12 | special | Refraktive Chirurgie Ophthalmologische Nachrichten | 06.2014 Keratokonus: Progredienz stoppen und Visus steigern Z Gerten KÖLN Wenn zur Behandlung eines Keratokonus ausschließlich eine UV-Kollagenvernetzung durchgeführt wird, wird meist eine Stabilisierung der Hornhaut, aber keine wesentliche Verbesserung der Funktion erreicht. Durch eine in der gleichen Sitzung durchgeführte PRK mit nicht zu hohem Gewebeabtrag können Asymme­ trien und Irregularitäten der Hornhaut­ oberfläche reduziert und dadurch die ­korrigierte Sehleistung gesteigert werden. Schmiedt UV-Kollagenvernetzung in Kombination mit topographiegeführter PRK als einzeitiger Eingriff Georg Gerten Karl Schmiedt halb bleibt das Verfahren der topo­ graphiegesteuerten PRK nur aus­gewählten Keratokonus-Augen vor­ behalten. In diesen Fällen haben wir in den letzten Jahren die Cornea zunächst durch eine UV-Vernetzung stabilisiert, um dann sechs bis zwölf Monate ­später in einem zweiten Eingriff eine TopoPRK durchzuführen. Neuere internatio­ nale Studien und eigene Erfahrungen deuten aber darauf hin, dass eine topo­ graphiegesteuerte PRK in gleicher Sit­ zung mit einer UV-Vernetzung der Cornea durchgeführt werden kann und mindestens ebenso gute Ergebnisse erreicht werden wie beim sequenziellen Vorgehen. Deshalb führen wir Topo-PRK und Crosslinking in geeigneten Fällen der­ zeit als einzeitigen Eingriff durch. Der schen Qualität der Hornhaut unabhän­ gig von der Refraktion erwünscht ist, kann deren Korrekturstärke auf 0 gesetzt werden. Dann ist auch bei stär­ keren vorhandenen Aberrationen nur ein relativ geringer Gewebeabtrag erforderlich. Dieser sollte höchstenfalls bei 50 µm liegen und so geplant wer­ den, dass die Hornhautstärke auch nach der Laserablation noch für eine Vernetzungsbehandlung ausreicht. Eine zusätzliche Zylinderkorrektur sollte wegen der gering gewünschten Abtragstiefe zurückhaltend gehand­ habt werden, gelegentlich bleibt der maximale Abtrag aber auch dadurch unverändert. Eine Korrektur der ­Sphäre ist nicht empfehlenswert, weil in den Monaten nach der Vernetzung eine weitere Abflachung der Hornhaut auf­ treten kann und die Sphäre ja meist auch mit Brillengläsern gut zu korri­ gieren ist. Präoperativ ist eine ausführliche Bildgebung und Planung erforderlich. Aus den cornealen Topographien/ Scheimpflug/Wellenfront-Messungen (Abb. 1a) errechnet die entsprechende Software (hier Alcon Wavelight) einen Vorschlag, der dann vom Operateur begutachtet und angepasst werden muss (Abb. 1b). Die topographiegesteuerte PRK stellt gesteigerte Ansprüche an das Eye­ tracking und die Bildverarbeitung während der OP. Das vorher festgelegte Abtragsprofil (Abb. 1b) muss exakt auf die Cornea übertragen werden, kleine Fehler in der Zentrierung oder Rotation sind bei topographiegesteuerten ­Abträgen noch kritischer als bei der Korrektur von Sphäre und Zylinder. Deshalb erfolgt unter dem Laser zunächst eine genaue Kontrolle von Eyetracking und Iriserkennungssystem. Dann erfolgt die Abrasio des cornealen Epithels. Jetzt wird vom Operateur der Laser freigeschaltet und der oberfläch­ liche Abtrag wird durchgeführt. Danach wird Riboflavin-Lösung auf das Stroma getropft bis dieses komplett gesättigt ist – Zeitbedarf 20 min. Die anschließende Bestrahlung mittels UV dauert 5 min bei 24 mW/cm², was dann einer applizierten Gesamtenergie von J/cm² entspricht (Abb. 2). Am Ende wird das Auge gekühlt sowie mit einer Verband-CL und anti­ biotischen Augentropfen versorgt. Schmiedt/Gerten (4) ur Behandlung eines pro­ gredienten Keratokonus hat sich laserchirurgische/corneale Methoden in den