Praktikumsbuch Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik

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Praktikumsbuch
Klinische Chemie und
Laboratoriumsdiagnostik
5. Auflage 2004
3
INHALTSVERZEICHNIS
I
Hämatologie..........................................................................................................6
I.1
Einführung................................................................................................................6
I.2
Erythrozytäres System .............................................................................................6
I.3
Granulozytäres System ............................................................................................7
I.4
Monozyten-Makrophagen System ............................................................................7
I.5
Lymphatisches System ............................................................................................7
I.6
Thrombozytäres System ..........................................................................................8
I.7
Hämatopoietische Wachstumsfaktoren....................................................................8
I.8
Praktische Übungen...............................................................................................10
II
Hämatologie........................................................................................................13
II.1
Anämien.................................................................................................................13
II.2
Praktische Übungen...............................................................................................17
III
Hämatologie ....................................................................................................18
III.1
Reaktive Veränderungen........................................................................................18
III.2
Chronische neoplastische Veränderungen.............................................................18
III.3
Praktische Übungen...............................................................................................20
IV
Hämatologie ....................................................................................................23
IV.1
Zytochemie ............................................................................................................23
IV.2
Immunologie ..........................................................................................................23
IV.3
FAB Klassifikation der AML....................................................................................25
IV.4
FAB Klassifikation der ALL.....................................................................................25
IV.5
Praktische Übungen...............................................................................................26
V
Blutgruppenserologie ..........................................................................................27
VI
Hämostaseologie .............................................................................................33
VI.1
VII
Primäre Hämostase ...............................................................................................33
Labororganisation und Qualitätsmangement...................................................37
VII.1 Präanalytik .............................................................................................................37
VII.2 Analyse + analytische Beurteilung..........................................................................37
VII.3 Medizinische Validation ..........................................................................................40
VII.4 Befundinterpretation...............................................................................................40
VII.5 Einflußfaktoren und Störfaktoren............................................................................40
VII.6 Praktikum ...............................................................................................................41
VIII
Tumormarker ...................................................................................................42
4
VIII.1 Einteilung der Tumormarker...................................................................................42
VIII.2 Zeitplan der Tumormarkerbestimmung ..................................................................44
VIII.3 Validität eines Tumormarker ..................................................................................44
VIII.4 Besondere Rolle des PSA (Prostata-spezifisches Antigen) ....................................45
VIII.5 Praktikum ...............................................................................................................48
IX
Labordiagnostik der Herz-, Leber- und Pankreaserkrankungen ......................49
IX.1
Herzinfarkt..............................................................................................................49
IX.2
Leber......................................................................................................................54
IX.3
Pankreas................................................................................................................62
X
Kohlenhydratstoffwechsel ...................................................................................64
X.1
Einleitung ...............................................................................................................64
X.2
Klassifikation des Diabetes mellitus .......................................................................64
X.3
Diagnostische Kriterien des Diabetes mellitus........................................................65
X.4
Labor-Diagnostik des Diabetes mellitus .................................................................65
X.5
Bestimmungsmethoden der Glucose .....................................................................68
XI
Lipidstoffwechsel .............................................................................................70
XI.1
Biochemie ..............................................................................................................70
XI.2
Risikofaktoren der Atherosklerose .........................................................................70
XI.3
Bewertung von Lipidstoffwechselstörungen ...........................................................72
XI.4
Einteilung der Dyslipoproteinämie ..........................................................................73
XI.5
Diagnostik von Fettstoffwechselstörungen .............................................................75
XI.6
Präanalytische Einflüsse bei lipiddiagnostischen Untersuchungen.........................78
XI.7
Praktikum ...............................................................................................................79
XII
Liquordiagnostik...............................................................................................80
XII.1 Liquor-Produktion...................................................................................................80
XII.2 Diagnostik ..............................................................................................................80
XII.3 Zellsyndrome, Zellreaktionen .................................................................................82
XII.4 Eiweißuntersuchung...............................................................................................82
XIII
Endokrinologische Diagnostik..........................................................................85
XIII.1 Schilddrüse ............................................................................................................85
XIII.2 Nebenniere ............................................................................................................89
XIII.3 Immunoassays .......................................................................................................93
XIV
Urin-Diagnostik ..............................................................................................100
XIV.1 Beurteilung der GFR ............................................................................................100
XIV.2 Urin Basis-Diagnostik ...........................................................................................101
XIV.3 Proteinurien..........................................................................................................103
5
XIV.4 Gezielte Urin-Diagnostik.......................................................................................104
XIV.5 Praktische Übungen.............................................................................................105
XV
Blutgase/Säuren-Basen-Status .....................................................................106
XVI
Wichtige World Wide Web (WWW)-Adressen ..............................................108
6
I
Hämatologie
I.1
Einführung
Unter physiologischen Bedingungen ist das Knochenmark postnatal alleiniger Ort der
Hämatopoese. Die Hämatopoese ist hierarchisch strukturiert. Erythrozyten, Thrombozyten
und Leukozyten werden aus einer gemeinsamen undeterminierten Stammzelle gebildet. Aus
dieser pluripotenten Stammzelle entstehen determinierte Stammzellen, die sich nur noch in
eine bestimmte Richtung differenzieren können. Morphologisch entsprechen undeterminierte
Stammzellen kleinen lymphoiden mononukleären Zellen, determinierte Stammzellen unreifen
Blasten. Der Nachweis solcher Stammzellen erfolgt in Tiermodellen und in vitro mit Hilfe von
Knochenmarkzellkulturen (Colony-forming Asssays).
Die Replikation der Stammzelle ist für die Erhaltung des Stammzellpools und damit des
blutbildenden System verantwortlich, während die Proliferation und Differenzierung zu
funktionstüchtigen Elementen wie Erythrozyten, Thrombozyten und Leukozyten führt. Die
Regulation dieser Expansion erfolgt über ortsständige (Knochenmarkstroma) und humorale
Faktoren. Eine Reihe wachstumsstimulierender Faktoren greifen direkt oder indirekt an
Stammzellen oder deren Rezeptoren an. Diese Zytokine (CSF, Erythropoietin, Interleukine)
bilden eine komplexe Familie von Glykoproteinen, die in den letzten Jahren identifiziert und
kloniert wurden. Hemmende Einflüsse auf die Proliferation werden u.a. durch Prostaglandin
E, Interferone und Tumornekrosefaktor (TNF-alpha) erzielt.
I.2
Erythrozytäres System
Die normale Erythropoese findet sich im Knochenmark in einer festen topographischen
Zuordnung zu den Marksinus, in Gruppen oder Nestern (Erythron). Die früheste
morphologisch identifizierbare Zelle der Erythropoese ist der Proerythroblast. Der Kern ist
rund, das Chromatin feinkörnig, das Zytoplasma dunkelbasophil mit perinukleärer
Aufhellungszone. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Normoblasten unterscheiden
sich in der Zellgröße, der Kernstruktur (schollig bis homogen) und dem Zytoplasma (basophil
bis orthochromatisch). Durch Kernausstoßung geht der orthochromatische Normoblast in
den kernlosen Retikulozyten über. Durch aktive Diapedese durch das Sinusendothel erfolgt
der Übergang des Retikulozyten ins periphere Blut. Mit Vitalfarbstoffen wie Brillantkresylblau
lassen sich die Ribosomen als netzartige Strukturen (Substantia granulofilamentosa) in den
Retikulozyten nachweisen. Diese Ribosomen gehen bei der Entwicklung zum Erythrozyten
verloren. Normale reife Erythrozyten haben die Gestalt einer bikonkaven flachen Scheibe.
Funktionell kann das erythrozytäre System in vier Kompartimente unterteilt werden.
Ausgangspunkt ist der Stammzellpool (BFU-E, CFU-E) mit hoher Teilungsaktivität. Eine
morphologische Identifizierung ist in diesem Kompartiment nicht möglich. Im
Proliferationspool beginnt mit der Hämoglobinsynthese die Differenzierung und die
Amplifikation durch eine Reihe von Zellteilungen. Aufgrund von Zellgröße,
Kernchromatinstruktur, und Zytoplasmabasophilie lassen sich verschiedene Zellen
morphologisch unterscheiden (Proerythroblast bis polychromatischer Normoblast). Im
Reifungspool erfolgen keine Zellteilungen mehr (orthochromatischer Normoblast,
Retikulozyt). Vom Reifungspool erfolgt der Übertritt ins periphere Blut in den
Funktionsspeicher (Erythrozyten). Die mittlere Lebensdauer der Erythrozyten im
peripheren Blut wird mit 120 Tagen angegeben. Die gesamte Reifungszeit vom
Proerythroblasten bis zum Retikulozyten im Knochenmark beträgt drei bis vier Tage.
7
I.3
Granulozytäres System
Im Knochenmark findet sich die Granulopoese entlang der Knochenbälkchen. Die unreifste
Zelle, die morphologisch eindeutig der Granulopoese zugeordnet werden kann, ist der
Myeloblast. Myeloblasten besitzen einen runden Kern mit unscharf begrenzten Nukleolen.
Das Zytoplasma ist zartblau; eine diskrete Granulation ist erlaubt. Promyelozyten sind
größer als Myeloblasten, die Kern/Plasma Relation ist geringer und das Zytoplasma
basophiler. Der Promyelozytenkern ist oval und liegt exzentrisch. Das Zytoplasma enthält
primäre oder azurophile Granula. Der Myelozyt ist kleiner als der Promyelozyt, der Kern ist
oval und enthält keine Nukleoli mehr. Er kann in die neutrophile, eosinophile oder basophile
Reihe durch das Vorkommen von spezifischen oder sekundären Granula mit den
entsprechenden Färbecharakteristika eingeteilt werden. Der Metamyelozyt zeigt eine
deutliche Kerneindellung, das Chromatin deutlich verklumpt. Die weitere Ausreifung erfolgt
über den Stabkernigen zum Segmentkernigen mit neutrophilen, eosinophilen und
basophilen Granula.
Auch die Granulopoese läßt sich in verschiedene funktionelle Kompartimente unterteilen:
den Stammzellpool (CFU-GM, CFU-G ), den mitotischen Pool (Myeloblasten,
Promyelozyten, Myelozyten) und den postmitotischen Pool bzw. Speicherpool
(Metamyelozyten, Stabkernige, Segmentkernige). Für die Dauer des Entwicklungsprozesses
vom Myeloblasten zum reifen Granulozyten kann man etwa zehn Tage annehmen. Die bei
Bedarf notwendige Expansion findet wahrscheinlich auf Myelozytenebene statt. Im
peripheren Blut lassen sich zwei Kompartimente unterscheiden, der zirkulierende und der
marginale Pool. Im marginalen Pool haften die Granulozyten am Gefäßendothel. Aus dem
Marginalpool sind die Granulozyten leicht mobilisierbar. Nach etwa 6-10 Stunden Aufenthalt
in der Blutbahn wandern die Granulozyten ins Gewebe ein.
I.4
Monozyten-Makrophagen System
Die frühesten morphologisch erkennbaren Zellen der monozytären Reihe sind Blasten
mittlerer Größe mit klarem blauen Zytoplasma (Monoblasten). Promonozyten, die nächste
Entwicklungsstufe, sind große Zellen mit heterogen geformten, gebuchteten oder gefalteten
Kernen. Promonozyten konstituieren bis zu 3% der hämatopoietischen Knochenmarkszellen.
Der Monozyt ist die größte Zelle im peripheren Blut. Er hat einen unregelmäßig geformten,
häufig gelappten Kern mit feinnetziger Chromatinstruktur und ein grau-blaues Zytoplasma.
Die äußere Zellkontur verläuft häufig unregelmäßig, das Zytoplasma ist manchmal
vakuolisiert. Aus den Monozyten entwickeln sich die Gewebsmakrophagen (z.B. Kupffer
Zelle, Langerhans Zelle, Osteoklast, Mikroglia Zelle, Alveolar-, Pleura-, Peritonealmakrophage)
Unter Normalbedingungen verlassen Monozyten das Knochenmark bereits 1-3 Tage nach
Produktion und zirkulieren ebenfalls für 1-3 Tage im peripheren Blut, bevor sie als
Makrophagen ins Gewebe wandern. Die Verweildauer dort beträgt je nach Gewebe Wochen
bis Monate.
I.5
Lymphatisches System
Im normalen Blutausstrich sind Lymphozyten überwiegend kleinzellig. Sie besitzen nur wenig
Zytoplasma. Der Kern ist rund oder nur leicht eingedellt und besteht aus dichtem Chromatin.
Große Lymphozyten zeigen reichlich Zytoplasma, und ihr Chromatin ist weniger kondensiert.
In manchen größeren Lymphozyten findet sich eine azurophile Granulation (LGL, Large
granular Lymphocytes). Phänotypisch lassen sich Lymphozyten aufgrund von spezifischen
Oberflächen-Merkmalen, die mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern definiert wurden, in
8
Subpopulationen unterteilen (z.B. B oder T Lymphozyten). T-Lymphozyten stellen mit etwa
80% die Hauptpopulation der Lymphozyten im Blut und in den lymphatischen Organen dar.
Sie sind die Träger der zellulären Immunreaktionen. Aufgrund von Oberflächenmerkmalen
+
lassen sich 2 Subpopulationen unterscheiden: CD4 T-Lymphozyten erkennen Antigene im
Kontext mit HLA Klasse II Molekülen und besitzen Helferfunktionen in der Immunantwort.
CD8+ T-Lymphozyten erkennen Antigene, die im Kontext mit HLA Klasse I Molekülen
präsentiert werden; sie besitzen vorwiegend zytotoxische Eigenschaften. B-Lymphozyten
als Träger der humoralen Immunantwort differenzieren zu Plasmazellen und produzieren
spezifische Immunglobuline. Plasmazellen besitzen einen ekzentrischen Kern mit grobverdichtetem Chromatin („Radspeichen“) und ein deutlich basophiles Zytoplasma. Sie
zirkulieren nicht im peripheren Blut.
Aus einer für die Lymphopoese gemeinsamen Stammzelle im Knochenmark entstehen die
Vorläuferzellen der B- und T-Lymphozyten. B-Vorläuferzellen entwickeln sich im
Knochenmark zu reifen B-Lymphozyten. T- Vorläuferzellen differenzieren im Thymus zu
reifen T-Lymphozyten.
I.6
Thrombozytäres System
Die Zellen der Megakaryozytopoese sind die größten Zellen des Knochenmarks. Drei
Stadien der Entwicklung des Megakaryozyten lassen sich morphologisch zuordnen. Der
Megakaryoblast mit runden bis nierenförmigen Kern und intensivblauem Zytoplasma, der
Promegakaryozyt mit lobuliertem Kern und geringerer Zytoplasmabasophilie und der reife
Megakaryozyt mit ausgeprägter Kernlobulierung und rötlichem, granuliertem Zytoplasma.
Die Zellen sid polyploid; die Zahl der Chromosomen beträgt das 4- bis 32-fache des
normalen diploiden Satzes. Der Megakaryoblast ist zur weiteren DNA-Synthese fähig,
dagegen nicht mehr teilungsfähig. Mit zunehmender Reifung geht die Fähigkeit zur DNASynthese verloren, während sich das Zellvolumen durch gleichzeige Zytoplasmareifung
vergrößert. Der gesamte Reifungsvorgang der Megakaryopoese dauert etwa 10 Tage. Die
Thrombozyten lösen sich vom Zytoplasma der Megakaryozyten durch Fragmentation.
Dieser Vorgang wird vorbereitet durch eine Invagination der Plasmamembran in das eigene
Zytoplasma. Thrombozyten sind kernlose, scheibenförmige Gebilde mit feiner azurophiler
Granulation. Die Lebensdauer im peripheren Blut beträgt etwa 7-10 Tage. Bei der Verteilung
im Organismus spielt die Milz eine wesentliche Rolle. Etwa 20-30% der Thrombozytenmasse
sind in der Milz gespeichert.
I.7
Hämatopoietische Wachstumsfaktoren
SCF (Stem cell factor):
SCF ist ein N- und O-glykolisiertes Protein mit einer Länge von 248 Aminosäuren. Das für
SCF kodierende Gen liegt auf Chromosom 12. SCF wirkt als Wachstumsfaktor für primitive
lymphatische
und
myeloische
hämatopoietische
Progenitorzellen,
die
das
Oberflächenprotein CD34 exprimieren.
Erythropoietin:
Erythropoietin (EPO) ist ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 34 kD. Der
Kohlehydratanteil beträgt etwa 40%. Hauptbildungsort im Erwachsenenalter sind die
peritubulären Endothelzellen des Tubulus und/oder der Tubuluszellen der Nierenrinde. Ca.
15% werden extrarenal in den Hepatozyten und Kupffer-Zellen der Leber gebildet. Das EPOGen wurde auf dem langen Arm von Chromosom 7 lokalisiert. Die Synthese von EPO wird
durch eine zelluläre Hypoxie ausgelöst. Vermutlich besitzen die EPO-bildenden Zellen selbst
einen O2 Sensor. EPO stimuliert die Proliferation und Differenzierung auf die Vorläuferzellen
9
BFU E und CFU E, zusätzlich scheint EPO auch in Kombination mit anderen
Wachstumsfaktoren megakaryozytäre Vorläuferzellen zu stimulieren.
GM-CSF:
Dieser Wachstumsfaktor ist ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von 14-35 kD.
Sowohl aktivierte T Lymphozyten als auch aktivierte Makrophagen produzieren GM-CSF.
Das für GM-CSF kodierende Gen ist auf dem langen Arm von Chromosom 5 lokalisiert.
Hochgereinigtes oder rekombinantes GM-CSF stimuliert das Wachstum von
Granulozyten/Makrophagen- und Eosinophilen-Kolonien. Es hemmt die NeutrophilenMigration, stimuliert die Chemotaxis und die Phagozytoseaktivität der Neutrophilen. Die GMCSF-Bindung an den spezifischen Rezeptor induziert die Ausprägung von zellulären
Adhäsionsproteinen.
G-CSF:
G-CSF ist ein Wachstumsfaktor mit einem Molekulargewicht von 18-22 kD und wird durch
ein Gen auf dem Chromosom 17 kodiert. Aktivierte Makrophagen, Fibroblasten und
Endothelzellen produzieren G-CSF. Die Proliferation und Differenzierung von granulozytären
Vorläuferzellen wird durch G-CSF stimuliert. Ebenfalls werden funktionell die
entsprechenden reifen Endzellen (Neutrophile Granulozyten) aktiviert. In vitro verbessert GCSF die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität von Granulozyten gegen Tumorzellen.
Thrombopoietin:
Thromopoietin (ML = Mpl Ligand) hat ein Molekulargewicht von 70 kD. Das Gen für
Thrombopoietin wurde auf den langen Arm des Chromosom 3 (3q26 oder q27) lokalisiert. Es
findet sich in vielen Geweben (Leber, Niere, glatte Muskulatur, Milz und Knochenmark).
Endothelzellen, Fibroblasten und Hepatozyten exprimieren ML-spezifische mRNA.
Thrombopoietin wirkt als Meg-CSF und beeinflußt zusätzlich die späte Phase der
Megakaryozytenentwicklung.
Interleukin 3:
Interleukin 3 (IL-3) hat ein Molekulargewicht von 20-26 kD und wird von aktivierten T
Lymphozyten sezerniert. Das IL-3 Gen ist auf dem Chromosom 5 zu finden, in enger
Nachbarschaft zum GM-CSF Gen. Menschliches IL-3 stimuliert das Wachstum von
multipotenten Vorläuferzellen CFU-GEMM. Zusätzlich wirkt es auf die frühe Erythropoese als
burst-promoting Aktivität, in der frühen Myelopoese synergistisch mit GM-CSF und G-CSF
und beinflußt die Koloniebildung von megakaryozytären Vorläuferzellen (CFU Meg).
Interleukin 6:
Interleukin 6 (IL-6) hat ein Molekulargewicht von 26 kD und wird von stimulierten Monozyten,
Fibroblasten und Endothelzellen produziert. T und B Lymphozyten, Mastzellen, Gliazellen
und Keratinozyten sind in der Lage nach entsprechender Stimulation IL-6 zu exprimieren.
Das kodierende Gen wurde auf den kurzen Arm des Chromosom 7 lokalisiert. Es zeigt ein
weites Spektrum an biologischen Aktivitäten. IL-6 unterstützt zusammen mit IL-3 die
Proliferation multipotenter hämatopoietischer Vorläuferzellen, wirkt als Thrombopoietin und
als Differenzierungsfaktor für B Lymphozyten. Es induziert als physiologischer
Hauptmediator die Akut-Phase-Reaktion und stimuliert die ACTH Synthese.
10
I.8
Praktische Übungen
I.8.1
Hämoglobinbestimmung im Vollblut
Die Bestimmung der Konzentration des Hämoglobins (Hb) im Vollblut nach Umwandlung in
das
stabile Cyanhämiglobin hat sich allgemein durchgesetzt. Ausschließlich dieses
Verfahren wird von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin empfohlen.
Prinzip:
Durch Kalium-Ferricyanid wird Hämoglobin zu Hämiglobin oxidiert und dieses durch
Kaliumcyanid in Cyanhämiglobin überführt. Cyanhämiglobin zeigt bei 540 nm eine für die
Hämoglobinbestimmung geeignete Absorptionsbande.
Reagenz:
Transformationslösung
0.2 g K3Fe(CN)6
0.05 g KCN
0.14 g KH2PO4
0.5 ml Sterox
Aqua bidest. ad 1000 ml, pH 7
Transformationslösung wegen des Gehalts
Pipettierhilfen, Dispensern o.ä. abmessen!
an
KCN
nur
mit
Sicherheitspipetten,
Benötigt werden:
20 µl End-zu-End Kapillare, Vollblut, Reagenzgläser mit 5.0 ml Transformationslösung,
Tupfer, Spektralphotometer, Filter Hg 546 nm, Küvetten von 1 cm Schichtdicke
Ausführung:
End-zu-End Kapillare füllen, nach Säubern mit einem Tupfer in das mit
Transformationslösung gefüllte Reagenzglas werfen. Das Reagenzglas schütteln, bis die
Kapillare ganz ausgespült ist. Mindestens 5 min. bei Zimmertemperatur stehen lassen.
Messung:
Photometer einschalten und mindestens 10 min. einbrennen lassen. Küvettenabgleich
vornehmen. Messung gegen Aqua dest. und gegen Transformationslösung.
Probenmessung.
Berechnung:
Extinktion (E) x 36.8 =
g/dL Hämoglobin
Referenzbereiche:
Männer 13.8 - 16.9 g Hb/dL
Frauen 11.8 - 15.8 g Hb/dL
I.8.2
Hämatokrit - Bestimmung
Definition:
Prozentualer Volumenanteil der zellulären Bestandteile
Prinzip:
Die Zellelemente in der zuvor ungerinnbar gemachten Blutprobe werden durch
Zentrifugalkraft zusammengepreßt. Danach wird die Höhe der Zell-Säule in Beziehung
11
gebracht zur Höhe der Gesamtsäule: das Ergebnis wird in Volumen-Prozent angegeben.
Benötigt werden:
Mikro-Hämatokritverfahren unter Verwendung höhertouriger Spezialzentrifugen (MikroHämatokritzentrifugen).
Querschnittsgenormte
Kapillaren
mit
angetrocknetem
gerinnungshemmenden Mittel (75 mm mit 0.2 mg Heparin/ul Blut). Ablesegerät.
Ausführung:
Man läßt Blut durch Kapillarwirkung aufsteigen bis knapp unter die 65 mm Grenze bei 75
mm Kapillaren (bzw. bis 4/5 der Kapillarhöhe). Anschließend das andere nicht in Blut
eingetauchte Röhrchenende durch Eindrücken in Spezialkitt verschließen. Röhrchen mit
dem verschlossenen Ende der Peripherie zu in den Kapillareinsatz des Hämatokritrotors
einlegen. Bei 5000 U/min zentrifugieren.
Auswertung:
Mit Hilfe eines Ablesegerätes. Das untere Ende (verschlossene Ende) der Blutsäule auf 0%
das obere Ende der Plasmasäule auf 100%. Der Hämatokrit wird am oberen Ende der
Erythrozytensäule in % abgelessen.
Referenzbereiche:
Männer 40 - 48%
Frauen 36 - 42%
I.8.3
Leukozytenbestimmung in der Neubauer-Zählkammer
Methode:
K-EDTA-Vollblut wird mit 3%iger Essigsäure verdünnt. Die Erythrozyten werden lysiert und
die Leukozyten fixiert. Anschließend erfolgt die Zählung der Leukozyten mikroskopisch mit
dem Hellfeldverfahren in der Zählkammer.
Reagenz:
3%ige Essigsäure
Benötigt werden:
Pipettenschlauch mit Mundstück, Leukozytenpipette (sterilisiert), Eppendorfhütchen,
Neubauer-Zählkammer, optisch plan geschliffene Deckgläser, Mikroskop (StandardHellfeld), objektiv 10:1, Okular
Ansatz:
Eppendorfhütchen mit 3% Essigsäure füllen. In die Leukozytenpipette bis zur Marke 0.5 Blut
luftblasenfrei aufziehen. Pipette waagerecht halten, Blut an der Pipettenspitze mit einem
Tupfer abwischen, sofort anschließend bis Marke 11 schnell 3%ige Essigsäure nachziehen.
Pipette waagerecht halten, Pipettenende mit dem Finger verschließen, Pipette zwischen
Daumen und Mittelfinger halten und Inhalt durch schüttel mischen.
Im birnenförmigenTeil der Pipette befindet sich jetzt eine Mischung von 0.5 Volumenteilen
Blut und 9.5 Volumenteilen 3%ige Essigsäure. Das Blut ist somit im Verhältnis 1 plus 19,
d.h. 1:20 verdünnt worden.
Alternativ:Vorgefertigte Behältnisse mit 500 µl Essigsäure kombiniert mit einer Kapillare, die
25 ul Blut fasst. Die Membran des Essigsäuregefäß durchstechen, Kapillare mit K-EDTAVollblut füllen. Anschließend die Kapillare mit einem Tupfer säubern und in das
Essigsäuregefäß stecken. Vorher das Essigsäuregefäß leicht zusammendrücken und
anschließend die aufgesteckte Kapillare ausspülen. Das komplette System gut mischen und
10’ bei Raumtemperatur inkubieren.
12
Vorbereitung der Zählkammer:
Der optisch plane Boden einer Zählkammer ist mit einem rechtwinkligen Zählnetz versehen,
das aus Linien in definierten Abständen besteht. Durch Aufbringen eines optisch planen
Deckglaßes wird über der Bodenflche ein Raum abgegrenzt. In diesem Raum werden die
Partikel gezählt.
Die zum Befestigen des Deckglases vorgesehen plan geschliffenen Glasflächen der
Kammer leicht anfeuchten. Das Deckglas so von der Seite her aufschieben, daß auf beiden
Flächen Newtonsche Ringe sichtbar werden.
Füllen der Kammer:
Inhalt der Pipette durch mindesten 5 min. langes Schütteln homogen verteilen. Die ersten 3
Tropfen des Inhaltes verwerfen. Pipettenspitze dicht am Rand des Deckglases schräg auf
den Boden der Kammer aufsetzen und den Inhalt vorsichtig in die Kammer fließen lassen,
bis die Überlaufrinne gefüllt ist.
Alternativ: Aufgesteckte Kapillare aus Behältnis herausziehen und die Kapillarspitze
senkrecht dicht an den Rand des Deckglases auf den Boden der Kammer aufsetzen. Den
Inhalt in die Kammer fließen lassen bis die Überlaufrinne gefüllt ist.
Mikroskopische Auszählung:
Kondensor des Mikroskops nach unten drehen, Frontlinse aus dem Strahlengang klappen,
abblenden.
Objektiv 1:10 in den Strahlengang einbringen und die Ebene der Zählkammer einstellen. Die
Leukozyten in den 4 Eckquadranten der Zählkammer mäanderformig auszählen.
Summe der Leukozyten in den 4 Eckquadraten bilden (n).
Berechnung:
Fläche
1 Eckquadrat
Höhe
1 Eckquadrat
Volumen
1 Eckquadrat
Volumen
4 Eckquadrate
n=
n x 1.0 / 0.4
n x 1.0 / 0.4x20
n x 50 =
2
1 mm
0.1 mm
0.1 µl
0.4 µl
Leukozyten in 0.4 ml 1:20 verd. Blut
Leukozyten in 1 ml 1:20 verd. Blut
Leukozyten in 1 ml unverd. Blut
Leukozyten/ul Blut
Referenzbereiche:
9
Erwachsene
4 - 10/ 10 /l
13
II
Hämatologie
II.1
Anämien
II.1.1 Definition
Anämie bedeutet eine Verminderung der Hämoglobinkonzentration und/oder der
Erythrozytenzahl unter einen alters- und geschlechtsspezifischen Normbereich. Bei
Erwachsenen (10-45 Jahre) liegt der untere Normbereich des Hämoglobins bei Männern bei
13.2g/dl und bei Frauen bei 11.7 g/dl. Dabei ist der Begriff Anämie nur als ein objektives
Zeichen für eine Erkrankung zu werten. Die korrekte diagnostische Terminologie schließt die
Pathogenese ein (z.B. Eisenmangel- Anämie, Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz
etc.). Die Klassifikation der Anämien kann aufgrund der Pathogenese oder entsprechend
den morphologischen Veränderungen erfolgen.
II.1.2 Diagnostik
Die Basisdiagnostik bildet die kombinierte Bestimmung von Erythrozytenzahl,
Leukozytenzahl, Thrombozytenzahl, Hämoglobin, Hämatokrit und Erythrozyten-Indizes.
Die Zählung und Größenbestimmung von Partikeln (Erythrozyten, Leukozyten,
Thrombozyten) erfolgt mit automatisierten Blutzellzählgeräten. Die Messungen erfolgen
entweder über die Erfassung eines elektrischen Widerstandes (Impedanz) oder der
Lichtstreuung (photoelektronisch). Die Hämoglobinbestimmungen erfolgen entweder nach
der Cyanhämiglobin-Methode oder messen das Hämoglobin direkt oder als Oxyhämoglobin.
Hämatokrit, MCV, MCHC und RDW werden elektronisch berechnet.
Erythrozyten-Indizes
Mittleres korpuskuläres Volumen (MCV)
Hämatokrit (L/L) x 1000 = 82 – 101 femtoliter (fl)
12
Ery.-Zahl ( x 10 /L)
Mittlerer korpuskulärer Hämoglobingehalt (MCH)
Hämoglobin (g/dL) =
27 - 34 picogramm (pg)
12
Ery.-Zahl ( x 10 /L)
Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC)
Hämoglobin (g/dL) =
31.5 - 36 g/dL
Hämatokrit (L/L)
Erythrozyten-Verteilungsbreite (Red cell distribution width, RDW)
Standardabweichung des MCV x 100 = 11.5 - 14.5 %
MCV
Morphologische Veränderungen der Erythrozyten
Anisozytose
Unterschiedliche Erythrozytengröße
Poikilozytose
Unterschiedliche Gestalt der Erythrozyten
Polychromasie
Verstärkte Anfärbbarkeit der Erythrozyten
Anulozyten
Eisenmangel
Targetzellen (Codozyten)
Thalassämie
Sphärozyten
hereditäre Kugelzell Anämie
Elliptozyten
hereditäre Elliptozytose
Akanthozyten
Abetalipoproteinämie, Verbrennungen
14
Keratozyten
Fragmentozyten
Stomatozyten
Dakrozyten (Tränentropfen)
Drepanozyten (Sichelzellen)
Rouleaux Bildung (Geldrollen)
Verbrauchskoagulopathie, Nierenerkrankungen
Hämolytisch-Urämisches Syndrom (HUS),
Moschkowitz-Syndrom, Vaskulitis
Alkoholbedingte Lebererkrankungen
Osteomyelofibrose
Hämoglobinopathien, Sichelzell-Anämie
Plasmozytom
Erythrozyten-Einschlüsse
Basophile Tüpfelung
Zeichen der Regeneration, Bleivergiftung (RNA Reste)
Howell-Jolly Körperchen
Heinzkörper (instabiles Hb)
Parasiten
nach Splenektomie (DNA - Reste)
tox. hämolytische Anämien
Malaria
Ergänzungsuntersuchungen
Berliner Blau Reaktion
Nachweis von Speichereisen im Knochenmark, als Eisennachweis in Erythrozyten
(Siderozyten), oder in roten Vorstufen
(Sideroblasten, Ringsideroblasten)
Klinisch-chemische Laboruntersuchungen
Ferritin
Funktion:
Indikation:
Speicherprotein für Eisen
erniedrigt bei Eisenmangel. Serumferritinspiegel korreliert direkt
mit Speichereisengehalt. Cave! Akut-Phase Protein (Entzündung
etc.)
