3. Streben nach Glückseligkeit Eine Orgie des Rhythmus Romain Rolland über Beethovens 7. Symphonie Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg 7. Philharmonisches Konzert 7. Philharmonisches Konzert Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg * 23.04.08 Stadthalle Heidelberg, Großer Saal Dirigent Cornelius Meister C. F. Peters, Leipzig Edition Gravis, Bad Schwalbach Universal Edition, Wien Breitkopf & Härtel, Wiesbaden Komponist für Heidelberg wird ermöglicht durch Ton- & Bildaufnahmen während des Konzertes sind nicht gestattet. 4 Programm Ludwig van Beethoven Allegro con moto, grazioso – Ouvertüre III zur Oper „Leonore“ Tempo I – Allegro – Poco meno mosso – op. 72b (1806) Allegro vivace – Tempo I – Allegro molto vivace Jörn Arnecke Folie für Orchester (2000) - Pause - Lebhaft, flirrend – Wie ein Schatten des Ludwig van Beethoven Anfangs – Breit strömend – Bewegt Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 (1813) Zoltán Kodály I. Poco sostenuto - Vivace Tänze aus Galánta (1933) II. Allegretto Lento – Andante maestoso – Allegretto III. Presto moderato – Tempo I (Andante maestoso) – IV. Allegro con brio 5 V Zum Programm Im Tanz streben die Menschen nach der Glückseligkeit durch den Rausch des Rhythmus, der den ganzen Körper erfasst. Der Tanz zählt zu den ältesten musikalischen Ausdrucksformen und wird von Komponisten häufig auch in symphonischen Werken verwendet. Die Werke des heutigen Konzerts beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit Tänzen, die sowohl als konkretes Zitat als auch entfernte Inspiration für die Musik auftauchen. Beethovens Siebte Symphonie thematisiert wie keine andere seiner Symphonien den Rhythmus als zentrales Element. Mehrere Tänze werden zitiert, darunter der italie6 nische Siziliano im ersten Satz. Ungebändigte Freude erfüllt den Finalsatz, der ekstatisch vorwärtstreibt. Jörn Arnecke, der dem Publikum als KOMPONIST FÜR HEIDELBERG 05_06 bestens vertraut ist, lässt sich in seinem Orchesterwerk Folie nur entfernt von dem portugiesischen Tanz „La Follia“ leiten, der sich in die faszinierende und flirrende Geräuschwelt des Orchesters mischt. Schon mit dem Titel Tänze aus Galánta lässt der ungarische Komponist Zoltán Kodály keinen Zweifel am Tanzcharakter seiner Musik. Neben der intensiven Erforschung der ungarischen Volksmusik inspirierten Kodály für dieses berühmt gewordene Werk die sogenannten „Verbunkos“, die als Werbetänze der Rekruten in Wien veröffentlicht wurden. Der Musikwissenschaftler Attila Csampai hat diese Verbunkos sogar im Finalsatz von Beethovens Siebter Symphonie gefunden. Beethovens dritte Leonoren-Ouvertüre erzählt mit dramatischen Klängen die Handlung seiner Oper Fidelio, wird aber heute vor allem im Konzertsaal gespielt. 7 Ludwig van Beethoven 1770-1827 Der in Bonn geborene Komponist reiste 1787 nach Wien, um bei Mozart zu studieren. Daraus wurde allerdings wegen dessen intensiver Arbeit am Don Giovanni nichts, so dass Beethoven seine musikalische Ausbildung in Bonn erhielt. Dort kam er schnell mit dem Gedankengut der Französischen Revolution in Berührung, das unter anderen seine Klaviersonate Pathétique op. 13, die 3. Symphonie „Eroica“ und die Oper Fidelio prägt. Als einer der ersten freien bürgerlichen Komponisten konnte Beethoven seine eigenen künstlerischen Ideen verwirklichen. Seine Werke prägten die nachfolgenden Generationen und stehen bis heute einzigartig in der Musikgeschichte. 8 Jörn Arnecke * 1973 Der in Hamburg lebende Komponist war in der Spielzeit 05_06 KOMPONIST FÜR HEIDELBERG – sein Orchesterwerk Gezeiten, die Kinderoper Klingt meine Linde und das Kammerwerk Terra maligna wurden hier aufgeführt. An der Hamburgischen Staatsoper dirigierte Cornelius Meister 2003 seine Oper Das Fest im Meer. Nach seinem Kompositions- und Musiktheoriestudium in Hamburg und Paris erhielt der Hindemith-Preisträger Kompositionsaufträge u. a. von der Münchner Biennale und der Expo Hannover. Sein Musiktheaterwerk Unter Eis wurde letzes Jahr bei der RuhrTriennale uraufgeführt und ist ab Juni an der Oper Frankfurt zu erleben. 