letzten Jahren das soge­ zur Verfügung. Die irregulären Bestandteile solch nannte Cross­linking beziehungsweise komplexer optischer Fehler können die corneale Kollagenvernetzung derzeit jedoch nur mit laserchirur­ durchgesetzt. Bei dieser von T. Seiler und­ gischen Methoden wirksam angegan­ E. Spoerl erstmals beschrie­ benen gen werden. Dazu können aus den oben beschriebenen Untersuchungen Methode wird das ­Stroma nach Abrasio mit einer Riboflavin(Vitamin B2)-Lösung gesättigt und anschließend mit UV-Licht der Wellenlänge 365 nm bestrahlt. Dies führt über eine Neuanord­ nung cornealer Fibrillen zu einer mechanischen Verfesti­ gung der ektatischen Cornea. Mit der cornealen KollagenVernetzung steht damit erst­ mals eine Methode zur Verfü­ gung, die einen fortschreitenden Keratokonus in frühen Stadien stoppen kann. In einigen Studien wird sogar von einer leichten Ver­ Abb. 2: UV-Vernetzung eines Auges mit besserung, sprich Abflachung progredientem Keratokonus unmittelbar der vorderen Cornea-Radien in nach topographiegeführter PRK, corneales bis zu 50 Prozent der Kerato­ Stroma mit Riboflavin gesättigt. Schutz der konus-Patienten berichtet. cornealen Stammzellen mittels EinmalAbdeckung. Diese Abflachung ist jedoch im Verhältnis zum Gesamtfehler Patient muss dabei aufgeklärt werden, der Konus-Cornea so gering, dass es sich dabei um einen Eingriff als dass die meist jungen P ­ atienten individueller Heilversuch mit „Offkeine Verbesserung bemerken. Label“-Medikamenten handelt. Im wei­ Auch nach der Vernetzung sind teren Krankheitsverkauf kann auch die ektatischen Corneae in ihren trotz Vernetzung mit Topo-PRK eine Abbildungseigenschaften oft so Keratoplastik notwendig werden. Dies irregulär, dass keine wesent­ Abb. 1: a) Präoperatives Scheimpflug-Bild einer war bisher in unserer fünf­ jährigen liche Verbesserung der Funk­ 30-jährigen Keratokonuspatientin. 1b) entsprechend Erfahrung mit diesem Verfahren in kei­ tion erreicht wird. Solange die zu 1a: Vom Operateur freigegebenes Ablationsprofil nem Fall notwendig, das Patienten­ Transparenz der Hornhaut der Topo-PRK zur Korrektur der Bildfehler höherer kollektiv ist aber, wie auch in den unbeeinträchtigt ist, ist die Seh­ Ordnung mit maximalem Abtrag von 27,57 µm. meisten Literaturangaben, noch zu ­ leistung dann in erster Linie ­ ussagen. durch die Deformierung der Oberfläche individuelle Ablationsprofile für einen klein für statistisch relevante A eingeschränkt. Diese deformierte Optik Excimerlaser generiert werden. Grundsätzlich geht mit der Ober­ der Cornea führt zu Aberrationen des Planung, operatives Vorgehen retinalen Bildes, die von den Patienten flächen-Modulation einer Cornea aber Die meisten Excimer-Lasersysteme als Doppelbilder, Verzerrungen, Halos ein gewisser Gewebeabtrag unvermeid­ erlauben es, den Gewebeabtrag für die et cetera wahrgenommen werden. lich einher. Bei einer Cornea, die durch sphärische und Zylinderkorrektur Postoperatives Vorgehen Damit erklärt sich, dass in vielen Fällen den Keratokonus bereits verdünnt ist, unabhängig von der Korrektur der Seh­ Der Epithelschluss erfolgt nach den für eine Brillenkorrektur nicht genügt, um muss aber die Stabilität im Krankheits­ fehler höherer Ordnung einzustellen. eine PRK typischen drei bis vier Tagen. verlauf im Vordergrund stehen. Des­ Wenn also eine Verbesserung der opti­ Während dieser Zeit muss die Verbandeinen alltagstauglichen Visus zu ­erreichen. Werden harte Kontaktlinsen auch nicht vertragen, stellt sich die Frage nach einer chirurgischen ­Korrektur. Aus der refraktiven Chirurgie ­stehen uns mit der Topographie, ScheimpflugAnalyse, dynamischer