Transferrinsättigung
Funktion:
prozentuale Sättigung des Transportproteins für Eisen,
Indikation:
bester Parameter für Eisenmangel
Haptoglobin
Funktion:
Indikation:
Transportprotein für Hämoglobin
erniedrigt bei Hämolyse. Cave! Akut-Phase Protein
Spezielle Diagnostik
Methode
HämoglobinElektrophorese
analysen
Indikation (Beispiele)
Hämoglobinopathien
ErythrozytenEnzyme
Enzymaktivität
Pyruvatkinase Mangel,
Glucose-6-PhosphatDehydrogenase-Mangel
Osmotische
Resistenz
Hypotone NaCl - Lsg
Hereditäre Sphärozytose
Antikörper –
Nachweis
Coombstest
Autoimmunhämolytische Anämie
Knochenmark
Zytologie mittels
Aspiration
alle schwerwiegenden Störungen
der Hämatopoese
15
Biopsie am Beckenkamm für histologische
Auswertung
II.1.2.1 Rationelle Anämie – Diagnostik
Bei einer Verminderung von Erythrozytenzahl, Hämoglobin oder Hämatokrit bestimmt das
MCV das weitere Vorgehen.
Mikrozytäre Anämie
MCV < 80 fl
RDW > 15%
(Eisen, Ferritin)
Eisenmangelanämie
RDW < 15%
Anämie bei
chronischer Erkrankung
Thalassämie, Hämoglobinopathie
Hämatologische
Systemerkrankung
Bei normalem MCV ist folgendes Vorgehen sinnvoll:
Normochrome Anämie
MCV > 80 fl
Retikulozytenzahl erhöht
(Haptoglobin, LDH)
Retikulozytenzahl niedrig
(Knochenmark)
Megaloblastär
Hämolytische Anämie
(Vit. B12, Folat)
(Coombstest)
positiv
Immunhämolyse
Nicht megaloblastär
negativ
Nicht Immunhämolyse
(Erythrozytenmorphologie)
(Osmotische Resistenz)
z.B. Sphärozytose
Hämatologische
Systemerkrankung
16
II.1.3 Wichtigste Störungen vor allem der roten Blutzellreihe
Hypochrome Anämien
Eisenmangel
Thalassämie
Normochrome Anämien
Viele hämolytische Anämien:
a) Korpuskuläre Formen
Sphärozytose
Elliptozytose
Enzymopenische Anämien
Hämoglobinopathien
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)
b) Extrakorpuskuläre Anämien = serogen (meist erworben)
Mit Nachweis von Autoantikörpern (Coombs-Test)
Isoantikörper-Nachweis (Transfusionszwischenfall)
Toxisch: Medikamente, Schlangengifte etc.
Hyperchrome Anämien
Perniziosa und andere B12-/Folsäure-Mangelzustände
II.1.3.1 Eisenmangelanämie
Müdigkeit, Kopfschmerzen, rissige Haut, Blässe, Schleimhautatrophie. Häufigste Anämieform überhaupt, meist Frauen im gebärfähigen Alter (Menstruation), bei Gravidität.
Ansonsten chron. intestinale Blutungen (ulkus, Hiatushernie, Hämorroiden etc.).
Hypochrome Anämie, RDW typischerweise erhöht, Transferrinsättigung < 15%. Im Ausstrich
Anulozyten, basophile Punktierung, Anisozytose.
II.1.3.2 Beta-Thalassämie (Minor-Thalassämie, heterozygot)
Dominant vererbte Defekte mit anomaler Synthese der alpha-, beta-, gamma- und deltaKetten des Globinmoleküls. Im Fall der beta-Thalassämie ist nur die HbA1 (alpha2 beta2)Bildung gestört und damit HbA2 über 3% und/oder HbF über 1% gesteigert. Homozygotie
verläuft klinisch schwerer. Nicht selten sind Thalassämien mit anderen Hämoglobinopathien
gekoppelt. Betroffen sind meist Personen mediterraner Abstammung, Manifestation schon in
der Kindheit.
Hypochrome Anämie mit erniedrigtem MCV, Hb und Hkt sind jedoch typischerweise fast
normal. Die Hb-Elektrophorese ist pathognomonisch. Meist kompensierte Hämolyse mit
erhöhtem Bilirubin und Retikulozytose. Im Ausstrich Targetzellen, Anulozyten, basophile
Punktierung und einzelne Erythroblasten.
II.1.3.3 Kugelzellanämie
Schon im Kindesalter krisenhaft gesteigerter Skleren- und Hautikterus, Splenomegalie.
Familiäre Häufung, dominant vererbt. Normochrome Anämie mit Retikulozytose, ind.
Bilirubin erhöht. Im Ausstrich Kugelzellen und basophile Punktierung.
II.1.3.4 Megaloblastäre Anämien (B12- oder Folsäuremangel)
Die perniciöse Anämie (Perniciosa) stellt die häufigste Form des B12-Mangels dar und ist
autoimmun bedingt. Betroffen sind Patienten in höherem Lebensalter mit atrophischer
Gastritis (=Fehlen des Intrinsic-Faktors). Strohgelbes Hautkolorit bei schleichendem Beginn.
Neurologisch findet sich häufig eine funikuläre Spinalerkrankung mit Parästhesien der Beine.
17
Ein Folsäuremangel kann durch Fehlernährung (Alkoholismus !) entstehen, ist vor allem
aber in der Schwangerschaft anzutreffen. Bei beiden Formen liegt eine hyperchrome
Anämie mit Leuko- und Thrombopenie und niedrigen Retikulozytenzahlen vor, B12 bzw.
Folsäure sind im Blut erniedrigt. Das MCV kann 120 fl übersteigen, das MCHC verhält sich
normal. Im Ausstrich Megalozytose und Übersegmentierung der Granulozyten.
II.2
Praktische Übungen
II.2.1 Retikulozytenfärbung
Beschreibung der manuellen Technik: Supravitalfärbung der Substantia retikulofilamentosa
(präzipitierte RNA-haltige Ribosomen) mit Brillant-Kresylblau
Auszählung am Ausstrich: 5 - 15%0
automatische Zählverfahren mit Fluorochromen
II.2.2 Beurteilung Ausstrich bei hämolytische Anämie
morphologische Veränderungen der Erythrozyten u.a. bei schwerem Blutzerfall
II.2.3 Beurteilung Ausstrich bei Malaria
Untersucht wird ein dünner Ausstrich (der „dicke Tropfen“ wird nicht mehr routinemäßig
verwendet) in der Pappenheimfärbung. Die Untersuchungsdauer sollte wenigstens 15 min
betragen, dies entspricht der Zeit, die man zur Auswertung von 100-200 Gesichtsfeldern bei
hoher Vergrößerung benötigt.
Es lassen sich intraerythrozytär ein oder mehere typische Ringformen nachweisen (Cave!
Verwechselung mit auf den Erythrozyten lagernden Thrombozyten). Eventuell finden sich
auch reifere Stadien (Morulaformen, Gametozyten).
Parasiten
Merkmale
Plasmodium vivax
Erythrozyten vergrößert, mit feiner, roter
Tüpfelung (Schüffner-Tüpfelung); dicke
Ringe, oft alle Stadien des
Reproduktionszyklus
Plasmodium ovale
Erythrozyten oft oval oder birnenförmig;
feine bis grobe rote Granula (SchüffnerTüpfelung); kleine dicke kompakte Ringe
Plasmodium falciparum
Erythrozyten ohne Schüffner-Tüpfelung;
feine Ringe; sichel- oder halbmondförmige
Erythrozyten oft scheinbar ohne Hb,
Mikrogametozyten bananenförmig.
18
III
Hämatologie
Erkrankungen der Leukozyten
III.1
Reaktive Veränderungen
Die häufigste Reaktion auf eine bakterielle Infektion ist eine Leukozytose der Neutrophilen
mit Linksverschiebung, toxischer Granulation und bei schweren Infektionen der Ausbildung
von Zytoplasmavakuolen. Eine Monozytose erscheint erst nach Anstieg der Neutrophilen
(„Überwindungsphase“). Während der „Erholungsphase“ kommt es zu einer Zunahme der
Eosinophilen. Infektionen wie Typhus, Bruzellose und Rickettsiose zeigen eine normale
Leukozytenzahl, oft auch eine Neutropenie.
Eine Eosinophilie findet sich u.a. bei parasitären Erkrankungen, allergischen Erkrankungen
und bei bestimmten Infektionskrankheiten (z.B. Scharlach). Eine Lymphozytose ist u.a. bei
Virusinfektionen nachweisbar. Insbesondere bei der Infektiösen Mononukleose finden sich
vielgestaltige atypische Lymphozyten im Ausstrich. Ein Teil dieser Zellen ist sehr groß mit
basophilem Zytoplasma, häufig besitzen sie große Nukleoli und ähneln den Blasten einer
akuten lymphatischen Leukämie.
III.2
Chronische neoplastische Veränderungen
III.2.1 Myeloproliferative Syndrome:
Unter den myeloproliferativen Syndromen faßt man eine Gruppe neoplastischer Knochenmarkerkrankungen zusammen mit einer autonomen Proliferation einer oder mehrerer
Zellinien der Hämatopoese. Dabei ist die Ausreifung erhalten. Hierzu werden die chronische
myeloische Leukämie (CML), die Polyzythämia vera (P. vera), die essentielle
Thrombozythämie (ET) und die Osteomyelofibrose (OMF) gerechnet. In den letzten Jahren
gelang es, bei den myeloproliferativen Syndromen durch enzymatische, zytogenetische und
molekulargenetische
Untersuchungen
den
Nachweis
einer
monoklonalen
Stammzellerkrankung zu führen.
Chronische myeloische Leukämie (chronische Phase)
Blutbild
Leukozytose; variable Anämie; Thrombozyten normal, oder erhöht,
selten erniedrigt
pathologische Linksverschiebung bis zu Promyelozyten und Myeloblasten;
Eosinophilie, Basophilie
Anisozytose, Poikilozytose, vereinzelt Normoblasten
Knochenmark
Hyperzellulär, granulopoetische Hyperplasie, Megakaryozyten
reifungsgestört (Mikroformen); Eosinophilie; Basophilie; selten seeblaue
Histiozyten; Pseudo-Gaucher Zellen
Histologie:
zusätzlich zu den zytomorphologisch beobachteten Veränderungen
Knochenmarkfibrose
19
Zusatzuntersuchungen
Alkalische Leukozytenphosphatase (Blut): Index erniedrigt (< 10)
Chromosomenanalyse (Knochenmark)
Nachweis Translokation t(9,22)(q34q11) (Philadelphia-Chromosom)
Molekularbiologie (Blut oder Knochenmark)
bcr-abl-Fusionsgen; Genprodukt ist eine Tyrosinkinase
Blastenkrise
Blutbild
Blastenanteil (Myeloblasten, Promyelozyten) > 30%; zunehmende Anämie
und Thrombopenie
Knochenmark
Blastenanteil (s.o.) > 50%; Reduktion der Erythropoese und Thrombopoese
Zusatzuntersuchung:
zusätzliche chromosomale Aberrationen,
zytochemische und immunologische Untersuchung der Blasten
(myeloische oder lymphatische Blastenkrise)
Polyzythämia vera
Blutbild
mäßige Leukozytose; Erythrozyten vermehrt; häufig Thrombozytose !
Anisozytose, Poikilozytose, Normoblasten
Knochenmark
Hyperplasie aller Zellreihen, Reifungstörung der Megakaryopoese
Megakaryozyten in Nestern; Faserbildung
Zusatzuntersuchung
Alkalische Leukozytenphosphatase-Index häufig erhöht (> 100)
Kommentar
Diagnose erfolgt über die Knochenmarkhistologie; alternativ werden die Kriterien der
Polycythemia-Vera-Study-Group angewandt.
Essentielle Thrombozythämie
Blutbild
Thrombozytose; häufig mäßiggradige Leukozytose
Dysthrombozytose (Riesenformen!)
Knochenmark
Granulozytopoese häufig gesteigert; Megakaryozyten stark vermehrt, oft in
Haufen (große Formen mit ballonierten Kernen), Thrombozytenaggregate
Osteomyelofibrose
Blutbild
variable Leukozytose, oft normozytäre Anämie; häufig Thrombozytose,
20
leukoerythroblastäres Blutbild (Blasten, Promyelozyten, Normoblasten);
Dakrozyten (Tränentropfenzellen), Dysthrombozytose,
in Spätstadien oft riesige Milz und Leber mit Panzytopenie
Knochenmark
zytologisch Punctio sicca infolge Faservermehrung
Histologie
im Frühstadium Hyperplasie aller Zellreihen; Megakaryozyten bizarr,
in Nestern, häufig Mikroformen; variabel ausgeprägte Faserbildung
(Retikulin, Kollagen); Reduktion der Markräume; Knochenneubildung
III.2.2 Chronische lymphatische Leukämie (CLL, „Lymphadenose“)
Blutbild
Meist starke Vermehrung „reifer“ Lymphozyten ohne Auffälligkeiten, viele
Gumprecht-Schatten (Ausstrich-Artefakte).
Immunologie
CD 19 pos. (B-Zellen), gleichzeitig Expression eines T-Zellmarkers (CD5),
Leichtkettenrestriktion kappa oder lambda
Knochenmark
Vermehrung lymphatischer Zellen bis hin zur Verdrängung der Blutbildung
III.3
Praktische Übungen
Hämatologische Differenzierung der Blutzellen
Die morphologische Prüfung der korpuskulären Blutelemente erfolgt anhand eines gefärbten
Ausstrichs.
Benötigt werden:
Einwandfrei saubere Objektträger
Kapillaren
EDTA Vollblut
Technik Objekträgeraustrich:
Einen etwa linsengroßen Blutstropfen mit der Kapillare etwa 1 cm von der Schmalseite des
Objektträgers entfernt auftragen. Anschließend sofort ausstreichen. Der Objektträger wird
zwischen Daumen und Mittel- und Zeigefinger an den Schmalseiten gehalten. Von der Mitte
o
des Objekträgers her wird, ein 2. Objekträger schräg im Winkel von 30-45 gehalten, an den
Blutstropfen herangeschoben, läßt ihn sich an der Objektträgerkante ausbreiten und zieht
dann den 2. Objektträger in Schrägstellung gleichmäßig in Richtung gegenüberliegende
Schmalseite.
Anschließend wird der Ausstrich luftgetrocknet und gefärbt.
Pappenheim Färbung:
Benötigt werden:
May-Grünwald-Lösung
Giemsa Lösung (60 ml Giemsa filtrieren und auf 500 ml Aqua bidest. auffüllen)
Aqua bidest.
21
Färbung:
5 min May-Grünwald
2x 5 min Aqua dest.
15 min Giemsa
2x 5 min Aqua dest.
Gefärbten Ausstrich lufttrocknen und differenzieren
Differenzierung:
Das Differentialblutbild dient der Zuordnung der Leukozyten zu bestimmten Untergruppen.
Die Einteilung kann in Prozent oder bei bekannter Leukozytenzahl als absoluter Wert
ausgedrückt werden. Zur Differenzierung geeigneten randfreien Bereich mit gut
ausgebreiteten und gut gefärbten Zellen z.B. mäanderförmig absuchen.
Erythrozyten werden auf Form-, Größen und Anfärbbarkeitsveränderungen untersucht. Zur
Beurteilung müssen die Erythrozyten deutlich isoliert voneinander liegen.
Relative Normalbereiche:
Leukozyten
Prozent
Stabkernige
Segmentkernige
Eosinophile
Basophile
Monozyten
Lymphozyten
0- 5
30 - 80
0- 6
0- 2
0 - 12
15 – 50
Zählfehler der prozentualen Anteile von kernhaltigen Zellen im Blutausstrich:
Ermittelter Prozentsatz
der Zellen einer Klasse
Zählfehler bzw. Verbereich (95%-Grenzen)
0
1
2
3
4
0-3
0-5
0-6
1-8
1-9
5
10
15
20
25
2 - 10
4 - 16
8 - 23
12 - 28
16 - 34
30
35
40
45
50
21 - 39
26 - 44
30 - 50
35 - 55
40 - 60
60
70
80
90
50 - 70
61 - 79
72 - 88
84 - 96
22
Die Quantifizierung von Zellen im Blutausstrich mit der 100-Zellzählung ist nur
unbefriedigend möglich. Der wesentliche Fehler beruht auf der ungleichen Zellverteilung im
Ausstrich. Die Präzision läßt sich nur durch Zählung von mehr Zellen verbessern. In der
Praxis hat sich jedoch besonders aus zeitlichen Gründen die 100-Zellzählung durchgesetzt.
Ausstrich Chronische myeloische Leukämie
Ausstrich Chronische lymphatische Leukämie
23
IV
Hämatologie
Akute Leukämien
Akute Leukämien entstehen durch die maligne Transformation und klonale Proliferation
hämatopoietischer Vorläuferzellen. Dabei ist ein Reifungsabbruch nach diesen „Blasten“
typisch, der morphologisch vor allem bei den akuten myeloischen Leukämien auffällt. Zur
Pathogenese wird eine somatische Mutation einer einzelnen Zelle innerhalb der frühen
Progenitorzellen im Knochenmark oder Thymus diskutiert. Definitionsgemäß muß der Anteil
dieser Blasten an allen kernhaltigen Zellen im Knochenmark über 30% liegen. Akute
Leukämien werden unterteilt in akute myeloische Leukämien (AML) und akute lymphatische
Leukämien (ALL).
Fast immer lassen sich nachweisen:
Leukozytose mit Blasten (ca. 25% „aleukämische Leukämie“);
Anämie und Thrombozytopenie (!)
Diagnostische Verfahren:
Morphologische Beurteilung der Blasten
Zuordnung der Blasten nach dem zytochemischen Färbeverhalten
Immunologische Zuordnung der Blasten
Zytogenetische Untersuchung
Molekularbiologische Untersuchung (besondere Fragestellung)
IV.1
Zytochemie
Färberischer Nachweis von Enzymen in Zellen der Hämatopoese
Peroxidase (POX)
Peroxidasen katalysieren die Oxidation von Substraten durch Wasserstoff-peroxid
Positiver Nachweis:
Neutophile, Eosinophile, Basophile u. ihre entsprechenden Vorstufen
alpha-Naphthylazetat-Esterase (ANAE)
Esterasen hydrolysieren aromatische und aliphatische kurzkettige Ester
Positiver Nachweis:
Diffuser Nachweis in Monozyten
Perjodsäure Schiff Reaktion (PAS)
Reaktion mit R-CHO Gruppen in Geweben (insbesondere Glykogen)
Positiver Nachweis:
Granulär in Lymphoblasten; variabel in Normoblasten bei
Erythroleukämie oder Myelodysplastischen Syndromen
IV.2
Immunologie
Die Entwicklung monoklonaler Antikörper hat die Identifizierung verschiedener
Differenzierungsantigene ermöglicht, die für die immunphänotypische Charakterisierung
akuter Leukämien unverzichtbar sind. Bei den akuten lymphatischen Leukämien (ALL) hat
die immunzytologische Klassifikation die FAB Klassifikation abgelöst.
24
Durchflusszytometrie („FACS“)
Inkubation einer Zellsuspension mit einem oder mehreren monoklonalen Antikörpern
mit verschiedenen Fluoreszenzfarbstoffen. Mit Hilfe eines Lasersystems gleichzeitige
Darstellung von bis zu 4 Antigenstrukturen auf Einzelzellebene bei sehr hoher
Durchflußrate. Gleichzeitige Darstellung in zwei- oder drei-dimensionalem Bereich
von Zellgröße und Granularität. Beliebige Analyse bestimmter Subpopulationen durch
elektronisches „gating“.
APAP-(alkalische Phosphatase-Anti-alkalische Phosphatase) Technik:
Inkubation von Ausstrichen oder Zytozentrifugenpräparaten mit einem monoklonalen
Antikörper. Zweite Inkubation mit einem Kaninchen-Anti-Maus-Ig. Dritte Inkubation mit
dem APAAP-Komplex. Zytochemische Färbereaktion mit einem Substrat für
alkalische Phospatase. Die Antikörper-positive Zellen färben sich im entsprechenden
Präparat.
CD-Einteilung:
Festlegung sogenannter CD-Orte (Cluster of Differentiation). Darin werden jeweils
die verschiedenen Antikörper zusammengefaßt, die mit dem gleichen Antigenmolekül
reagieren, wobei jedoch die einzelnen Epitope entsprechend der Spezifität der
verwendeten Antikörper etwas unterschiedlich sein können.
Differenzierungsantigene in der Diagnostik akuter Leukämien
Antigen
Expression
myeloisch
CD 13
CD 33
MPO
Expression auf myeloischen Vorstufen
frühe Expression auf myeloischen Vorstufen
immunologischer Nachweis der Peroxidase
B-lymphatisch
CD 19
CD 10
CD 20
CD 23
Pan B-Zellmarker
Expression in einem mittleren
Reifungsstadium der B-Lymphoblasten
frühe B-Zellen
B-Lymphozyten, dendritische Zellen
T-lymphatisch
CD 3
CD 4
CD 8
T-Zell-Rezeptor
T-Helferzellen
zytotoxische T-Zellen
nicht linienspezifisch
CD 34
TdT
unreife Progenitorzellen: „Stammzellen“
unreife B- und T-Lymphoblasten
25
IV.3
FAB Klassifikation der AML
FAB
Definition
Morphologie
Zytochemie
M0
Minimal differenzierte
myeloblastische
Leukämie
Myeloblastäre
Leukämie, ohne
Reifung
Myeloblastäre
Leukämie mit
Reifung
Hypergranuläre
PromyelozytenLeukämie
wie M1
< 3% POX
immunologisch
definiert (CD 13)
> 3% POX pos.
M1
M2
M3
M4
M5
M6
Mikrogranuläre
PromyelozytenLeukämie
Myelomonozytäre
Leukämie
Monozytäre
Leukämie, undifferenziert oder
differenziert
Erythroleukämie
mittelgroße Blasten
und allenfalls geringer
azurophiler Granulation
deutliche Reifungsmerkmale
zu Promyelozyten
atyp. Promyelozyten
mit dichter azurophiler
Granulation, Auerstäbchen
atyp. Promyelozyten mit
staubförmiger azurophiler
Granulation
wie M2, jedoch > 20%
Monozyten
große Blasten mit auffälligen
Nukleolen und breitem Zytoplasma, monozytär
Erythroblasten > 50%;
Blasten > 30% der nicht
Erythrozytären Zellen
polymorphe, unterschiedlich
große Blasten mit rundem Kern,
Zytoplasma-Abschnürungen
M7
Megakaryoblastäre
Leukämie
IV.4
FAB Klassifikation der ALL
POX positiv
POX positiv
POX positiv
ANAE positiv
ANAE positiv
POX positiv
PAS positiv
immunologisch
definiert
FAB
Morphologie
L1
vorwiegend kleine Blasten mit homogenem Chromatin und schmalem
Zytoplasma
L2
Größere, heterogene Blasten mit irregulärer Kernform, gut
abgrenzbaren Nukleolen und breitem Zytoplasma
L3
Große Blasten mit ovalem Kern, prominenten Nukleolen
und breitem, stark basophilem Zytoplasma; auffallende
Vakuolisierung
26
IV.5
Praktische Übungen
Ausstrich ALL
Ausstrich AML FAB M2 oder M4
Ausstrich Promyelozytenleukämie
27
V
Blutgruppenserologie
Blutgruppenantigene sind lösliche oder korpuskulär gebundene Substanzen, die im
Organismus eine Immunantwort auslösen können. Sie lassen sich serologisch durch
spezifische Antikörper mit Hilfe von Agglutionationstechniken nachweisen. Es handelt sich
um konstitutionelle oder
adsorbierte Stoffe der Erythrozytenoberfläche, die durch
Kohlenhydrate (z.B. AB0-, Lewis-System) oder Proteine (z.B. Rhesus, Kell oder Duffy)
determiniert werden. Der Kohlenhydratanteil ist in Form von Oligosacchariden kovalent an
Proteine, aber auch an Membranlipide gebunden und hat, im Gegensatz zu den Proteinen
für den Strukturerhalt der Erythrozyten keine Bedeutung. Es gibt zahlreiche
Blutgruppensysteme, von denen das ABO- und Rhesussystem am bedeutsamsten sind
AB0-Blutgruppensystem
Die Kohlenhydrat-Grundsubstanz des ABO-Systems der Erythrozyten besteht aus z.T.
verzweigtkettigen Oligosaccharaden, die eine terminale beta-Galactose aufweisen. Durch
Verbindung mit einer Fucose entsteht die H-Substanz (Blutgruppe 0). Durch zusätzliche
Anknüpfung von N-Acetyl-Galactosamin wird die Blutgruppe A oder von Galactose die
Blutgruppe B gebildet. Die Phänotyp der ABO-Gruppen ist durch die genetische
Determinierung von verschiedenen Glycosyltransferasen bedingt, die die kovalente
Anbindung des jeweils endständigen Zuckerrests herbeiführen. Beim seltenen sogenannten
Bombay-Typ fehlt die H-Substanz, so dass die Blutgruppe A und B nicht ausgebildet werden
können.
Rhesus-Blutgruppensystem
Das Rhesussystem umfaßt die Antigene C, c, D, E und e sowie Varianten, die von
benachbart liegende Genloci codiert und gekoppelt vererbt werden. Ein Genlocus
determiniert das Rhesus D-Protein, der andere die Rhesusmerkmale C/c und E/e („RhesusHaplotypen“). Aus dem Genotyp cde/cDE entsteht so z.B. der Phänotyp ccDdEe. Die
Genotypbezeichnung d steht für einen leeren D-Locus.
Blutgruppen-Nachweis
Die Bestimmung der Blutgruppen erfolgt methodisch durch Agglutination der Erythrozyten
nach dem Prinzip der Antigen-Antikörper-Reaktion. Hierbei reagiert ein spezifischer
Antikörper mit seinem Zielantigen (Blutgruppen-Antigen, Blutgruppen-Merkmal) auf der
Erythrozytenoberfläche und führt zu einer Quervernetzung der Erythrozyten, die in einem
zusammenhängenden Verband makroskopisch sichtbare Agglutinate („Verklumpung“)
bilden. Technisch wird hierfür eine zu untersuchenden Erythrozytensuspension mit
Testserum, das den spezifischen Antikörper enthält, versetzt und auf Agglutination geprüft.
Am gebräuchlichsten ist der Testansatz auf der Tüpfelplatte oder die „Kartentechnik“.
Weiterentwicklungen wie Gelzentrifugation oder Mikrotiterplatten-Technik eignen sich auch
für die Bestimmung am Automaten.
Zur Vorbereitung einer Transfusion wird die Blutgruppe des Empfängers und der
erythrozytenhaltigen Konserve im ABO-System und auf das Rhesusmerkmal D bestimmt.
Die ABO-Antigene und das Rhesus D-Antigen auf den Erythrozyten werden mit Hilfe der
monoklonalen Testseren Anti-A, Anti-B und Anti-D ermittelt. Da beim ABO-System im Serum
die komplementären Antikörper gegen das nicht vorhandene Blutgruppen-Antigen A oder B
enthalten sind, können die ABO-Merkmale mit Hilfe von Testerythrozyten der Blutgruppe A1,
28
A2, B und 0
auch durch Feststellung der „Serumeigenschaften“ in der sog.
Serumgegenprobe ermittelt werden (s. Abschnitt Blutgruppen-Antikörper). Die nachfolgende
Abbildung zeigt ein Beispiel für eine komplette Blutgruppen-Bestimmung im ABO- und
Rhesussystem.
Blutgruppen-Bestimmung
AB0- und Rhesus-Eigenschaften
Material: Patienten-Erythrozyten + Antiseren
AntiA
AntiB
SerumGegenprobe:
AntiD
Antic
AntiC
Erythrozyten mit der Blutgruppe
A
B
Antie
AntiE
Reaktion:
O
Test-Erythrozyten
+ Patienten-Serum
Ergebnis:
positiv
negativ
Blutgruppe: A Rhesus positiv (ccD.eE)
Die Blutgruppenbestimmung ist die Voraussetzung für eine kompatible Transfusion. Da im
ABO-System komplementäre Antikörper als sog. Isoagglutinine (Anti-A und Anti-B) bereits
präformiert gegen die nicht vorhanden Blutgruppe vorliegen und zeitlebens persistieren, wird
die ABO-Blutgruppen-identische Transfusion gefordert. In Ausnahmefällen, insbesondere
bei fehlender Verfügbarkeit von ABO-identischem Konservenblut, kann entsprechend der
Transfusionsregel (s.u.) Blut mit anderen ABO-Merkmalen, die nicht mit den Antikörpern im
Empfängerorganismus reagieren, transfundiert werden. Darüber hinaus werden
grundsätzlich auch im Rhesus-System, insbesondere für das Rhesus-Merkmal D,
kompatible Transfusionen angestrebt, um der Gefahr einer Antikörper-Induktion
entgegenzuwirken.
Patient
A
B
AB
O
Kompatible Erythrozyten (EK)
A oder O
B oder O
AB, A, B oder O
O
Kompatibles Plasma (GFP)
A oder AB
B oder AB
AB
O, A, B oder AB
Der sogenannte „Bedside Test“ ist eine erneute – und letzte Kontrolle der ABO-Idendität
des Empfänger- und Konservenbluts als ärztliche Maßnahme unmittelbar vor der
Transfusion. Zumeist wird hierfür die sog. Kartentechnik unter Verwendung von Anti-A- und
Anti-B-Seren eingesetzt.
29
Blutgruppen-Antikörper
Antikörper gegen Blutgruppenmerkmale entstehen durch Alloimmuniserung und gehören im
allgemeinen der IgG- und, zumeist nur während der Primärantwort auftretend, der IgMKlasse, seltener der IgA-Klasse an. Man bezeichnet sie als irreguläre Antikörper, wenn sie
durch Fremdblut-Kontakt induziert werden, im Gegensatz zu den frühzeitig präexistenten
Isoagglutininen im AB0-System, die ausschließlich der IgM-Klasse angehören und zeitlebens
persistieren. IgM-Antikörper sind stark komplementaktivierend und werden auch als
komplette Antikörper bezeichnet, da sie aufgrund ihrer Größe bereits im NaCl-Milieu direkt
agglutinierend wirken (z. B. AB0-Antikörper). Im Gegensatz hierzu sind IgG-Antikörper nur
schwach komplementaktivierend und benötigen für die Agglutination in vitro
Verstärkertechniken (z.B. Rhesus-Antikörper). Man bezeichnet sie daher auch als
inkomplette Antikörper. IgG-Antikörper sind im Gegensatz zu IgM plazentagängig und
können einen M. haemolyticus neonatorum (MHN) induzieren. Die Isoagglutinine des ABOSystems treten komplementär bei Abwesenheit des jeweils korrespondierenden Antigens
auf, d.h. Anti-A liegt bei der Blutgruppe B und 0, Anti-B bei der Blutgruppe A und O, sowie
Anti-A und -B bei der Blutgruppe 0 vor.
Die Bindung eines Allo-Antikörpers auf der Erythrozytenmembran führt zu einer
Konformationsänderung der Fc-Domäne, wodurch verschiedene Effektormechanismen wie
Komplementaktivierung (intravasale Hämolyse) oder Phagozytose (zellvermittelte Hämolyse,
insbesondere in der Milz)
induziert werden. Die rasch ablaufende intravasale
komplementvermittelte Hämolyse ist klinisch gefährlicher als eine langsame extravasale
Phagozytose von Erythrozyten.
Antikörper-Analysen
Der Antikörpersuchtest wird prätransfusionell durchgeführt und dient zur Abklärung
möglicherweise vorhandener irregulärer Antikörper. Man verwendet Suspensionen von 2
oder 3 Test-Erythrozyten mit bekannten Antigenen, die mit Patientenserum reagieren
(agglutinieren), falls erythrozytäre Alloantikörper anwesend sind. Bei positivem
Antikörpersuchtest erfolgt in einem weiteren Schritt die Identifizierung des Antikörpers
durch Ermittlung des Blutgruppenantigens, mit dem der Antikörper spezifisch reagiert.