9 Zoltán Kodály 1882-1967 Zoltán Kodály gehört zu den wichtigsten Komponisten Ungarns. In seinen Werken verbindet er Anregungen aus dem Studium der mittelalterlichen und klassischen Musik sowie von Claude Debussy mit dem Stil der ungarischen Volksgesänge und der „Verbunkos“, der Rekrutenwerbungstänze. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen das Oratorium Psalmus Hungaricus, das Bühnenwerk Háry János, dessen Suite im 2. Familienkonzert zu hören war, und die Symphonie C-Dur. Gemeinsam mit seinem Kollegen Béla Bartók erforschte er die ungarische Volksmusik. Daraus schöpfen sich auch seine pädagogischen Werke, die bis heute im Unterricht verwendet werden. 10 Q Vier Ouvertüren für eine Oper Beethovens Leonore-Ouvertüren Gleich vier Ouvertüren schrieb Ludwig van Beethoven zu seiner einzigen Oper Fidelio, die in den ersten Fassungen noch den Titel Leonore trug. Fidelio ist damit ein besonderer Spitzenreiter in der Musikgeschichte. Gleichzeitig stehen die Leonoren-Ouvertüren für die Emanzipation der Gattung Ouvertüre, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts als eigenständig im Konzertsaal etablierte. Beethovens Ouvertüre zu Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel Coriolan entstand 1807 für den Konzertsaal und steht anders als die Egmont-Ouvertüre nicht am Beginn einer Schauspielmusik. In Coriolan erzählte Beethoven eine abgeschlossene drama- 11 tische Handlung in knapp zehn Minuten – ein Novum in der Musikgeschichte und die Eröffnung des Weges zur Programmmusik eines Hector Berlioz oder Franz Liszt. Bei Leonore ist der Fall anders gelagert. Die erste Fassung der Oper entstand 1805 und wurde mitten in der Zeit der napoleonischen Besetzung in Wien uraufgeführt – mit nur geringer Aufmerksamkeit, was wohl auch den politischen Umständen geschuldet ist. Die zweite Fassung der Oper wurde 1806 nur einmal gespielt, weil sich Beethoven finanziell benachteiligt fühlte. Erst die endgültige Fassung 1814 rief den gewünschten Erfolg hervor. Die Befreiung des gefangenen Florestan aus dem Gefängnis wurde vom Wiener Publikum mit der Befreiung vom Tyrannen Napoleon in Verbindung gebracht und traf den Nerv der Zeit. Keine der vier Ouvertüren, die Beethoven für seine Oper komponierte, war für den Konzertsaal gedacht, doch bereits 1840 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy alle vier Ouvertüren in einem Konzert im Leipziger Gewandhaus. 12 Leonore III erzählt mehr als alle anderen Fassungen eine dramatische Handlung, was von Zeitgenossen kritisiert wurde, die darin zuviel von der eigentlichen Opernhandlung verraten sahen. Richard Wagner war überzeugt, dass Leonore III mehr für den Konzertsaal als für die Bühne geeignet sei. Möglicherweise spürte Beethoven dies selbst, denn die eigentliche Fidelio-Ouvertüre ist wesentlich abstrakter und verzichtet auf die fallenden Halbtonschritte am Anfang, die als Abstieg Leonores in den Kerker interpretiert werden können. Bereits in der ersten Leonoren-Ouvertüren fehlt dieser Beginn. Diese Fassung entstand nach der sogenannten dritten Ouvertüre und wurde zu Beethovens Zeit nie gespielt. „Es sieht nun so aus, als sei Beethoven bei der Komposition seiner vier Ouvertüren zu Leonore bzw. Fidelio von der programmatisch eindeutigsten Version Schritt für Schritt zur handlungsfernsten zurückgewichen“, folgert der Musikwissenschaftler Reinhard Strohm. Heute genießen wir den Luxus, die packende Handlung sowohl symphonisch als Konzertouvertüre als auch auf der Opernbühne erleben zu können. 