pressemitteilung - UniversitätsKlinikum Heidelberg

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Heidelberg, den 24. Juli 2007
PRESSEMITTEILUNG
Nr. 135 / 2007
Bei Patienten mit Multipler Sklerose fehlen bestimmte
Immunzellen
Nachwuchsmangel bei Abwehrzellen fördert Selbstzerstörung des
Nervensystems / Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg
veröffentlichen im „Journal of Immunology“
Heidelberger Wissenschaftler haben einen neuen Mechanismus bei Multipler Sklerose entdeckt, der die schleichende Selbstzerstörung des Nervensystems miterklärt, und ein möglicher Ansatzpunkt für neue Medikamente ist. Bei MS-Patienten ist die Thymusdrüse nicht in der Lage, wichtige Immunzellen, so genannte regulatorische T-Zellen, in ausreichender
Zahl neu zu bilden. Die älteren Exemplare dieser regulatorischen T-Zellen
können die Selbstzerstörung des Nervensystems bei MS-Patienten jedoch
nicht aufhalten: Sie hemmen die Abwehrzellen, die körpereigene Strukturen angreifen, weniger stark als junge T-Zell-Exemplare.
Diese Ergebnisse haben Professor Brigitte Wildemann, Leiterin der Sektion
Molekulare Neuroimmunologie an der Neurologischen Universitätsklinik
Heidelberg, und ihr Team gemeinsam mit Wissenschaftlern des Deutschen
Krebsforschungszentrums Heidelberg im renommierten "Journal of Immunology" veröffentlicht.
Schritt für Schritt einer Erklärung näher: Wie entsteht Multiple
Sklerose - und was kann man dagegen tun?
Die Untersuchung ist ein weiterer Puzzlestein in der Erforschung der Multiplen Sklerose in Heidelberg: Bereits im Jahr 2003 hat die Arbeitsgruppe
von Professor Wildemann gezeigt, dass die Thymusdrüse, ein beim Menschen oberhalb des Herzens liegendes Organ des Lymphsystems, eine
wichtige Rolle bei der Entstehung der MS spielt. Vor zwei Jahren beschrieben die Wissenschaftler in einer weiteren Veröffentlichung, dass speziell
die Funktion der regulatorischen T-Zellen für Patienten mit MS wichtig ist.
„Die aktuelle Arbeit führt nun die beiden Erkenntnisse zusammen", sagt
Dr. Jürgen Haas, Laborleiter der Sektion Molekulare Neuroimmunologie
und Erstautor der Arbeit.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der
Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Fon +49 (0)6 221 56 45 36
Fax +49 (0)6 221 56 45 44
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Die neuen Forschungsergebnisse könnten auch eine Erklärung dafür liefern, warum bestimmte Medikamente bei MS wirken - und warum sich MSPatientinnen während der Schwangerschaft oft besonders gut fühlen:
Hormone und bestimmte Wirkstoffe in Medikamenten beeinflussen möglicherweise die Thymusfunktion und damit die Neubildung von Abwehrzellen.
Ebenso könnte sich ein neuer Behandlungsansatz aus den neuen Erkenntnissen ergeben: „Wenn es gelingt, junge, voll funktionsfähige regulatorische T-Zellen eines Patienten zu entnehmen, in einer Zellkultur zu vermehren und dann zu injizieren, könnte das die Erkrankung positiv beeinflussen“, blickt Dr. Jürgen Haas in die Zukunft.
Thymusdrüse mit Funktionsstörung?
Eine Immunreaktion soll im Körper nur so lange ablaufen, bis der "Feind"
bekämpft ist. Die regulatorischen T-Zellen beenden bei gesunden Patienten die Abwehrreaktion und tragen dazu bei, dass der eigene Körper nicht
angegriffen wird. Ausgebildet werden diese zellulären Ordnungshüter in
der Thymusdrüse.
Der Haken an der Sache: Die Thymusdrüse schrumpft mit zunehmendem
Alter und erfüllt somit ihre Aufgabe, neue Abwehr-Zellen zu bilden, immer
schlechter. "Wir vermuten, dass MS-Patienten eine Funktionsstörung der
Thymusdrüse aufweisen", erklärt Dr. Jürgen Haas. "MS-Patienten haben
vergleichsweise weniger junge regulatorische T-Zellen. Dieser Mangel wird
durch Teilung der alten „Memory“-Zellen kompensiert. Es gibt sozusagen
genug Ordnungshüter - aber deren Fähigkeiten sind offensichtlich eingeschränkt." Stattdessen sind die älteren Exemplare anfälliger für den plötzlichen Zelltod, die so genannte Apoptose. "Ist die Funktion der regulatorischen T-Zellen gestört, kommt es zu Überreaktionen des Immunsystems
und gesundes Gewebe - im Fall der MS die Nervenleitbahnen - wird attackiert.“
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Was ist Multiple Sklerose?
In der neuroimmunologischen Sprechstunde der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg werden MS-Patienten regelmäßig betreut. Deutschlandweit leiden rund 80.000 Menschen an dieser Erkrankung des Nervensystems, wobei viele unentdeckte Fälle vermutet werden. Multiple Sklerose beginnt oft im frühen Erwachsenenalter; Frauen sind deutlich häufiger
betroffen als Männer. Im Zuge dieser Autoimmunerkrankung wird gesundes Nervengewebe von Immunzellen angegriffen und zerstört. Typische
Symptome sind Kribbeln und andere Gefühlsstörungen, aber auch Spastiken, Lähmung, schnelle Ermüdbarkeit sowie Sehstörungen. Bislang stehen
nur Medikamente zur Verfügung, die die Krankheitsschübe dämpfen, aber
nicht heilen können.
Literatur:
Jürgen Haas, Benedikt Fritzsching, Petra Trübswetter, Mirjam Korporal, Linda Milkova, Brigitte Fritz, Diana Vobis, Peter H. Krammer, Elisabeth Suri-Payer, Brigitte
Wildemann: Prevalence of Newly Generated Naïve Regulatory T-Cells is Critical for
Treg Suppressive Function and Determines Treg Dysfunction in Multiple Sclerosis,
Journal of Immunology, 2007; 175(2).
(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums
Heidelberg unter [email protected] angefordert werden)
Sektion Molekulare Immunologie im Internet:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=8645
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Brigitte Wildemann
Neurologische Klinik
Sektion Molekulare Neuroimmunologie
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg
Tel.: 06221/567504
Email: [email protected]
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Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
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Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
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Heidelberg, den 24. Juli 2007
Dr. Annette Tuffs
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