Hierfür wird Patientenserums in der Regel im NaCl-, Enzym- und Coombs-Milieu und bei
Kälte (4°C) mit 10 bis 12 verschiedenen Test-Erythrozyten, die ein bekanntes BlutgruppenAntigenmuster aufweisen, zur Reaktion gebracht. Aus dem Reaktionsverhalten des
Antikörpers gegenüber den bekannten Erythrozyten kann man die Antigenspezifität
identifizieren. Falls das zu untersuchende Serum beispielsweise ausschließlich mit TestErythrozyten, die das Blutgruppenmerkmal Rhesus (D) tragen, positiv reagiert, liegt eine
Antikörper mit der Spezifität Anti-D, bei ausschließlicher Reaktion mit Duffy Fy(a) ein
Antikörper der Spezifität Anti-Fy(a) vor. In diesen Fällen dürfen für Transfusionszwecke
ausschließlich erythrozytenhaltige Konserven bereitgestellt werden, die dieses
Blutgruppenmerkmal nicht aufweisen.
In der Regel verwendet man die Agglutinationstechnik zum Nachweis von AlloAntikörpern. Die in vitro-Tests werden üblicherweise in Röhrchen durchgeführt. Bei neueren
sensitiven Agglutinationsmethoden wird die sogenannte Gelzentrifugations- oder
Festphasentechnik verwendet.
Der Antikörper-Nachweis erfolgt im allgemeinen in drei Stufen wie nachfolgend anhand der
Röhrchen-Technik beschrieben:
30
Technik
NaCl
Stufe 1
LISS-Technik
Stufe 2
CoombsTechnik
Stufe 3
Durchführung
2 Tropfen Patientenserum werden zu 1 Tropfen 3%
Spendererythrozyten-Suspension (NaCl 0,9%) gegeben, inkubiert,
zentrifugiert, aufgeschüttelt und auf Agglutination geprüft. Das
Ergebnis wird dokumentiert. Diese Technik dient dem Nachweis von
IgM-Antikörpern und ist wenig sensitiv für (die klinisch relevanteren)
IgG-Antikörper.
Methoden mit LISS (Low Ionic Strength Solution), Enzym, Albumin
oder Coombsserum (Antihumanglobulin) oder Kombinationen
dienen als Verstärker- techniken. Beim LISS-Ansatz wird das
Probenmateriasl der Stufe 1 mit LISS-Reagenz versetzt, inkubiert,
zentrifugiert, aufgeschüttelt und auf Agglutination geprüft. Das
Ergebnis wird dokumentiert. In diesem Ansatz wird durch ein Milieu
mit niedriger Ionenstärke die Reaktion der Antikörper vom IgG-Typ
beschleunigt und der Nachweis ermöglicht.
Für die Stufe 3 kommt der indirekte Coombstest zur Anwendung,
bei dem der Nachweis von im (Empfänger-) Serum vorhandenen
freien Antikörpern, die mit (Spender-) Erythrozyten reagieren,
geführt wird. Dabei wird das Probenmaterial der Stufe 2 dreimal
gewaschen und Coombsserum, das Antihumanglobulin enthält,
zugesetzt, anschließend zentrifugiert, aufgeschüttelt und auf
Agglutination geprüft. Hiermit werden an den Erythrozyten
gebundene (irreguläre) Alloantikörper nachgewiesen. Die CoombsTechnik besitzt als Verstärkertechnik die höchste Sensitivität für die
klinisch relevanten Antikörper vom IgG-Typ und ist als Test für die
Kreuzprobe vorgeschrieben. .
Neben dem Antikörpersuchtest ist vor jeder Transfusion eine sogenannte
Verträglichkeitsprobe („Kreuzprobe“) durchzuführen. Die Technik erfolgt analog zum
Antikörpersuchtest, wobei jedoch in vitro die serologische Verträglichkeit zwischen SpenderErythrozyten und Patienten-Serum bestimmt wird. Die Durchführung erfolgt im Drei-StufenTest (s.o.) unter Einschluß des vorgeschriebenen indirekten Coombstests.
Auto-Antikörper
Auto-Antikörper reagieren durch Bindung an hochfrequente Blutgruppen-Antigene mit den
patienteneigenen (aber auch mit Fremd-) Erythrozyten. Man unterscheidet Kälte- und
Wärme-Auto-Antikörper. Die Kälte-Auto-Antikörper haben ein Reaktionsoptimum bei 4°C
und sind klinisch weniger bedeutsam. Wärme-Auto-Antikörper haben ihr Reaktionsoptimum
bei Körpertemperatur und verursachen in der Regel eine klinisch anhaltende Hämolyse.
Der Nachweis von erythrozytär gebundenen Antikörpern erfolgt mit Hilfe des direkten
Coombstest, bei dem Antihumanglobulin (z.B. vom Kaninchen) mit gebundenem
Immunglobulin (IgG oder IgM, seltener IgA) und/oder Komplementfaktoren reagiert und
durch Quervernetzung eine Agglutination der Erythrozyten herbeiführt. Hiermit gelingt der
Nachweis von Autoimmunhämolytis chen Anämien (AIHA), aber auch der Nachweis einer
vorbestehenden Beladung der Erythrozyten mit Alloantikörpern z.B. infolge von
Vortransfusionen
(inkompatible
Transfusionen,
verzögerte
hämolytische
Transfusionsreaktion) oder bei Neugeborenen im Falle eines Morbus haemolyticus
neonatorum (MHN).
31
Prätransfusionelle Untersuchungen
Zur Vorbereitung einer Transfusion von erythrozytenhaltigem Konservenblut sind gemäß den
„Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von
Blutprodukten“ die nachfolgend genannten Untersuchungen vorgeschrieben: Bestimmung
der Blutgruppe im ABO-System und der Rhesuseigenschaften (Rhesusmerkmal D) von
Empfänger
und
Konservenblut,
Antikörpersuchtest
beim
Empfänger,
Verträglichkeitsprüfung (Kreuzprobe) zwischen Empfängerserum und Erythrozyten der
Konserve einschließlich des indirekten Coombs-Tests sowie der „Bedsite Test“. Die
genannten Untersuchungen dienen der Sicherung von Identität und Kompatibilität bei der
Anwendung von Blutprodukten.
Hämolyse
In der Transfusionsmedizin relevante Hämolysen (Erythrozytolysen) sind mehrheitlich
immunologisch bedingt. Der sogenannte hämolytische Transfusionszwischenfall, der
intensivmedizinische Gegenmaßnahmen erfordert,
gehört zu den gefürchtesten
Komplikationen bei einer Transfusion. Er tritt meistens als Folge einer
Blutgruppeninkompatibiltät, häufig infolge Verwechslung, durch Reaktion der transfudierten
Erythrozyten mit erythrozytären Antikörpen beim Empfänger auf. Alle oben genannten
prätransfusionellen Maßnahmen dienen dazu, einen derartigen Transfusionszwischenfall zu
vermeiden. Der Verdacht auf einen hämolytischen Transfusionszwischenfall erfordert
umgehende labordiagnostische Abklärungsmaßnahmen, die die AB0-, RhesusBlutgruppenbestimmung des Konservenbluts und des Empfängers vor und nach
Transfusion, den direkten Coombstest, freies Hämoglobin und den Antikörpersuchtest sowie
die Wiederholung der Kreuzproben umfassen und weitere Untersuchungen wie mikrobielle
Austetsung beinhalten. Eine verzögerte hämolytische Transfusionsreaktion tritt
frühestens nach einigen Tagen posttransfusionell auf, verläuft in der Regel klinisch milder
und ist zumeist die Folge einer Boosterung von prätransfusionell nicht nachweisbaren
irregulären Antikörpern, die bei Antigen-Reexposition durch Konservenblut erneut gebildet
werden. Der Nachweis erfolgt analog zur akuten Hämolyse.
Der Morbus haemolyticus neonatorum wird durch die diaplazentare Übertragung von
mütterlichen IgG-Allo-Antikörpern auf das Kind verursacht, bei dem ein vom Vater ererbtes
korrespondierendes Antigen vorliegt. Die schweren MHN werden mehrheitlich durch ein
Anti-D verursacht, wobei die Stimulation einer Rhesus-negativen Mutter mit kindlichem
Rhesus-D-positivem Blut oftmals während der ersten Geburt bei der Plazentaablösung
ensteht. Als Gegenmaßnahme wird die sogenannte Anti-D-Prophylaxe empfohlen, die eine
Antigen-Exposition und damit die Induktion einer primären Immunantwort verhindern soll.
Der Nachweis von Alloantikörpern und Titerverlaufsbestimmungen bei Boosterung ab der 2.
Schwangerschaft geben Anhalt über die Gefährdung für das Kind. insbes. Der direkte
Coombstest ist im Fötalblut und beim Neugeborenen zumeist positiv, weitere Anhaltspunkte
liefern die Bilirubinbestimmung im Fruchtwasser oder Serum des Neugeborenen. Der
Sonderfall einer AB0-Erythroblastose, bei welcher der direkte Coombstest oftmals negativ
ist, tritt dann auf, wenn die Mutter ausnahmsweise zusätzlich Isoagglutinine vom IgG-Typ
bildet.
Blutkomponenten
Die o.g. blutgruppenserologischen Regeln und labordiagnostischen Maßnahmen gelten
speziell für Erythrozytenkonzentrate (EK). Nach dem aktuellen Standard werden nur
leukozytendepletierte Eks für Transfusionszwecke eingesetzt. Sie enthalten
einen
citrathaltigen Stabilisator und müssen bei 4 (+/-2) Grad Celsius aufbewahrt werden. EKs
32
sind zur Behandlung von Anämien, Blutverlusten, zur perioperativen Substitution oder bei
Austauschtransfusion indidiziert.
Frisch gefrorenenes Plasma (GFP) wird hauptsächlich zum Ausgleich bei globalem
Gerinnungsfaktorendefizit eingesetzt z. B. im Rahmen von Massivtransfusionen. Darüber
hinaus dient es zur Substitution bei schwerem Mangel der Gerinnungsfaktoren V und XI.
Da GFP entsprechend der jeweiligen Blutgruppe die Isoagglutinine Anti-A und/oder Anti-B
enthält, muss blutgruppenidentisch bzw. blutgruppenkompatibel (s. oben angeführte Tabelle)
transfundiert werden. GFP wird
bei -20 Grad Celsius gelagert un muss für
Transfusionszwecke aufgetaut werden.
Thrombozytenkonzentrate
(TK)
werde
als
leukozytendepletierte
(gefilterte)
Blutkomponente durch Fraktionierung oder Zytapherese hergestellt. Sie werden bei 22 Grad
Clesius unter ständiger Agitation aufbewahrt und sind zur Behandlung und Abwehr von
Blutungskomplikationen bei schweren Thrombozytopenien indiziert. TKs sollen ABO- und
Rhesus(D)-kompatibel transfundiert werden. Bei therapierefraktären Thrombozytopenien
und in chronischen Transfusionsprogrammen wird die Gabe von HLA (Human Leukocyte
Antigen)-kompatiblen
TKs
empfohlen.
Bei
spezifischer
Konstellation,
z.B.
Schwangerschafts-Inkompatibiltät werden auch HPA (human Platelet Antigen)
berücksichtigt.
33
VI
VI.1
Hämostaseologie
Primäre Hämostase
VI.1.1 Thrombozyt
Die Blutplättchen werden im Knochenmark aus Megakaryozyten gebildet. Die physiologische
Thrombozytenzahl im peripheren Blut beträgt 150000 - 300000/µl. Blutplättchen haben einen
Durchmesser von 2-4 µm. Im Gegensatz zu Leukozyten weisen Blutplättchen keinen
Zellkern auf und sind dadurch nicht oder nur sehr eingeschränkt (Reste von mRNA aus
Megakaryozyten, Mitochondrien) zur Proteinsynthese befähigt. Die physiologische
Überlebenszeit der Blutplättchen im peripheren Blut beträgt etwa 7 Tage. Der Abbau der
Plättchen erfolgt im retikuloendothelialen System der Leber und Milz. Etwa ein Drittel der
Plättchen ist in der Milz gespeichert und steht im Austausch mit dem zirkulierenden Anteil.
Das Zytoplasma der Plättchen enthält drei verschiedene Formen von Speichergranula:
dichte Granula ("dense bodies"), a-Granula und Lysosomen. Die Inhaltsstoffe der Granula
werden in der Tab. 1 wiedergegeben.
Tab. 1 Inhaltsstoffe der thrombozytären Speichergranula
Dichte Granula
a-Granula
(dense bodies)
ATP
Adhäsionsproteine:
ADP
Fibrinogen
2+
Ca
Fibronektin
Serotonin
von-Willebrand-Faktor
Thrombospondin
Glykoprotein IIb-IIIa
Gerinnungsfaktoren:
Plasminogen
Faktor V und XI
Protein S
Wachstumsfaktoren
Enzyme
Zytokinähnliche Proteine
Lysosomen
Kathepsin
Kollagenase
ß-Galaktosidase
u.a.
VI.1.2 Thrombozytenaktivierung und primäre Hämostase
Bei einer Gefäßverletzung werden subendotheliale Strukturen (Kollagen, Laminin,
Fibronektin etc.) freigelegt. Hierdurch kommt es zu einer raschen Plättchenadhäsion und
Aggregation. Es bildet sich in kurzer Zeit ein Plättchenthrombus, der die Wunde verschließt.
Die Adhäsion noch ruhender Blutplättchen an die verletzte Gefäßwand ist der erste Schritt
der primären Hämostase. Sie wird durch thrombozytäre Membranglykoproteine gesteuert.
Für die Adhäsion der Thrombozyten an freigelegte subendotheliale Strukturen ist das
Plasmaprotein 'von Willebrand-Faktor' erforderlich. Der von Willebrand-Faktor bindet an
Kollagenfasern und an den thrombozytären Rezeptor für den von Willebrand-Faktor
(Glykoprotein Ib-V-IV) und verankert den Thrombozyten auf diese Weise am Subendothel.
Neben der Adhäsion kommt es bei der primären Hämostase auch zu einer Aggregation der
Thrombozyten. Hierbei spielt das Glykoprotein IIb-IIIa als Fibrinogenrezeptor auf der
Thrombozytenoberfläche eine wichtige Rolle. Fibrinogen bindet an den aktivierten
Glykoprotein IIb-IIIa-Rezeptor. Durch die Ausbildung von Fibrinogenbrücken zwischen
aktivierten Thrombozyten entstehen Plättchenaggregate.
34
Im nichtaktiviertem Zustand weisen Thrombozyten eine diskoide Form auf. Die Aktivierung
der Thrombozyten führt zur Formveränderung mit Bildung von Pseudopodien, die
Ausstülpungen der Plasmamembran darstellen. Dabei vergrößert sich die Oberfläche des
Thrombozyten erheblich. Bei der Thrombozytenaktivierung werden die Inhaltsstoffe der
Thrombozytengranula freigesetzt. ADP und Thromboxan führen zu einer direkten
Aktivierung von weiteren Thrombozyten. Serotonin wirkt vasokonstriktorisch.
Außerdem wird durch die Gefäßläsion Gewebsthromboplastin freigesetzt und das
plasmatische Gerinnungssystem aktiviert. Das bei der plasmatischen Gerinnung
entstehende Thrombin aktiviert wiederum Thrombozyten. Thrombin setzt Fibrin-Monomere
aus Fibrinogen frei. Die Fibrinmonomere polymerisieren sehr schnell zu Fibrinfäden. Die
Fibrinbildung stabilisiert den primären Plättchenpropf. Durch die Retraktion der Fibrinfäden
werden die Wundränder schließlich zusammengezogen.
VI.1.3 Blutungszeit
Mit der Blutungszeit wird die primäre Hämostase geprüft. Indikationen zur Bestimmung der
Blutungszeit sind:
- jedes unbekannte Blutungsleiden
- Beurteilung der Blutungsgefährdung z. B. präoperativ bei V.a. eine hämorrhagische
Diathese
- Verlaufskontrolle bei Patienten mit von Willebrand-Jürgens-Syndrom oder anderen
Störungen der primären Hämostase
Die Blutungszeit kann mit den folgenden Verfahren am Patienten bestimmt werden:
Blutungszeit nach Duke:
Die Methode kann am Ohrläppchen oder an der Fingerbeere durchgeführt werden. Nach
gründlichem Abreiben mit einem Alkohol-Äthergemisch (1:1) wird ca. 3 - 4 mm tief mit einer
sterilen Einmal-Lanzette eingestochen und die Stoppuhr in Gang gesetzt. Dann saugt man
alle 15 s das ausgetretene Blut vorsichtig mit einem Filterpapier ab, ohne die Wundränder zu
berühren. Registriert wird die Zeit bis zum Stillstand der Blutung. Bei einer normalen
primären Hämostase sistiert die Blutung nach 2-5 min.
Blutungszeit nach Ivy:
Bei der Bestimmungsmethode nach Ivy werden zum besseren Standardisieren der
Testwunde eine Metallplatte von ca. 70x40x1 mm mit einem zentralen Schlitz von 1 cm
Länge und ein Skalpell mit einstellbarer Schnitt-Tiefe (1 mm) verwendet. Die Manschette
eine Blutdruck-Meßgerätes wird um den Oberarm gelegt und auf 40 mmHg aufgeblasen. Die
Innenseite des gestauten Unterarms wird mit Äther gereinigt und mit Alkohol desinfiziert. Die
Metallplatte wird aufgelegt und 1 oder 2 Schnitte von je 1 mm Tiefe und 1 cm Länge
vorgenommen. Alle 20 s wird das austretende Blut mit Filterpapier ohne Berühren der
Wundränder aufgesaugt und die Zeit bis zum Stillstand der Blutung gestoppt. Als
Referenzbereich wird eine Blutungszeit < 12 min angegeben.
Subaquale Blutungszeit nach Marx:
Hierbei wird mit der Lanzette ca. 3-4 mm tief in die Fingerbeere oder das Ohrläppchen
gestochen und die Wunde in 37°C warmes destilliertes Wasser getaucht. Beim Erscheinen
des ersten Blutfadens wird die Stoppuhr in Gang gesetzt und die Zeitspanne bis zum
Abreißen des Blutfadens gemessen. Der Referenzbereich beträgt 2 - 5 min.
Blutungszeitbestimmung mit standardisierter Stichverletzung:
Die Standardisierung der Schnittlänge und -tiefe ist mit Hilfe einer automatischen Stechhilfe
möglich. Der Einstich wird am Unterarm bei venöser Blutstauung (mit Blutdruckmanschette
35
am Oberarm bei 40 mmHg) vorgenommen. Bei diesem Verfahren kommt es jedoch durch
die kleine Verletzung i.d.R. zur Narbenbildung.
VI.1.4 Ursachen einer verlängerten Blutungszeit
Ursachen
einer
verlängerten
Blutungszeit
können
Thrombozytopenien,
Thrombozytenfunktionsstörungen sowie Hypofibrinogenämien sein. Thrombozytenfunktionsstörungen sind häufig durch die Einnahme von Acetylsalicylsäure bedingt. Aufgrund
der irreversiblen Hemmung der thrombozytären Cyclooxygenase-1 durch Acetylsalicylsäure
ist die Bildung des Thrombozytenaktivators Thromboxan inhibiert. Bei den folgenden
Medikamenten kommt es ebenfalls zu Thrombozytenfunktionsstörungen:
Ticolpidin, Clopidogrel, Abciximab (Fab-Fragment eines chimären gegen den
thrombozytären GP IIb-IIIa-Rezeptor gerichteten Antiköpers), Valproinsäure, Penicilline,
Dextrane. Erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen treten auch bei Leberzirrhose und
Urämie auf.
Die häufigste angeborene Thrombozytenfunktionsstörung stellt das Willebrand-JürgensSyndrom dar. Der von Willebrand-Faktor ist ein oligomeres Protein, das zwei wichtige
Aufgaben erfüllt: Thrombozytenadhäsion (hochmolekularer von-Willebrandfaktor) und
Bindung von Faktor VIII (Schutz der Gerinnungsfaktors VIII vor zu raschem Abbau). Das von
Willebrand-Jürgens-Syndrom kann sich daher sowohl auf die primäre Hämostase als auch
auf die plasmatische Gerinnung auswirken.
Zu erwähnen sind seltene angeborene Thrombozytenfunktionsstörungen. Beim BernardSoulier-Syndrom handelt es sich um einen Defekt des GP-Ib-V-IX-Rezeptors mit Auftreten
von Riesenthrombozyten. Bei der Thrombasthenie Glanzmann ist der GP IIb/IIIa Rezeptor
betroffen. Unter der Bezeichnung Storage pool diseases werden verschiedene erbliche
Thrombozytenfunktionsstörungen zusammengefaßt, bei denen bestimmte Funktionen der
Speichergranula gestört sind. Zu dieser Gruppe gehören das Wiskott-Aldrich-, das
Hermansky-Pudlak- und das Chediak-Higashi-Syndrom.
Bei Skorbut und beim Ehlers-Danlos-Syndrom kann die Blutungszeit aufgrund vaskulärer
Störungen verlängert sein.
VI.1.5 In vitro Thrombozytenfunktionsdiagnostik
Anstelle der Bestimmung der Blutungszeit am Patienten kann auch eine in-vitro
Thrombozytenfunktionsdiagnostik aus einer Blutprobe erfolgen. Hierfür stehen
unterschiedliche Methoden zur Verfügung. Die Patiententhrombozyten werden durch
verschiedene Aktivatoren (z. B. Kollagen, ADP, Adrenalin etc.) stimuliert. Bei der
Aggregometrie wird die Thrombozytenaggregation mit Hilfe der zunehmenden
Lichtdurchlässigkeit einer Thrombozytensuspension nach Zugabe von Aktivatoren beurteilt.
Mit einem anderen für die Routinediagnostik geeignetem Verfahren werden die Verhältnisse
in einem verletzten Gefäß in einem Gerät simuliert, wobei die Thrombozytenfunktion mit
Hilfe einer Verschlußzeit beurteilt wird.
Bei
der
Differentialdiagnose
von
Thrombozytenfunktionsstörungen
spielt
die
Durchflußzytometrie eine wichtige Rolle.
Die in-vitro-Funktionsdiagnostik kann jedoch nicht vakuläre Störungen, die beim EhlersDanlos-Syndrom und Skorbut auftreten können, erfassen.
36
VI.1.6 Differentialdiagnostik
Tab. 2 Differentialdiagnostik
Quick-Test
aPTT
BlutungsZeit
Ursachen
Hämophilien
von WillebrandJürgensSyndrom
Thrombozytopenie,
Thrombasthenien
Fibrin(ogen)spaltprodukte
Heparin,
Afibrinogenämien
normal
normal
patholog.
patholog.
normal
patholog.
normal
normal
patholog.
patholog.
patholog.
patholog.
Bei den Hämophilien handelt es sich um eine rein plasmatische Gerinnungsstörung, die
durch eine verlängerte aPTT auffällt (Tab. 2).
Beim von Willebrand-Jürgens-Syndrom kommt es aufgrund von qualitativen und/oder
quantitativen Defekten des von Willebrand Faktors zu einer erhöhten Blutungsneigung. Die
Befundkombination einer verlängerten Blutungszeit mit einer verlängerten aPTT ist für diese
Erkrankung charakteristisch.
Thrombozytenfunktionsstörungen und Thrombozytopenien können durch eine verlängerte
Blutungszeit bei normalem Quick- und aPTT-Befund auffallen. Zur Differentialdiagnostik der
Thrombozytenfunktionsstörung können nach Ausschluß von medikamentenbedingten und
anderen erworbenen Störungen durchflußzytometrische Untersuchungen vorgenommen
werden.
Ein pathologisches Testergebnis für alle drei Tests Quick, aPTT und Blutungszeit kann bei
einer Afibrinogenämie, bei hohen Konzentrationen von Fibrin(ogen)spaltprodukten und sehr
hohen Heparinkonzentrationen auftreten.
37
VII Labororganisation und Qualitätsmangement
Ein Laborbefund entsteht in einem komplexen Untersuchungsgang, der in 4 Teilschritte zu
gliedern ist (Punkte I.1 bis I.4).
VII.1 Präanalytik
Die präanalytische Phase umfaßt alle Einflüsse, die vor dem Messvorgang einwirken. Es
sind dabei folgende Teilschritte zu beachten:
Festlegung des Untersuchungsprogramms
Patientenvorbereitung (z.B.: spezielle Vorbereitung bei
Belastungstests, Tagesrhythmik)
Probenarten (z.B. Serum, Plasma, Vollblut)
Entnahme des Probenmaterials
Transport
Aufbereitung
Lagerung
Kenntnis und Beachtung von Einflußgrößen
und Störfaktoren
behandelnder Arzt
behandelnder Arzt
behandelnder Arzt
behandelnder Arzt
Transportdienst
Labor
Labor
behandelnder Arzt
und Labor
VII.2 Analyse + analytische Beurteilung
Die eingesetzten
beschrieben:
Messmethoden
werden
durch
folgende
Zuverlässigkeitskriterien
analytische Spezifität:
beschreibt die Fähigkeit einer Analysenmethode, nur denjenigen Bestandteil quantitativ zu erfassen, den sie vorgibt
zu messen.
analytische Empfindlichkeit:
kennzeichnet die kleinste unterscheidbare Messwertdifferenz.
untere Messbereichsgrenze:
ist als sicher erkennbares, vom Hintergrund unterscheidbares Meßergebnis definiert.
obere Messbereichgrenze:
entspricht der Linearitätsgrenze bei linearer Beziehung
zwischen Meßsignal und Konzentration des Analyten
Präzision:
Richtigkeit:
siehe I.2.1
siehe I.2.1
38
VII.2.1 Qualitätskontrolle: Präzision, Richtigkeit und Fehlerarten
Allgemeine Grundlagen:
Präzision und Richtigkeit gelten als wichtigstes Qualitätskriterium einer analytischen
Methode. Die Präzision erfasst den zufälligen Fehler und die Richtigkeit den
systematischen Fehler.
Richtigkeit
Präzision
Schießscheibe
Fehlerart
optimal
Optimal
kein Fehler
gut
Schlecht
zufälliger Fehler
schlecht
Gut
systematischer Fehler
Zusätzlich gibt es noch den groben Fehler. Dieser bezieht sich nicht auf die Analytik,
sondern die Ursache kann in Probenverwechslungen, falschem Reagenz, Fehler in der
Ergebnismitteilung usw. liegen.
Richtlinie der Bundesärztekammer:
Das Vorgehen zur Qualitätskontrolle ist detailliert in der Richtlinie der
Bundesärztekammer vom 1. Januar 2002 geregelt (Lit.: Richtlinie der Bundesärztekammer
zur Qualitätssicherung quantitativer laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen, Dt.
Ärzteblatt 2001; 98 A2747-A2759). In den Richtlinien wird für 53 Messgrößen im
Plasma/Serum, 7 Analyte im Liquor, 12 Analyte im Urin und 17 Analyte im Vollblut die
Anforderungen an die Qualitätskontrolle festgelegt. Parame
7
39
1
Lfd.
Nr.
2
Analyt
3
4
Größenart Zielwert
5
Max.
Zulässige
Unpräzision
6
Max.
Zulässige
Unrichtigkeit
1
2
3
Natrium
Glukose
PSA
SMK
SMK/MK
MK
1,5 %
4%
10 %
2%
7%
10 %
RMW
RMW
SW
7
Max.
Zulässige
Abweichung des
Einzelwertes
3%
15 %
30 %
SMK, Stoffmengenkonzentration; MK, Massenkonzentration; RMW, Referenzmethodenwert,
SW, Sollwert
Entscheidende Zielgrößen der Qualitätskontrollen sind in den Spalten 5, 6 und 7 der Tabelle
angegeben.
Spalte 5, Ermittlung der laborinternen Fehlergrenzen: Aus 20 aufeinanderfolgenden
Messergebnissen der Kontrollproben wird der Mittelwert, die Standardabweichung und der
Variationskoeffizient berechnet. Dieses Vorgehen entsprecht der früheren Berechnungen für
die Präzisionskontrolle. Der Variationskoeffizient darf nicht größer als der in der Spalte 5
aufgelistete Wert sein. In der täglichen Qualitätskontrolle gilt ein Patientenmesswert als nicht
richtig, wenn die Kontrollprobe außerhalb der ermittelten 3s-Grenze liegt. Die Grenzen der
Qualitätskontrolle werden kontinuierlich neu berechnet, z.B. jeden Monat.
Spalte 6, Maß für die systematische Messabweichung: In dem Beobachtungszeitraum
(z.B. ein Monat) wird die Differenz zwischen Zielwert der Kontrollprobe und Mittelwert der
Abweichungen der Einzelergebnisse der Kontrollprobe vom Zielwert ermittelt. Die
Abweichung muss innerhalb der vorgegebenen Grenzen liegen.
Spalte 7, Maximal zulässige Unrichtigkeit des Einzelwertes: Das Ergebnis der
Kontrollprobe darf max. nur die in Spalte 7 angegebene Abweichung zeigen.
Zusammengefasst zeigt die neue Richtlinie zwei Verletzungen der Qualitätskontrolle auf, die
ein sofortiges Handel erfordern (Sofortregeln, Kontrollprobe außerhalb der ermittelten 3s
Grenze und Kontrollprobe außerhalb der max. möglichen Abweichung für Einzelwerte).
Verletzungen der Qualitätskontrolle, die ein sofortiges Handel erfordern, sind Verletzungen
gegenüberzustellen, die durch die monatliche Auswertung auffallen (Berechnungsregeln,
Laborinterner Variationskoeffizient ist größer als in Spalte 5 aufgelistet und systematische
Messabweichung ist größer als in Spalte 6 aufgelistet). Bei Verletzung der Sofort- oder
Berechnungsregeln sind grundsätzlich die Patientenergebnisse als unrichtig zu werten.
Maßnahmen zur Korrektur des Analyseverfahrens sind zu ergreifen und entsprechend zu
dokumentieren. Erst nach erfolgreicher Korrektur können die Patientenproben erneut
analysiert werden.
Externe Qualitätssicherung:
Zusätzlich zur internen Qualitätssicherung muss das Labor für die durchgeführten Analyte
vierteljährlich an externen Qualitätskontrollen teilnehmen. Die Proben werden ohne
Ergebnis zugesandt und unter Routine-Bedingungen analysiert. Bei bestandener externer
Qualitätskontrolle wird ein Zertifikat erteilt, das 6 Monate gültig ist. Liegt kein gültiges
Zertifikat vor, darf die Analyse nicht mehr im Labor durchgeführt werden.
40
VII.3 Medizinische Validation
Bevor ein Analysenergebnis zur Grundlage einer ärztlichen Handlung werden kann, muß der
Befund im Rahmen der medizinischen Validation unter Berücksichtigung von Patientendaten
beurteilt werden. Wesentliche Inhalte der medizinischen Validation sind dabei:
· Transversalbeurteilung: Beurteilung der Ergebnisse unter Bezug auf Referenzwerte.
Dabei differieren die Referenzbereiche in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der
untersuchten Kollektive (z.B. Alter, Geschlecht, Rasse).
· Longitudinalbeurteilung: Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung von
Vorergebnissen beurteilt.
· Befundkonstellationen: Resultate sind nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern
haben Bezug zueinander (z.B. die Plausibilität einer erhöhten K+ Konzentration wird
durch eine gleichzeitig erhöhte Kreatinin-Konzentration gestützt)
· Extremwerte: Ungewöhnlich niedrige oder hohe Konzentrationen sind primär verdächtig
auf einen (zufälligen) Messfehler. Ist ein Messfehler ausgeschlossen, muss nach
Einfluss- und Störfaktoren als Ursache des Extremwertes geforscht werden (z.B.
lebensgefährliche Glucose-Erniedrigung in der Probe durch langen Probentransport ohne
vorherige Zentrifugation).
VII.4 Befundinterpretation
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Krankheit bei positivem Testergebnis vorliegt,
wird durch die Sensitivität, Spezifität und den prädiktiven Wert maßgeblich beeinflusst.
Deshalb ist die Kenntnis dieser Größen zwingend für die Interpretation von
Messergebnissen erforderlich.
Sensitivität: Die Sensitivität eines Tests gibt an, wie viel Prozent der Kranken ein
pathologisches Ergebnis haben (richtig positiv). Die Anzahl aller Erkrankten entspricht der
Summe aus ´richtig positiv´und ´falsch negativ´.
Spezifität: Die Spezifität eines Tests gibt an, wie viel Prozent der Gesunden ein normales
Ergebnis haben (richtig negativ). Die Anzahl aller Gesunden entspricht der Summe aus
´richtig negativ´ und ´falsch positiv´.
Prädiktiver Wert: Der prädiktive Wert bezeichnet den diagnostischen Aussagewert eines
Tests. Man unterscheidet einen positiven und negativen prädiktiven Wert. Die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Erkrankung vorliegt, wird durch den positiven prädiktiven Wert
ausgedrückt, der den Anteil der richtig positiven Testergebnisse an allen positiven
Testergebnissen (Summe von richtig positiven und falsch positiven) angibt. Die
Vorhersagewahrscheinlichkeit hängt außer von der Sensitivität, Spezifität des Testsystems
auch von der Prävalenz der Krankheit ab.
