide vereint dem allgemeinen Tanzboden­ schwung hin. Im selben Jahr 1819 arbeitete Weber be­ reits eifrig am »Freischütz«, der dann zwei Jahre später in Berlin seine umjubelte Pre­ miere feiern sollte. Als letztes Stück ent­ stand im Mai 1820 die Ouvertüre; in ihr lässt Weber einige zentrale Themen der Oper anklingen. Allerdings nicht potpourri­ artig aneinandergereiht, sondern zu einem dramatischen Ablauf gefügt, der die Büh­ nenhandlung in nuce vorwegnimmt. Dass dies auf der Folie eines Sonatensat­ zes geschieht, leuchtet ein, schließlich lebt der »Freischütz« vom Kampf dämonischer Mächte gegen das Gottvertrauen, Böse gegen Gut – ein Konflikt, der sich mittels konkurrierender Themen und ihrer drama­ tischen Verarbeitung hervorragend gestal­ ten lässt. Und tatsächlich klingt dieser Gegensatz schon in der Einleitung an, wo unheilvolle Fragegesten von sanftem Hör­ nergesang beantwortet werden. Danach, im Allegro-Teil, stellt Weber ein »Wolfs­ schlucht«-Thema in c-Moll dem Liebesthe­ ma Agathes gegenüber, um sie im Mittelteil des Werks aufeinander prallen zu lassen. Wie aber passt die Reprise, also die Wieder­ herstellung der Ausgangssituation, zu die­ sem Konzept ? Webers Lösung ist ein echter Coup: Er lässt das »Wolfsschlucht«-Thema, als dieses die Oberhand zu behalten scheint, langsam versickern – und präsentiert nach einer spannungsreichen Generalpause einen C-Dur-Akkord im vollen Orchesterglanz, dem das Liebesthema, triumphal wie nie, folgt. Der Rest ist Jubel pur. 2. Konzert 13 Uhr 11 Caroline Bardua: Carl Maria von Weber (1821) 2. Konzert 13 Uhr SONDERKAMMERKONZERT ZUCKER ZUM KAFFEE Tiefe Streicher mit hohem Unterhaltungswert Ein kabarettistisches Neujahrskonzert mit Ludwig W. Müller und Musikern der Münchner Philharmoniker: 4 Violoncelli, 4 Kontrabässe und 1 Solokabarettist Sonntag 10_01_2016 17 Uhr Münchner Künstlerhaus mphil.de 089 54 81 81 400 Karten: 30 € Mit freundlicher Unterstützung der Münchner Künstlerhaus-Stiftung 13 SERGEJ PROKOFJEW: KLAVIER­ KONZERT NR. 2 G-MOLL OP. 16 Schon bald nach der Premiere seines 1. Klavierkonzerts (1912) machte sich Pro­ kofjew an ein Nachfolgewerk, das sich in formaler und klanglicher Hinsicht aber deutlich vom Erstling absetzte. Seine An­ lage mutet herkömmlicher an, dafür ist der Tonfall dezidiert modern. Der Klavierpart steht deutlicher im Vordergrund als in op. 10, die spieltechnischen Ansprüche sind noch einmal gesteigert. Gefälliger wird die Komposition dadurch jedoch nicht, im Ge­ genteil: An die Stelle äußeren Glanzes tritt eine inhaltliche Tiefe, die auch vor »rohen« Klängen, vor grellen Dissonanzen und Bitonalität nicht zurückschreckt. Auf solche Zumutungen reagierte das Gros des Publikums, wenig überraschend, mit Entsetzen; bei der Uraufführung 1913 in Pawlowsk verließen viele Zuhörer vorzeitig den Saal. Auch die Presse sparte nicht mit negativer Kritik, Schlagworte wie »futuris­ tische Experimente« und »Katzenmusik« machten die Runde. Ganz anders diejenigen Rezensenten, die der künstlerischen Avantgarde nahestanden: Sie sahen in Pro­ kofjew den Fackelträger der musikalischen Moderne. Dabei beginnt das Konzert ganz verständ­ lich, mit einem nachdenklichen Thema im Legendenton – Spielanweisung: »narran­ te«. Aber schon bald schafft Prokofjew ein Gegenwicht durch ein gesangliches Sei­ tenthema leicht grotesken Zuschnitts, um dann mit einer formalen Neuerung zu über­ raschen: Der Mittelteil des Satzes, in dem traditionell das vorgestellte Material ver­ arbeitet wird, bleibt allein dem Klavier vor­ behalten. Durchführung und Solokadenz fallen also zusammen – oder besser: wer­ den gegeneinander ausgespielt. Die Repri­ se vermag nach diesem Ausbruch extra­ vaganter Virtuosität nur noch geisterhafte Reminiszenzen an die Ursprungsthemen anzubieten. Der 2. Satz ist ein atemberaubend rasches und kurzes Perpetuum mobile, in dem Pro­ kofjew die musikalischen Ausdrucksmittel radikal reduziert. Das Klavier spielt durch­ gehend in Unisono-Sechzehnteln, das Or­ chester steuert einen Achtel-Hintergrund bei. Die Lautstärkewechsel erfolgen meist abrupt – eine gewissermaßen »objektive« Musik, die ganz auf ihre gestischen, kör­ perlichen Qualitäten setzt. Zum eigentlichen Skandalon der Urauffüh­ rung wurde der 3. Satz, das Intermezzo. Statt einer leichtgewichtigen Episode im Stil Schumanns präsentiert Prokofjew hier ein kantiges, dröhnendes Stück mit Trau­ ermarsch-Anklängen. Das ungeschönte, »barbarische« Russlandbild Mussorgskys scheint hier Pate gestanden zu haben. Im Finale wird dieser archaische Tonfall auf­ genommen und schließlich bis zur Raserei gesteigert, unterbrochen lediglich vom klangschönen, wiegenden Seitenthema. Prokofjew widmete sein 2. Klavierkonzert dem Mitstudenten Maximilian Schmidthof, der sich im April 1913, kurz vor Abschluss der Komposition, das Leben nahm. Die Ori­ ginalpartitur des Werks fiel 1918, als sich Prokofjew bereits in den USA befand, ei­ nem Feuer zum Opfer. Fünf Jahre später erstellte er im oberbayerischen Ettal eine rekonstruierte Version, für die er – wenigs­ tens ist dies anzunehmen – einige der klang­ lichen Härten tilgte. In dieser Zweitfas­ sung wird das Konzert seither gespielt. 