13 h Geheimnisvolle Geräusche Jörn Arneckes Folie „Luft tonlos blasen“, „auf dem Saitenhalter die sich durch die kleinste Luftbewegung streichen“, „mit Drahtbürste wischen“ – mit verändert, wegrutscht oder entgleitet. Nur derartigen Spielanweisungen in der Parti- vereinzelt entwickeln sich kleine Melodieflos- tur nimmt Jörn Arnecke die Musiker und keln; vielmehr lässt Arnecke durch beson- das Publikum in Folie mit auf eine Reise in dere Spielweisen geheimnisvolle Geräusche flirrende Klangwelten. Der Klang scheint entstehen, die manchmal kaum hörbar sind sich sensibel wie auf einer Folie zu bewegen, und die Ohren für zarte Klänge sensibilisie- 14 Folie deutsch [lat.]: 1. dünnes Blatt, u. a. aus Metall (z. B. Blattgold), Kunststoff 2. Hintergrund Meyers Großes Handlexikon, Mannheim 1983 ren. Der Komponist hält Geräusche für eine was ja eine andere Deutung sein könnte. Ich anregende „Erweiterung des Klangspektrums. möchte die lyrische Möglichkeit des Ge- Durch die Potenzierung über die Instrumen- räusches entdecken.“ tenanzahl wird der Effekt solcher Dinge sehr Auf dieser Geräuschfolie entwickelt sich ge- viel deutlicher. Was man beim einzelnen gen Ende des Werkes ein „breit strömender“ Instrument vielleicht schon nicht mehr hören Klang. Die Instrumente finden sich zu einem kann, ein leises Streichen oder Kratzen zum großen Crescendo zusammen, das sich am Beispiel, das wird durch die Vielheit erfahrbar Ende des Werkes im Geräusch verliert. und bekommt Atmosphäre. Ich denke auch, Geheimnisvoll bleibt Jörn Arneckes Fo- dass durch die Verwendung dieser Mittel eine lie auch in diesem Teil des Werks, dessen Melodie oder etwas Melodiehaftes viel stärker Klangwelt leichter erfassbar scheint als die wirken kann. Die Melodie kann so aus dem flirrenden Geräusche. Geräusch geboren werden, somit ist dieses In seiner Rätselhaftigkeit enthüllt die Musik nicht die Darstellung des erstickten Klanges, auch die beiden Bedeutungen des Wortes 16 Folie französisch: Narrheit, Verrücktheit, Geisteskrankheit, Wahnsinn; dumme(r) Streich, Torheit; Manie, Marotte; Unsinn, Spaß, Ausgelassenheit; heftige Leidenschaft; unsinnige Geldausgabe; Scherzartikel Olivier Messiaen & der Orgelrestaurator Olivier Glandaz Pons Französisch-Deutsch, Stuttgart 1985 Folie – als dünnes Blatt im Deutschen und als ‚ ich es auch einmal so richtig ,brausen las- Verrücktheit im Französischen. Diese beiden sen“, gibt Jörn Arnecke in einem Interview zu. Definitionen stellt der Komponist seiner Als dritter internationaler Einfluss spielt der Partitur voran und weist damit gleichzei- aus Portugal stammende barocke Tanz „La tig auf die beiden Klangsprachen hin, die Folia“ eine Rolle, dessen Rhythmus Arnecke seine Komposition spricht: Die Entwicklung zwar nicht direkt zitiert, aber mit dessen melodischer Elemente und Spannungsbögen Form spielt. kennzeichnen die deutsche Tradition. Klang- Bereits zum dritten Mal ist Folie in Deutsch- flächen und farbige Instrumentation stehen land zu hören. Nach der Uraufführung in für einen französischen Stil, wie ihn Claude Bayreuth im Jahr 2000 dirigierte Lothar Debussy und Maurice Ravel prägten. Zagrosek das Werk beim Schleswig Holstein „Der französische Einfluss in Folie ist sicher Musik Festival 2004, das das Flensburger stark, auch habe ich nie zuvor mit so vielen Tageblatt als „spannendes, mit aufregenden Geräuschen experimentiert. In Folie wollte Farben garniertes Werk“ rühmte. 18 v Der Klang der Zigeunerkapellen Zoltán Kodálys Tänze aus Galánta „Galánta ist ein kleiner ungarischer Marktfle- erschienen in Wien einige Hefte ungarischer cken an der alten Bahnstrecke Wien-Budapest, wo der Verfasser sieben Jahre seiner Kindheit Tänze, darunter eines ,von verschiedenen , Zigeunern aus Galantha . Sie überlieferten altes verbrachte. Damals wohnte dort eine be- Volksgut. Jenen Heften entstammen die Haupt- rühmte, seither verschollene Zigeunerkapelle, , die dem Kinde den ersten ,Orchesterklang motive dieses Werkes.