VII.5 Einflußfaktoren und Störfaktoren
VII.5.1 Einflußgrößen
Kenntnis von Einflußgrößen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Beurteilung von
Laborbefunden. Einflußfaktoren beeinflussen in vivo das Messergebnis. Es sind dabei
unveränderliche Einflussfaktoren (Altersklasse, Geschlecht, Rasse usw.) von
veränderlichen Einflussfaktoren (Ernährung, Körperlage, körperliche Aktivität,
Biorhythmen, Schwangerschaft, Medikamenteneinnahme) zu unterscheiden.
41
VII.5.2 Störfaktoren
Störfaktoren führen in vitro, also nach Abnahme des Materials zu einem Meßergebnis, das
nicht der in vivo-Konzentration des Analyten entspricht. Es sind dabei körpereigene
Störfaktoren (Hämolyse (Freisetzung erythrozytärer Bestandteile), Beeinflußung der
photometrischen Messung (durch Lipämie, ikterische und hämolytische Seren) von
körperfremde Störfaktoren (Kontamination des Urins mit Bakterien, Probentransport,
Abnahme aus der Infusion) zu unterscheiden.
VII.6 Praktikum
VII.6.1 Demonstration
Automation in der Labordiagnostik:
Stand alone Systeme - Work cells - Lab cells
VII.6.2 Praktische Übungen
Simulation der gesetzlichen Vorgaben der Qualitätskontrolle.
VII.6.3
1.
2.
3.
4.
Lernziele
Vier Teilschritte eines Laborbefundes
Qualitätskontrolle entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer
Die Bedeutung von Einfluß- und Störfaktoren
Automationskonzepte der Labormedizin
42
VIII Tumormarker
Tumorerkrankungen nehmen hinter Herz-Kreislauferkrankungen den 2. Platz in den
Todesursachen ein. Es wurde daher frühzeitig versucht geeignete Marker zu finden, die auf
ein Krebsgeschehen hinweisen. Im wesentlichen haben sich heute drei Indikationen für den
Einsatz von Tumormarkern herausgebildet:
1) Verlaufskontrolle: Dies ist die eigentliche Domäne
Tumormarkern
2) Risikopatienten für einen bestimmten Tumor
3) Klinischer Verdacht auf eine bestimmte Tumorerkrankung
der
Bestimmung
von
Tumormarker haben bisher enttäuscht hinsichtlich eines Screeningtests auf
Tumorerkrankungen. Eine Ausnahme bildet hier das PSA (Prostata-spezifische Antigen).
Ebenfalls von Nachteil ist die fehlende Organspezifität vieler Tumormarker. Die Ergebnisse
einer Tumormarkerbestimmung sind kritisch unter den Gesichtspunkten Sensitivität,
Spezifität und positiver prädiktiver Wert zu beurteilen.
VIII.1 Einteilung der Tumormarker
Tumormarker treten häufig aufgrund des veränderten Stoffwechsels der transformierten
Zelle auf. Sie können entweder histologisch am Tumorgewebe (zelluläre Tumormarker) oder
wesentlich einfacher in einer Körperflüssigkeit (humorale Tumormarker) nachgewiesen
werden. In der klinischen Diagnostik haben vor allem die Tumor-assozierten Antigene einen
hohen Stellenwert erlangt. Dabei handelt es sich häufig um im Blut vorkommende
zirkulierende Makromoleküle - zumeist Proteine mit einem Kohlenhydrat - oder Lipidanteil.
43
Tumormarker
Zelluläre Tumormarker
Humorale Tumormarker
(z.B. Hormonrezeptoren beim
Mammakarzinom)
Vom Tumor produzierte Marker
Vom Tumor induzierte Marker
Akute Phase-Proteine (z.B. CRP)
Tumorassozierte Antigene
· Onkofetale Antigene (z.B. CEA,
AFP)
· Durch monokolnale Antikörper
definierte Tumorantigene (z.B. CA
19-9, CA 15-3)
Hormone
z.B. Katecholamine
44
VIII.2 Zeitplan der Tumormarkerbestimmung
Die Verlaufkontrolle ist die eigentliche Domäne der Tumormarkerbestimmung. Da nicht jeder
Tumor ein und desselben Organs die gleichen Tumormarker exprämiert, ist es ratsam, ein
Panel von Tumormarkern präoperativ zu testen und denjenigen Marker für die
Verlaufskontrolle heranzuziehen, der beim Patienten am besten mit der Erkrankung
korrelierte. In der Verlaufskontrolle ist unbedingt auf die Regelmäßigkeit zu achten, um
rechtzeitig Hinweise auf ein Rezidiv ableiten zu können. In der Frühdiagnose des Rezidivs ist
die Tumormarkerbestimmung den bildgebenden Verfahren häufig überlegen.
Vor der ersten Therapie
(Operation, Chemo-, Hormon- oder Radiotherapie)
Postoperativ bzw. nach Therapiebeginn
2 bis 14 Tage nach Therapie
alle 3 Monate während der ersten 2 Jahre
alle 6 Monate im 3., 4., und 5 Jahr nach der ersten Therapie
Vor jedem Therapiewechsel
Bei Verdacht auf Rezidivierung oder Metastasierung
Bei erneutem Staging
2 bis 4 Wochen nach dem Auftreten eines Konzentrationsanstiegs des
entsprechenden Tumormarkers
VIII.3 Validität eines Tumormarker
Die Validität eines Tumormarkers hängt von verschiedenen Faktoren ab. Insbesondere
bestimmen die Sensitivität, Spezifität und der positive prädiktive Wert die Validität eines
Tumormarkers.
Sensitivität: Die Sensitivität bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der bei vorhandenem
Tumor das Testergebnis positiv ausfällt.
Spezifität: Die Spezifität gibt an, bei wie viel Prozent der Gesunden das Testergebnis
negativ ausfällt. In der Regel ist von einer Spezifität von 95 % in einem diagnostischem Test
für Tumormarker auszugehen. Ausgehend von der 95%-Spezifität wird die Sensitivität eines
Tumormarkers festgelegt.
Positver prädiktiver Wert: Der positive prädiktive Wert gibt den Anteil richtig positiver
Werte in Bezug auf alle positiv getesteten Ergebnisse (richtig positiv und falsch positiv) an.
Als wichtige Größe geht beim positiven prädiktiven Wert die Prävalenz der Erkrankung mit
ein.
45
Spezifität
Cut off
Gesunde
Sensitivität
95 %
Kranke
5% falsch gesund
45 % falsch gesund
95 %
55 %
Abb. Definition des cut off in Abhängig von der Spezifität und Sensitivität eines
Tumormarkers
VIII.4 Besondere Rolle des PSA (Prostata-spezifisches Antigen)
In zweierlei Hinsicht besitzt das PSA eine Sonderrolle. PSA gehört zu den wenigen
Tumormarkern die eine strenge Organspezifität besitzen. PSA hat sich als einziger
Tumormarker hinsichtlich eines Screenings auf Tumorerkrankungen bewährt. Liegt der PSAWert im niedrigen Bereich (<4,0 ng/ml) ist das Vorliegen eines Tumors unwahrscheinlich.
Bei Werten über 10 ng/ml muss potenziell mit einem Tumor gerechnet werden. Eine weitere
Abklärung erfolgt in der Regel durch eine Prostatabiopsie. Kritisch bleibt der Bereich
zwischen 4 und 10 ng/ml. Hier kann einerseits eine benigne Prostatahyperplasie vorliegen,
andererseits ist die Möglichkeit für ein Karzinom gegeben. Um hier den Umfang der
Prostatabiopsien einzuschränken wurde intensiv nach nicht invasiven Möglichkeiten der
Abklärung gesucht.
Das PSA kommt im Plasma in einer freien und in einer Proteingebundenen-Form vor. Bei
Vorliegen eines Karzinoms verschieben sich die beiden Fraktionen hinsichtlich eines
reduzierten Anteils des freien PSAs. Der freie Anteil kann neben dem Gesamt-PSA
immunologisch bestimmt werden. Diagnostisch hilfreich ist die Bildung eines Quotienten aus
freiem PSA und Gesamt-PSA. Liegt der Quotient unter 0,24 ist die Wahrscheinlichkeit für ein
Karzinom erhöht und eine invasive Abklärung durch Biopsie sinnvoll. Liegt der Wert über
0,24 ist die benigne Prostatahyperplasie wahrscheinlich. Die Konsequenz ist eine jährliche
Überprüfung des Quotienten freies PSA zu Gesamt-PSA.
46
PSA-Wert
< 4 ng/ml
jährliche Kontrolle
Quotient
(fPSA/Gesamt-PSA)
4,0 – 10 ng/ml
> 10 ng/ml
zusätzlich
freies PSA
(fPSA)
Biopsie
Quotient
(fPSA/Gesamt-PSA)
< 0,24
>0,24
Biopsie
jährliche
Kontrolle
47
PARAMETER
KÜRZE.
MATERIA. BEMERK.
REFERNZ EINH.
Alpha-Fetoprotein
AFP
Serum
< 10
µg/l
Beta-HCG
b-HCG
Serum
< 0,65
ng/ml
mg/l
b2-MG
Serum
< 60 J
1,2 - 2,5
Beta2-Mikroglobulin
> 60 J
< 3,5
CALC
Serum
< 15
pg/ml
Carbohydrate Antigen
CA 12-5
12-5
Serum
< 35
U/ml
Carbohydrate Antigen
CA 15-3
15-3
Serum
< 25
U/ml
Carbohydrate Antigen
CA 19-9
19-9
Serum
< 30
U/ml
Carbohydrate Antigen
CA 72-4
72-4
Serum
< 3,2
U/ml
Calcitonin
CarcinoembryonalesAntigen
<5
5-10
ng/ml
Serum
< 3,3
ng/ml
Serum
8-21
U/l
CEA
Serum
Cytokeratinfragment
21-1
CYFR
Erythropoetin
EPO
Neuronenspezifische- NSE
Enolase
Serum
Prostata-SpezifischesAntigen
PSA
(Gesamt-PSA)
Serum
(Frei-PSA)
Squamous
Cell
SCC
Carcinoma Antigen
Serum
Raucher
ng/ml
INDIKATION
Prim. Leberzell-CA
Hodentumoren außer
Seminom,
Keimzelltumoren des
Ovars
Schwangerschaft,
Chorion-CA,
Hodentumoren,
Keimzelltumoren
des Ovars
Hodgkin- und NonHodgkin-Lymphome
(insb. Plasmacytom,
CLL)
Medulläres
Schilddrüsen-CA
Ovarial-CA,
Pankreas-CA, evtl.
Mamma-CA
Mamma-CA,
Ovarial-CA, UterusCA
Pankreas-CA,
Magen-CA, ColonCA
Magen-CA,
Mucinöses OvarialCA
Gastrointestinale
CA,
Mamma-CA,
Bronchial-CA,
Uterus-CA, LeberCA
Nicht-kleinzelliges
Bronchial-CA
Hypernephrom
Kleinzelliges
Bronchial-CA,
Neuroblastom,
Carcinoid, Seminom,
malignes Melanom
(Blut nicht länger
stehen lassen, falsche
hoher Wete)
0-15 J
5-25
> 16 J
< 12,5
50-60 J
60-70 J
> 70 J
<3
<4
< 4,5
ng/ml
Prostata-CA
< 1,5
ng/ml
Plattenepithel-CA:
Cervix,
Lunge,
Ösoph., HNO-Berei.
48
Thymidinkinase
Thyreoglobulin
TK
TG
Tissue Polypeptide
TPS
Specific Antigen
Serum
Serum
<5
SD-Gesunde 2-70
n.
Strumektomie < 2
n.
Strumektomie < 4
Serum
< 80
U/l
Lymphome
Schilddrüse-CA
ng/ml
U/l
Wenn TSH < 0,1
Wenn TSH normal
Blasen-CA,
Mamma-CA,
Gastrointestinale-CA
VIII.5 Praktikum
VIII.5.1 Demonstrationen
Einteilung der Tumormarker
Sensitivität und Spezifität
prädiktiver Wert
Indikationen der Bestimmung von Tumormarkern
Gesamt-PSA und freies PSA
VIII.5.2 Praktische Übungen
Befundinterpretation unter Berücksichtigung von Sensitivität, Spezifität und positiven
prädiktiven Wert.
49
IX
IX.1
Labordiagnostik der Herz-, Leber- und Pankreaserkrankungen
Herzinfarkt
IX.1.1 Klinik
Brustschmerz länger als 20 min; (resistent gegen Nitro-Präparate) infarkttypisches EKG
(Sensitivität liegt bei etwa 50 %), Anstieg kardialer Enzymaktivitäten im Blut.
Nur etwa 10-15% der Patienten mit Brustschmerz, die die Notfallambulanz aufsuchen, entwickeln innerhalb von 24 h einen Herzinfarkt.
IX.1.2 Klinisch-chemische Diagnostik des akuten Myokardinfarktes
IX.1.2.1
Klinisch-chemische Marker beim akuten Myokardinfarkt
Die klinisch-chemische Diagnostik und Verlaufskontrolle des Herzinfarktes stützt sich auf
konventionelle Marker, wie die Enzyme CK, CK-MB, LDH bzw. HBDH. Die früher eingesetzte
GOT (ASAT) kann heute als entbehrlich angesehen werden. Durch die Entwicklung
empfindlicher immunologischer Tests haben darüber hinaus nicht-katalytische Proteine, wie
Troponin T und I sowie Myoglobin besondere Bedeutung für die Diagnostik des
Herzinfarktes erlangt.
Nach dem akuten Infarktereignis zeigt die Aktivität bzw. Konzentration der verschiedenen
Markerproteine im Blutplasma hinsichtlich Anstiegsbeginn, Gipfel und Normalisierung einen
charakteristischen zeitlichen Verlauf. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Verlaufskurven bei
verschiedenen Patienten mit unterschiedlicher Infarktgröße und unterschiedlicher
Infarktdurchblutung erheblich differieren können. Das zytosolisch gelöste Myoglobin, das
vorwiegend über das venöse Blut das Serumkompartiment erreicht, ist als frühestes
Markerprotein im Blut nachweisbar, gefolgt von CK und CK-MB. Diese Proteine erreichen
relativ früh ihre Serummaximalwerte und werden rasch aus dem Serum eliminiert. So ist
bereits nach 1 bis 2 Tagen ein akuter Myokardinfarkt nicht mehr sicher diagnostizierbar. Die
Serumaktivität der LDH bzw. der HBDH steigt nur langsam an, bleibt jedoch relativ lange im
Serum erhöht. Dieses Enzym wird deshalb vornehmlich für die Diagnostik des länger
zurückliegenden Infarktes eingesetzt (Spätenzym).
Abb.: Aktivitäts- bzw. Konzentrationskinetik wichtiger klinisch-chemischer
Kenngrößen beim akuten Myokardinfarkt
50
Die Serumkonzentrationsänderung der Troponine unterscheidet sich signifikant von der
Kinetik der konventionellen Enzyme. Das kardiale Troponin T oder I zeigt im Serum oder
Plasma Konzentrationsänderungen, wie sie sowohl für zytosolisch gelöste Proteine, z.B.
Myoglobin oder CK, als auch für strukturell gebundene Proteine, z.B. Myosinleichtketten,
gefunden werden. Am ersten Tag nach Schmerzbeginn ist die Freisetzung des Troponins
deutlich abhängig von der frühen Infarktdurchblutung. Die Kinetik dieser initialen
Troponinfreisetzung entspricht der zytosolisch gelösten CK, so daß es sich hierbei
wahrscheinlich um einen zytosolischen Troponinpool handelt. Bei Patienten mit erfolgreicher
Rekanalisation einer verschlossenen Koronararterie (Thrombolyse oder PTCA) ist eine
rasche Troponinauswaschung aus dem Infarktareal mit hohen Serummaximalwerten am
ersten Tag zu beobachten. Die Höhe des Troponinspiegels am ersten Tag ist abhängig von
der Dauer der Gefäßokklusion. Je früher ein Gefäß wiedereröffnet wird, desto höher ist die
Troponinauswaschung. Dagegen ist die anhaltende Troponinfreisetzung, die bis zu 10 Tage
nach Infarktbeginn nachweisbar ist, durch eine protrahierte Freisetzung aus dem Infarktareal
bedingt, da die Serumhalbwertzeit von Troponin 120 Minuten´beträgt. Durch die Freisetzung
dieses strukturell gebundenen Troponinpools entsteht im Mittel vier Tage nach
Schmerzbeginn ein zweiter Maximalwert. Diese anhaltende Troponinerhöhung entspricht
somit der fortschreitenden proteolytischen Degradation des kontraktilen Apparates und zeigt
demnach eine irreversible Herzmuskelnekrose an.
Abb.: Konzentrationskinetik von Troponin T beim akuten Myokardinfarkt
IX.1.2.2
Limitierungen der Bestimmung von CK und LDH in der Infarktdiagnostik
Große transmurale Infarkte sind mit hoher Sicherheit durch infarktypische EKGVeränderunen und Enzymanstieg nachweisbar. Erhebliche Probleme ergeben sich dagegen
bei der Diagnose des kleinen transmuralen oder des nicht transmuralen Infarktes. Hier ist die
Sensitivität und Spezifität des EKG höchstens 80% bzw. 70%. Für die Diagnose des nicht
transmuralen Infarktes sind Erhöhungen serologischer Parameter deshalb entscheidende
diagnostische Kriterien für eine möglicherweise vorliegende Herzmuskelnekrose. Zum
Nachweis von Mikroinfarzierungen, wie sie bei Patienten mit instabiler Angina pectoris
auftreten können, ist das EKG in der Regel nicht hilfreich. Zwar finden sich hier nicht selten
Zeichen einer anhaltenden myokardialen Ischämie, diese EKG-Veränderungen sind jedoch
unspezifisch. Hier erweisen sich besonders die Troponine als moderne kardiale Marker als
hilfreich.
51
Die Sensitivität der CK-Bestimmungen ist durch die relativ geringe Zunahme der CK-Aktivität
im Serum über eine nur kurze Zeitdauer nach Schmerzbeginn sowie durch variable normale
Serumspiegel begrenzt. Es muß deshalb mit einer signifikanten Anzahl falsch negativer
Bestimmungen gerechnet werden, wenn das kleine diagnostische Zeitfenster bei der
Messung verfehlt wird oder wenn die CK-Erhöhung die obere Normgrenze beim sehr kleinen
Infarkt nicht überschreitet. Die LDH bleibt zwar lange im Serum erhöht, ihre relative
Zunahme im Serum ist jedoch geringer als die der CK-Aktivität.
Die diagnostische Wertigkeit der konventionellen Herzinfarktparameter wird darüber hinaus
durch die mangelnde diagnostische Spezifität dieser Markerproteine, die allesamt nicht
herzspezifisch sind, eingeschränkt. So ist im Falle der CK-Gesamtaktivität oder des
Myoglobins bei zusätzlichen Skelettmuskelschäden die Diagnostik eines gleichzeitig
bestehenden Herzinfarktes nicht möglich. Aufgrund der ubiquitären Verteilung der LDH kann
die Spezifität der serologischen Infarktdiagnostik durch die Messung der LDH nicht
verbessert werden.
Durch den Nachweis der Isoformen der CK und der LDH wird die Spezifität der
konventionellen Marker zwar erhöht, eine absolute Herzmuskelnekrosespezifität kann jedoch
nicht erreicht werden. Nur ein CK-MB-Anteil von >6% an der CK-Gesamtaktivität zeigt mit
hoher Sicherheit eine Myokardschädigung an, wobei jedoch zu bedenken ist, daß die höhere
Spezifität durch einen hohen Verlust an Sensitivität erkauft wird.
IX.1.2.3
Verbesserung der Herzinfarktdiagnostik durch Troponine
Die kardialen Troponine T oder I sind herzspezifisches Proteine. Die Konzentration dieser
Troponine steigt beim Infarkt deutlich höher an, als dies für die CK- oder LDH-Aktivität
gefunden wird. Es konnten Zunahmen der Troponinkonzentration im Serum auf das über
300 fache der unteren Nachweisgrenze des Assays beobachtet werden. Auch die Dauer der
Troponinerhöhung im Serum ist wesentlich länger als dies für die CK- oder LDH-Aktivität
gezeigt wird. Diese lang anhaltende Troponinfreisetzung erhöht die Wahrscheinlichkeit für
ein positives Troponinergebnis, insbesondere in der subakuten Infarktphase.
Ein hoher Anteil von Patienten mit instabiler Angina pectoris zeigt grenzwertige bis deutlich
erhöhte Troponinwerte. Es liegt nahe, daß bei einem Teil dieser Patienten bereits
Mikroinfarzierungen eingetreten sind, insbesondere bei Patienten, bei denen anhaltende
Troponinerhöhungen gefunden werden.
Mit Troponin T oder I steht ein Schädigungsmarker zur Verfügung, der die für die
Infarktdiagnostik geforderte Herzmuskelspezifität am besten aufweist. Die Organspezifität
bedingt eine überlegene diagnostische Spezifität. Aus einem sehr hohen
Konzentrationsgefälle zwischen Herzmuskel und Blutplasma und damit verbunden einem
hohen Troponinanstieg bei Zellschädigung resultiert die hohe diagnostische Sensitivität von
Troponin, die nur noch von der immunologischen CK-MB-Massenbestimmung annährend
erreicht wird. So eröffnet sich für die Troponinbestimmung durch die Erkennung der
prognostisch ungünstigen Mikroinfarkte bei der instabilen Angina pectoris ein wichtiges
Indikationsgebiet.
52
IX.1.2.4
Wichtige Parameter
Die CK kommt in Skelett-, Herz- und glatter
Muskulatur in abnehmender Konzentration vor.
Vier Stunden nach Herzinfarkt können erhöhte
Spiegel gemessen werden. Das Maximum liegt
bei etwa 24 h. Nach 3 - 4 Tagen haben sich die
Werte wieder normalisiert. Die Werte schwanken
bei Patienten mit Herzinfarkt zwischen 160 und
2000 U/l (24 h Wert, 95 % Bereich)
CK-Aktivität
CKMB-Aktivität
Herzmuskelspezifischer
Anteil.
Diagnostisch
verwertbar sind nur Werte über 10 U/l; gleichzeitig
soll der CKMB Anteil über 6 % der Gesamt-CKAktivität liegen.
Die LDH ist ein zytoplasmatisches Enzym und
kommt ubiquitär vor. Es gibt 5 Isoenzyme. Die
LDH1 kommt vor allem im Herzmuskel und
Erythrozyten vor. Nach Infarkt steigen die Werte
nach etwa 6 h an. Es werden dabei Anstiege auf
das 2 - 8-fache erzielt. Das Maximum wird nach
30 - 72 h erreicht, nach 10 - 20 Tagen haben sich
die Werte wieder normalisiert.
LDH/HBDH
Die Bestimmung der GOT wird eingesetzt in der
Diagnostik von Schäden des Herzmuskels, der
Skelettmuskulatur und der Leber.
GOT
Das Myoglobin ist nicht Herzmuskel-spezifisch.
Rasche Freisetzung bei Schädigung. Bereits ab
2,5 h werden erhöhte Werte gemessen. Sehr
kurze Halbwertszeit mit 10 - 20 min.
Myoglobin
Das Troponin T ist herzmuskelspezifisch. 95 %
sind strukturgebunden und 5 % liegen in gelöster
Form im Zytoplasma vor. Der Anstieg erfolgt
bereits nach etwa 3 h nach Herzinfarkt. Das
Maximum liegt bei 8 - 16 h. Schäden werden über
einen Zeitraum von etwa 5 Tagen angezeigt.
Troponin T
siehe Troponin T
Troponin I
IX.1.3 Klinische Chemische Analytik
IX.1.3.1
Enzymaktivität
Die Enzymaktivität wird in Units (U) angegeben (mmol Substratumsatz pro Minute pro Liter);
es muß dabei sicher gestellt sein, daß die Reaktion unter optimalen Bedingungen abläuft
(ausreichend Substrat, Puffer, optimaler pH-Wert, Elimination von Inhibitoren, definierte
Temperatur). Enzymatische Reaktionen sind abhängig von der Temperatur: als Faustregel
kann gelten, daß eine Temperaturzunahme um 1°C eine Aktivitätserhöhung um 10 %
bewirkt. Gegenwärtig werden die Enzymaktivitäten überwiegend bei 25°C und 37°C
bestimmt.
53
IX.1.3.2
Messverfahren
Enzymaktivitäten werden vorzugsweise im kinetischen Test bestimmt.
a) einfache enzymatische Messreaktion:
LDH
Pyruvat + NADH + H+ ¬¾ ¾
¾® Laktat + NAD+
+
(Die Konzentration von NADH läßt sich bei 340 nm photometrisch erfassen. NAD
absorbiert bei dieser Wellenlänge nicht => Extinktionsabnahme)
b) zusammengesetzte enzymatische Mess-Reaktion:
Mess-Reaktion mit Kreatinkinase (CK):
CK
¬¾¾®
Kreatin + ATP
Kreatinphosphat + ADP
Hilfsreaktion mit Pyruvatkinase(PK):
ADP + Phospho-enol-pyruvat
PK
¾¾¾®
Pyruvat + ATP
Indikatorreaktion mit Lactatdehydrogenase (LDH):
+
Pyruvat + NADH + H
LDH
¬¾¾
¾®
Lactat + NAD+
54
IX.1.3.3
Enzymverteilung: Zellenzyme - Sekretenzyme
Um Enzymkonzentration richtig interpretieren zu können, sind Informationen zur
Organspezifität, zelluläre Verteilung und Eliminationsgeschwendigkeit von Enzymen
notwendig.
Aus dem Enzymmuster sind Aussagen zum Nachweis, Lokalisation und Schweregrad der
Zellschädigung, Krankheitsphase und Kombinationen von Organerkrankungen möglich
Organspezifität
LDH in allen Geweben; AP Knochen und Leber,
GLDH nahezu nur in Leber.
Isoenzyme
Aussagen zur Organspezifität lassen sich deutlich
steigern: CKMB: Herz, Knochen-AP, LDH1: Herz
und Erythrozyten.
Zelluläre Verteilung
GLDH: ist nur mitochodrial gebunden (daher
Freisetzung nur bei schweren Zellschädigungen),
Troponin: zytoplasmatischer Anteil (bei leichte
Schädigung) und Strukturgebundener Anteil bei
Zelluntergang.
Eliminationgeschwindigkeit
z.B. LDH1: 115 h, CK: 15 h
IX.2
Leber
IX.2.1 Einleitung
Die Leber ist das wohl stoffwechselaktivste Organ des menschlichen Organismus. So
werden eine Vielzahl von Funktionsproteinen in der Leber synthetisiert (z.B. Albumin,
Gerinnungsfaktoren, akute Phase Proteine, Apolipoproteine etc.). Daneben ist sie neben der
Niere das wichtigste Organ zum Abbau von Stoffwechselendprodukten (z.B. Hämoglobin,
Ammoniak), Medikamenten und Toxinen. Zusätzlich hat die Leber zentrale Funktionen bei
der Regulation des Kohlehydrat- (Glykogenspeicher) und Fettstoffwechsels (Aufnahme der
Triglyceride)
sowie
der
Verdauung
(Galle-produktion).
Aus
diesem
weiten
Aufgabenspektrum lässt sich ableiten, dass Funktionsstörungen der Leber vielfältige
Auswirkungen haben.
IX.2.2 Klassifikation der Lebererkrankungen
Lebererkrankungen lassen sich anhand ihrer Pathogenese wie folgt unterteilen:
a)
b)
c)
d)
Infektiöse Erkrankungen (z.B. Virushepatitis)
Toxische Erkrankungen (z.B. alkoholtoxische Leberzirrhose)
Immunologisch vermittelte Erkrankungen (z.B. Autoimmunhepatitis)
Tumoren (z.B. primäres Leberzellkarzinom, Adenome)
55
e) Gallestau (z.B. Gallensteine)
f) Genetische Erkrankungen
IX.2.3 Labordiagnostik
Zur Diagnostik von Lebererkrankungen existiert ein breites Spektrum von Parametern, die
sich nach funktionellen Aspekten klassifizieren lassen.
a) Erfassung der Syntheseleistung der Leber:
1. Cholinesterase (CHE)
2. Albumin
3. Vitamin K- abhängige Gerinnungsfaktoren (Quick)
b) Erfassung der Entgiftungsleistung der Leberzellen:
1. Bilirubin
2. Ammoniak
c) Erfassung eines Gallestaus:
1. γ -Glutamyltransferase (γ-GT)
2. Alkalische Phosphatase (AP)
3. Leuzin-Aminopeptidase (LAP)
d) Erfassung der Integrität der Leberzellen:
1. Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT bzw. AST)
2. Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT bzw. ALT)
3. γ -Glutamyltransferase (γ-GT)
4. Glutamatdehydrogenase (GLDH)
5. Laktatdehydrogenase (LDH)
e) Erfassung von Tumoren:
1. Tumormarker (z.B. α1-Fetoprotein, CEA)
f)
Erfassung von akuten, chronischen und zurückliegenden Infektionen:
1. Virusserologie (anti-HBs, anti-HBc etc.)
g) Erfassung von immunologisch vermittelten Lebererkrankungen:
1. Nachweis von Auto-Antikörpern (LKM, SLA etc.)
Erfassung der Integrität der Leberzellen:
Fast alle Lebererkrankungen gehen mit einer Beeinträchtigung der Integrität der Leberzellen
einher. Dabei kommt es zur Freisetzung von intrazellulären Enzymen in die Zirkulation. Die
intrazellulären Enzyme GOT, GPT und γ-GT eignen sich sehr gut als Screening-Parameter
bei der Frage ob eine Lebererkrankung vorliegt oder nicht. Bei negativem Ergebnis ist eine
relevante Lebererkrankung unwahrscheinlich. Sind GOT, GPT oder γ-GT erhöht, dann
56
Die GPT ist ausschließlich im Zytoplasma lokalisiert während sich die GOT zu 70% in den
Mitochondrien und nur zu 30% im Zytoplasma befindet. Ein ausschließlich mitochondriales
Enzym ist die GLDH. Das Verhältnis zwischen GOT und GPT kann genutzt werden, um die
Schwere eines Leberschadens abzuschätzen. Dazu wird der de Ritis-Quotient gebildet
(GOT/GPT). Bei einem leichten Leberschaden steigt zunächst die membrangebundene γGT und die zytoplasmatische GPT an (de Ritis-Quotient < 1). Die Leberzellen weisen dabei
zumeist nur eine Permeabilitätsstörung auf, sind aber noch vital. Bei schweren
Leberzellschäden kommt es zusätzlich zu einer Schädigung der Zellorganellen und somit zu
einer vermehrten GOT- und GLDH-Freisetzung. Dadurch wird der de Ritis-Quotient > 1.
geringer Schaden
(nur zytoplasmatische
Enzyme)
GOT < GPT (De Ritis-Quotient < 1)
GLDH GPT
GOT
GOT > GPT (De Ritis-Quotient > 1)
GLDH GPT GOT
schwerer Schaden
(nur zytoplasmatische
Enzyme)
Abb. 1: Auswirkung der Verteilung der Leberenzyme in den Hepatozyten auf das
Enzymmuster im Serum.
Da 30% der zellulären GOT im Zytoplasma zu finden sind, kann es aber auch bei leichten
Leberschäden zu milden GOT-Anstiegen kommen. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von
GOT (17h) und GPT (47h) sowie der Korrelation zwischen der Höhe des Enzymanstieges
und dem Umfang der Schädigung eignen sich diese Parameter gut zur Verlaufsbeurteilung
der verschiedensten Lebererkrankungen (Momentaufnahme)
Erfassung der Syntheseleistung der Leber:
Mit zunehmender Leberparenchymschädigung kommt es zu Einschränkungen der o.g.
Leber-Teilfunktionen (Proteinsynthese, Entgiftungsleistung etc.). Die Proteinsynthese kann
mittels Albumin-, CHE- und Quick-Wert-Bestimmung gut umschrieben werden. Auch die
Eiweißelektrophorese ist ein sensitives Instrument, um Störungen der hepatischen
Proteinsynthese anzuzeigen. Das Albumin steht quantitativ an erster Stelle der
Serumproteine. Aufgrund seiner langen Halbwertszeit (HWZ: 15-20 Tage) reagiert es aber
erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung. Zusätzlich wird die Albuminkonzentration
stark von der Größe des plasmatischen Verteilungsraumes beeinflusst. Der plasmatische
Verteilungsraum ist bei verschiedenen Lebererkrankungen sehr variabel, was zu
Konzentrations- (z.B. Virushepatitis) bzw. Verdünnungseffekten (Leberzirrhose) führt und die
Interpretation der Albuminwerte erschwert.