2. Konzert 13 Uhr 14 MAX REGER: VIER TONDICHTUNGEN NACH ARNOLD BÖCKLIN OP. 128 Im Rückblick gleicht Max Regers Leben ei­ ner Berg- und Talfahrt: mit ihrem ständi­ gen Wechsel zwischen höchster Anspan­ nung und totaler Erschöpfung, zwischen massiver Arbeitsüberlastung und drohen­ dem Kollaps. Das Jahr 1913 markiert einen solchen Umschwung. Voller Elan hatte sich Reger in seine zweite Saison als Meininger Hofkapellmeister gestürzt, scheiterte aber schon bald am selbstauferlegten Ar­ beitspensum. Neben seiner Tätigkeit als Komponist, Bearbeiter und Dozent waren es vor allem seine zahlreichen Konzert­ tourneen, solistisch oder mit Orchester, die ihn zermürbten: Nach einem Auftritt im Februar 1914 brach er zusammen und musste sein Kapellmeisteramt aufgeben. Diesem Fiasko fiel letztlich auch ein Kom­ positionsplan zum Opfer, der durch die Produktivität der Jahre 1912/13 genährt worden war: endlich die ersehnte große Symphonie zu schreiben. Mit gleich drei Orchesterwerken hatte sich Reger diesem Vorhaben angenähert: der »Romantischen Suite« op. 125, den Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin op. 128 und der Ballett-­ Suite op. 130. Interessanterweise handelt es sich bei den beiden ersten um Regers einzige Ausflüge in die orchestrale Pro­ grammmusik. Op. 125 beruht auf Gedichten (genauer: einzelnen Gedichtzeilen !) des schlesischen Dichters Joseph von Eichen­ dorff, op. 128 auf Bildern des Schweizer Malers Arnold Böcklin. Dessen Werke waren im wilhelminischen Deutschland als Farbdrucke weit verbrei­ tet. Mit ihrer Melancholie und Todesnähe trafen sie einen Nerv des Fin de siècle, auch und gerade unter Musikern: Vor Reger entstanden etliche andere Kompositionen nach Motiven Böcklins, darunter als be­ kannteste die »Toteninsel« von Sergej Rachmaninow. Dieses Bild diente auch Re­ ger als Vorlage, außerdem »Der Einsied­ ler«, »Im Spiel der Wellen« und »Bacchan­ tenfest«. Bilder allerdings sind statisch, sie erzählen in der Regel keine vollständige Geschichte. Daher werden in op. 128 – im Gegensatz etwa zu den Tondichtungen eines Richard Strauss – keine Handlungsverläufe in Mu­ sik übertragen, sondern Atmosphäre, Stimmung, Gehalt. Mag der Anstoß zur Komposition auch von außen erfolgen, un­ terliegt ihr Fortgang eher inneren, d. h. musikalischen, Gesetzmäßigkeiten. Das lässt sich schon am 1. Satz beobachten, wenn die Sologeige über choralartigem Hin­ tergrund immer neue Umspielungen und Fortspinnungen der Ursprungsmelodie präsentiert. Böcklins Momentaufnahme eines geigenden Eremiten wird so in die Zeitkunst Musik überführt. Zugute kommt den vier Tongemälden nicht nur Regers schillernde Harmonik, sondern auch seine instrumentatorische Fantasie – und vor allem ihr dürfte sein Ausflug in die Welt der Programmmusik gegolten ha­ ben. Im 1. Bild lässt er eine Hälfte der Streicher mit Dämpfer spielen, in den Fol­ gesätzen dominieren Wellengeglitzer und Blechbläserfahlheit, bevor das Finale einen bei aller Massivität sorgsam gestaffelten Fanfarenchor aufbietet. Fast alle Stücke sind dreiteilig angelegt, was sie zu den fasslicheren Werken im Schaffen Regers macht. Kontrapunktisches Hexenwerk wird nur sehr dosiert eingesetzt, am deutlichs­ ten im Fugato-Abschnitt des »Bac­ chanals«. 3. Konzert 15 Uhr 15 Max Reger beim Komponieren (1913) 3. Konzert 15 Uhr 16 SERGEJ PROKOFJEW: KLAVIER­ KONZERT NR. 3 C-DUR OP. 26 Gelang Prokofjew die Vollendung seiner beiden ersten Klavierkonzerte jeweils bin­ nen Jahresfrist, zog sich die Arbeit am dritten deutlich länger hin. Die frühesten Entwürfe stammen aus dem Jahr 1916, fertiggestellt wurde es jedoch erst 1921. In diese Zeitspanne fällt Prokofjews Über­ siedlung in die USA, an die sich zahlreiche Tourneen anschlossen. Auch in Europa hielt sich der Komponist mehrfach auf, haupt­ sächlich in Paris, wo er mit dem Ballett­ impresario Diaghilew zusammenarbeitete. Hier beendete er auch die Arbeit am dritten Klavierkonzert. In seinen Erinnerungen berichtet Prokofjew, aus welch unterschiedlichen »Fundstü­ cken« er die Komposition zusammensetzte: Außer den vorliegenden Skizzen von 1916/17 benutzte er ein Variationenthema von 1913 und sogar Material aus dem Jahr 1911 (!). Am interessantesten aber ist die Tatsache, dass er für das Konzert die Musik zu einem nie vollendeten »weißen« Quartett ausschlachtete. »Weiß« bedeutet in diesem Fall: eine absolut diatonische Komposition, die gleichsam ohne schwarze Tasten aus­ kommt – daher auch die Wahl des »reinen« C-Dur für das neue Konzert. Dieses schlägt gleich zu Beginn einen ­traditionelleren Ton an: mit einer kurzen, lyrischen Klarinetten-Einleitung, die in ­ r asche Tonleiterfiguren übergeht. Das ­ Allegro-­H auptthema wird vom Klavier in lichter Zweistimmigkeit dargeboten und erst allmählich, dann aber unaufhaltsam intensiviert. Ähnlich das russisch g ­ eprägte Seitenthema, ein klangraffinierter Bläser­ satz plus Kastagnetten, der in brillantes Passagenwerk mündet. Nun aber herrscht Unsicherheit: Handelt es sich bei diesem Abschnitt bereits um die Durchführung des Satzes oder bloß um eine Überleitung ? Durchgeführt, also the­ matisch verarbeitet, wird streng genom­ men nichts; und tatsächlich erklingt