Skiaskopie und Aberrometrie des Auges verfeinerte Messverfahren zur Verfügung, um ­solche optischen F ­ ehler exakt zu eva­ luieren. Auf dieser Grundlage kann je nach Art der Aberration, des Krankheitsbildes/-verlaufes und der anatomischen Gegebenheiten in aus­ Abb. 3: Prä- und postoperatives Scheimpflug-Bild (links, Mitte) der Keratokonuspatientin (s. Abb. 1) nach UV-­Kollagenvernetzung und gewählten Fällen eine chirurgische topographiegeführter PRK. Das Differenzbild (r.) entspricht dem Strahlprofil der Topo-PRK (s. Abb. 1b). Der RMS-Wert konnte von 2,37 µm Korrektur erwogen werden. Dazu ste­ auf 1,77 µm reduziert werden, klinisch ergab sich ein Anstieg des ccs-Visus von 0,3 auf 1,0 p (Sph. -4,25 Zyl. -3,25/50°). Das Brillenglas hen intraokulare (z. B. phake IOL) und musste in diesem Fall nicht geändert werden. CL gegebenenfalls gewechselt bezie­ hungsweise bei Infektionszeichen ent­ fernt werden. Nach dem Epithelschluss entspricht der übrige Heilungsverlauf einer reinen Vernetzungstherapie. Über drei bis sechs Monate postoperativ ist ein leicht vermehrter Haze im cornea­ len Stroma zu beobachten, der durch die Umstrukturierung der Fibrillen­ anordung bedingt ist und sich langsam wieder zurückbildet. Der Visus erholt sich jedoch meist schneller; nach circa zwei bis vier Wochen erreichen die Patienten, je nach Ausgangsbefund, die vorherige Sehleistung oder bereits eine Verbesserung. Ergebnisse In allen elf behandelten Fällen konnte eine Reduktion der Sehfehler höherer Ordnung (gesamte HO-RMS) erzielt werden (Abb. 3). Subjektiv berichteten zehn von elf Patienten von einer Ver­ besserung ihrer aberrationsbedingten Störungen (Mehrfachbilder, Starburst etc.). In sieben von elf Fällen konnte der zuvor eingeschränkte cc-Visus um ≥ 2 Zeilen verbessert werden. In keinem Fall wurde ein Abfall des Visus um mehr als eine Zeile festgestellt. Bei einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 8,4 Monaten wurde in keinem Fall eine Progredienz des ­Keratokonus beobachtet. Fazit Wenn der maximale Abtrag limitiert wird (max. 50 µm), kann mit einer topographiegeführten PRK die optische Qualität der Hornhaut verbessert wer­ den, ohne dass der Stabilisierungs­ effekt einer UV-Kollagenvernetzung konterkariert wird. Hierbei sollte die Verbesserung der korrigierten Sehleis­ tung im Vordergrund stehen und somit der Schwerpunkt der Behandlung auf die Verringerung der Seh­fehler höherer Ordnung gelegt w ­ erden. W ( Autoren: Karl Schmiedt, Dipl.-Phys. Dr. med. Georg Gerten Augenklinik am Neumarkt Schildergasse 107–109 50667 Köln E-Mail: [email protected] Literatur: 1. Wollensak G, Spoerl E, Seiler T. Ribo­flavin/ ultraviolet-A-induced collagen ­crosslinking for the treatment of ­keratoconus. Am J Ophthalmol 2003;135:­620–627. 2. Raiskup-Wolf F, Hoyer A, Spoerl E, ­Pillunat L. Collagen crosslinking with riboflavin and ultraviolet-A light in keratoconus:long-term results. J Cataract Refract Surg 2008;34:796–801. 3. Kanellopoulos AJ. Comparison of sequen­ tial vs same-day simultaneous collagen crosslinking and topography-guided PRK for treatment of keratoconus. J Refract Surg 2009;25:812–818. 4. Kymionis GD, Portaliou DM, Kounis GA et al. Simultaneous topography-guided ­photorefractive keratectomy followed by corneal collagen cross-linking for kerato­ conus. Am J Ophthalmol 2011;152: 748–755. 5. Kanellopoulos AJ, Asimellis G. Corneal Refractive Power and Symmetry Changes Following Normalization of Ectasias ­Treated With Partial Topography-Guided PTK Combined With Higher-Fluence CXL (The Athens Protocol), J Refract Surg 2014;30(5):342–346.