Die Cholinesterase wird ebenfalls von der Leber synthetisiert und steht in enger Korrelation
mit der Synthese des Albumins und der Gerinnungsfaktoren. Aufgrund ihrer langen
Halbwertszeit (HWZ 10 Tage) ist die CHE auch nicht zur Erfassung akuter Veränderungen
geeignet. Bei allen chronischen Lebererkrankungen kommt es zu einer Vermindung der
CHE (chron. Hepatitis, Zirrhose, Stauung). Ein stetes Absinken der CHE kann ein Hinweis
auf ein sich ausbreitendes primäres Leber-Karzinom sein. Bei einer ausgeprägten Fettleber
57
(meist alkohobedingt) und beim Morbus Meulengracht (autosomal-dominant vererbte, nichthämolytische Hyperbili-rubinämie, Störung des intrazellulären Bilirubintransportes und der
Bilirubinkon-jugation) kann die CHE erhöht sein.
Die Gerinnungsfaktoren II, V, VII, IX und X werden in der Leber gebildet. Bis auf Faktor V ist
die Synthese Vitamin K-abhängig. Faktor VII (HWZ 2-5h) und Faktor V (HWZ 10-15 h) sind
sehr kurzlebig. Die Bestimmung der Gerinnungsfaktoren eignet sich daher gut, um die
momentane Syntheseleistung der Leber zu erfassen. Da die Bestimmung der Einzelfaktoren
sehr teuer ist und alle oben genannten Faktoren durch die Quick-Bestimmung erfasst
werden ist der Quick-Wert ein gutes diagnostisches Werkzeug zur Erfassung akuter
Synthesestörungen.
Erfassung der Entgiftungsleistung der Leber:
Neben der Syntheseleistung ist die Entgiftungsfunktion der Leber von zentraler Bedeutung.
Ist die Entgiftungsleistung der Leber beeinträchtigt akkumulieren endogene, toxische
Substanzen (z.B. Ammoniak, Bilirubin). Im Darm wird ständig in großer Menge Ammoniak
aus Eiweiß gebildet und gelangt über die Vena portae in den Kreislauf. In der Leber wird der
Ammoniak durch den Krebs-Zyklus zu Harnstoff entgiftet. Zu einem messbaren Anstieg des
Ammoniak kommt es erst nach einer starken Einschränkung der hepatischen
Leistungsreserve. Eine besonders wichtige Rolle spielt die Ammoniak-Bestimmung bei der
Diagnostik des Leberausfall-Komas.
58
Bilirubin (Synonym: indirektes, unkonjugiertes, wasserunlösliches Bilirubin) gebildet. Durch
Kopplung an Glukuronsäure in der Leber wird das primäre Bilirubin (Synonym: indirektes
bzw. unkonjugiertes Bilirubin) in wasserlösliches, konjugiertes (Synonym: direktes) Bilirubin
umgewandelt. Das konjugierte Bilirubin wird dann von den Leberzellen in die
Gallenflüssigkeit ausgeschieden und gelangt in den Darm. In der Gallenflüssigkeit und im
Darm kommt es zur Bildung von Mesobilirubin, Mesobilinogen (=Urobilinogen) und
Sterkobilinogen. Über den enterohepatischen Kreislauf gelangen Sterkobilinogen,
Mesobilinogen, Sterkobilin und Mesobilin zurück in den Kreislauf und anschließend in den
Urin. Bilirubin- und Urobilinogennachweis im Urin mittels Teststreifen eignen sich gut zum
Screening.
Erhöhte Bilirubinwerte können durch prähepatische, hepatische und posthepatische
Ursachen bedingt sein. Der prähepatische Ikterus ist durch einen vermehrten Anfall an
unkonjugiertem (indirektem) Bilirubin aus untergegangenen Erythrozyten gekennzeichnet
(erworbene
und
angeborene
hämolytische
Anämien).
Ein
posthepatischer Ikterus ist durch einen gestörten Galleabfluss (Cholezystitis, Gallen-gangssteine
etc.) und/oder eine gesteigerte Urobilinogenbildung im Darm (Obstipation, Ileus,
Enterokolitis) bedingt. Dabei kommt es zu einer gesteigerten Resorption von direktem
Bilirubin und/oder einer gesteigerten Bildung und Resorption von Urobilinogen. Bei den
hepatischen Ursachen kommen Lebererkrankungen verschiedenster Genese in Frage. Die
Exkretion des konjugierten Bilirubins sowie der Abbau des Urobilinogen sind dabei
vermindert. Durch den reduzierten Abbau des Urobilinogens kommt es zu einer vermehrten
Urobilinogenausscheidung über den Harn. Bei Vorhandensein von portokavalen
Umgehungskreisläufen kommt es ebenfalls zu erhöhten Urobilinogen-Konzentrationen im
Blut und Urin (z.B. bei Zirrhose, portaler Thrombose, Verschluß der V. hepatica).
Pathologische Bilirubinwerte bedürfen in jedem Fall einer weiterführenden Abklärung. Dazu
müssen direktes und indirektes Bilirubin im Serum gemessen werden. Tabelle 1 gibt eine
Übersicht über die verschiedenen Konstellationen bei prähepatischem, hepatischem und
posthepatischem Ikterus.
Tabelle 1: Laborkonstellationen für die Differentialdiagnose des Ikterus.
Prähepat. Ikterus
Hepat. Ikterus
Posthepat. Ikterus
n
+ bis ++
+ bis ++
+ bis ++
n
n
GOT
(+)
+++
(+) bis ++
GPT
n
+++
(+) bis ++
gamma-GT
(+)
+ bis ++
++ bis +++
Urin-Bilirubin
---
+
+
Urin-Urobilinogen
---
+
+
direktes Bilirubin
indirektes Bilirubin
Legende:
--- =
fehlt (oder negativ)
+
=
erhöht
n
normal
++
=
sehr erhöht
schwach erhöht
+++ =
=
(+) =
sehr stark erhöht
59
Erfassung von immunologisch vermittelten Lebererkrankungen:
Es gibt Erkrankungen der Leber, bei denen eine Reaktion des Immunsystems gegen
hepatische Strukturen vorliegt (chronische Autoimmunhepatitis, primäre biliäre Zirrhose,
primär sklerosierende Cholangitis). Eine solche Immunreaktion bedingt erhebliche Schäden
am Leber-Gallengangs-System. In der Regel verlaufen diese Erkrankungen chronisch und
führen zu einer progredienten Störung der verschiedenen Leberfunktionen. Häufig kommen
derartige
Erkrankungen
im
Zusammenhang
mit
anderen
extrahepatischen
Autoimmunerkrankungen vor (z.B. Autoimmunthyreoiditis, rheumatoide Arthritis, Vaskulitis,
Vitiligo). Bei der Diagnostik autoimmunologischer Lebererkrankungen spielt der Nachweis
von Autoantikörpern eine wichtige Rolle. Dabei muss man leberspezifische Autoantikörper
wie LKM (Liver-Kidney-Microsome-AK = P450 Bestandteile) und SLA (Soluble Cytoplasmatic
Liver-Cell Antigen = Zytokeratin) von nicht leberspezifischen Autoantikörpern wie SMA
(Smooth Muscle Cell-AK), AMA (Anti-Mitochondrial-AK), ANA (Anti-Nuclear-AK) und ANCA
(Anti-Neutrophilic-Cytoplasmatic-AK) unterscheiden. Die verschiedenen Autoantikörper
kommen in verschiedenen Kombinationen bei den verschiedenen Erkrankungen vor. Dabei
kommt es aber häufig zu Überlappungen, so das das Vorkommen der verschiedenen
Antikörper kein absolut spezifisches Kriterium ist. Hier muss zusätzlich der histologische
Biopsie-Befund zur Diagnosestellung herangezogen werden.
Chronische Autoimmunhepatitis (CAH): SLA (SLA-positive CAH), LKM-1(LKM-1-positive
CAH, DD: LKM-1-positive Hepatitis C), SMA und ANA’s (klassische lupoide CAH), bei > 90%
der Fälle finden sich spezifische Autoantikörper.
Primär biliäre Zirrhose (PBC): AMA > 95% der Fälle (4 Subtypen, AMA-2 spezifisch für
PBC), Antikörper gegen Gallengänge
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): ANCA mit perinukleärem (p-ANCA) oder
atypischem (x-ANCA) Muster in 80% d. Fälle positiv.
IX.2.4 Analytik
Beim labordiagnostischen Nachweis der oben genannten Parameter des Leberstoffwechsels ist die Unterteilung in Enzyme (GOT, GPT, γ-GT Gerinnungsfaktoren etc.),
nichtenzymatische Proteine (Albumin), Immunglobuline (SLA, LKM etc.) und
niedermolekulare Substanzen (Ammoniak, Bilirubin) hilfreich. Während Proteine wie Albumin
mittels eines spezifischen Antikörpers im Nephelometer (Trübungsreaktion) oder
photometrisch (Bromkresolgrün-Methode) nachgewiesen werden können analysiert man
Autoantikörper mittels Immunfluoreszenz oder ELISA (Enzyme-Linked-Immuno-Assay).
Enzyme hingegen werden meist mittels kinetischer Nachweisverfahren analysiert.
Da enzymatische Testverfahren in der Labormedizin weit verbreitet sind und eine korrekte
Befundinterpretation nur bei entsprechendem Hinterrundwissen möglich ist, wird im
Folgenden etwas näher auf die Enzymbestimmung mittels kinetischer Teste eingegangen.
Die enzymatische Aktivität eines Moleküls ist immer gleich. Folglich entspricht die
Enzymaktivität einer Probe der Enzymkonzentration. Als Maß der Enzymaktivität kann der
Substratumsatz pro Zeiteinheit (dS/dt) oder die Zunahme des Produktes dP/dt)
60
herangezogen werden. Je nach Grad der Substratsättigung unterscheidet man
Reaktionskinetiken 1. Ordnung (Substratmangel, Substratmenge ist geschwindigkeitsbegrenzend) von Kinetiken 0. Ordnung (Substratüberschuss, Enzymmenge ist
geschwindigkeitsbegrenzend) (Abbildung 3). Zur Bestimmung der Aktivität eines Enzyms im
Blut gibt man in der Regel einen Substratüberschuss zur Probe, um eine Reaktionskinetik 0.
Ordnung zu erhalten.
S
S
Enzym
S
v
S
S S
S
S
S S
S S
S S Enzym S S
S
S S
S S
Umsatz
Vmax/2
Km
[S]
Abbildung 3: Verlauf einer Enzymreaktion gemessen an der Reaktionsgeschwindigkeit (v) in
Abhängigkeit von der Substratkonzentration [S].
t1
t2
Abbildung 4: Mögliche Zeit-UmsatzKurven bei einer Zweipunktmessung
Die Enzymaktivität wird anhand des Konzentrationsunterschiedes von Substrat oder Produkt
an zwei unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst (Zweipunktmessung). Die Bestimmung von
Substrat oder Produkt an nur zwei Zeitpunkten ermöglicht allerdings keine Beurteilung der
Reaktionskinetik. Abbildung 4 zeigt einige mögliche Kurventypen. Obwohl alle Enzyme
unterschiedliche Aktivitäten haben kommt man mit einer Zweipunktmessung zu identischen
Ergebnissen. Zur Vermeidung derartiger Fehler kann z.B. eine Verdünnung der Probe
erfolgen. Dadurch versucht man, möglichst in den linearen Bereich der Zeit-Umsatz-Kurve
zu gelangen. Moderne Analysegeräte überwachen den Reaktionsverlauf engmaschig,
erkennen derartige Fehler und verdünnen oftmals bereits automatisch. Die Zeitspanne
zwischen den Messzeitpunkten richtet sich nach der Enzymmenge und der enzymatischen
Aktivität. Es gilt die Regel: so kurz wie möglich, so lang wie nötig. Das Messergebnis wird in
Units (U) angegeben. 1U = 1 µmol/min
Zur Messung des Umsatzes benötigt man Substanzen, deren Konzentrationsän-derungen in
einem optischen Systems gut messbar sind. Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid (NAD) ist eine
Substanz, deren Absorptionsspektrum sich bei Oxidation bzw. Reduktion ändert (Abbildung
5). Reduziertes NAD (NADH2) absorbiert stark zwischen 300 und 370 nm (Maximum 340
nm). Durch Messung der Absorption bei einer geeigneten Wellenlänge (334, 340 oder 365
nm) kann die Oxidation bzw. Reduktion verfolgt werden.
61
Extinktion
NADH2
NAD
260 300 340
Wellenlänge (nm)
380
Abbildung 5: Absorptionsspektrum von NAD und NADH2.
Einige Enzyme wie die Laktatdehydrogenase (LDH) benötigen als Co-Substrat NAD bzw.
NADH2. Die Aktivität dieser Enzyme kann direkt durch Zugabe von Substrat, Enzym und
Coenzym gemessen werden. Solche Teste werden als einfache optische Teste bezeichnet.
LDH
+
Pyruvat + NADH+H
↔
+
Lactat + NAD
Nicht jedes Enzym reagiert mit dem Nicotinamid-Coenzym. Häufig ist jedoch die
NAD/NADH2-Indikatorreaktion mit der Messreaktion koppelbar. Dies ist z.B. bei der GPT der
Fall. Wenn das Substrat der Messreaktion sowie das Eenzyme und etwaige Coenzyme der
Indikatorreaktion im Überschuss vorliegen hängt der Umsatz ausschließlich von der
Enzymmenge (-aktivität) der Messreaktion ab. Solche Testsysteme werden als optischer
Test mit Indikatorreaktion bezeichnet.
GPT
1.
L-Alanin + 2-Oxoglutarat
↔
L-Glutamat + Pyruvat (Messreaktion)
LDH
2.
+
Pyruvat + NADH+H
↔
+
Lactat + NAD (Indikatorreaktion)
Gelegentlich ist das Endprodukt einer Messreaktion nicht direkt mit einer Indikatorreaktion
koppelbar. In diesem Fall muss eine Hilfsreaktion dazwischen geschaltet werden, die sich
mit einer entsprechenden Indikatorreaktion kombinieren lässt. Die Enzyme und Co-Enzyme
von Hilfs- und Indikatorreaktion müssen zusammen mit dem Substrat der Messreaktion im
Überschuss vorliegen. Dann hängt der Umsatz pro Zeiteinheit ausschließlich von der
Enzymmenge (-aktivität) der Messreaktion ab. Ein Beispiel hierfür ist die Bestimmung der
Creatinkinase (CK).
CK
1.
Creatinphosphat + ADP
↔
Creatin + ATP (Messreaktion)
62
Hexokinase
↔
Glucose-6-phosphat + ADP (Indikatorreaktion)
2.
ATP + Glucose
3.
Glucose-6-phosphat + NADP+
↔ 6-Phosphogluconat + NADPH + H
+
(Indikatorreaktion)
IX.3
Pankreas
IX.3.1 Allgemeines
Das Pankreas ist ein exokrin und endokrin aktives Organ. Unter den endokrinen Funktionen
steht die Insulinsynthese und -sekretion an erster Stelle. Die exokrine Pankreasfunktion
beinhaltet die Sekretion von täglich etwa 1,5l alkalischem Pankreassekret. Darin sind neben
Wasser, Chlorid und Bikarbonat zahlreiche Verdauungsenzyme enthalten. Die
proteolytischen Enzyme Trypsin, Chymotrypsin, Elastase und Carboxypeptidase werden als
inaktive Vorstufen (Zymogene) sezerniert und durch in der Darmwand gebildete Enzyme
aktiviert. Dieser Mechanismus verhindert eine Verdauung körpereigenen Gewebes. Amylase
und Lipase sind nicht in der Lage körpereigenes Gewebe anzugreifen und werden deshalb
in aktiver Form in das Pankreassekret abgegeben. Durch Kontakt der Duodenalschleimhaut
mit HCl, Gallensäuren und Nahrungsmittel kommt es zur Freisetzung von Sekretin (stimuliert
das Pankreas zur Freisetzung von Wasser und Bikarbonat) und Pankreozymin (stimuliert die
Enzymsekretion).
Symptome einer Maldigestion treten erst ab einem 90%igem Ausfall der exokrinen
Pankreasfunktion auf. Während Pankreatitiden die endokrine Pankreasfunktion mitbetreffen
können gehen Störungen der endokrinen Pankreasfunktionen in der Regel nicht mit einer
Beeinträchtigung der exokrinen Pankreasfunktion einher.
Die diagnostischen Verfahren des Pankreas untergliedern sich in bildgebende Verfahren
(Sonographie, CT, ERCP, Biopsie), Labordiagnostik (Lipase, Pakreasamylase, PankreasElastase-1),
Funktionsteste (Sekretin-Pankreozymin-Test,
Fluorescein-Dilaurat-Test,
Chymotrypsin und Elastase im Stuhl) und bakteriologische Untersuchungen. Im Folgenden
möchten wir näher auf die Labordiagnostik der Pankreaserkrankungen eingehen. Störungen
des endokrinen Pankreas werden an anderer Stelle in diesem Skript besprochen.
IX.3.2 Labordiagnostik
Aus labormedizinischer Sicht ist die Pankreatitis-Diagnostik von besonderer Bedeutung. Die
Ursachen der akuten Pankreatitis sind vielfältig. Gallenwegs-erkrankungen (45%) und
Alkoholabusus (35%) stehen an erster Stelle. Andere Auslöser wie Infektionen,
Bauchtraumen, massive Hypertriglyceridämien, Medikament und hereditäre Ursachen sind
selten. In Anbetracht der genannten Ursachen ergibt sich die Notwendigkeit hepatische
(z.B. GOT, GPT, CHE Albumin etc.) und cholestatische (γ-GT, LAP) Laborparameter in die
Pankreatitisdiagnostik einzubeziehen. Diese werden kombiniert mit der Messung der
63
Amylase und Lipase im Serum. Zusätzlich sollten die allgemeinen Entzündungsparameter
CRP und Leukozytenzahl hinzugezogen werden.
Die α-Amylase wird im sekretorischen Epithel von Pankreas (40%) und Mundspeicheldrüsen
(60%) gebildet und ist deshalb nicht pankreasspezifisch. Neunundneunzig Prozent der αAmylase werden beim Gesunden in den Intestinaltrakt abgegeben. Bei Abflussstörungen
oder Entzündungen kommt es zu einem vermehrten Übertritt der Amylase in die Zirkulation.
Der Anstieg der Amylaseaktivität im Blut reflektiert dabei nicht die Schwere der Erkrankung,
korreliert aber mit der Krankheitsaktivität. Es ist wichtig zu wissen, das die Pankreasamylase
erst 1-2 Monate nach Geburt im Blut erscheint und der Referenzbereich Erwachsener etwa
mit dem 5. Lebensjahr erreicht wird. Um die diagnostische Spezifität zu erhöhen, ist man
inzwischen von der Messung der totalen α-Amylase zur direkten Bestimmung der
Pankreasamylase übergegangen. Dies geschieht, indem man die Aktivität der
Speicheldrüsenamylase durch zwei monoklonale Antikörper hemmt und anschließend die
verbleibende Amylase-Aktivität misst.
Die quantitative Bestimmung der Amylase-Aktivität erfolgt durch die enzymatische Spaltung
eines Oligosaccharid-Substrates. Dabei wird 4-Nitrophenol, ein gelbes Chromophor,
freigesetzt. Die Extinktionszunahme je Minute bei 405 nm entspricht ist der Amylaseaktivität
proportional.
Amylase
+
Glucoseoxidase
4-Nitrophenol +(gelb) + Glukose + Wasser
Oligosaccharide
+ Wasser
(mit aromatischem Rest)
Die humane Pankreaslipase ist ein organspezifisches Enzym, das Triacylglyceride bei pH
8,8-9,2 hydrolysiert. Es wird wie Amylase im sekretorischen Epithel des Pankreas
synthetisiert und zu 99% in den Intestinaltrakt abgegeben. Die Messung der Lipaseaktivität
war lange Zeit ein methodisches Problem. Zunächst setzte man eine titrimetrische Methode
+
ein, bei der das Substrat Triolein unter Abspaltung von H -Ionen in Diolein und
+
Fettsäureanionen gespalten wird. Die freiwerdenden H -Ionen werden mit 0,01 M
Natronlauge neutralisiert und der Verbrauch an Natronlauge bestimmt. Bei
Substratüberschuss entspricht der Verbrauch an Natronlauge der Lipaseaktivität. Später
wurde dann eine turibidimetrische Methode eintwickelt, bei der die Abnahme der Trübung in
der Substratlösung gemessen wurde. Diese Methode ist jedoch außerordentlich
unempfindlich. Beide Methoden sind für den Einsatz in einem klinisch-chemiscen Großlabor
ungeeignet. Mittlerweile ist man dazu übergegangen synthetische Substrate einzusetzen, die
während des enzymatischen Abbaus einen Farbstoff freisetzen, der photometrisch
gemessen wird.
Lipase
1,2-o-Dilauryl-rac-glycerol-3(6-methylresorufin)-ester
1,2-o-Dilauryl-rac-glycerin +
(6-methylresorufin)-ester
Spontaner
Zerfall
Glutarsäure + Methylresorufin (rot)
64
X
X.1
Kohlenhydratstoffwechsel
Einleitung
Der Diabetes mellitus ist von der WHO als ein Zustand der chronischen Hyperglykämie
definiert. Der Diabetes mellitus ist ein Syndrom heterogener Krankheitsbilder und die
Hyperglykämie, die zu seiner Diagnose führt, kann aus einer Vielfalt von Erkrankungen und
Störungen resultieren. Ursachen der Hyperglykämie sind ein absoluter oder relativer
Insulinmangel oder eine ungenügende Insulinwirkunkung an der Zelle (Insulinresistenz).
X.2
Klassifikation des Diabetes mellitus
Die klinische Klassifikation des Syndroms Diabetes mellitus erfolgt nach den Empfehlungen
der WHO. Die neue Klassifikation orientiert sich an ätiologischen Gesichtspunkten und
verläßt die frühere, vorwiegend an der Therapie ausgerichtete Einteilung. Auf diese Weise
werden die Begriffe wie IDDM (Insulin Dependent Diabetes Mellitus) und NIDDM (Non
Insulin Dependent Diabetes Mellitus) eliminiert und ausschließlich durch die Bezeichnungen
Typ-1- beziehungsweise Typ-2-Diabetes ersetzt.
Es wird die Unterteilung des Typ-1-Diabetes in eine immunologisch bedingte Form (1 A) und
eine idiopathische Form (1 B) vorgeschlagen.
Der Begriff der gestörten Glucosetoleranz (Impaird Glucose Tolrance; IGT) dient zur
Beschreibung des Ausmaßes der Hyperglykämie oder des Stadiums der Erkrankung. Davon
unberührt bleibt die Rolle der gestörten Glucosetoleranz als Risikofaktor für die Entwicklung
eines Diabetes mellitus und für makrovaskuäre Erkrankungen.
Der Begriff ,,abnorme Nüchternglukose´´ (Impaired Fasting Glucose; IFG) ist Äquivalent zur
gestörten Glucosetoleranz.
Klassifikation des Diabetes mellitus
I. Diabetes mellitus Typ 1 (b-Zellzerstörung, die zum absoluten Insulinmangel führt)
A. Immunolgisch bedingt
B. Idiopathisch
II. Diabetes mellitus Typ 2 (reicht vom Vorwiegen der Insulinresistenz mit relativem
Insulinmangel bis zum Vorwiegen des Sekretionsdefizits mit Insulinresistenz)
III. Andere Diabetestypen mit bekannten Ursachen
A. Genetische Defekte der b-Zellfunktion des Pankreas
B. Genetische Defekte der Insulinwirkung
C. Erkrankung des exokrinen Pankreas
D. Endokrinopathie
E. Medikamentös-toxisch induziert
F. Infektionen
G. Immunologisch bedingte Formen
H. Andere, manchmal mit Diabetes assoziierte Syndrome
IV. Gestationsbedingte Diabetes mellitus
65
X.3
Diagnostische Kriterien des Diabetes mellitus
Die Diagnose eines Diabetes mellitus kann anhand der Nüchternglucose oder des 2hGlucosewertes beim oralen Glucose-Toleranz-Test (OGTT) gestellt werden. Die Grenzwerte
sind im Plasma für den Glucose-Nüchternwert ³ 126 mg/dl und für den 2h-Wert im OGTT ³
200 mg/dl festgesetzt worden.
Derzeit eignet sich das glykosylierte Hämoglobin (HbA1 und HbA1c) nicht zur Diagnose des
Diabetes. Die Gründe hierfür sind, daß die Messung des glykosylierte Hämoglobins nicht
ausreichend standardisiert ist, das heißt die Schwankungen von Labor zu Labor sind zu
groß.
Die Diagnose eines Diabetes darf nur mit Glucosewerten gestellt werden, die mit einer
qualitätskontrollierten Labormethode gemessen wurden. Geräte zur Blutzuckerselbstmessung eignen sich hierfür unter keinen Umständen.
Zusammenfassung der Diagnostischen Kriterien des Diabetes mellitus
è Nüchtern-Plasmaglukose ³ 126 mg/dl / 7,0 mmol/l (Glucose im kapillären Vollblut
³ 110 mg/dl / 6,1 mmol/l). Nüchtern bedeutet: keine Kaloriezufuhr für wenigstens
acht Stunden.
è Symptom des Diabetes und Plasmaglucose ³ 200 mg/dl / 11,1 mmol/l (Glucose im
kapillären Vollblut ³ 200 mg/dl / 11,1mmol/l) zu einem beliebigen Zeitpunkt des
Tages (ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der letzten Mahlzeiteneinnahme).
Die klassischen Symptome des Diabetes mellitus sind: Polyurie, Polydipsie und
sonst nicht zu erklärender Gewichtsverlust.
è 2h-Plasmaglukose ³ 200 mg/dl / 11,1 mmol/l (Glucose im kapillären Vollblut ³ 200
mg/dl / 11,1 mmol/l) während eines OGTT. Testdurchführung nach WHORichtlinien mit 75 g Glucose (oder äquivalenter Menge hydrolisierter Stärke),
aufgelöst im Wasser.
X.4
Labor-Diagnostik des Diabetes mellitus
Die Bestimmung der Glucose kann im kapillären oder venösen Vollblut sowie im Plasma
oder Serum erfolgen.
A) Blutglucose
a) Nüchternglucose
b) Oraler Glucose-Toleranz-Test
Der orale Glucose-Toleranz-Test (oGTT) dient der Beurteilung der Glucosetoleranz unter
standardisierten Stimulationsbedingungen.
Indikation:
Grenzwertige Nüchternblutzuckerwerte
Glucosurie ohne Hyperglykämie
V.a. postprandiale reaktive Hypoglykämie
Schwangerschaftskomplikationen unklarer Ursache
66
Testdurchführung (nach WHO-Empfehlung):
Patienten innerhalb von 5 Min. eine Lsg. von 75g Glucose oder
Oligosacchariden in 300 ml Wasser trinken lassen.
Blutglucosebestimmung nach 2 h aus Kapillarblut. Fakultativ: vor und 1 h nach
Probetrunk. (Bei V.a. renale Glucosurie: nach Blutglucoseabnahme zusätzlich
frisch gelassenen Urin auf Glucose testen.)
Bewertung 2 h-Blutglucose (nach WHO-Kriterien):
Normale Glucose-Toleranz
pathologische Glucose-Toleranz
Diabetes mellitus
< 140 mg/dl
140-200 mg/dl
> 200 mg/dl
(< 7,8
mmol/l)
(7,8-11 mmol/l)
(> 11
mmol/l)
c) HbA1c
HbA1c ist ein Hämoglobinderivat, das durch nichtenzymatische Reaktion von Glucose mit
dem N-terminalen Valin der b-Kette des Hämoglobins entsteht. Es kommen auch
Glykierungen von e-Aminogruppen von Lysinresten vor, die von den meisten
Analyseverfahren jedoch nicht erfaßt werden. HbA1 umfaßt demgegenüber auch
Glykierungsprodukte mit anderen Hexosen. Als Glykohämoglobin wird eine Mischung von
Hämoglobinderivaten bezeichnet, die an unterschiedlichen Aminosäuren glykiert sind.
Der Anteil des glykierten Hämoglobins korreliert mit Höhe und Dauer hyperglykämischer
Stoffwechsellagen. Da die Glykierung irreversibel ist, wird glykiertes Hämoglobin erst mit
dem Abbau der Erythrozyten aus dem Blut eliminiert (Blutglucosegedächtnis).
Aufgrund der HWZ (ca. 120 d) der Erythrocyten erfaßt man mit den HbA1c-Wert rückwirkend
einen Zeitraum von 4-6 Wochen.
Indikation:
Verlaufskontrollen
Nach Therapie-Umstellung oder Stoffwechselentgleisung (nach ca.
2 Wochen)
Unterstützung der Primärdiagnose des Diabetes mellitus
Untersuchungsmaterial:
EDTA-Blut, Heparin-Blut
Bewertung:
Da eine Standardisierung der Messverfahren noch nicht erreicht wurde, muß
die Verlaufskontrolle immer mit der gleichen Methode durchgeführt werden.
HbA1c-Referenzbereich bei Nicht-Diabetiker
HbA1c-Zielwete zur Diabeteseinstellung
d) Insulin, C-Peptid
4-6 %
£ 7 % (optimal)
£ 8 % (gut)
> 8 % (therapiebedürftig)
67
In den b-Zellen der Langerhansinseln des Pankreas wird Proinsulin gebildet, das
überwiegend in Insulin und C-Peptid gespalten wird. Insulin wird von der Leber
aufgenommen und hat eine HWZ von ca. 5 Min. Die HWZ von Proinsulin und C-Peptid sind
wesentlich länger.
Bei Insulinomen besteht eine autonome, auch unter Nahrungskarenz fortbestehende,
endogene Insulinsekretion, die meist zu einer symptomatischen Hypoglykämie führt.
Gegenüber den oft nicht eindeutig interpretierbaren Nüchtern-Blutspiegeln von Insulin und
C-Peptid können Funktionsteste (z.B. Hungerversuch) eine verbesserte Aussage ergeben.
Entdifferenzierte (maligne) Insulinome sezernieren häufig zusätzlich ein weiteres Hormon
z.B. Gastrin, ACTH, Glucagon, Somatostatin, 5-Hydroxytryptamin, pankreatische Peptide,
HCG. Andererseits können Insulinome auch zusammen mit anderen hormonproduzierenden
Tumoren im Rahmen eines MEN-1-Syndrom (Multiple Endokrine Neoplasie 1) auftreten.
Indikation
V.a. Insulinom, V.a. Hypoglykämia factitia
Untersuchungsmaterial
Serum. (Patient 10-12 Std. nüchtern)
Bestimmungsmethode
Immunoassays
Bewertung
Insulin- und C-Peptidspiegel verhalten sich biologisch gleichsinnig.
Unterschied beruhen auf den unterschiedlichen HWZ. Insulin und C-Peptid
sind nur in Verbindung mit der korrespondierenden Blutglucosekonzentration
beurteilbar.
Diagnose
Insulinom
Hypoglykämie factitia durch
Insulin
Hypoglykämie
factitia
Sulfonylharnstoff
Insulin
n-­
exogene ­­
durch ­
C-Peptid SulfonylharnstoffNachweis
negativ
n-­
negativ
¯
­
positiv
d) Blutglucose-Selbstkontrolle
Ein Meßverfahren zur Selbstkontrolle durch den Patienten beruht auf der reflexionsphotometrischen Messung der Farbentwicklung eines Chromogens, aufgrund der Oxidation durch
H2O2. Letzteres entsteht durch Umsetzung von Glucose mittels Glucoseoxidase bzw. peroxidase auf einen Teststreifen.
B) Uringlucose
Das Ausmaß der Glucosurie ist das Resultat aus der glomerulären Filtration und tubulären
Reabsorption von Glucose. Bis zu einer Blutglucosekonzentration von 160-180 mg/dl (8,910,0 mmol/l), auch als Nierenschwelle bezeichnet, wird die glomerulär filtrierte Glucose
tubulär resorbiert. Bei Glucosewerten oberhalb der Nierenschwelle kommt es zur Glucosurie
68
und die Glucoseausscheidung ist indirekt ein Maß der Hyperglykämie. Der Nachweis einer
Glucosurie ist deshalb verdächtig auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus und jede
Glucosurie bedarf der Abklärung.