schon bald die Einleitung, wir sind also wieder beim Anfang angelangt. Es folgt eine Re­ prise des gesamten ersten Teils, die aber durch Anreicherungen unterschiedlichster Art geprägt ist: Das Klarinettenthema wird zum romantischen Klavierstück, die Tonlei­ terpassage zur Orchesteretüde, das Sei­ tenthema noch einmal exzentrischer in­ strumentiert als zuvor. Eine brillante Kurz­ coda beschließt den Satz. Im Andantino, dem 2. Satz, bewährt sich Prokofjews überragender Erfindungsreich­ tum an fünf Variationen über ein liedhaftes e-Moll-Thema. Auch die Orchestrierung ist äußerst farbenreich, obwohl hier – anders als in den Vorgängerkonzerten – auf Posau­ nen verzichtet und das Schlagzeug nur sparsam eingesetzt wird. Das Finale wiederum lebt von seinen »wei­ ßen« Themen, die erst nach und nach chro­ matisch eingefärbt werden. Formal handelt es sich um ein Rondo mit einem ungemein tänzerischen, am Ende zu rasender Wild­ heit getriebenen Hauptthema. Dazwischen sind Kontrastepisoden eingeschoben: ein funkelnder Dialog von Solist und ersten Geigen, in den weitere Orchesterinstru­ mente einfallen; eine ausgedehnte lyrische Passage; und innerhalb dieser eine Art Gnomenparade, eine Klavierminiatur mit grotesken Verrenkungen. Wie im 1. Satz verzichtet Prokofjew also auch hier auf thematische Arbeit und setzt ganz auf das Mittel des Kontrasts. 3. Konzert 15 Uhr 17 Georgij Semenowitsch Verejskij: Sergej Prokofjew spielt sein 3. Klavierkonzert – mit einem N ­ otenzitat der ersten beiden Takte und der Unterschrift des Komponisten (1927) 3. Konzert 15 Uhr 18 KARL AMADEUS HARTMANN: SUITE AUS DER OPER »SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS« »Hält man der Welt den Spiegel vor, so daß sie ihr gräßliches Gesicht erkennt, wird sie sich vielleicht doch einmal eines Besseren besinnen.« Worauf Karl Amadeus Hartmann mit dieser Bemerkung anspielte, wird im Kontext seiner Äußerung deutlich. Mit dem »gräßlichen Gesicht« ist die Fratze des Nationalsozialismus gemeint und mit dem Spiegel, der ihr vorzuhalten sei, Hart­ manns Oper »Simplicius Simplicissimus« – bzw. deren Erstfassung »Des Simplicius Simplicissimus Jugend«. Das 1934-36 geschriebene Stück geht auf eine Anregung des Dirigenten Hermann Scherchen zurück, eines Mentors und engen Freundes des Komponisten. Als Vorlage diente der Grimmelshausen-Roman von 1668, der die Schrecken des Dreißigjähri­ gen Krieges aus dem Blickwinkel eines nai­ ven Knaben schildert. Auch Hartmanns Oper zeigt die Verrohung einer ganzen Gesell­ schaft und münzt sie durch dezente NS-­ Anspielungen auf die eigene Gegenwart. Eine Aufführung im Dritten Reich war unter solchen Vorzeichen natürlich nicht denk­ bar. Ohnehin kam Hartmanns Musik wäh­ rend der Nazizeit fast ausschließlich im Ausland zu Gehör. Der »Simplicius« feierte seine Premiere erst nach dem Krieg, 1948 konzertant, ein Jahr später auf der Bühne. Eine Zweitfassung des Werks wurde 1957 am Nationaltheater Mannheim präsentiert. Zum Inhalt: Ein einfältiger junger Mann er­ lebt das Massaker von Landsknechten an seiner Familie und flieht zu einem Einsied­ ler, der ihm den Namen »Simplicius« gibt. Nach dem Tod des Einsiedlers landet er am Hof eines Gouverneurs. Aufständische Bauern überfallen die Feiernden und lassen nur Simplicius am Leben: Er sei nicht wert, dass man den Arm gegen ihn hebe. Kom­ mentare eines Sprechers und der Verweis auf die ungerechte Ständeordnung geben der Handlung einen allegorischen Anstrich. Im Vergleich der beiden Fassungen fallen einige Änderungen auf: So tilgte Hartmann die Verweise auf das Dritte Reich, redu­ zierte die gesprochenen Dialoge und kom­ ponierte einige Nummern hinzu. Zwei von ihnen, das Vorspiel und das Zwischenspiel zwischen 1. und 2. Akt, stellte er mit dem Auftrittslied des Einsiedlers und drei Tän­ zen aus dem 3. Akt zu einer Orchester­suite zusammen. Der besondere Klang dieser Musik resul­ tiert zum einen aus ihrer Besetzung: Nur jeweils eine Flöte, Klarinette, Fagott, Trompete und Posaune stehen vier Schlag­ zeugern, Harfe und Streichorchester ­gegenüber. Prägend ist zum anderen ein Stilmix, den Hartmann schon in jungen Jahren pflegte, der nun aber eine zusätz­ liche Tiefenwirkung gewinnt: als klares Nein zum verengten Musikgeschmack der Nationalsozialisten. So stellt das Vorspiel eine Hommage an Prokofjew und dessen kristallines Klang­ bild dar; hinzu kommen Anklänge an Stra­ winsky und dessen »Geschichte vom Sol­ daten«. Die Paraphrase eines jüdischen Volkslieds im Vorspiel (Bratschensolo) darf als Solidaritätserklärung mit den Opfern verstanden werden. Außerdem blendet Hartmann immer wieder Märsche, Lieder, Tänze sowie aktuelle Populärmusik (Jazz) ein – bis hin zum Zitat des Chorals »Nun ruhen alle Wälder« im 2. Satz: als musika­ lische Gegenwelt ein kurzes Aufflackern von Hoffnung. 