“ einprägte. Die Ahnen jener Zigeuner waren Partitur seiner Tänze aus Galánta voraus, die schon hundert Jahre vorher berühmt. Um 1800 zu seinem erfolgreichsten Werk werden sollten. Zoltán Kodály schickte diese Bemerkung der 19 Die 1933 für das 80-jährige Jubiläum der Die ungarische Volksmusik den Stellenwert Budapester Philharmonischen Gesellschaft dieser Zigeunermusik: „Es ist eine vielumstrit- entstandenen Tänze nehmen nicht nur wegen tene Frage, ob das Musizieren der Zigeuner ihres großen Erfolges eine Sonderstellung im zur Volksmusik gerechnet werden soll. Der Werk des Komponisten ein. Im Gegensatz zu ethnographische Wert des Zigeunermusikers den meisten seiner übrigen Werke, für die er besteht in dem Repertoire, das er neben der umfassende Studien der ungarischen Volks- städtischen Lied- und Tanzmusik zu spielen musik betrieb, beruhen sie auf Tanzmusik versteht ... Hinsichtlich der Instrumentalmu- professioneller Zigeunerkapellen, die Kodály sik zählt das gesamte Volk zum zuhörenden als gedrucktes Material in Wien vorfand. Das Typus. Hier ist der Vortrag die Sache von ungarische Volk war zwar mit dieser Musik wenigen. Der Ausführende – sei es Zigeuner bestens vertraut, spielte sie aber nicht selbst, oder Volksmusikant – steht immer allein oder sondern tanzte lediglich dazu. Kodály dis- mit wenigen Genossen der zuhörenden Menge kutiert daher in seiner ausführlichen Studie gegenüber.“ 20 Wie kaum in einem anderen Land der Welt ist das Leben der Ungarn von Musik durchdrungen. Andere kleine Länder, die plötzlich ihre Identität entdecken, mögen sich in der Gestalt eines Despoten oder Revolutionärs widerspiegeln ... In Ungarn dagegen sind die Nationalhelden Musiker. Yehudi Menuhin Charakteristisch für Kodálys Tänze ist die Kla- der beiden“, war Kodály überzeugt. Seine Stu- rinette, die auch in den Zigeunerkapellen eine die schloss der Komponist mit einem optimis- dominierende Rolle spielt. Aus der einsamen tischen Nachwort: „Die Formen der Überlie- Klarinettenmelodie zu Beginn entwickelt sich ferung mögen sich wandeln, ihr Wesen jedoch ein immer wiederkehrendes Thema. Am Ende bleibt dasselbe, solange das Volk lebt, dessen des Werks stimmen alle Instrumente in einen Seele sie verkörpert. Und es kommt die Zeit, schnellen Csárdás ein. wo die gebildete Schicht die vom Volke über- Kodály lauschte wie sein Kollege Béla Bartók nommene Tradition – in eine neue, künst- genau der Musik des Volkes, zahlreiche For- lerische Form umgestaltet – der nationalen schungsreisen unternahmen die beiden Kom- Gemeinschaft wieder überreichen kann.“ Für ponisten gemeinsam. Ihr Ziel war die Er- Kodály endet die Nation jedoch nicht an den haltung der Volksmusik durch ihre kreative Landesgrenzen, denn er war überzeugt, dass Verbindung mit der europäischen Kunstmusik: „jede große nationale Schule das Resultat der „Wahres Leben entspringt nur der Vereinigung Vermischung verschiedener Kulturen“ sei. 22 G Zwischen Tanz und Siegestaumel Ludwig van Beethovens Siebte Symphonie „Beethoven ist ein großer Neuerer in Bezug auf Gebilden durch geringfügige Modifikationen, den Rhythmus“, urteilte Arnold Schönberg in wenn nicht durch entwickelnde Variation.“ seinem berühmten Vortrag Brahms, der Fort- Gleich zu Beginn der Siebten Symphonie bestä- schrittliche. Besonders in Beethovens Siebter tigt sich Schönbergs bewundernde Charakteri- Symphonie ist der Rhythmus die vorherr- sierung der Wiener Klassik in zwei Richtungen: schende Kraft der Musik und zeigt, „wie man Die scheinbar unbedeutende aufsteigende aus Grundmaterial neue Formen schafft; wie- Skala in den Streichern wird zum bestim- viel aus oft ziemlich unbedeutenden kleinen menden Material der langsamen Einleitung; der 23 punktierte Rhythmus am Beginn des schnellen rhythmische Energie freigelassen und erzeugt „Vivace“-Teils entwickelt sich zum Haupt- einen mitreißenden Freudentanz. motiv des ersten Satzes, sogar der gesamten Die beiden Mittelsätze stellen die traditio- Symphonie. Nicht mehr der