Die qualitative oder semiquantitative Bestimmung im Harn (Spontanharn oder Harn aus
definierten Sammelperioden) erfolgt mit Reagenzträger-Methoden:
Das Reaktionsprinzip ist die Glucoseoxidase/Peroxidase-Reaktion mit Tetramethylbenzidin
als Redoxindikator. Die Farbreaktion wechselt von gelb nach grün in Abhängigkeit der
Glucosekonzentration der Probe. Andere Streifentests verwenden anstatt Tetramethylbenzidin ein Kaliumjodid-haltiges-Chromogen, das bei der Peroxidase-katalysierten
Oxidation mit zunehmender Glucosekonzentration einen Farbwechsel von grün nach braun
zeigt. Bei den semiquantitativen Tests kann aus der sich ergebenden Farbe des Testfeldes
die Höhe der Glucosekonzentration in g/l abgelesen werden.
X.5
Bestimmungsmethoden der Glucose
A. Glucoseoxidase-Methoden
Das Enzym Glucoseoxidase katalysiert die Oxidation von Glucose zu Gluconsäure und
H2O2. In der nachfolgenden Peroxidase-vermittelten Indikatorreaktion oxidiert H2O2
reduziertes Chromogen unter Bildung eines Farbkomplexes, der photometrisch gemessen
wird. Die Farbintensität des Ansatzes ist proportional der Glucosekonzentration. Diese
Methode wird beim Streifen-Test eingesetzt.
spon tan
a-D-Glucose ¾¾ ¾ ¾¾® b-D-Glucose
Glu cos e -Oxidase
b-D-Glucose + H2O + O2 ¾¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾
¾® D-Gluconolacton + H2O2
Peroxidase
¾® oxid. Chromogen + 2 H2O
reduz. Chromogen + H2O2 ¾¾ ¾ ¾ ¾ ¾
B. Hexokinase-Methoden
Glucose wird in Anwesenheit von Hexokinase mit ATP zu Glucose-6-Phosphat
phosphoryliert. Dies reagiert mit NADP unter Bildung von 6-Phosphogluconat und NADPH2.
Die Reaktion wird durch die Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G-6-P-DH) katalysiert.
Meßgröße ist NADPH2 , die NADPH2-Zunahme wird bis zum Stillstand der Reaktion
gemessen. Die ermittelte Extinktionszunahme ist proportional der Glucosekonzentration im
Testansatz.
Hexokinase / Mg2+
¾®
D-Glucose + ATP ¾¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾
D-Glucose-6-Phosphat + ADP
G - 6 -P - DH
D-Glucose-6-Phosphat + NADP+ ¾¾ ¾ ¾ ¾ ¾¾®
D-Gluconolacton-6-Phosphat +
NADPH+H+
69
X.6
Praktikum
X.6.1 Demonstrationen
1. Diabetes mellitus:
Labordiagnostik
Glukose
oraler Glucosetoleranztest (oGTT)
HbAIc
Insulin
C-Peptid
2. Analysemethoden für Glucose
Enzymatische Methoden
Sensorelektronisches Messprinzip
®
®
Meßgeräte: (z.B. Glucometer , Accutrend )
X.6.2 Praktische Übungen:
Blutzucker-Messung
Oraler Glucosetoleranztest
Befundinterpretation
X.6.3 Lernziele
Entwicklung diagnostischer Strategien
Therapiekontrolle Diabetes mellitus
70
XI
XI.1
Lipidstoffwechsel
Biochemie
Die Nomenklatur der Lipoproteinklassen beruht auf zwei Trennverfahren: der Ultrazentrifugation und der Agarosegelelektrophorese.
Ultrazentrifugation:
Man kann nach steigender Dichte Chylomikronen (d < 0,95 g/ml), very low density Lipoproteine (VLDL; d < 1,006 g/ml), low density Lipoproteine (LDL; d = 1,006-1,063 g/ml) und high
density Lipoproteine (HDL; d = 1,063-1,210 g/ml) unterscheiden (Abb.1).
Elektrophorese:
Nach ihren elektrophoretischen Eigenschaften werden a, prä-b und b-Lipoproteine
unterschieden (a-Lipoprotein = HDL, prä-b-Lipoprotein = VLDL, b-Lipoprotein = LDL).
Die Einteilungen der Lipoproteine durch UZ-Analyse und Elektrophorese sind im
wesentlichen identisch, so daß die Nomenklatur weitgehend synonym verwendet werden
kann.
71
werden, da jüngste Untersuchungen darauf hinweisen, daß bei Patienten über 50 Jahre
ohne Zeichen einer kardiovaskulären Erkrankung Lp(a) keinen Risikofaktor darstellt.
In zahlreichen epidemiologischen Studien konnte die Beziehung des Cholesterinspiegels
zum kardiovaskulären Risiko gezeigt werden. In der nachfolgenden Aufstellung sind die
bekannten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen dargestellt. Für die Beurteilung
des gesamten kardiovaskulären Risikos eines Patienten ist die Beobachtung, daß die verschiedenen Risikofaktoren sich wechselseitig verstärken, von hoher Bedeutung. Für die Beurteilung des individuellen Patienten ist außerdem zu berücksichtigen, daß spezifische
genetische Erkrankungen des Lipoproteinstoffwechsels mit einem stark erhöhten atherogenen Risiko identifiziert werden konnten.
Aufstellung wichtiger kardiovaskulären Risikofaktoren
Modifizierbare Risikofaktoren
·
·
·
·
·
·
Hyperlipidämie
Rauchen
Hypertonie
Diabetes mellitus
Adipositas
eingeschränkte körperliche Aktivität
Bedingt modifizierbare Risikofaktoren
· Lipoprotein (a)
· Hyperfibrinogenämie
· Hyperhomocysteinämie
· Psychosoziale Faktoren
Nicht modifizierbare Risikofaktoren
· Alter
· Positive Familienanamnese
· männliches Geschlecht
Hyperlipidämien/Hyperlipoproteinämien:
Atherogenität von Lipoproteinpartikeln
Basierend auf den Ergebnissen zahlreicher epidemiologischer Studien am Menschen und
tierexperimenteller Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß bestimmte Lipoproteinpartikel atherogen sind, während andere protektive Eigenschaften haben
Auch die potentiell atherogenen Lipoproteine sind im normalen Lipoproteinspektrum mit
unterschiedlicher Konzentration vorhanden. Erst eine abnorme Erhöhung aufgrund metabolischer Defekte führt zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko. Bezogen auf die
VLDL®LDL Kaskade steigt die Atherogenität mit zunehmender Triglyzeridverarmung und
gleichzeitiger relativer Cholesterinanreicherung von VLDL über IDL zu LDL.
Die chemisch modifizierten LDL, die sich bei verlängerter Zirkulation im Blut bilden oder
durch Einwirkung chemischer Substanzen, wie Glucose oder Malondialdehyd, auf das Lipoprotein entstehen, sind verstärkt atherogen. Bereits geringe Oxidation von LDL Partikeln
verändert die biologischen Eigenschaften der Partikel erheblich. Stärker oxidierte LDL
werden über den Scavenger-Rezeptor-Weg unabhängig vom LDL Rezeptor in Makrophagen
aufgenommen und tragen damit zur Schaumzellbildung bei. Nichtenzymatisch glykosylierte
LDL können über die Interaktion mit dem zellulären Rezeptor für AGE (advanced
glycosylation end products)-Proteine ebenfalls eine Reihe zellulärer Veränderungen in der
Gefäßwand induzieren, die die Atherogenese fördern.
72
XI.3
Bewertung von Lipidstoffwechselstörungen
Die Einteilung von Fettstoffwechselstörungen kann aufgrund der Bestimmung von Cholesterin und Triglyzeriden zunächst in Hypercholesterinämien, Hypertriglyzeridämien und
gemischte Hyperlipidämien, bei denen sowohl Cholesterin als auch Triglyzeride erhöht sind,
erfolgen. Zusätzlich sind auch Hypolipidämien bekannt, die mit stark verminderten Cholesterin- und/oder Triglyzeridspiegeln einhergehen. Die Unterteilung ausschließlich aufgrund der
Lipidwerte hat eine Reihe von Nachteilen. Insbesondere werden Verschiebungen innerhalb
der Lipoproteinklassen nicht berücksichtigt. Deshalb ist die Unterscheidung von Hyper- und
Hypolipoproteinämien, die sich auf spezifische Lipoproteinpartikel, z.B. LDL oder HDL
beziehen, pathophysiologisch bedeutsamer. Hier können Erhöhungen oder Verminderungen
spezifischer Lipoproteinklassen (wie z.B. der Chylomikronen, VLDL, LDL, HDL) oder das
Auftreten pathologischer Partikel bei Dyslipoproteinämien (wie z.B. der b-VLDL bei der
familiären Dysbetalipoproteinämie oder der HTG-VLDL bei der Remnant-HLP) beschrieben
werden.
Auf diesem Hintergrund haben verschiedene Fachgesellschaften Empfehlungen zur Bewertung von Lipidstoffwechselstörungen erarbeitet, in denen Grenzwerte für therapeutische
Interventionen definiert wurden, die allerdings in weiten Bereichen noch kontrovers diskutiert
werden. In Tabelle 4 sind die von der European Atherosclerosis Society empfohlenen
Grenzwerte aufgeführt.
73
Die Kritik an den Grenzwerten und insbesondere den therapeutischen Empfehlungen
gründet sich vornehmlich darauf, daß sie in weiten Bereichen auf der Extrapolation von
Resultaten aus epidemiologischen Studien und Interventionsstudien auf die
Gesamtbevölkerung beruhen. Für die Entwicklung diagnostischer Strategien kann mit den
vorliegenden Grenzwerten jedoch gearbeitet werden. Cholesterin- und Triglyzeridwerte über
200 mg/dl bei einer Screening-Untersuchung sollten zu einer weiteren Diagnostik und
Bestimmung von Lipoproteinfraktionen führen (s.u.). Ziel der Untersuchungen ist die
Detektion von modifizierbaren Störungen des Lipoproteinstoffwechsels.
XI.4
Einteilung der Dyslipoproteinämie
XI.4.1 Primäre Dyslipoproteinämie
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Zusammensetzung der primären Störung des
Lipoproteinstoffwechsels. Für den größten Teil der aufgeführten Störungen konnten die
zugrunde liegenden genetische Defekte nachgewiesen werden.
Tabelle: Familiäre Störungen des Lipoproteinstoffwechsels
Hyperlipoproteinämien
Ursache
Familiäre
Hypercholesterinämie
Familiär defektes ApoB
Hypercholesterinämie
Hypertriglyzeridämie
LDL-Rezeptor
Defekte
ApoB Defekte
polygen, andere
Familiär
kombinierte
Hyperlipidämie
Gemischte Hyperlipidämie
Familiäre Dysbetalipoproteinämie
oligo/polygen
andere
Familiärer CETP-Mangel
Hyperalphalipoproteinämie
Hypercholymikronämie
(Typ I Hyperlipoproteinämie)
Hypolipoproteinämien
Abetalipoproteinämie
Hypobetalipoproteinämie
Hypoalphalipoproteinämien
ApoE2 Homozygotie; ?
CETP-Mangel
?
Lipoproteinlipase
Defekte
ApoC-II Defekte
Defekte im MTP
Defekte im ApoB
Synthesedefekte
(ApoA-I u.a.)
Hyperkatabolismus
(Tangier
Erkrankung)
LCAT-Mangel
Atherogenes
Risiko
­­­
­­
­
?
­­
± -­
Betroffene
Lipoproteinfraktion
LDL
VLDL
LDL und/oder VLDL
­­
b-VLDL
¯
¯
HDL
0
Chylomikronen
¯
¯
LDL, VLDL, Chylo
­-­­­
±-­
HDL
­-­­
Lipidmuster
Klinik
Chol ­-­­­
Xanthome
z.T. eruptive XanTrig ­-­­­
thome
Chol ± -­
Chol ­-­­ und/
oder Trig ­-­­
Chol/Trig ­-­­
Xanthome
Chol ± - ­
Trig ­­­
Chol ¯, Trig ¯
Chol ± -¯
Pankreatitis
Neurologische,
ophthalmologische
Ausfälle
Xanthome
Splenomegalie u.a.
Niereninsuffizienz
XI.4.2 Sekundäre Dyslipoproteinämien
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Beurteilung einer Dyslipoproteinämie ist die Frage, ob
eine sekundäre Störung des Lipidstoffwechsels vorliegt. In aller Regel zielt in diesen Fällen
die Therapie zunächst auf die Behandlung der Grundkrankheit ab, obwohl u.U. gleichzeitig
74
eine symptomatische Therapie der Lipidstoffwechselstörung angezeigt sein kann, wie z.B.
beim nephrotischen Syndrom. In Tabelle 3 sind Ursachen für sekundäre Lipidstoffwechselstörungen aufgeführt. Zumindest die häufigeren, in der ersten Spalte aufgeführten
Störungen, sollten anamnestisch oder klinisch ausgeschlossen werden.
Tabelle 3 : Ursache sekundärer Hyperlipoproteinämie
- Diabetes mellitus
- Alkohol
- Östrogene
- Glukokortikoide
- Hypothyreose
- Nephrotisches Syndrom
- Niereninsuffizienz
- Cholestase
- Hepatome
- Hepatische Porphyrie
- Hypophyseninsuffizienz
- Polyklonale Gammopathien
- Monoklonale Gammopathien
- Lipodystrophien
- Akromegalie
- Hypophyseninsuffizienz
Neben ihrer Bedeutung für die Atherogenese, die unten diskutiert wird, spielen die Dyslipoproteinämien auch eine Rolle bei der Entstehung anderer Erkrankungen.
Pankreatitis:
Bei Triglyzeridspiegeln über 1000 mg/dl, wie sie bei der familiären Chylomikronämie infolge
von Defekten der Lipoproteinlipase oder ihres Kofaktors ApoC-II auftreten können, die man
aber auch bei starken Erhöhungen der VLDL und selten bei der familiären Dysbetalipoproteinämie beobachtet, ist mit einem stark erhöhten Pankreatitisrisiko zu rechnen.
Alzheimer-Erkrankung:
Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß der Apolipoprotein E4 Phänotyp nicht nur zu
einer Erhöhung des Gesamtcholesterins führt, sondern auch mit einem stark erhöhten Risiko
für das Auftreten einer Form der Alzheimer'schen Erkrankung korreliert.
Neurologische und retinale Störung:
Die Abetalipoproteinämie, eine seltene rezessive Störung der Sekretion ApoB-haltiger Partikel und dadurch bedingtem Fehlen sämtlicher Apo B haltiger Partikel, ist von einer Fettmalabsorption begleitet, die bei Säuglingen zu einer Gedeihstörung führt . Aufgrund der gestörten Resorption und des gestörten Transports von Vitamin A und E kommt es zur Ausbildung neurologischer und retinaler Defizite.
75
Tangier-Erkrankung:
Bei den Hypo-a-Lipoproteinämien lassen sich
· asynthetische Formen (HDL-Defizienz mit planaren Xanthomen) und
· hyperkatabole Formen (Tangier Erkrankung) differenzieren.
Die hyperkatabole Form des HDL Mangels, die Tangier Erkrankung, geht mit einer Speicherung von Cholesterinestern im retikuloendothelialen System einher. Die Patienten haben
üblicherweise eine Splenomegalie. Insgesamt stellen die genetisch bedingten Hypolipoproteinämien sehr seltene Krankheitsbilder dar.
XI.5
Diagnostik von Fettstoffwechselstörungen
Die Laboranalytik des Lipoproteinstoffwechsels verfolgt neben der Therapiekontrolle im
wesentlichen drei sehr unterschiedliche Ziele:
· die Erkennung eines erhöhten Lipidstoffwechsel-assoziierten Arterioskleroserisikos
· die Differentialdiagnostik von Pankreatitiden und
· die Erkennung seltener genetischer Defekte des Lipoproteinstoffwechsels mit sekundären
Schädigungen anderer Organsysteme, wie z.B. Lipoproteindefizienzen (HDL-Mangel oder
Abetalipoproteinämie), Enzymdefekte (LCAT, LPL oder HTGL) oder Mutanten wie
Apolipoprotein (Apo) E4, um soweit möglich durch therapeutische Interventionen präventiv eingreifen zu können.
Für die Praxis steht die Erkennung eines erhöhten kardiovaskulären Risikos ganz im Vordergrund. Trotzdem ist Diagnostik seltener genetischer Defekte und ggf. ihre Weiterleitung
zu Speziallaboratorien für den individuellen Patienten von hoher Wichtigkeit.
Basisuntersuchungen: Seruminspektion, Cholesterin, Triglyceride, HDL-Cholesterin
Spezialuntersuchungen: Lp(a), Apolipoproteine, Lipoproteinelektrophorese, ApoE-Polymorphismus, ApoB-Mutation, Ultrazentrifugation, LDL-Rezeptor, Enzyme
In Abb. 2 [Seite 17] ist ein Stufenschema zur Primärdiagnostik von Lipidstoffwechselstörungen angegeben, mit dessen Hilfe eine rationelle Diagnostik durchgeführt werden kann.
Aufgrund des derzeitigen Kenntnisstandes sollte bei jedem Erwachsenen einmal eine
Bestimmung von Cholesterin und Triglyzeriden durchgeführt werden, da nur so therapiebedürftige Dyslipoproteinämien sicher detektiert werden können. Das weitere diagnostische
Vorgehen hängt vom Resultat dieser Untersuchung ab. Kontrolluntersuchungen in festen
Abständen (z.B. alle 5 Jahre) bei normalen Werten und leerer Vorgeschichte sind u.U. nicht
erforderlich. Ebenso sind Screeninguntersuchungen bei Kindern nicht angezeigt, da die
Auswirkungen der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen durch lipidsenkende
Interventionen im Kindesalter unbekannt sind. Es sollten deshalb ausschließlich Kinder mit
klinischen Zeichen einer Fettstoffwechselstörung (z.B. Xanthome) oder Kinder von Eltern mit
bekannten
genetischen
Störungen
des
Lipidstoffwechsels
(z.B.
familiäre
Hypercholesterinämie) untersucht werden.
Für die exakte Abklärung familiärer Lipidstoffwechselstörungen sind Spezialuntersuchungen
notwendig, die in folgenden kurz erwähnt werden sollen.
76
Basisuntersuchungen
Kühlschranktest als orientierende Untersuchung bei Hypertriglyzeridämie
Bestimmung von Cholesterin und Triglyceriden
Präanalytik, Methoden, Störmöglichkeiten, Interpretation
Bestimmung von HDL-Cholesterin
Indikation, Methoden, Störungen, Interpretation
Bestimmung von LDL-Cholesterin
Indikation, Methoden, Störungen, Interpretation
Prinzipiell sollte bei isolierter Hypercholesterinämie eine Bestimmung des LDL- und HDLCholesterins erfolgen. Es ist möglich, die Konzentrationen von VLDL- und LDL-Cholesterin
über die Friedewaldformel (VLDL-Cholesterin = Triglyzeride/ 6,5 [mg/dl]; LDL-Cholesterin =
Serumcholesterin - HDL-Cholesterin - VLDL-Cholesterin) abzuschätzen. Einschränkung der
Friedewaldformel sind Triglyceride > 400 mg/dl und Chylmikronen. Besser ist jedoch die
direkte Bestimmung von LDL- und HDL-Cholesterin mittels homogener Assays am
Autoanalyzer. Als Referenzmethode gilt aber die Auftrennung der Serumlipoproteine mittels
Ultrazentrifugation mit nachfolgender Bestimmung des Cholesterins in den Fraktionen. Die
Methode wird notwendig bei Seren mit hoher Triglyceride.
Spezialuntersuchungen
Eine Reihe von speziellen weiterführenden Untersuchungen kann die Diagnose einer Lipoproteinstoffwechselstörung weiter eingrenzen.
Neben den Basisuntersuchungen wurden mit aufwendigeren Techniken, wie z.B. der
Ultrazentrifugation, der Agarosegelelektrophorese, der Isotachophorese oder der immunologischen Charakterisierung von Lipoproteinpartikeln eine große Zahl von Subklassen
definiert, die das Verständnis des Lipoproteinstoffwechsels und seiner Beziehung zur
Arteriosklerose erheblich erweitert haben.
Lipoprotein (a):
Bedeutung des Lp(a) als atherogener Risikofaktor, Indikation zur Bestimmung von Lp(a),
Bestimmungsmethoden, Interpretation.
Apolipoproteine:
Einteilung der Apolipoproteine und ihre Bedeutung im Lipoproteinstoffwechsel, Indikation zur
Bestimmung von Apolipoproteinen, Bestimmunsmethoden, Interpretation.
Lipoproteinelektrophorese:
Indikation, Methode, Störmöglichkeiten, Interpretation.
Ultrazentrifugation der Lipoproteine:
Mittels Ultrazentrifugation läßt sich die VLDL®LDL Kaskade in VLDL, VLDL-Unterklassen
(VLDL1, VLDL2), Lipoproteine intermediärer Dichte (IDL), LDL und HDL auftrennen , wobei
IDL elektrophoretisch als b-Lipoproteine migrieren und vermehrt bei HLP TypIII vorkommen.
Apolipoprotein E-Polymorphismus:
Biochemische und pathobiochemische Bedeutung des Apolipoprotein E und seiner Isoproteine, Indikationen zur Untersuchung des Polymorphismus, Methoden, Interpretation.
77
Apolipoprotein B3500-Mutation:
Pathobiochemische Bedeutung der Mutation für die Diagnostik einer Hypercholesterinämie.
LDL-Rezeptor-Mutation:
Heute sind mehr als 400 relevante Mutationen beschrieben. Geeignete genetische Methode
ermöglicht eine effektive Mutationsscrening
Proteinveränderungen:
· Die Aktivität des LDL-Rezeptors kann mittels Flowzytometrie an kultivierten Monozyten
schnell und einfach erfolgen und die Diagnose einer familiären Hypercholesterinämie gesichert werden.
· Die Hypercholesterinämie aufgrund eines in der LDL-rezeptorbindenden Region mutanten
ApoB (ApoB3500), die klinisch der familiären Hypercholesterinämie ähnelt, kann mittels
PCR-Technik identifiziert werden.
· Die Untersuchung auf b-VLDL bei familiärer Dysbetalipoproteinämie erfolgt durch Agarosegelelektrophorese der mittels Ultrazentrifugation flotierten VLDL, wobei im Agarosegel
in b-Position migrierende VLDL auftreten .
· Durch Bestimmung des ApoE-Phänotyps (ApoE2/2) kann die Diagnose einer Typ III HLP
gesichert werden. Dies kann durch isoelektrische Fokussierung oder mittels PCR erfolgen.
· Bei unklaren Hyperlipoproteinämien kann die Bestimmung des ApoE-Phänotyps u.U.
ebenfalls wichtige Informationen liefern, da er schon im frühen Lebensalter den Cholesterinstoffwechsel beeinflußt . Bei ApoE4-Homozygotie liegt der Cholesterinspiegel höher
als beim Wildtyp E3/3.
Enzymaktivitäten:
Die Bestimmung der Aktivität verschiedener am Lipidstoffwechsel beteiligter Enzyme und
Transferproteine kann ebenfalls in bestimmten Fällen indiziert sein.
· Die Messung der Lipoproteinlipase ist zur Differentialdiagnose starker Hypertriglyzeridämien (>1000mg/dl) sinnvoll, wobei die HLP Typ I durch eine defiziente Lipoproteinlipase oder ein Fehlen ihres Kofaktors, dem Apo C II, verursacht wird.
· Störungen der hepatischen Triglyzeridlipase können der kombinierten familiären HLP
(FCH) ähneln .
· Eine sehr seltene Fettstoffwechselstörung ist der familiäre Mangel an Lecithin:Cholesterin-Acyltransferase, die zu sehr niedrigen HDL wie auch zu Störungen im
VLDL/ LDL-Stoffwechsel aufgrund der gestörten Cholesterinveresterung auf den HDL
führt. Der vollständige LCAT-Mangel geht mit zahlreichen weiteren klinischen Symptomen, insbesondere einer progredienten Niereninsuffizienz einher.
· Bei einem Mangel des für den Cholesterinestertransfer von den HDL zu den VLDL/ LDL
verantwortlichen Cholesterinester Transferprotein (CETP) treten hohe Spiegel an HDLCholesterin auf (familiäre Hyper-a-Lipoproteinämie).
Struktur der Apolipoproteine:
Zur Differentialdiagnostik familiärer Hypolipoproteinämien ist häufig eine genaue Analyse der
Strukturproteine der betroffenen Lipoproteine erforderlich. So können bei vielen Patienten
mit Hypo-b-Lipoproteinämien verkürzte Formen des ApoB in der SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese nachgewiesen werden. Patienten mit familiärer Hypo-a-Lipoproteinämie haben in
78
vielen Fällen ein verändertes Isoproteinmuster des ApoA-I oder Strukturvarianten, die mittels
isoelektrischer Fokussierung nachweisbar sind.
79
Erhöhungen sämtlicher Serumlipide, die eine zuverlässige Diagnostik nahezu ausschließen.
Weitere relevante Einflußgrößen können Medikamente, Alkohol oder passagere Diätveränderungen darstellen.
Bedeutung der Anamnese:
Neben den rein praktischen Erwägungen ist für die Beurteilung pathologischer Werte eine
ausführliche Eigen- und Familienanamnese erforderlich. In der Eigenanamnese sollte insbesondere nach Symptomen kardiovaskulärer Erkrankungen, weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren, Pankreatitiden, Diätgewohnheiten und Medikamenteneinnahme gefragt werden.
Darüber hinaus können hier u.U. sekundäre Ursachen einer Dyslipidämie festgestellt werden. Aus der Familienanamnese können möglicherweise wichtige Aspekte bezüglich genetischer Dispositionen, die auch für die Risikoabschätzung beim indiviuellen Patienten relevant
sind, gewonnen werden.
XI.7
Praktikum
· Untersuchung von Cholesterin, Triglyceriden, und HDL-Cholesterin mittels
Trockenchemie
· Auftrennung des Lipoproteinspektrums mittels Agarosegelektrophorese mit densitometrischer Auswertung einschließlich Beurteilung (Demonstration)
· Berechnung des LDL-Cholesterin mittels Friedewald-Formel.
· Einfluß präanalytischer Faktoren auf das Ergebnis
· Klassifizierung von Lipidstoffwechselstörunge
80
XII Liquordiagnostik
XII.1 Liquor-Produktion
Der Liquor cerebrospinalis wird überwiegend im Plexus choroideus gebildet („Ultrafiltrat des
Blutplasma“). Nach Zirkulation durch die inneren und äußeren Liquorräume findet an den
Arachnoidalzotten eine Übernahme ins venöse Blut statt.
Täglich werden etwa 500 ml gebildet, das Gesamtvolumen von etwa 150 ml wird also
mehrmals am Tag umgesetzt. Den größten Anteil des Liquorvolumens enthält der
„Lumbalsack“.
XII.2 Diagnostik
Normalbefunde der wichtigsten Parameter des Liquor cerebrospinalis
Farbe/Aussehen
Leukozyten
Erythrozyten
wasserklar/farblos;
Patholog. Veränderungen: Xanthochromie durch zugemischtes freies
Hb (nach Hirnblutungen, SAB), u. Bilirubin, auch bei sehr hohem
Eiweißgehalt. Beurteilung der Xanthochromie des Liquors nach
Zentrifugation. Artefiziell zugemischtes Blut (Punktionsartefakt) ergibt
eine Rosa bis Rotfärbung und Trübe durch Blutzellen.
0 – 12/3 pro µl (nur Lymphozyten und Monozyten)
nicht nachweisbar (s. o. bei Farbe/Aussehen)
81
Liquor-Untersuchungsgang
Zellzahl
Zellpräparat
Eiweiß
Erys/Hb
Glukose/Laktat
82
XII.3 Zellsyndrome, Zellreaktionen
Die Höhe der Zellzahl korreliert in der Regel mit Schwere und Akuität des Prozesses.
Entzündliche Syndrome
· Virale Meningoenzephalitis (akute) verursacht lymphozytäre Zellbilder, Zellzahl von
normal bis etwa 1000/3 pro µl
· Bakterielle Meningitis: in der Regel massenhaft Granulozyten im akuten Stadium, von
etwa 500 bis etwa 100.000/3 µl. Nach wirksamer Therapie fällt die Zellzahl, der
Lymphozytenanteil nimmt zu und die Glukose steigt in den Normbereich.
Þ unbehandelt: Glukose erniedrigt, Laktat erhöht im Liquor.
· Tuberkulöse Meningitis: Gemischtes Zellbild (Granuloz. + Lymphozyten)
Þ Glukose erniedrigt, Laktat erhöht im Liq.
· Lues u. Borreliose des ZNS: i.d.R. lymphozytäre Zellbilder, Zellzahl bis etwa 1000/3 pro µl
· Multiple Sklerose (chronische ZNS-Entzündung): Zellzahl von normal bis etwa 100/3 pro
µl. Man findet typische zelluläre Entzündungszeichen: aktivierte Lymphozyten, häufig
auch Plasmazellen
Blutungen
Durch eine Subarachnoidalblutung fließen massenhaft Blutzellen in die Liquorräume, die
bereits nach wenigen Stunden eine typische Phagen-Reaktion hervorrufen: Hämatophagen
mit Erythrozyten und
eisenhaltigen Hämosiderin-Einschlüssen. Später wird auch
eisenfreies, gelbes kristallines Hämatoidin erkennbar.
Tumoren, Metastasen, Leukosen
Primäre Tumoren des ZNS siedeln selten in die Liquorräume ab. Als Ausnahme gilt das
Medulloblastom, das sich recht häufig durch seine Zellen im Liquor manifestiert.
Metastasen und Leukosen können bei Befall des ZNS durch maligne Zellen im Liquor
dokumentiert werden („Meningeosis carcinomatosa“, „Meningeosis leucaemica“).
Phagenreaktion/Reizreaktion
Die Abräumreaktion durch Phagozyten, überwiegend aus dem monozytären System
entstanden, betrifft sowohl Erreger als auch Zellen und unbelebtes Material. Phagozytose
tritt vor allem auf nach Entzündungen, Blutungen, Tumoren, Bandscheibenvorfällen.
XII.4 Eiweißuntersuchung
Neben der Frage nach einer „Blut/Liquor-Schrankenstörung“ (Gesamt-Eiweiß, Albumin
erhöht im Liquor), ist eine Abgrenzung einer Liquor- bzw. ZNS-eigenen Proteinreaktion Ziel
der Eiweißuntersuchung (z.B. autochthone Immunglobulinsynthese bei Entzündungen).
Grundlegende Vorgabe: Nahezu alle Proteine im Liquor stammen im Normalfall aus dem
Blutserum. Daher ist die gleichzeitige Betrachtung des entsprechenden Serumparameters
erforderlich, will man eine autochthone Bildung von dem normalen Protein-Übergang an der
Blut-Liquor-Grenzfläche abgrenzen.
Albumin, das autochthon nie gebildet wird, sondern passiv vom Blut in den Liquor übertritt,
dient zur Beschreibung der Durchlässigkeit der „Blut-Liquor-Schranke“ für Proteine. Im
Normalfall ist der Liquor/Serum-Quotient des Albumins etwa 1 : 200. Mit einem Anstieg des
83
L/S-Albumin-Quotienten steigen auch die L/S-Quotienten der Immunglobuline entsprechend
ihrer Molekülgröße an.
Hilfsmittel der Proteinanalyse
· Liquor/Serum-Protein-Quotienten-Schemata (z.B.Variante nach Reiber für IgG, IgA und
IgM mit Albumin als Bezugsprotein): Es werden Albumin- und Ig-Konzentrationen für
Liquor und Serum nephelometrisch bestimmt und die Liquor/Serum-Quotienten der
Parameter in das Schema übertragen.
Grob lassen sich 4 Bereiche zur diagnostischen Differenzierung abstecken. Man erkennt
eine „Schrankenstörung“ über den Albumin-Quotienten. Die unterschiedlich im Diagramm
vorgegebenen Grenzquotienten geben die Altersabhängigkeit der Schrankenfunktion wieder:
im Alter bis 15 Jahre gilt eine Grenze von 5,0, bei Erwachsenen bis 40 Jahre bzw. 60 Jahre
gelten Grenzen von 6,5 bzw. 8,0 für Q-Alb. Überschreitungen sind als erhöhte
Durchlässigkeit für Proteine oder vermehrter Übertritt von Proteinen zu interpretieren.
Eine weitere wichtige Aussage ermöglicht das Schema: die autochthone IgG-Bildung bei
entzündlichen Reaktionen des ZNS, die durch Überschreitung der oberen Grenzlinie indiziert
wird.