4. Konzert 17 Uhr 19 Karl Amadeus Hartmann (rechts) zusammen mit dem Dirigenten Hermann Scherchen (1935) 4. Konzert 17 Uhr Volles Programm. KLASSIK. BALLETT. ROCK. POP. MUSICAL. JAZZ. THEATER. COMEDY. SHOW. SPORT. Tickets online bestellen: www.muenchenticket.de Callcenter 0 89 / 54 81 81 81 21 SERGEJ PROKOFJEW: KLAVIER­ KONZERT NR. 4 B-DUR OP. 53 (FÜR DIE LINKE HAND) Der österreichische Pianist Paul Wittgen­ stein, Bruder des berühmten Philosophen, ging in die Musikgeschichte als Initiator eines neuen Konzertrepertoires für die lin­ ke Hand ein. Im 1. Weltkrieg hatte er den rechten Arm verloren, konnte aber dank familiärer Unterstützung seit 1923 ent­ sprechende Kompositionsaufträge verge­ ben. Zu den so entstandenen Werken zäh­ len Klavierkonzerte von Hindemith, Strauss, Britten und Ravel. Auch Prokofjew wurde im Jahr 1931 um einen Beitrag gebeten. Vermutlich hatte Wittgenstein auf ein Werk gehofft, das dem populären 3. Klavierkonzert von 1921 äh­ nelte: glanzvoll, pianistisch dankbar und von der Konzerttradition nicht allzu weit entfernt. Prokofjew aber begriff die Be­ sonderheit des Auftrags, den Solopart mit nur fünf Fingern zu bestreiten, als kompo­ sitorische Herausforderung: Er reduzierte den Orchesterapparat auf Haydn’sches Maß, ergänzt um je eine Trompete, Posau­ ne und große Trommel (keine Pauken !). Und er dünnte auch den musikalischen Satz derart aus, dass es nur an wenigen, stra­ tegisch wichtigen Stellen zu Klangballun­ gen kommt. Zusätzlich fand er, wieder einmal, eine höchst originelle formale Lösung für das Werk, die sich von denen der Klavierkon­ zerte Nr. 1 bis Nr. 3 deutlich unterschei­ det. So besteht op. 53 aus vier Sätzen (wie in Nr. 2), die sich substantiell aber auf drei zurückführen lassen (wie in Nr. 3), denn der letzte Satz »stellt eine Reminiszenz des ersten dar, nur gekürzt und durchaus piano gehalten« (Prokofjew). Dieses Vexierspiel schlägt auch auf den 3. Satz durch, der in mäßigem Tempo beginnt und sich erst mit dem Seitenthema auf seinen Finale-Charakter »besinnt«. Stärker als bei den übrigen Konzerten steht in op. 53 die Frage nach dem pianis­ tisch Machbaren im Vordergrund. Weite Strecken des 1. Satzes bestreitet Prokof­ jew mit einem einstimmigen Solopart, da­ für aber im halsbrecherischen Tempo und mit Ausnutzung der gesamten Klaviatur. Akkorde kommen praktisch nicht vor, und erst in der Durchführung etabliert sich Zweistimmigkeit. Wobei »Durchführung« hier nur als Hilfsbegriff dienen kann, denn das Charakteristische an diesem Vivace sind rasch aufeinanderfolgende Kurzthe­ men, zusammengesetzt nach Art eines Baukastenprinzips. Ganz anders das Andante, das aus der ständigen Variation zweier gesanglicher Hauptthemen besteht. Auch das Solo­ instrument nimmt eine neue Rolle ein: Es präsentiert das Seitenthema als roman­ tisches Klavierstück, trägt akkordische Fülle und lyrischen Schmelz bei oder beglei­ tet im Harfenstil. Pianistisches »Hexen­ werk« bietet der 3. Satz, mit drei- und vierstimmigem Spiel, Oktavengewitter und einer kurzen, aber extrem heiklen Kadenz. Nur dass diese Zurschaustellung von Virtuosität nicht das letzte Wort ist: Das obliegt dem 4. Satz und seinem wispernden Vivace-­Nachklang. Erfolg hatte Prokofjew mit diesem ausge­ klügelten Experiment nicht. »Ich danke Ihnen für das Konzert«, schrieb ihm Wittgenstein, »aber ich verstehe darin keine einzige Note und werde es niemals spielen«. So fand die Uraufführung des Werks erst 1956 statt, ohne die Beteiligung des Auftraggebers. 4. Konzert 17 Uhr 22 JÖRG WIDMANN: »CON BRIO« WOLFGANG AMADEUS MOZART: KLARINETTENKONZERT A-DUR KV 622 Als sein zentrales künstlerisches Anliegen bezeichnete Jörg Widmann einmal, »Tradi­ tion und Innovation zu verbinden«. Bei­ spiele hierfür finden sich in seinem Œuvre zuhauf; ein besonders typisches ist die Konzertouvertüre für Orchester »Con Brio« aus dem Jahr 2008. Bei ihrer Urauf­ führung wurde sie zwischen Beethovens 7. und 8. Symphonie gespielt, die beide einen Allegro con brio-Satz enthalten und so als Angelpunkt von Widmanns Stück dienen. Beethoven-Intonationen durchziehen die Ouvertüre von Beginn an: Mal sind es Zita­ te wie die beiden eröffnenden Akkordschlä­ ge (aus dem Finale der »Achten«), mal An­ klänge und Ähnlichkeiten. Häufig isoliert Widmann einzelne Elemente der Symphoni­ en, um sie seinen Klangvorstellungen zu unterwerfen und so zu verfremden: die markanten Achteltriolen aus dem 1. Satz der »Siebten«, Trompetenglanz und Jagd­ hornklang, Tonleitern und nackte Akkorde. Zu den auffälligsten Verfremdungsmetho­ den gehören Atemgeräusche in den Blä­ sern, Streicher-Glissandi und das Spiel am Steg sowie ein ausgeklügeltes Repertoire an Schlagarten der Pauke – auf weitere Perkussionsinstrumente verzichtet Wid­ mann, um nicht von der klassischen Beset­ zung abzuweichen. All dies steht im Dienst einer Motorik, wie sie Beethoven, vor allem in den Ecksätzen der 7. und 8. Symphonie, auf die Spitze ge­ trieben hat: »Furor und rhythmisches Drängen« nennt Widmann als Ziel seiner Darstellung. Dass da im Extremfall Ton und Klang auf der Strecke bleiben und durch Mundgeräusche ersetzt werden (Schmat­ zen, Pusten, Anlauten), ist Absicht. Eben­ so das ständige aus dem Gleis Geraten, das Stolpern, die Abkehr vom einmal gefunde­ nen Bewegungsmuster. Denn gerade dieses »Aushebeln von Schwerpunkten« durch eine »Vielzahl an Sforzati und Akzenten« geht laut Widmann auf den Symphoniker Beethoven zurück. Ganz anders das Klarinettenkonzert A-Dur, das zu den letzten vollendeten Werken Mo­ zarts gehört. Ein »Drängen« oder gar »Fu­ ror« sucht man hier vergebens; stattdes­ sen überwiegt bei aller Spielfreude eine melancholische Abgeklärtheit, wie sie ty­ pisch für Mozarts Spätwerk ist. Kompo­ niert wurde das Konzert – in einer Zeit, als Mozart selbst kaum noch auftrat – für den Klarinettistenfreund Anton Stadler und dessen Spezialinstrument, eine besonders tief reichende Bassettklarinette. Virtuosität wird in KV 622 weniger zur Schau gestellt als dem musikalischen Dia­ log mit dem Orchester eingeschrieben. Von der auftrumpfenden Geste früherer Kla­ vierkonzerte keine Spur; ganz natürlich münden die mehrheitlich lyrischen Themen in Geläufigkeitspassagen. Gleichzeitig setzt Mozart auf ein hellwaches, für Neues aufgeschlossenes Publikum: wenn er im 1. Satz das Hauptthema sofort imitatorisch durchführt oder dem Solisten schon nach wenigen Takten ein Thema in Moll zuweist. Im 2. Satz arbeitet Mozart – auch dies ein Charakteristikum seiner späten Werke – stark mit Klangfarben. So gewinnen die einzelnen Strophen des schlichten Lied­ themas durch die Orchesterantworten un­ geahnte Breite und Tiefe, während der Solist Verzierungen und Umspielungen in 5. Konzert 19 Uhr 23 Joseph Lange: Mozart am Klavier (unvollendetes Porträt, 1789) den unterschiedlichsten Klangregistern präsentiert. Heiter und unbeschwert gibt sich das Finale, aber auch hier liegt die Raf­ finesse im Detail. Ständig wechselt die Klarinette zwischen Melodie- und Bass­ stimme, konkurriert also mal mit den Gei­ gen, mal mit Celli und Bässen – Rollen­ tausch als Programm. 5. Konzert 19 Uhr 24 SERGEJ PROKOFJEW: KLAVIER­ KONZERT NR. 5 G-DUR OP. 55 Als Prokofjew 1927 zum ersten Mal nach fast neunjähriger Abwesenheit seine alte russische Heimat besuchte, fand diese Rei­ se starke Beachtung. Fast jährlich folgten nun weitere Aufenthalte in der Sowjet­ union, wo man sich bemüht zeigte, den »verlorenen Sohn« heimzuholen. Durch Aufführungen und Kompositionsaufträge wurde Prokofjew regelrecht umgarnt – und im gleichen Atemzug für seine angeblich westlich-dekadente Musik kritisiert. Wi­ dersprüchliche Vorzeichen also, unter de­ nen sich Prokofjew im Mai 1936 schließlich in Moskau niederließ. Innerhalb dieser Phase allmählicher Wie­ derannäherung kann das Jahr 1932 als Scharnier gelten. Im Herbst verhandelte Prokofjew nicht nur über einen Teilzeit-­ Lehrauftrag am Moskauer Konservatorium, sondern nahm auch einen Kompositionsauf­ trag an, die Filmmusik zu »Leutnant Kishe«. Musikalischer Hauptertrag dieses Jahres aber war das 5. Klavierkonzert, das seinen Abschied von der internationalen Karriere als Solist einläutete. Spektakulär die Ur­ aufführung in Berlin im Oktober 1932: mit ­Prokofjew am Klavier und den Berliner Phil­ harmonikern unter Wilhelm Furtwängler. Ein letztes Virtuosenkonzert für den Wes­ ten also – und doch bedient sich op. 55 über weite Strecken einer entschlackten, verständlicheren Tonsprache als früher. Der ursprüngliche Titel des Werks lautete »Musik für Klavier mit Orchester«, was auf eine Distanz sowohl zum virtuosen An­ spruch als auch zur üblichen formalen Ge­ staltung verweist. Verwirklicht ist jedoch nur letzteres: Das Konzert hat fünf nicht allzu lange Sätze, von denen der dritte sein thematisches Material aus dem ersten be­ zieht. Dafür brennt Prokofjew ein pianisti­ sches Feuerwerk ab, mit halsbrecherisch motorischen Passagen, gleichzeitigen Glis­ sandi und Arpeggien, dazu Themen, die die gesamte Klaviatur beanspruchen. Eingebettet ist diese Brillanz allerdings in einen transparenten Orchestersatz, der fast klassisch anmutet. Die Stimmen sind extrem eigenständig geführt, ohne die ge­ wohnten Klangballungen, aber auch ohne Scheu vor harmonischen Härten. »Polyphon­ linear« nannte der Prokofjew-Biograph Friedbert Streller diese Verfahrensweise. Dabei dominieren weiterhin gespreizte Me­ lodien mit weiten Intervallsprüngen, die den Eindruck des Skurrilen, Bizarren her­ vorrufen, besonders in den Ecksätzen und der Toccata. 2. und 4. Satz geben lyrische­ ren Momenten Raum, die aber bald wieder vom brillanten Furor des Solisten hinweg­ gefegt werden. Woher rührt diese neue, auf artifizielle Weise reduzierte Tonsprache ? Ist sie ein Ausdruck von Reife ? Oder bereits eine Re­ aktion auf die sowjetischen Forderungen nach mehr Volksnähe und Schlichtheit ? Leichter durchhörbar und damit verständ­ licher mag das 5. Klavierkonzert durchaus sein; volkstümlicher freilich nicht und ein­ facher aufzuführen erst recht nicht. Ge­ genüber skeptischen sowjetischen Kriti­ kern sah sich Prokofjew denn auch in Er­ klärungsnot. Eigentlich »sollte das Konzert nicht schwierig werden«, notierte er in seiner Autobiographie von 1941. Allein sei­ ne Furcht vor der »Wiederholung alter Wendungen« habe ihn vom Ideal einer »neuen Einfachheit« abrücken lassen. Ein einziges Mal nur noch, kurz vor seinem Tod, kehrte er zur Gattung Klavierkonzert zu­ rück. Das Werk blieb jedoch unvollendet. 