Protein-Quotientenschema nach
Reiber für 3 Ig-Klassen
(Neue Darstellungsform mit
hyperbolischen Grenzlinien)
Die eingetragenen senkrechten
Markierungen im Normbereich sind
die unterschiedlichen oberen
Grenzwerte der normalen AlbuminQuotienten für die 3 Altersstufen: bis
15 Jahre, bis 40 Jahre und bis 60 Jahre.
Dargestellt sind auch Linien für die
intrathekal gebildeten IgG-, IgA- und
IgM-Fraktionen, berechnet in % des
gemessenen Gesamt-Ig im Liquor.
Hier: Beispiele zweier Pat. mit NeuroTuberkulose (tuberkulöser Meningitis).
Ein hoher Anteil der Pat. mit NeuroTuberkulose zeigen bereits im Liquor
der ersten Punktion nach Aufnahme
ein Dominieren der Produktion von
IgA.
84
· Im rechnerischen Verfahren der Indexbildung werden Liquor/Serum-Proteinquotienten
verwendet. Als Referenz dient Albumin als rein hepatogenes Protein: z.B.
IgGLiq
IgG - Index =
AlbuminLiq
IgGSerum
AlbuminSerum
Ist das Liquor-IgG komplett aus dem Blut transudiert, so ergeben sich im Mittel IgGIndizes zu 0,5. Sind autochthon gebildete Anteile im Liquor-IgG, wird der Index > 0,65.
Die Auswertung der Proteindaten im Reiber-Quotientenschema erübrigt die
Indexberechnung für die Diagnostik. Als rechnerische Größe zur Dokumentation von
Krankheits- oder Therapieverläufen ist die Index-Darstellung jedoch gut geeignet.
· elektrophoretischer Nachweis autochthoner Proteine („oligoklonale“ IgG-Fraktionen mit
Isoelektrischer Fokussierung)
Nach Auftrennung der Proteine von Liquor, im Vergleich mit Serum, sind im pHGradienten-Gel durch einige ZNS-ständige Plasmazell-Klone gebildete IgG-Fraktionen
als oligoklonale Banden nachweisbar. Die Empfindlichkeit des Nachweises von
oligoklonalem IgG mithilfe dieser Methode ist sehr hoch, sodass man bei Pat. mit
Multipler Sklerose in über 98 % autochthones IgG nachweist, während mithilfe des
Reiber-Schema dieser Nachweis in nur etwa 60 % gelingt.
Beispiel:
D arstellung „oligoklon aler B anden“ durch Isoelektrische
Fokussierung im Polyacrylam id-G el m it pH -G radienten
D em „polyklonal verteilten IgG sind in der
L iquorprobe oligoklonale, im Z N S gebildete
IgG -Fraktionen überlagert (P feilm arkierung).
pH
4
7
9
L
S
·
Zum Nachweis des infektiösen Agens einer ZNS-Infektion ist die serologische
Bestimmung
von Erreger-spezifischen Antikörpern im subakuten Stadium
(frühestens 1 – 4 Wochen nach Infektion) geeignet. Mithilfe der Liquor/SerumGradienten der IgG-Antikörpertiter und des Gradienten des Gesamt-IgG wird durch
Division ein Antikörper-Index errechnet. Also AK-Titer Liq./ AK-Titer Ser wird dividiert
durch IgGgesamt Liq/ IgGgesamt Serum. Indizes > 1 zeigen autochthon produzierte
IgG-Antikörper an (aufgrund erhöhter Liq.-Antikörper-Titer).
85
XIII Endokrinologische Diagnostik
XIII.1 Schilddrüse
XIII.1.1Biosynthese der Schilddrüsenhormone
Für eine ausreichende Jodversorgung sollten täglich 150-200 µg Jod aufgenommen werden.
Von der Schilddrüse werden täglich ca. 100 µg T4 (Thyroxin), 10 µg T3 (Trijodthyronin) und
1 µg reverse T3 sezerniert. Die Biosynthese der Schilddrüsenhormone T4 (Thyroxin) und T3
(Trijodthyronin) erfolgt in den folgenden Schritten: Die Schilddrüse nimmt Jodid aktiv auf,
das in der Schilddrüse zum Jod oxidiert wird (Jodination). Im Bereich der äußeren apikalen
Zellmembran der Thyreozyten werden die Tyrosylreste des Thyreoglobulins unter Katalyse
durch die membrangebundene Thyreoperoxidase (TPO) iodiert (Jodisation). Die Monojodund Dijodtyrosylreste im Thyreoglobulin lagern sich, ebenfalls katalysiert durch die
Peroxidase, durch oxidative Kondensation in einer intramolekularen Reaktion zu den
entsprechenden Tetrajod- bzw. Trijodthyronylresten um. Thyreoglobulin wird in den
Schilddrüsenfollikeln gespeichert. Zur Freisetzung der Schilddrüsenhormone T4 und T3 wird
Thyreoglobulin durch Proteasen und Peptidasen hydrolysiert. Die Synthese und Freisetzung
der Schilddrüsenhormone wird durch das Hypophysenhormon TSH stimuliert.
Das im Vergleich zum T4 etwa 3fach biologisch aktivere T3 wird hauptsächlich in der
Peripherie durch Monodejodination des T4 gebildet (tägliche T3-Bildung durch periphere
Konversion ca. 26 µg). Dabei entsteht auch täglich etwa 35 µg des biologisch inaktiven
reverse T3 (rT3). Die Halbwertszeit des T4 beträgt 190 h, die Halbwertszeit des T3 nur 19 h.
XIII.1.2 Proteinbindung des T4 und T3
Über 99,9% des T4 und 99,7% des T3 werden im Blut proteingebunden transportiert. 75%
des T4 sind an Thyroxin-bindendes Globulin (TBG), 15% and Thyroxin-bindendes
86
Präalbumin (Transthyretin) und 10% an Albumin gebunden. T3 ist zu 38% an TBG, zu 35%
an Albumin und zu 27% an Transthyretin gebunden. Medikamente und Hormone können die
Proteinbindung der Schilddrüsenhormone beeinflussen. Die biologisch aktiven und
diagnostisch relevanten freien Hormone (freies T3 = FT3 und freies T4 = FT4) haben daher
sehr niedrige Serumkonzentrationen.
Die Gesamthormonkonzentrationen (TT4 und TT3) entsprechen der Summe aus dem freien
und dem proteingebundenen Anteil. Als Laborparameter sind TT4 und TT3 jedoch obsolet,
weil die TT4- und TT3-Konzentrationen wesentlich variabler sind und zu Fehlinterpretationen
führen können. So kommt es in der Schwangerschaft und unter Östrogenmedikation zu
einer TBG-Erhöhung, die mit einem Anstieg der Gesamthormonkonzentrationen einhergeht.
Weitere Ursachen für eine TBG-Erhöhung sind genetische Varianten, Hepatopathien,
Medikation mit Opiaten, Clofibrat oder 5-Fluoro-Uracil. Bei einer Erniedrigung der TBG
(genetische Varianten, Proteinverlustsyndrome, Malnutrition, Kortikosteroide) sinken die
Gesamthormonkonzentrationen.
XIII.1.3 Regelkreis der Schilddrüsenhormone
Die Regulation der Schilddrüsenfunktion erfolgt über Thyreotropin (TSH), das in den
basophilen, thyreotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildet wird. TSH
beschleunigt die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone. Die TSH Sekretion des
Hypophysenvorderlappens untersteht der Regulation des TRH (Thyreotropin Releasing
Hormon), das im Hyothalamus gebildet wird. Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 wirken im
Sinne einer negativen Rückkoppelung inhibitorisch auf die Freisetzung des TSH und TRH.
Bei der Hyperthyreose führen erhöhtes T4 und/oder T3 zu einer TSH-Suppression, d.h. zu
einem Abfall der TSH-Serumkonzentration. Dagegen führen bei der Hypothyreose
erniedrigte
Schilddrüsenhormonkonzentrationen
zu
einem
Anstieg
der
TSHSerumkonzentration.
87
XIII.1.4 Störungen der Schilddrüsenfunktion
Die wichtigsten Symptome der Hyper- und der Hypothyreose werden in der Tabelle
zusammengefasst.
Hyperthyreose
Ruhetachykardie
innere Unruhe
Nervosität
Gewichtsabnahme
gesteigerter Appetit
feinschlägiger Fingertremor
feuchte Haut
vermehrtes Schwitzen
Schlafstörungen
Exophthalmus (fakultativ)
Hypothyreose
Verlangsamung
Ödeme, Gewichtszunahme (Myxödem)
Obstipation
Kälteintoleranz
Schlitzaugen (periorbitale Ödeme)
raue, heissere Stimme
allgemeine Schwäche
kühle, trockene, schuppige und blasse Haut
glanzloses, struppiges Haar
leichte Ermüdbarkeit
Ursachen der Hyperthyreose sind der M. Basedow (Autoimmunthyreopathie durch
stimulierende Autoantikörper gegen TSH-Rezeptoren), die funktionelle Schilddrüsenautonomie, Thyreoiditiden (mit wechselnder Schilddrüsenfunktion) und die Jodinduktion
(nach Kontrastmittelgabe, Amiodaron-Medikation). Die Hypothyreosen kommen bei der
Hashimoto-Thyreoiditis, im Rahmen der kongenitalen Hypothyreose (bes. bei Jodmangel)
sowie iatrogen (durch Thyreostatika, Jodexzess, Lithium, Z.n. Schilddrüsenresektion, Z.n.
Radiojodtherapie) und bei der seltenen sekundären Hypothyreose vor.
XIII.1.5 Labordiagnostik
XIII.1.5.1 TSH
Die Serumkonzentration des TSH stellt den wichtigsten Laborparameter der Schilddrüsendiagnostik dar.
Indikation: Screeninguntersuchung bei V.a. Schilddrüsenfunktionsstörungen, Neugeborenenscreening (angeborene Hypothyreose), V.a. sekundäre Hypothyreose, präoperativ, vor
Gabe Jod-haliger Kontrastmittel, Therapiekontrolle bei Schilddrüsenhormonsubstitution,
Abklärung der Hypercholesterinämie und Hyperprolaktinämie.
Methode: Es werden Sandwich Immunoassays mit einer hohen analytischen Sensitivität
verwendet. Hierfür sind z.B. Chemilumineszenz- oder Fluoreszenz-Immunoassays geeignet
(s. Kapitel Immunoassays). Die maximal zulässige Unpräzision beträgt nach den Richtlinien
der Bundesärztekammer 6%. Ein Qualitätskriterium der Assays ist die funktionelle
Sensitivität. Unter funktioneller Sensitivität versteht man die niedrigste Konzentration eines
Hormones, die noch mit einem Variationskoeffizienten von unter 15% gemessen werden
kann. Aufgrund der funktionellen Sensitivität werden vier Generationen von TSH-Assays
unterschieden:
Generation
1
2
3
4
Funktionelle Sensitivität (mIU/l)
1-2
0,1-0,2
0,01-0,02
0,001-0,002
Mit den TSH-Assays der ersten Generation war eine Differenzierung zwischen latenter,
manifester Hyperthyreose und Euthyreose nicht möglich. Daher mußte sehr häufig der TRHTest durchgeführt werden. Heute dürfen TSH-Assays der ersten Generation nicht mehr
verwendet werden. Die TSH-Assays der dritten Generation sind bereits weit verbreitet.
Ein weiteres Qualitätskriterium ist die analytische Spezifität des TSH-Assays. Die
Kreuzreaktivität des verwendeten Antikörpers gegenüber strukturell verwandten Hormonen
88
wie HCG, LH, FSH sollte möglichst gering sein (<0,001%). Diese drei Hormone sind
Heterodimere mit einer gemeinsamen a-Untereinheit. Sie unterscheiden sich nur in ihrer
b-Untereinheit.
Bewertung: Liegt TSH im Referenzbereich, wird eine euthyreote Stoffwechsellage
angenommen. Es kann dann i.d.R. auf eine weitere Labordiagnostik der Schilddrüse
verzichtet werden. Bei erniedrigtem oder erhöhtem TSH wird die Bestimmung des FT4 und
FT3 durchgeführt. Bei der Hyperthyreose werden erniedrigte TSH-Werte (TSH-Suppression
durch erhöhte Schilddrüsenhormone) und bei der Hypothyreose erhöhte TSH-Werte
(fehlende negative Rückkoppelung durch die erniedrigten Schilddrüsenhormone) gemessen.
Bei der L-Thyroxin-Substitutionstherapie (z.B. nach Schilddrüsenresektion oder
Radiojodtherapie) wird für eine optimale Dosierung des L-Thyroxins ein TSH-Wert im
unteren Referenzbereich angestrebt. Normale bis erhöhte TSH-Werte weisen auf eine
ungenügende L-Thyroxin-Substitution hin. Bei einer thyreostatischen Therapie der
Hyperthyreose sollte TSH im Referenzbereich liegen und der TRH-Test ein normales
Ergebnis zeigen.
Einfluß- und Störfaktoren: Einflußgrößen des TSH-Wertes sind das Lebensalter (deutliche
Veränderung des Referenzbereiches vor allem im ersten Lebensjahr) und die
Schwangerschaft (TSH¯). Während der Schwangerschaft kann die Kreuzreaktivität des
TSH-Assays mit HCG bedeutsam werden, so dass die TSH-Werte mit Vorsicht zu
interpretieren sind. Im Immunoassay werden häufig monoklonale Antikörper von der Maus
verwendet. Beim Vorliegen von humanen Anti-Maus-Antikörpern (heterophile Antikörper)
kann daher der Immunoassay gestört werden.
Referenzbereich: 0,35 - 4,5 mIU/l (Serum, Erwachsene)
XIII.1.5.2
FT4 und FT3
Indikation: Die Bestimmung des FT4 und FT3 bei V.a. eine Störung der
Schilddrüsenfunktion wird i.d.R. nur durchgeführt, wenn der TSH-Wert nicht im Referenzbereich liegt.
Methode: kompetitive Immunoassays mit einer hohen analytischen Sensitivität, insbes.
Chemilumineszenz- und Fluoreszenz-Immunoassays. Die Unpräzision sollte unter 8%
liegen.
Bewertung: Die Schilddrüsenhormone FT3 und FT4 sollten zusammen mit dem TSH-Wert
beurteilt werden. Wenn FT3 und FT4 bei erniedrigtem TSH im Referenzbereich liegen, ist
eine latente Hyperthyreose anzunehmen. Bei der manifesten Hyperthyreose sind FT4
und/oder FT3 erhöht. Die Hypothyreose kann mit Hilfe der Bestimmung des FT3 und FT4 in
eine latente oder manifeste Hypothyreose differenziert werden. Die verschiedenen
Befundkonstellationen sind in der Tabelle zusammengefasst.
Befund
TSH, FT4 und FT3 normal
TSH ¯ und FT4 und FT3 normal
TSH ¯ und FT4 ­ und FT3 ­
TSH ¯ und FT4 normal und FT3 ­
TSH ­ und FT4 und FT3 normal
TSH ­ und FT4 ¯ bzw. FT3 ¯
TSH normal und FT3 ¯ (evtl. auch fT4 ¯)
TSH normal bis ¯ und FT4 ¯ und FT3 ¯
TSH ­ und FT4 ­ und FT3 ­
Interpretation
Euthyreose
latente Hyperthyreose
manifeste Hyperthyreose
isolierte T3-Hyperthyreose
latente Hypothyreose
manifeste Hypothyreose
Low T3-Syndrom (bei schweren
Allgemeinerkrankungen, mit euthyreoter
Stoffwechsellage)
hypophysäre, sekundäre Hypothyreose
(sehr selten)
TSH-produzierender Tumor,
Schilddrüsenhormonresistenz (sehr selten)
89
Einfluss- und Störfaktoren: Einflussgrößen sind das Lebensalter (altersabhängige
Referenzbereiche bei Kindern) und die Schwangerschaft. Beim Fasten, bei der diabetischen
Ketoazidose und bei Heparingabe kommt es zu einem Anstieg der freien Fettsäuren, die T4
aus der Proteinbindung verdrängen (FT4­). Auch verschiedene Medikamente (ASS,
Phenytoin, Carbamazepin, Furosemid) können T4 aus der Proteinbindung verdrängen. Bei
der familiären dysalbuminämische Hyperthyroxinämie kommen aufgrund eines erblich
abnorm bindendes Albumins erhöhte FT4-Werte vor. Störfaktoren sind heterophile
Antikörper und Autoantikörper gegen Schilddrüsenhormone.
Referenzbereich: FT4: 0,89 - 1,80 ng/dl, FT3: 2,3 - 4,2 pg/ml (Serum, Erwachsene)
XIII.1.5.3 TRH-Test
Das Thyreotropin Releasing Hormon TRH fördert die Synthese und Sekretion von TSH.
Durch i.v. Injektion von synthetischen TRH kann die Stimulierbarkeit der Hypophyse geprüft
werden. Dabei wird TSH vor und nach TRH-Gabe bestimmt. Durch die verbesserte
Sensitivität der TSH-Assays ist der Einsatz des TRH-Testes erheblich zurückgegangen. Die
Indikation des TRH-Tests beschränkt sich auf die folgenden Fälle: Überprüfung der TSHSekretionsreserve bei grenzwertigen Schilddrüsenfunktionsstörungen, Nachweis einer
Sekretionsstarre bei hypophysären Erkrankungen oder bei TSH-produzierenden Tumoren,
Nachweis einer Schilddrüsenhormonresistenz (überhöhte Stimulierbarkeit).
XIII.1.5.4 Schilddrüsen-Autoantikörper
Gegen verschiedene Strukturen der Schilddrüse können Autoantikörper gebildet werden.
Pathophysiologisch haben die Autoantikörper gegen TSH-Rezeptoren (TSH-RezeptorAntikörper, TRAK), die praktisch regelmäßig beim M. Basedow auftreten, eine wichtige
Bedeutung. Durch Bindung and den TSH-Rezeptor imitieren sie die Wirkung des TSH und
führen zur Hyperthyreose und Struma. Das Auftreten von Autoantikörperen gegen die
Thyreoperoxidase (Anti-TPO) ist i.G. zu den TRAK nicht mit dem Vorliegen einer
Autoimmunthyreopathie gleichzusetzen. Sie treten bei der Hashimoto-Thyreoiditis (60-90%),
beim primären Myxödem (40-70%), bei der postpartalen Thyreoiditis (50-70%) und beim M.
Basedow (60-70%) auf, sind jedoch bei der subakuten Thyreoiditis de Quervain (<5%), bei
der Schilddrüsenautonomie (<5%) und bei der euthyreoten Struma (<5%) selten. TPO ist
Hauptbestandteil des mikrosomalen Antigens. Die Bestimmung der TPO-AK wird heute der
Bestimmung der mikrosomalen Antikörper (MAK) vorgezogen.
Der Nachweis von Antikörpern gegen Thyreoglobulin (TAK) hat differentialdiagnostisch nur
eine geringe Bedeutung. Jedoch stellt Thyreoglobulin einen wichtigen Tumormarker der
Schilddrüse dar, dessen Bestimmung durch Thyreoglobulin-Antikörper gestört werden kann.
Autoantikörper gegen die Schilddrüsenhormone T3 und T4 kommen sehr selten vor und
können die Bestimmung der Schilddrüsenhormonkonzentrationen stören. Die Bestimmung
von Schilddrüsenautoantikörpern erfolgt mit Hilfe von Immunoassays und der indirekten
Immunfluoreszenz.
XIII.2 Nebenniere
XIII.2.1 Nebennierenrinde
Die NNR wird unterteilt in die Zona glomerulosa (Aldosteron-Synthese), Zona fasciculata
(Kortisol-Synthese) und die Zona reticularis (DHEA-Synthese). Die NNR-Steroide werden
aus der Vorstufe Cholesterin gebildet.
Die Produktion der NNR-Steroide unterliegt der übergeordneten Regulation durch das HVLHormon ACTH. Jedoch wird die Aldosteron-Synthese vor allem durch Angiotensin II
stimuliert und ist nur teilweise ACTH-abhängig. Die hypophysäre ACTH-Sekretion wird durch
das Corticotropin Releasing Hormon (CRH) reguliert. Im Sinne der negativen
Rückkoppelung wirkt Kortisol inhibitorisch auf die ACTH-Sekretion der Adenohypophyse und
auf die CRH-Sekretion des Hypothalamus. Kortisol fördert den Eiweißkatabolismus
(®Muskelatrophie, Osteoporose) und stimuliert die Glukoneogenese (®patholog.
90
Glukosetoleranz) und verändert den Fettstoffwechsel (®Hyperlipidämie, Stammfettsucht).
Bei ausgeprägtem Hyperkortisolismus treten auch mineralokortikoide Wirkungen auf
(®hypokaliämische Alkalose).
XIII.2.1.1 Hyperkortisolismus
Ursachen des Hyperkortisolismus sind das ACTH-produzierende Hypophysenadenom (M.
Cushing), ektope ACTH-produzierende Tumoren (z.B. kleinzelliges Bronchialkarzinom), das
iatrogene Cushing-Syndrom bei Glukokortikoidmedikation, NNR-Tumoren und die
idiopathische NNR-Hyperplasie. Begleiterscheinungen des Hyperkortisolismus sind:
Hypertonie,
Stammfettsucht,
Büffelnacken,
Vollmondgesicht,
Gewichtszunahme,
Muskelschwäche, Osteoporose, psychiatrische Symptome, Diabetes, Menstruationsstörungen, Hirsutismus etc.
Basisdiagnostik: Zum Nachweis bzw. Ausschluß eines Hyperkortisolismus muß der
Dexamethason-Hemmtest durchgeführt werden. Die Bestimmung des freien Kortisols im
24h-Sammelurin kann ergänzend durchgeführt werden.
Weiterführende Diagnostik: bei nachgewiesenem Hyperkortisolismus Hochdosis
Dexamethason-Hemmtest, CRH-Test.
XIII.2.1.2 Hypokortisolismus
Ursachen der primären NNR-Insuffizienz sind der M. Addison (autoimmun mit Nachweis von
Auto-AK), Infektionen der NNR (Tbc, CMV-Adrenalitis bei AIDS), Einblutungen (WaterhouseFriedrichsen-Syndrom) und Metastasen. Die sekundäre NNR-Insuffizienz kommt vor bei
Steroidmedikationen und bei hypothalamisch-hypophysären Erkrankungen. Leitsymptome
der maifesten NNR-Insuffizienz sind: Schäche und rasche Ermüdbarkeit, Pigmentierung (M.
Addison), Gewichtsverlust, Hypotonie und Hypoglykämie.
Basisdiagnostik: ACTH-Kurztest. Das freie Kortisol im 24h-Sammelurin ist zum Nachweis
bzw. Ausschluß des Hypokortisolismus weniger geeignet.
Weiterführende Diagnostik: CRH-Test, NNR-Autoantikörper, Aldosteron.
XIII.2.1.3 Labordiagnostik
XIII.2.1.3.1 Kortisol
Indikation: Die isolierte Kortisolbestimmung im Plasma oder Serum hat aufgrund der
Tagesrhythmik eine geringe Aussagekraft. Zum Nachweis eines Hyper- oder
Hypokortisolismus sollte die Kortisolbestimmung im Rahmen standardisierter Funktionsteste
(s. Dexamethason-Hemmtest, ACTH-Kurztest) durchgeführt werden. Das freie (nichtproteingebundene) Kortisol im 24h-Sammelurin unterliegt im Vergleich zum Plasmakortisol
geringeren Schwankungen.
Methode: Kompetitiver Immunoassay. Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer
beträgt die maximal zulässige Unpräzision 8%.
Einfluss- und Störfaktoren: Physiologischerweise unterliegt Kortisol einer zirkadianen
Rhythmik mit Maxima am Morgen und Minima am Abend. Zum Nachweis der Tagesrhythmik
kann ein Kortisol-Tagesprofil durchgeführt werden. Stress führt zu einem Anstieg des
Kortisols. Kreuzreaktivitäten mit Glukokortikoidpräparaten und Metaboliten können u. U.
bedeutsam werden (z.B. 21-Desoxycortisol beim 21-Hydroxylase-Mangel).
Bewertung: s. Funktionsteste
XIII.2.1.3.2 ACTH
Indikation: Die ACTH-Bestimmung sollte nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der
Kortisolbestimmung oder im Rahmen von Funktionstesten (s. CRH-Test) durchgeführt
werden.
Methode: Sandwich Immunoassay, max. Unpräzision 8%.
92
Katecholamine werden bei der Diagnostik katecholaminproduzierender Tumoren bestimmt
(Phäochromozytom, Neuroblastom und Ganglioneurom). Die klinische Symptomatik variiert
erheblich. Neben dem Leitsymptom Hypertonie (permanant oder intermittierend) kommen
häufig Kopfschmerzen, Fieber, Schwitzen, Tachykardie, Tremor, Nervosität und Gewichtsverlust vor.
Ein Phäochromozytom sollte in den folgenden Fällen ausgeschlossen werden: Hypertonie,
insbes. bei jungen Patienten (max. Häufigkeit im 4. und 5. Lebensjahrzehnt) mit
paroxysmalen Blutdruckanstiegen, bei Tumoren der Nebennierenregion, bei Erkrankungen
mit erhöhtem Risiko: Multiple endokrine Neoplasie Typ II a und b, Neurofibromatose von
Recklinghausen, von Hippel-Lindau-Erkrankung, Phäochromozytom bei Verwandten ersten
Grades (autosomal-dominant erbliche Form).
XIII.2.2.1 Labordiagnostik
Als Basisdiagnostik zum Nachweis bzw. Ausschluß eines katecholaminproduzierenden
Tumors wird die Bestimmung der Katecholamine (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) im
24h-Sammelurin (zum Ausschluß mindestens zweimal durchführen) und von
Normetanephrin und Metanephrin im Plasma empfohlen.
XIII.2.2.1.1 Katecholamine im 24h-Sammelurin
Indikation: Hypertonie, Screening bei V.a. Phäochromozytom
Präanalytik: Damit die Analyten über die Sammelperiode stabil bleiben, muß der Urin mit
konz. Salzsäure angesäuert werden. Außerdem muß das Sammelgefäß im Kühlschrank
aufbewahrt werden. Unmittelbar vor und während der Sammelperiode sollten die Patienten
auf bestimmte Lebensmittel verzichten (Nüsse, Bananen, Zitrusfrüchte, Schwarztee, Kaffee,
Vanille). Auch bestimmte Medikamente (Diuretika, trizyklische Antidepressiva, Theophyllin,
Kalziumantagonisten, L-Dopa) können zu einem Anstieg der Katecholamine führen. Leicht
erhöhte Katecholaminkonzentrationen kommen auch bei der essentiellen Hypertonie, bei
Streß, körperlicher Belastung und Hypoglykämie vor.
Methode: Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit elektrochemischer Detektion,
max. Unpräzision 11%
93
Bewertung: Die Katecholamine haben eine hohe Sensitivität (90-95%) und eine niedrigere
Spezifität (60-80%), d.h. es treten nicht selten falsch positive Befunde auf. Diese sind meist
auf grenzwertige und leicht erhöhte Konzentrationen (bis zum 2-3fachen der Norm)
zurückzuführen. Stark erhöhte Dopaminkonzentrationen können auf Malignität hinweisen, da
in malignen Phäochromozytomen und Neuroblastomen die Metabolisierung des Dopamins
zum Noradrenalin verringert ist.
XIII.2.2.1.2 Metanephrine im Plasma
Indikation: Hypertonie, Screening bei V.a. Phäochromozytom
Präanalytik: Die Blutennahme muß im Liegen unter Ruhebedingungen über einen venösen
Zugang erfolgen. Zahlreiche Medikamente können die Plasmakatecholamine beeinflussen
und müssen frühzeitig vorher abgesetzt werden. Zur Stabilisierung der Metanephrine im
Plasma sollten spezielle Entnahmegefäße (mit EGTA/Glutathion-Zusatz) verwendet werden.
Stress, Hypoglykämie und Niereninsuffizienz führen zu erhöhten Plasmakonzentrationen.
Methode: Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit elektrochemischer Detektion,
max. Unpräzision 11%
Bewertung: Die Plasmametanephrine (Metanephrin und Normetanephrin) haben eine hohe
Sensitivität (>95%) und Spezifität (ca. 90%) in der Diagnostik des Phäochromozytoms.
Gründe hierfür sind die kontinuierliche Produktion von Metanephrinen durch den Tumor und
die deutlich verlängerte Plasmahalbwertszeit der sulfatkonjugierten Metanephrine im
Vergleich zu den Katecholaminen.
XIII.2.2.1.3 Weitere Analysen
Die Bestimmung der Metanephrine im 24h-Sammelurin soll eine ähnliche Sensitiviät wie die
Katecholamine im 24h-Urin haben. Die Vanillinmandelsäure (VMS) im 24h-Sammelurin hat
im Vergleich zu den Katecholaminen eine deutlich niedrigere Sensitivität. Die Bestimmung
der VMS ist daher von geringer Bedeutung.
Die Bestimmung der Katecholamine im Plasma ist weniger sensitiv und spezifisch als die
Bestimmung im 24h-Sammelurin, da die Plasmakonzentrationen erheblichen Schwankungen
unterliegen. Die Bestimmung der Homovanillinsäure (HVA) im 24h-Urin wird in der
Diagnostik vorwiegend dopaminsezernierender Tumoren (z.B. Neuroblastom) v.a. in der
Pädiatrie durchgeführt.
XIII.2.2.1.3 Clonidin-Test
Clonidin wirkt zentral hemmend auf den Sympathikus. Eine durch einen erhöhten
Sympathikotonus bedingte Katecholaminfreisetzung wird nach Clonidingabe unterdrückt,
nicht jedoch eine autonome Katecholaminfreisetzung beim Phäochromozytom. Beim
Clonidin-Test werden die Plasmakatecholamine nach Clonidin-Gabe bestimmt. Der
Clonidintest besitzt eine höhere Spezifität als die Katecholaminausscheidung im 24h-Urin
und kann bei grenzwertigen und leicht erhöhten Katecholaminen in 24h-Sammelurin
und/oder Plasmametanephrinen eingesetzt werden.
XIII.3 Immunoassays
Hormone, Antikörper und Proteine ohne Enzymaktivität werden mit immunologischen
Methoden bestimmt. Daher erfolgt hier eine Erläuterung der Meßprinzipien immunologischer
Bestimmungsmethoden.
XIII.3.1 Direkte Messung von Antigen-Antikörper-Reaktionen:
Diese Methoden setzten die Bildung sichtbarer Agglutinate oder großer Immunkomplexe
voraus.
94
XIII.3.1.1 Agglutination
Hierbei werden korpuskuläre Antigene durch Antikörper zur Agglutination gebracht. Beispiele
hierfür sind der Hämagglutinationstest zur Blutgruppenbestimmung (Antigen-Nachweis) und
die direkte Bakterienagglutination nach Widal (Antikörper-Nachweis). Durch Verdünnungsreihen sind die Antikörper im Patientenserum als Titer quantifizierbar.
XIII.3.1.2 Immunpräzipitation in Gelen
Bei der radialen Immundiffusion nach Mancini wird das zu quantifizierende Antigen in ein
gestanztes Loch in einem Gel aufgetragen, das einen spezifischen Antikörper gegen das zu
bestimmende Antigen enthält. Dieser Antikörper ist gleichmäßig im Gel verteilt. Das Antigen
diffundiert von dort radial nach außen. Am Ende entsteht ein Präzipitationsring, dessen
Durchmesser sich proportional zur Antigenkonzentration in der Probe verhält.
Bei der Rocket-Elektrophorese (Laurell-Elektrophorese) wird die Probe ebenfalls in ein
vorgestanztes Loch in einem Gel aufgetragen, in dem ein spezifischer Antikörper
gleichmäßig verteilt ist. Danach wird das Gel einer Elektrophorese unterzogen. Dabei
wandert das zu bestimmende Antigen im elektrischen Feld. Es entstehen raketenförmige
Präzipitatlinien, die mit einer Färbung im Anschluß an die Elektrophorese sichtbar gemacht
werden. Der Abstand zwischen Auftragestelle und der Spitze der Präzipitationslinie wird
vermessen. Diese Distanz verhält sich proportional zur Antigenkonzentration der Probe.
+
Elektrophorese
Spitze
d ~ Konzentration
-
Auftragestelle
95
Die Immunfixation wird in der Laboratoriumsmedizin vor allem zum qualitativen Nachweis
der Monoklonalität von Immunglobulinen bzw. der Immunglobulinketten sowie zu deren
Typisierung (schwere Ketten: g, m, a, e, d, leichte Ketten: l, k) eingesetzt. Hierbei werden
zunächst die Serumproteine auf mehreren Auftragestellen in einem Gel elektrophoretisch
aufgetrennt. Danach werden auf jede Elektrophoresespur verschiedene Antiseren
aufgetragen, die jeweils spezifisch mit einem bestimmten schweren oder einem bestimmten
leichten Kettentyp reagieren. Danach wird das Gel gewaschen, wobei nur die
hochmolekularen Immunkomplexe im Gel zurückbleiben. Die Immunpräzipitate werden mit
einer Proteinfärbung sichtbar gemacht. Monoklonale Immunglobuline sowie monoklonale
leichte oder schwere Ketten führen zu kräftigen, scharf begrenzten Banden, die sich deutlich
von den diffusen, breiten Banden der polyklonalen Immunglobuline unterscheiden.