5. Konzert 19 Uhr 25 Pjotr Kontschalowskij: Sergej Prokofjew (1934) 5. Konzert 19 Uhr 26 MÜNCHNER PHILHARMONIKER Seit ihrer Gründung 1893 bereichern die Münchner Philharmoniker unter renom­ mierten Dirigenten das musikalische Leben Münchens. Bereits in den Anfangsjahren des Orchesters garantierten Dirigenten wie Hans Winderstein und Felix Weingart­ ner hohes spieltechnisches Niveau. Gustav Mahler dirigierte das Orchester bei den Uraufführungen seiner 4. und 8. Sympho­ nie und im November 1911 gelangte unter Bruno Walters Leitung Mahlers „Das Lied von der Erde“ zur Uraufführung. Ferdinand Löwe leitete die ersten Bruckner-­ Konzerte und begründete die Bruckner-Tradition des Orchesters, die von Siegmund von Hausegger und Oswald ­Kabasta glanzvoll fortgeführt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Eugen Jochum das erste Konzert mit der „Sommernachtstraum“-Ouvertüre von ­Felix Mendelssohn Bartholdy. Kurz darauf gewannen die Philharmoniker mit Hans Ros­ baud einen herausragenden Orchester­ leiter, der sich zudem leidenschaftlich für die Neue Musik einsetzte. Sein Nachfolger war von 1949 bis 1966 Fritz Rieger, in des­ sen Amtszeit die Grundlagen für die erfolg­ reiche Jugendarbeit der Philharmoniker gelegt wurden. In der Ära Rudolf Kempes (1967–76) bereisten die Philharmoniker erstmals die damalige UdSSR. 1979 leitete Sergiu Celibidache seine erste Konzertserie bei den Münchner Philharmo­ nikern und wurde im Juni desselben Jahres zum Generalmusikdirektor ernannt. Die legendären Bruckner-Konzerte trugen we­ sentlich zum internationalen Ruf des Or­ chesters bei. Von 1999 bis 2004 war James Levine Chefdirigent der Münchner Philhar­ moniker, die im Frühjahr 2003 vom Deut­ schen Musikverleger-Verband den Preis für das „Beste Konzertprogramm der Saison 2002/03“ erhielten. Im Januar 2004 er­ nannten die Münchner Philharmoniker Zu­ bin Mehta zum ersten Ehrendirigenten in der Geschichte des Orchesters. Generalmusikdirektor Christian Thiele­ mann pflegte in seiner siebenjährigen Amtszeit die Münchner Bruckner-Tradition ebenso wie das klassisch-romantische Repertoire. Maßstäbe setzende Höhepunk­ te bildeten die szenischen Aufführungen der beiden Strauss-Opern „Der Rosenka­ valier“ und „Elektra“ in Baden-Baden. Zum 100-jährigen Jubiläum der Münchner Ur­ aufführung leitete Christian Thielemann im Oktober 2010 zwei Aufführungen von Gustav Mahlers 8. Symphonie. Unter dem Titel »Spielfeld Klassik« entwi­ ckelten die Münchner Philharmoniker in den letzten Jahren ein umfangreiches Angebot für Kinder und Jugendliche. Jährlich neh­ men bis zu 30.000 Kinder und Jugendliche an mehr als 150 Veranstaltungen teil. Mit Beginn der Saison 2012/2013 wurde Lorin Maazel Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Während seiner Amtszeit legte er den Fokus seiner Arbeit auf eine Erweiterung des Repertoires und eine Fle­ xibilisierung des Klangs. Seit der Spielzeit 2015/16 ist Valery Ger­ giev Chefdirigent der Münchner Philharmo­ niker. Unter seiner Leitung wurde bereits 2011/12 ein Projekt umgesetzt, das es in dieser Form in München bislang noch nicht gegeben hatte: die Aufführung aller 15 Symphonien von Dimitrij Schostakowitsch gemeinsam mit dem Mariinsky Orchester. Die Orchester 27 MARIINSKY ORCHESTER Das Orchester des Mariinsky Theaters St. Petersburg, dessen Geschichte mehr als 200 Jahre zurückreicht, ist heute eines der international renommiertesten Ensem­ bles und gehört zu den „Top 20“ der welt­ weit führenden Orchester. Regelmäßige Tourneen führen die Musiker zu den großen Opern- und Konzertbühnen Europas, der USA, Japans und Kanadas. Die internatio­ nale Präsenz des Orchesters veranlasste die Presse sogar vom „ersten globalen ­Orchester der Welt“ zu sprechen. Daneben stehen jährliche Reisen mit Bildungs- und Charity-Programmen durch russische Städte und die GUS-Staaten, von Irkutsk und Almaty nach Kaliningrad und Vilnius. In seiner großen Historie hatte das Orchester die Ehre, zahlreiche Werke von Glinka, Rimskij-Korsakow, Tschaikowsky, Mussorg­ sky, Borodin und Prokofjew zur Urauffüh­ rung zu bringen. Am Pult standen Dirigen­ ten wie Eduard Nápravník, Arthur Nikisch, Albert Coates, Jewgeni Mravinsky, Kons­ tantin Simeonov und Yuri Temirkanov, aber auch Hector Berlioz, Pjotr Tschaikowsky, Sergej Rachmaninow und Gustav Mahler. Seit 1988 leitet Maestro Valery Gergiev das Orchester, dessen Repertoire er maß­ geblich erweiterte. Heute stehen die klas­ sischen Meisterwerke des 19. und 20. Jahrhunderts – u. a. sämtliche Symphoni­ en von Prokofjew, Schostakowitsch, Mah­ ler und Beethoven – ebenso auf den Kon­ zertprogrammen wie symphonische Musik von Komponisten wie Boris Tishchenko, Sofia Gubaidulina, Giya Kancheli, Rodion Schtschedrin und ­Alexander Raskatov. Vor vier Jahren etablierte das Orchester ein eigenes Plattenlabel, für das unter ­Valery Gergievs Leitung bereits vier Sym­ phonien von Dmitrij Schostakowitsch einge­ spielt wurden, zudem die Oper „Die Nase“, eine Einspielung, die mit dem MIDEM Clas­ sical Award ausgezeichnet wurde, und da­ rüber hinaus Werke von Schtschedrin, Tschaikowsky, Strawinsky und Richard Wagner, die ebenso verschiedene Auszeich­ nungen und phänomenale Kritiken erhiel­ ten. Im Mai 2013 eröffnete das Orchester unter Valery Gergievs Leitung mit einem feierli­ chen Galakonzert den Neubau „Mariinsky II“ und gleichzeitig eines der spektakulärsten Kulturareale der Welt. Global partners des Mariinsky Theaters Die Orchester 28 Valery Gergiev DIRIGENT In Moskau geboren, studierte Valery Ger­ giev zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am Leningrader Konservatorium. Bereits als Student war er Preisträger des Herbert-­ von-Karajan-Dirigierwettbewerbs in Berlin. 1978 wurde Valery Gergiev 24-jährig As­ sistent von Yuri Temirkanov am MariinskyOpernhaus, wo er mit Prokofjews Tolstoi-­ Vertonung »Krieg und Frieden« debütierte. 2003 dirigierte Gergiev als erster russi­ scher Dirigent seit Tschaikowsky das Sai­ soneröffnungskonzert der New Yorker Car­ negie Hall. Valery Gergiev leitet seit mehr als zwei Jahr­ zehnten das legendäre Mariinsky-Theater in St. Petersburg, das in dieser Zeit zu einer der wichtigsten Pflegestätten der russi­ schen Opernkultur aufgestiegen ist. Darü­ ber hinaus ist er Leiter des 1995 von Sir Georg Solti ins Leben gerufenen »World Or­ chestra for Peace«, mit dem er ebenso wie mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters regelmäßig Welttourneen unternimmt. Von 2007 an war Gergiev außerdem Chefdiri­ gent des London Symphony Orchestra, mit dem er zahlreiche Aufnahmen für das haus­ eigene Label des Orchesters einspielte. Valery Gergiev präsentierte mit seinem Mariinsky-Ensemble weltweit Höhepunkte des russischen Ballett-und Opernrepertoi­ res, Wagners »Ring« sowie sämtliche Sym­ phonien von Schostakowitsch und Prokof­ jew. Mit dem London Symphony Orchestra trat er regelmäßig im Barbican Center Lon­ don, bei den Londoner Proms und beim Edin­ burgh Festival auf. Zahlreiche Auszeichnun­ gen begleiteten seine Dirigenten­karriere, so z. B. der Polar Music Prize und der Preis der All-Union Conductor’s Competition in Moskau. Seit Beginn der Spielzeit 2015/16 ist Valery Gergiev Chefdirigent der Münch­ ner Philharmoniker. Die Künstler 29 Herbert Schuch Denis Matsuev KLAVIER KLAVIER Der in Rumänien geborene Herbert Schuch lebt seit 1988 in Deutschland, wo er seine musikalische Ausbildung bei Kurt Hantsch und bei Karl-Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum erhielt. Internationales Aufsehen erregte er, als er innerhalb eines Jahres drei bedeutende Wettbewerbe in Folge gewann, den Casagrande-Wettbewerb, den London International Piano Competition und den Internationalen Beethovenwettbewerb Wien. Herbert Schuch arbeitet u. a. mit Orchestern wie dem London Philharmonic Orchestra, dem NHK Symphony Orchestra und der Camerata Salzburg zusammen und ist regelmäßig Gast bei Festspielen wie dem Rheingau Musik Festival, dem Klavier-Festival Ruhr und den Salzburger Festspielen. 2013 erhielt Herbert Schuch den ECHO Klassik für seine Aufnahme des Klavierkonzerts von Viktor Ullmann sowie Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 gemeinsam mit dem WDR Sinfonieorches­ ter unter der Leitung von Olari Elts. Neben seiner Konzerttätigkeit engagiert er sich in der von Lars Vogt gegründeten Initiative „Rhapsody in School“, die sich für die Vermittlung von Klassik in Schulen einsetzt. Seit seinem Gewinn des 1. Preises beim Internationalen Tschaikowsky Wettbewerb in Moskau 1998 hat sich der russische Ausnahmepianist Denis Matsuev zu einem der angesehensten Interpreten unserer Zeit entwickelt. Er arbeitet mit renommierten Orchestern wie dem New York Philharmonic Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra, den Berliner Philharmonikern, dem London Symphony Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra u. a. zusammen und unter der Stabführung von Dirigenten wie Lorin Maazel, Valery Gergiev, Zubin Mehta, Mariss Jansons, Kurt Masur, Paavo Järvi, Leonard Slatkin, Myung-Whun Chung, Antonio Pappano, Semyon Bychkov, Jukka-Pekka Saraste, James Conlon, Vladimir Spivakov, Mikhail Pletnev und Vladimir Fedoseyev. Seine Einspielungen von Konzerten und Solo-Werken von Liszt, Rachmaninow und Schostakowitsch stießen bei der internationalen Fachpresse auf begeisterte Resonanz, so auch seine aktuelle Aufnahme der beiden SchostakowitschKonzerte und dem fünften Klavierkonzert von Rodion Schtschedrin mit Valery Gergiev und dem Mariinsky Orchester. Die Künstler 30 Behzod Abduraimov Alexei Volodin KLAVIER KLAVIER Behzod Abduraimov wurde 1990 in Taschkent / Usbekistan geboren. Nach der Ausbildung am staatlichen Uspensky-Musikgymnasium seiner Heimatstadt studierte er am International Center for Music at Park University, Kansas City bei Stanislav Ioudenitch. Behzod Abduraimov konzertierte bereits mit Orchestern wie dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, dem Boston Symphony Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra, dem Mariinsky Orchester und der Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Er trat mit namenhaften Dirigenten wie Vladimir Ashkenazy, Valery Gergiev, Krzysztof Urbański, Vasily Petrenko, James Gaffigan, Charles Dutoit und Vladimir Jurowski auf. Sein erstes Studio-Rezital gewann den Choc de Classica and den Diapason Découverte. Im Herbst 2014 erschien seine erste Konzert-CD mit dem Klavierkonzert Nr. 3 von Prokofjew und Tschaikowskys Konzert Nr. 1 mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai unter Juraj Valčuha. Für die nächsten zwei Spielzeiten ist Behzod Abduraimov