XIII.3.1.3 Nephelometrie und Turbidimetrie
Bei der Immunreaktion zwischen Antigen und Antikörper entstehen Immunkomplexe, deren
Größe vom Verhältnis zwischen Antigen- und Antikörperkonzentration abhängt. Im
Antikörper- und Antigenüberschuß entstehen nur kleine Immunkomplexe. Im Äquivalenzbereich entstehen große Immunkomplexe.
Antikörperüberschuß
Äquivalenzbereich
Präzipitatmenge/Meßsignal
Die Kurve nach Heidelberger und Kendall zeigt die Menge des entstehenden
Immunpräzipitates in Abhängigkeit von der Antigenkonzentration. Die Immunpräzipitatmenge
bestimmt wiederum die Intensität des gestreuten Lichtes, das beim Durchtritt eines
Lichtstrahles durch die Meßküvette entsteht.
Antigenüberschuß
Antigenkonzentration
96
Aufgrund des Verlaufes der Heidelberger-Kendall-Kurve können bei sehr hohen
Antigenkonzentrationen falsch-niedrige Konzentrationen gemessen werden.
Der Nachweis der Immunkomplexe in der Messküvette kann mit der Nephelometrie oder der
Turbidimetrie erfolgen. Bei der Nephelometrie wird nur das durch die Immunkomplexe
gestreute Licht nachgewiesen. Hierbei wird das zentrale Lichtbundel, das die Messküvette
ohne Ablenkung passiert, ausgeblendet. Dagegen wird bei der Turbidimetrie nur das
zentrale Lichtbündel gemessen und das gestreute Licht ausgeblendet.
Indem die analytspezifischen Antikörper an Latexpartikel gekoppelt werden (latexverstärkte
Immunnephelometrie), kann die Nachweisempfindlichkeit der Methode deutlich gesteigert
werden. Für Substanzen mit sehr niedrigen Konzentrationen (z.B. Hormone) ist die Methode
nicht geeignet.
e
t
enzt
ta
ischer
scen
XIII.3.2 Indirekte Messung der Antigen-Antikörperreaktion
Bei diesen Verfahren werden Markierungen von Antigenen oder Antikörpern mit
Fluorophoren, Enzymen, radioaktiven Isotopen oder Luminogenen vorgenommen. Indirekte
Methoden ermöglichen eine wesentlich höhere analytische Sensitivität als direkte Methoden.
Die verwendeten Markierungen haben einen Einfluss auf die Nachweisempfindlichkeit
immunchemischer Methoden. Mit der Chemilumineszenz und der Fluoreszenz kann eine
-20
it
M)
0 0 11.04 403.4067 32711.59317 315.0804
sehr hohe Nachweisempfindlichkeit
(bis 10
k
97
dem Substrat wird ein Farbstoff gebildet, dessen Konzentration sich proportional zur
Konzentration des Analyten verhält.
Standardkurve
Meßsignal
Y
Y
YYYYY
YYYYY
®
YY Y Y Y
Immunolog. Reaktion
Y Y
Komponenten
Analytkonz.
YY
Spezifischer Antikörper, festphasenfixiert (Fänger-AK)
Spezifischer Antikörper, markiert (Detektions-AK)
Analyt (zu messendes Antigen)
XIII.3.2.2 Kompetitiver Immunoassay
Beim kompetitiven Immunoassay konkurrieren der Analyt der Probe und der Tracer um die
Bindung an einen Antikörper an einer Festphase (Gefäßwand, Magnetpartikel etc.). Als
Tracer wird eine markierter Analyt verwendet. Die Anzahl der analytspezifischen Antikörper
ist begrenzt. Je höher die Analytkonzentration der Probe ist, desto weniger Tracermoleküle
können an den spezifischen Antikörpern binden. Bei niedriger Analytkonzentration binden
entsprechend mehr Tracermoleküle an den Antikörper. Nach der Inkubationsphase erfolgt
ein Waschschritt, bei dem alle nicht gebundenen Tracermoleküle entfernt werden. Das
Messsignal steht somit mit der Analytkonzentration in einem umgekehrt proportionalen
Verhältnis.
Immunolog. Reaktion
YYYYY
YYYYY
®
Standardkurve
Meßsignal
Komponenten
Analytkonz.
Y
Spezifischer Antikörper, festphasenfixiert
Analyt (zu messendes Antigen)
markiertes Antigen (Tracer)
98
XIII.3.2.3 Indirekte homogene Immunoassays
Beim homogenen Immunoassay ist nach der Antigen-Antikörper-Reaktion kein Trennschritt
erforderlich, da das Messsignal direkt für die Berechnung der Analytkonzentration der Probe
verwendet werden kann.
XIII.3.2.3.1 Fluoreszenz-Polarisations-Immunoassay (FPIA)
Der Probenanalyt konkurriert mit einem Tracer um die Bindung an einem gelösten freien
Antikörper. Der Tracer ist mit einem Fluorophor markiert. Der Tracer wird mit polarisiertem
Licht angeregt. Je nachdem wieviel Tracer an den Antikörper gebunden ist, hat das
emittierte Licht entweder einen hohen oder einen niedrigen Polarisationsgrad. Der
ungebundene Tracer bewegt sich im Vergleich zu dem höhermolekularen Immunkomplex
stärker und emittiert das Licht daher mit einem niedrigeren Polarisationsgrad. Aus dem
Polarisationsgrad des emittierten Lichtes kann die Analytkonzentration der Probe berechnet
werden. Je höher die Analytkonzentration der Probe ist, desto weniger Tracer bindet an den
Antikörper und desto niedriger ist demzufolge der Polarisationsgrad des emittierten Lichtes.
XIII.3.2.3.2 EMIT
Beim Emit (Enzyme-Multiplied Immunotechnique) werden zum Antigen-Nachweis AntikörperEnzym-Konjugate verwendet. Das an den Antikörper gebundene Enzym hat die Eigenschaft
durch die Bildung des Immunkomplexes sterisch inhibiert zu werden. Bei einer hohen
Analytkonzentration wird die Enzymaktivität stärker inhibiert als bei bei einer niedrigen
Analytkonzentration.
XIII.5 Praktikum Endokrinologische Diagnostik
XIII.5.1Demonstrationen
Hormondiagnostik:
Schilddrüse:
Schilddrüsenhormone
Regelkreis
Diagnostik der Schilddrüsenfunktion (TSH, FT4, FT3)
Funktionstest: TRH-Test
Nebennierenrinde:
Cortisol
Funktionstests:
Dexamethason-Hemmtest
ACTH-Kurztest
CRH-Test
Nebennierenmark:
Katecholamine: Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin
Diagnostik: Katecholamine, Metanephrine und VMS aus Sammelurin
Funktionstest: Clonidintest
Analysensysteme für Hormone:
Immunoassays:
direkte Immunoassay
indirekte Immunoassay
heterogene Immunoassays
homogene Immunoassays
XIII.5.2 Praktische Übungen:
Fallbeispiele
Befundinterpretation
99
XIII.5.3 Lernziele
Kenntnisse zur Funktion der Schilddrüse
Entwicklung diagnostischer Strategien (Schilddrüsenhormone, TRH-Test, Autoantikörper)
Kenntnisse zur Funktion der Nebenniere (Glukokortikoide)
Entwicklung diagnostischer Strategien (Kortisol, ACTH, Funktionsteste)
100
XIV Urin-Diagnostik
Uringewinnung:
·
·
·
·
Spontan-Urin, zur Untersuchung des Urin-Status, qualitativ
1. Morgenurin, zum Nitrit-Nachweis bei bakter. Infektionen des Uronenitaltrakts
2. Morgenurin, Untersuchung auf Eiweiß-Ausscheidung
24-h Urin zur quantitativen Untersuchung der Tagesausscheidung einer Substanz
XIV.1 Beurteilung der GFR
· Kreatinin im Serum/Plasma
Kreatinin entsteht aus muskulärem Kreatin. Seine Bildung ist abhängig von der
Muskelmasse und vom Lebensalter. Bei normaler Nierenfunktion wird Kreatinin fast
vollständig glomerulär filtriert, was eng begrenzte Serum-Konzentrationen zur Folge hat. Die
Kreatinin-Bestimmung im Plasma eignet sich deshalb als Marker der glomerulären
Filtrationsleistung der Niere. Eine normale Kreatininkonzentration im Serum schließt eine
eingeschränkte Nierenfunktion jedoch nicht aus, da erst eine Einschränkungen der
glomerulären Filtrationsleistung auf < 50% einen Anstieg der Serumkreatinin-Konzentration
hervorruft.
· Kreatinin-Clearance
Genauer und früher erfasst die Kreatinin-Clearance eine Einschränkung der glomerulären
Filtrationsleistung. Es wird die Ausscheidung im Urin ins Verhältnis gesetzt zur SerumKonzentration und auf Körperoberfläche bezogen.
Kreatinin-Clearance (ml/min.)
=
Urin-Kreatinin (mg/dl) x Volumen (ml)
Serum-Kreatinin (mg/dl) x Zeit (min.)
Ist die Körperoberfläche abweichend von der Norm (etwa Kinder und sehr große Personen),
so wird korrigiert mit der aus Nomogrammen für Größe und Gewicht zu ermittelnden realen
KO:
Clearance x 1,73 / KO
2
Die Kreatinin-Clearance bei Erwachsenen liegt zwischen 95 und 160 [ml/min/1,73 m KO].
Sinkt die glomeruläre Filtrationsrate, so erhält man geringere Clearance-Werte.
Beachten: Vollständige Sammlung des Tages-Urins ist wichtig.
Zu vermehrter Kreatinin-Ausscheidung führen exogene Kreatininzufuhr (vermehrter
Fleischgenuß) und gesteigerte Muskeltätigkeit während der Sammelperiode. ClearanceBestimmungen bei Zirrhotikern und Muskelkranken sind eingeschränkt beurteilbar.
· Harnstoff im Serum/Plasma
Harnstoff wird in der Leber als Endprodukt des Aminosäureabbaus aus NH3 und CO2
gebildet und überwiegend renal in Abhängigkeit von der Diurese ausgeschieden.
Routinemäßige Parallelbestimmungen von Kreatinin und Harnstoff zur Beurteilung der
Nierenfunktion ist nicht gerechtfertigt. Die Harnstoffkonzentration ist stark von der
101
Proteinzufuhr, Katabolismus und Diurese abhängig. Erhöhte Serumkonzentrationen treten
erst bei einer Einschränkung der Nierenfunktion auf < 25 % auf.
· Cystatin C
Cystatin C wird in allen kernhaltigen Zellen gebildet. Cystatin C wird nicht durch
Einflussgrößen wie Ernährung oder Muskelmasse beeinflusst. Cystatin C im Plasma steigt
bereits bei einer Einschränkung der glomerulären Filtrationsleistung < 80 ml/min an. Cystatin
C liefert in der Diagnostik somit vergleichbare Aussagen wie die Bestimmung der KreatininClearance. Der Vorteil gegenüber der Kreatinin-Clearance besteht darin, dass die lästige
Sammlen des Urins vermieden wird. Nachteilig ist jedoch der z.Z. noch relativ hohe Preis.
XIV.2 Urin Basis-Diagnostik
XIV.2.1
Urin-Teststreifen
Routinemäßige Suchtests mit Mehrfelder-Teststreifen (Erhebung eines „Urin-Status“). Mit
Hilfe von Teststreifen erhält man rasch einen Gesamtstatus von Urinproben. Am wichtigsten
sind die Testfelder für den Nachweis von Blut, Hb, Entzündungsparameter (Leukozyten,
Nitrit, Bakterien). Die einzelnen Testparameter sind unterschiedlich empfindlich gegen
Verunreinigungen. Sorgfältige Probengewinnung, insbesondere im Hinblick auf Hygienemaßnahmen, ist deshalb sehr wichtig.
a) Leukozyten
Der Test weist die Esterase-Aktivität von Granulozyten und Histiozyten, auch bereits lysierter
Zellen, nach und gibt Hinweise auf entzündliche Erkrankungen der Nieren und der
ableitenden Harnwege: kontrollbedürftig sind 10 - 20, pathologisch > 20 Leukozyten/µl.
b) Nitrit
Die häufigsten Erreger von Harnweginfekten reduzieren im Harn vorhandenes Nitrat, das im
Testfeld durch rosarote Verfärbung angezeigt wird. Es werden dadurch nitritbildende Keime
nachgewiesen. Voraussetzungen: Nitrat in der Nahrung, Urin hat mindestens 4 Stunden in
der Blase verweilt, also ersten Morgenurin verwenden. Unter Antibiotika-Therapie ist eine
positive Reaktion wegen einer Bakterienhemmung nicht zu erwarten.
c) Eiweiß
Das Eiweiß-Testfeld reagiert ab etwa einer Konzentration von 6 mg/dl. Mikroproteinurien
sind nicht nachweisbar. Persistierende Proteinurien können auf Nierenerkrankungen
hinweisen und sind Begleitphänomene des Diabetes mellitus sowie von Hypertonien.
Gutartige, im Tagesverlauf ansteigende Proteinurien können auftreten infolge körperlicher
Belastung (Sport) oder Streß.
d) Glukose
Der einfache, schnelle Harnzuckernachweis ist die wichtigste Methode zur Fahndung nach
unerkannten Diabetikern. Verstärktes Auftreten von Glukose im Urin wird durch die Höhe
des Blutzuckerspiegels bestimmt, kann jedoch auch durch eine Herabsetzung der
sogenannten Nierenschwelle für Glukose (normal 160 - 180 mg/dl) aufgrund einer Störung
der
Nierenfunktion
bedingt
sein.
Kurzfristige
Anstiege
nach
übermäßiger
Kohlenhydratbelastung können bei stoffwechselnormalen Personen mit normaler
Nierenschwelle auftreten. Störungen durch größere Mengen Ascorbinsäure (Vitamin C) im
102
Urin werden bei Glukosekonzentrationen unterhalb von 100 mg/dl als falsch erniedrigte oder
negative Glukose-Werte beobachtet. Im Zweifelsfall ist der Urin nach Absetzen von Vitamin
C-haltigen Getränken oder Speisen zu kontrollieren.
e) Ketonkörper
Präkomatöse und komatöse Zustände bei Diabetes mellitus sind fast immer von einer
Ketoazidose und Ketonurie begleitet. Ferner findet man Ketonkörper im Urin bei
Hungerdiäten, Hyperemesis gravidarum und bei fieberhaften Infekten. Besonders
empfindlich reagiert das Testfeld auf Acetessigsäure, die Empfindlichkeit für Aceton ist
geringer. Falsch positive Reaktionen können durch Captopril und andere Sulfhydrylgruppen
enthaltende Pharmaka hervorgerufen werden.
f) Urobilinogen
Die vermehrte Ausscheidung von Urobilinogen (UBG), einem Stoffwechselprodukt des
Bilirubins, kann hinweisen auf 1) eine gestörte Leberfunktion infolge einer primären
Lebererkrankung bzw. als Folge einer Leberbeteiligung bei anderen Erkrankungen oder 2)
auf einen gesteigerten Hämoglobin-Umsatz bei hämolytischen Erkrankungen.
g) Bilirubin
Durch Abbau von Hämoglobin entsteht Bilirubin. Eine Ausscheidung von Bilirubin im Harn
kann man finden bei intra- und extrahepatischem Verschlußikterus, Parenchymikterus,
akuter und chronischer Hepatitis sowie Leberzirrhose. Nachgewiesen wird das
ausscheidungsfähige konjugierte (direkt reagierende) Bilirubin. Die Nachweisgrenze der
Methode für Bilirubin im Urin liegt bei 0,5 mg/dl (9 µmol/l). Bei Anwesenheit von Nitrit oder
großen Mengen von Ascorbinsäure ist die Empfindlichkeit herabgesetzt. Falsch negative
Ergebnisse können durch langes Stehen im Licht verursacht werden; Medikamente mit roter
Eigenfarbe, wie Phenazopyridin, lassen den Test falsch positiv ausfallen.
h) Erythrozyten/Hämoglobin
Die Ausscheidung von Erythrozyten im Harn kann viele Ursachen haben, die unbedingt eine
Abklärung erfordern. Hauptursachen einer Hämaturie sind Erkrankungen der Nieren und des
Urogenitaltraktes wie Steinbildung, Tumore, Glomerulonephritis, Pyelonephritis, Hämophilie,
Koagulopathie sowie hämorrhagische Diathesen bei Therapie mit Antikoagulantien,
Thrombozytopenie u. a. Freies Hämoglobin tritt auf, wenn ein Erythrozytenzerfall intravasal,
intrarenal oder im Urin selbst stattgefunden hat.
Die Empfindlichkeit des Tests ist hoch und liegt bei ca. 5 Erythrozyten/µl oder dem
Hämoglobin aus etwa 10 Erythrozyten/µl. Außer Hämoglobin reagiert im Teststreifen auch
Myoglobin, das z. B. bei Muskelnekrosen freigesetzt wird. Bei Frauen ist eine
Blutbeimengung durch Menstruation oder Schmierblutung auszuschließen.
XIV.2.2 Urin-Sediment
Wird mit Teststreifen eine positive Reaktion auf Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit oder Protein
befundet, empfiehlt sich bei Verdacht auf eine Erkrankung der Niere oder der ableitenden
Harnwege eine Untersuchung des Urin-Sediments (frischer Harn !).
Als Probenmaterial wird zweiter Morgenurin verwendet, der aus dem Mittelstrahl gewonnen
wird. (Genitalhygiene streng beachten! Während der Menstruation gewonnener Urin ist nur
unter besonderen Kautelen verwertbar). Die Untersuchung sollte innerhalb von 2 Stunden
erfolgen.
Im Mikroskop dürfen pro Gesichtsfeld keine bis nur wenige Zellen, Zylinder und Epithelien
nachweisbar sein (Erythrozyten < 2, Leukozyten < 5, keine bis wenige hyaline Zylinder,
vereinzelt Plattenepithelien, keine Nierenepithelien).
103
Wichtige Aussagen sind: Hämaturie, Entzündung (mit Leukozyten und Bakterien-Nachweis),
kristalline Konkremente (Hinweise auf Steinleiden). Zylinderförmige Leukozyten- und
Erythrozytenkonkremente deuten auf die Niere als Herkunftsort dieserZellen.
Als weitere Maßnahme zur Unterscheidung von renalen und postrenalen Blutungen wird
vom erfahrenen Mikroskopiker die Beurteilung der Erythrozyten-Morphologie vorgenommen:
eumorphe Erythrozyten stammen aus Blase und Harnwegen, dysmorphe aus der Niere.
Etwa 80 % der Hämaturien sind postrenal verursacht.
XIV.3 Proteinurien
Das glomeruläre Nierenfilter lässt nur Spuren von großen Proteinen passieren, die kleinen
(< 60 KD) werden komplett filtriert und dann fast vollständig im tubulären Abschnitt
rückresorbiert oder verstoffwechselt. In der Analytik von Proteinurien kann das Ausmaß und
die Art einer Nierenschädigung (glomeruläre, tubuläre oder extrarenale Störung) erfaßt
werden.
Die Natriumdodezylsulfat-Elektrophorese auf Polyacrylamid (SDS-PAGE) liefert eine
Auftrennung der Proteine nach Molekülgröße. Nachteilig ist dabei die fehlende
Quantifizierung des Proteinurie- Ausmaßes.
Hier bietet die Bestimmung von Markerproteinen im Urin eindeutig Vorteile. Durch die
Kombination unterschiedlich großer Markerproteine kann gleichzeitig auf den Ort und die
Art der Schädigung geschlossen werden: eine gestörte glomeruläre Filtration erkennt man
an der Ausscheidung von Albumin und größerer Proteine, wie Transferrin und IgG. Ein
tubulär lokalisierter Nierenschaden zeigt sich an der Ausscheidung von Proteinen, die kleiner
sind als Albumin, wie etwa a1-Mikroglobulin. Neben entzündlichen Ursachen sind häufig
toxische Reaktionen auf Medikamente oder Gifte die Ursache für eine tubuläre Proteinurie.
In vielen Fällen wird durch den Einsatz der Markerproteine im Urin die SDS-PAGE
überflüssig. Als Probenmaterial wird der zweite Morgenurin empfohlen. Alternativ können die
Analysen auch aus Sammelurin durchgeführt werden. Bei der Analyse der Markerproteine
aus dem zweiten Morgenurin wird die Proteinausscheidung zusätzlich pro Gramm Kreatinin
angegeben. Bei positivem qualitativem Proteinbefund sollte in jedem Fall eine Klärung der
Ursache der Proteinurie angestrebt werden.
Folgende Proteinurie-Muster werden unterschieden:
Selektive glomeruläre Proteinurie: Albumin alleine oder in Kombination mit Transferrin
werden verstärkt im Urin ausgeschieden.
Unselektive glomeruläre Proteinurie: Neben der
Plasmaproteine mit höherem Molekulargewicht. (z.B. IgG)
Albuminbande
erscheinen
Tubuläre Proteinurie: Die Albuminbande ist normal, im Harn werden vorwiegend
niedermolekulare Proteine ausgeschieden. Als Markerprotein ist a1-Mikroglobulin geeignet
(33 KD)
Gemischte glomerulo-tubuläre Proteinurie: Neben einer verbreiterten Albuminbande
treten sowohl klein- als auch höhermolekulare Proteine im Urin auf.
Wichtiger Kontroll-Parameter für die Nierenfunktion bei Diabetes- und Hochdruck-Patienten
ist Albumin (68 kD). Die Höhe der Albumin-Ausscheidung ist ein Maß des Fortschreitens der
Nephropathie (Normalbereich: bis 30 mg/24 h; Mikro-Albuminurie: 30 - 200 mg/24 h, MakroAlbuminurie: über 200 mg/24 h). Die Mikroalbuminurie ist noch reversibel und durch
104
therapeutische Maßnahmen beeinflussbar, während die Makroalbuminurie auf
prognostisch ungünstiges Spätstadium der Nephropathie hinweist.
ein
Reversible Proteinurien können auftreten bei körperlicher Belastung (Sport) und Stress.
Von der Nierenfunktion unabhängige Proteinurien
· Überlaufproteinurie: Die Überschreitung der Rückresorptionskapazität der intakten
Tubuli durch starke Vermehrung eines glomerulär filtrierbaren kleinen Proteins im
Blutplasma (z. B. Immunglobulinleichtketten beim Plasmozytom,
Hämoglobin bei
intravasalen Hämolysen und Myoglobin bei Muskelschaden) führt zu einer Ausscheidung
im Urin. Diese Form der Eiweißausscheidung wird auch als prärenale Proteinurie
bezeichnet.
· postrenale Proteinurie: im Urin sind Proteine aus den ableitenden Harnwegen (z. B. bei
Entzündungen, Tumoren in Blase oder Harnleiter) vorhanden. Diese Proteinbeimengung
stammt aus Blut, das durch die Läsionen gesickert ist. Als Markerproteine eignen sich
Plasma-Proteine, die das glomeruläre Filter normalerweise nicht passieren
(Apolipoprotein A-I, Bande im tubulären Bereich um 28 kD, oder a2-Makroglobulin).
XIV.4 Gezielte Urin-Diagnostik
· Glukose, als Suchtest auf Diabetes, mithilfe von Teststreifen durchzuführen;
Ketone als Test auf metabolische Azidosen , Gallenfarbstoffe zur Leberkontrolle
· Porphyrine und Vorstufen zur Diagnostik von genetisch bedingten Porphyrien und
toxischen Leberschädigungen, z.B. Bleivergiftung: Vortest auf die Porphyrinvorstufe
Porphobilinogen (PBG) nach Hoesch oder Schwartz-Watson, quantitative Messung der
Porphyrine sowie Vorstufen PBG und delta-Aminolävulinsäure (Urin vor Licht schützen !)
im 24h Sammelurin. Die häufigste Form der Porphyrien, die hereditäre schubförmig
verlaufende „akute intermittierende Porphyrie“, geht mit erhöhter Ausscheidung der
Vorstufen und der Porphyrine im Schub einher. Sie beruht auf einem Defekt des Enzyms
Uroporphyrinogen-Synthase, das zwischen Vorstufen und den Porphyrinen wirkt.
· Katecholamine (Messung bei Bluthochdruck): erhöhte Ausscheidung der Amine und ihrer
Metaboliten bei Tumoren der Nebennierenrinde, z.B. beim Phäochromozytom. Bestimmt
werden Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin aus 24-h Urin, der über HCl gesammelt
wurde, bevorzugt mithilfe der HPLC.
· Kupfer (M. Wilson): Mangel an Cu-bindendem Coeruloplasmin im Blutplasma führt zu
verminderter Kupferkonzentration im Blut und verstärkter Ausscheidung im Urin. Kupfer
lagert sich in Geweben ab, was zu Schäden der Leber, des Gehirns und anderer Organe
führt. Im Serum ist das Coeruloplasmin der Erkrankten erniedrigt.
· Schwangerschaftstests: Ab 4. Woche nach Konzeption ist ein deutlicher Anstieg von hCG
im Harn festzustellen. Heute werden qualitative Schnelltests verwendet, die bereits nach
Ausbleiben der Regel positiv sein können.
· Albumin: Der quantitative Albuminnachweis wird zur Verlaufskontrolle der Mikroangiopathie bei Diabetes mellitus und Hypertonie verwendet. Die Mikroalbuminurie (20-200
mg/l bzw. 24-200 mg/g Kreatinin im zweiten Morgenurin) kann nicht mit dem UrinTeststreifen nachgewiesen werden.
· Monoklonale Gammopathien (z.B. Plasmozytom) führen häufig zum Nachweis von
„Bence-Jones-Proteinen“ im Urin aufgrund einer insuffizienten tubulären Rückresorption
der im Blutplasma vorliegenden monoklonalen leichten Kette: elektrophoretische
Darstellung von monomeren und dimeren leichten gamma-Globulin-Ketten (Banden bei
etwa 22 und 44 KD in der SDS-PAGE). Bestimmung des kappa/lambda-Verhältnisses im
105
Urin ( normal etwa 0,75 - 4,5 ). Monoklonale Bence-Jones-Proteine sind entweder vom
kappa- oder vom lambda-Typ, sodass man dann k/l- Quotienten > 5,2 oder < 1 findet.
· Toxikologie: Suche nach Medikamenten, Suchtmitteln und deren Metaboliten,
Schwermetallen im Urin. Dopingkontrollen
XIV.5 Praktische Übungen
1) Urinstatus mit dem Teststreifen: Den Teststreifen bis zur Markierung kurz in den Urin
eintauchen, dann den Streifen kurz längs abstreifen und anhand der Vergleichsskala
nach einer Minute auswerten.
2) Anfertigung und Beurteilung eines Urin-Sediments:
20 µl des resuspendierten Sediments werden auf Objektträger überführt und mit
einem Deckglas abgedeckt. Deurteilung des Sediments mit dem 40x Objektiv.
Beurteilt werden insbesondere Anzahl der Erythrozyten und Leukozyten pro
Gesichtsfeld, Epithelien, Zylinder und Kristalle.
Normaler Urin:
Erythrozyten < 2 pro Gesichtsfeld
Leukozyten < 5 pro Gesichtsfeld
Plattenepithelien vereinzelt
hyaline Zylinder keine bis wenige
3) Beurteilung der Proteinurie anhand der Einzelproteine
Bestimmung von Gesamt-Eiweiß, Albumin, a1-Mikroglobulin, IgG und Kreatinin im
frischen konzentrierten Urin (2. Morgenurin). Der Bezug der Einzelproteine auf g
Kreatinin verbessert die Aussagekraft der Einzelproteine.
4) Beurteilung der Proteinurie anhand der SDS-PAGE Elektrophorese.
Im SDS-Page Gel ist orientierend die Albuminbande zu charakterisieren. Ausgehend
von der Albuminbande ist das Proteinmuster zu beurteilen.
- nur Albuminbande verstärkt nachweisbar → selektive glomeruläre Proteinurie
- zusätzlich höhermolekulare Proteinurie nachweisbar (insbes. Immunglobuline) →
unselektive glomeruläre Proteinurie
- niedermolekulare Proteine verstärkt nachweisbar (insbes. a1-Mikroglobulin und freie
Leichtketten) → tubuläre Proteinurie
106
XV
Blutgase/Säuren-Basen-Status
Die Blutgasanalyse stellt ein diagnostisches Verfahren dar, um mit den Parametern pHWert, CO2-Druck (pCO2) und Basenüberschuß, respiratorische und metabolische Azidosen
bzw. Alkalosen zu unterscheiden.
Der Säure-Basen-Status ist eng mit dem Wasser- und Elektrolythaushalt verbunden. Zur
Abklärung einer Störung des Säure-Basen-Status sollten daher immer Na, K, Cl und
gegebenenfalls zusätzlich die Ausscheidung dieser Elektrolyte im Urin bestimmt werden.
An der Regulation der Wasserstoffionenkonzentration sind Puffersysteme des Blutes, die
Lungen und die Nieren beteiligt. Zu den Puffersystemen gehören das
Bicarbonat/Kohlensäure-, das Phosphat-, das Protein- und Hämoglobin-Puffersystem.
Wichtigster Puffer ist das Bicarbonat/Kohlensäure-System. Der pH-Wert stellt sich
entsprechend der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ein:
pH = 6,11 + lg
[ HCO ]( Niere)
3
0,0304 × pCO2 ( Lunge)
Indikation für die Blutgasanalyse sind sehr vielfältig: obstruktive und restriktive
Ventilationsstörungen, Erkrankungen des Lungenparenchyms und der Bronchien, Störungen
der Lungenperfusion, Kreislaufinsuffizienz, Hypovolämie, Schock, Niereninsuffizienz,
tubuläre Nierenerkrankungen, dekompensierter Diabetes mellitus, komatöse Zustände,
Intoxikationen, gastrointestinale Erkrankungen (Erbrechen, Durchfall), Galle- und
Pankreasfisteln, Hypo- und Hyperkaliämie, Hypo- und Hyperchlorämie, Störungen der
Nebennierenrindenfunktion. Überwachung therapeutischer Maßnahmen wie Infusionsbehandlung, künstliche Beatmung, künstliche Ernährung, Hämodialyse, Hämofiltration u. ä.
Verfahren, Massentransfusion, Diuretika-Therapie, Corticoid-Therapie.
Aus arteriellem Blut bzw. Kapillarblut werden pH, pCO2 und pO2 mit spezifischen Elektroden
gemessen und HCO3 , Base Excess sowie Sauerstoffsättigung aus dem gemessenen
Parametern berechnet.
Präanalytische Fehler durch zu lange Lagerung oder Erwärmung der Blutprobe, Aspiration
von Luft, fehlerhafte Punktion (Verwechslung von arteriellen und venösen Zugängen) sind
häufig. Analysen müssen grundsätzlich innerhalb 1h nach Blutentnahme (kühle Lagerung)
durchgeführt sein.
Referenzbereiche:
Erwachsene
pH-Wert
pCO2
pO2
aktuelles HCO3Base Excess
Standardbikarbonat
Gesamt-CO2
O2-Sättigung
Einheit
mmHg
mmHg
mmol/l
mmol/l
mmol/l
mmol/l
%
Blut, arteriell
Männer
Frauen
7,34 - 7,44
7,35 - 7,45
35 - 45
32 - 42
69 - 116
22 - 26
20 - 24
-2,4 bis +2,3
-3,3 bis + 1,2
22 - 26
23 - 27
21 - 25
95 - 99
107
+
Anionenlücke = Na - (HCO3 + Cl );
respiratorische Azidose
pH
pCO 2
BE
akut
¯
­­
n
chronisch
¯
­
­
Referenzbereich: 7 - 16 mmol/l
respiratorische
Alkalose
metabolische
Azidose
metabolische
Alkalose
­
¯
¯
¯
¯
¯
­
­
­
108
XVI Wichtige World Wide Web (WWW)-Adressen
1) www.dgkc.de
Homepage der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie mit Links zu allen
Zentrallaboratorien der Universitätskliniken in Deutschland
2) www.uniklinik-saarland.de/zentrallabor
Homepage des Zentrallabors der Universitätskliniken des Saarlandes
3) www.aum.iawf.unibe.ch/hemosurf/deutsch.htm
Interessantes Programm zur hämatologischen Fortbildung
Über Anregungen freuen wir uns immer:
[email protected]
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