Künstler der Reihe »Junge Wilde« am Konzerthaus Dortmund. Der 1977 in Leningrad geborene Pianist wurde als Zehnjähriger am Moskauer Gnessin-Institut aufgenommen und studierte später bei Eliso Virsaladze am Moskauer Konservatorium. Mit dem Sieg beim Concours Géza Anda in Zürich 2003 begann Alexei Volodins internationale Karriere, die ihn u. a. zum Gewandhausorchester Leipzig, dem London Symphony Orchestra, dem Orchestre National de France, dem Tonhalle-Orchester Zürich und dem Mariinsky Orchester führte, wo er 2014/15 als Artist-in-Residence alle fünf Beethoven Konzerte zur Aufführung brachte. Alexei Volodin ist immer wieder bei bedeutenden Veranstaltungen und in den wichtigsten Konzertsälen zu erleben, etwa bei der Londoner International Piano Series, in der Wigmore Hall, im Wiener Konzerthaus, in der Alten Oper Frankfurt, im Münchner Herkulessaal, in der Tonhalle Zürich, im Concertgebouw in Amsterdam und dem Salle Pleyel in Paris. Er ist gern gesehener Gast bei Festivals wie dem Kissinger Sommer, dem »White Nights«-Festival in St. Petersburg und dem Osterfestival in Moskau. Die Künstler 31 Jörg Widmann Olli Mustonen KLARINETTE KLAVIER Der gebürtige Münchner Jörg Widmann studierte Klarinette an der Musikhochschule seiner Heimatstadt bei Gerd Starke und später bei Charles Neidich an der New Yorker Juilliard School. Ab dem Alter von elf Jahren nahm er Kompositionsunterricht u. a. bei Wilfried Hiller, Hans Werner Henze, Heiner Goebbels und Wolfgang Rihm. Als Klarinettist gilt seine Passion vor allem der Kammermusik. Er musiziert regelmäßig mit Partnern wie Tabea Zimmermann, Heinz Holliger, András Schiff, Christine Schäfer und Gidon Kremer. Auch als Solist in Orchesterkonzerten feiert er im In- und Ausland Erfolge. Mehrere neue Klarinettenkonzerte wurden ihm gewidmet, darunter Werke von Wolfgang Rihm, Aribert Reimann und Heinz Holliger. Jörg Widmann war Composer- und Artist-in-Residence bei verschiedenen Festivals und Institutionen wie den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival, der Kölner Philharmonie, dem Wiener Konzerthaus sowie beim Cleveland Orchestra. Seit 2001 ist er Professor für Klarinette an der Freiburger Hochschule für Musik, 2009 erhielt er dort eine zusätzliche Professur für Komposition. In Helsinki geboren, studierte Olli Mustonen Klavier bei Eero Heinonen und Komposition bei Einojuhani Rautavaara. In der Dreifachrolle als Pianist, Dirigent und Komponist ist er in den großen Konzertsälen weltweit zu erleben. Als Solist hat Olli Mustonen mit den meisten der führenden Orchester und renommierten Dirigenten zusammengearbeitet. Zu den Höhepunkten der letzten Spielzeiten zählen der Zyklus der Bartók-Klavierkonzerte mit dem BBC Scottish Symphony Orchestra, Konzerte mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, mit dem Mariinsky Orchester unter Valery Gergiev und eine Rückkehr zum Orchestre de Paris unter Paavo Järvi. Mit zeitgenössischen Komponisten pflegt Olli Mustonen engen Kontakt, allen voran mit Rodion Schtschedrin, der ihm sein 5. Klavierkonzert widmete. Im Mittelpunkt seiner pianistischen Arbeit steht im Moment die Musik Prokofjews. In Zusammenarbeit mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra spielt er zurzeit die fünf Klavierkonzerte ein und tritt mit einem Zyklus aller ProkofjewKlaviersonaten u. a. in Helsinki, Singapur und Amsterdam auf. Die Künstler 32 IMPRESSUM TEXTNACHWEISE BILDNACHWEISE Herausgeber: Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4 81667 München Marcus Imbsweiler schrieb den Einführungstext zu Sergej Prokofjew sowie alle Werktexte zu den auf­ geführten Kompositionen als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoni­ ker. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den Auto­ rinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungsund kostenpflichtig. Abbildungen zu Sergej Prokofjew: Sergej Prokof­ jew, Aus meinem Leben – Sowjetisches Tagebuch 1927, Zürich / St. Gallen 1993. Israel V. Nestyev, Prokofiev – Der Künstler und sein Werk, Stanford – London 1961. Abbildung zu Joseph Haydn: László Somfai, Joseph Haydn – Sein Leben in zeitgenös­ sischen Bildern, Kassel 1966. Abbildung zu Carl Maria von Weber: wikime­ dia commons. Abbildung zu Max Reger: Susanne Popp, Susanne Shigihara (Hrsg.), Max Reger, Am Wendepunkt zur Moderne, Bonn 1987. Abbildung zu Karl Amadeus Hartmann: Franzpeter Messmer (Hrsg.), Karl-AmadeusHartmann-Jahr 2005 in Bayern, München 2004. Abbildung zu Wolfgang Amadeus Mozart: Gilles Cantagrel, Wolfgang Ama­­deus Mozart – Eine illus­­trierte Biographie, Mün­ chen 2005. Künstler­ photographien: Marco Borg­greve (Gergiev, Volo­ din, Widmann), Felix Broe­ de (Schuch), Pavel Anto­ nov (Matsuev), Christian Fatu (Abduraimov), Outi Montosen (Mustonen). Lektorat: Christine Möller Corporate Design: HEYE GmbH München Graphik: dm druckmedien gmbh München Druck: Color Offset GmbH Geretsrieder Str. 10 81379 München Impressum FÜR IHREN GANZ PERSÖNLICHEN BRILLANTEN AUFTRITT: DER FRIDRICH SOLITÄR In unserem großen Angebot an Brillanten in vielen Größen ist sicher auch Ihr WunschSolitär dabei - fragen Sie uns! z.B. 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