melodische Einfall nellen Hörerwartungen auf den Kopf. Nach treibt den Verlauf der Symphonie an, son- dem hellen A-Dur des ersten Satzes eröffnet dern der Rhythmus. Ihm ordnet Beethoven der zweite mit einem a-Moll-Akkord in der die anderen musikalischen Parameter unter. Quartsext-Lage. Dieser Klang basiert nicht auf Gleichzeitig variiert er anhand des Rhythmus seinem Grundton a, sondern auf der Quinte das klassische Formprinzip „Per aspera ad e und wird dadurch in seiner Eindeutigkeit astra“ („Durch das Rauhe zu den Sternen“): verschleiert. Bisher tauchte diese Akkordlage Im ersten Satz gibt es immer wieder Momente in der Musikgeschichte nur als Vorhalts- oder des Innehaltens und Zurücktretens, mit dem Durchgangsakkord auf, also immer zwischen zweiten Satz erinnert Beethoven an einen zwei Klängen. Nun erzeugt Beethoven mit Trauermarsch – erst im vierten Satz wird die diesem Bläserakkord zu Beginn eine große 24 Das Verhältnis von Symphonie und Tanz mag man so bestimmen: Wenn der Tanz an die leibhafte Bewegung von Menschen appelliert, so ist das Symphonische die Musik, welche selber zum Leib wird. Theodor W. Adorno, Beethoven – Philosophie der Musik Spannung und setzt ein geheimnisvolles Fra- („Heilige Maria, bitte für uns“); eine Prozession gezeichen, das von den Streichern mit einem oder ein Trauermarsch werden oft als Bilder pulsierenden Rhythmus beantwortet wird. assoziiert. Bei der Uraufführung 1813 verfehlte Mit seiner prägnanten Form „lang-kurz-kurz- der Satz seine Wirkung beim Publikum nicht lang-lang“ durchzieht dieser Rhythmus den und musste wiederholt werden. gesamten Satz und scheint auch noch dann Auch der dritte Satz fällt aus dem traditionellen präsent, wenn er kurzzeitig mal nicht zu hören Rahmen. Erneut überrascht Beethoven mit ist. Gravitätisch schreitet der Satz dahin und einer ungewohnten Tonart, die nicht recht zur ist doch mit einem schnellen „Allegretto“ über- Haupttonart der Symphonie passen will. Das schrieben, das aber eher ein „Andante quasi anfängliche F-Dur kehrt zwar relativ schnell Allegretto“ meint. Der ostinate Rhythmus regte zur Grundtonart A-Dur zurück, taucht jedoch zahlreiche Interpretationen an. Der Musikwis- im Verlauf des Satzes immer wieder auf. Der senschaftler Wolfgang Osthoff erkannte darin Satz pendelt zwischen den Grundtönen f und a die Litaneiformel „Sancta Maria, ora pro nobis“ hin und her. Harmonisch kreist die Musik eher 26 als dass sie auf ein Ziel hinsteuert. Kreisend ist Weber erklärte seinen Kollegen angeblich auch die formale Anlage des Satzes, der statt „reif fürs Irrenhaus“ und Clara Schumanns der gewohnten drei aus fünf Teilen besteht. Vater Friedrich Wieck war der Meinung, „dass Vor allem das zweimal auftauchende Trio diese Sinfonie nur im unglücklichen – im nimmt einen breiten Raum ein und zitiert ein trunkenen Zustande komponiert sein könne, niederösterreichisches Wallfahrtslied. Ganz namentlich der erste und letzte Satz“. An- am Ende des Satzes durchbricht dieses Trio ders Richard Wagner, der die Symphonie als ein drittes Mal das Presto auf der Zielgeraden. dionysischen Tanz auffasste: „Aller Ungestüm, Doch nach vier Takten ist der kurze Spuk alles Sehnen und Toben des Herzens wird wieder vorbei und der Satz rast weiter auf sein hier zum wonnigen Übermuthe der Freude, Ende zu, das tänzerische Finale schon deutlich die mit bacchantischer Allmacht uns durch vor Augen. alle Räume der Natur, durch alle Ströme und Mit diesem feurigen „Allegro con brio“ spaltete Meere des Lebens hinreißt, jauchzend selbst- Beethoven das Publikum. Carl Maria von bewusst überall, wohin wir im kühnen Takte 27 dieses menschlichen Sphärentanzes treten. leitete der Komponist die Uraufführung seines Die Symphonie ist die Apotheose des Tanzes musikalischen Schlachtengemäldes Welling- selbst.“ Auch der letzte Satz bietet eine reiche tons Sieg. Nach der Uraufführung bedankte er Palette an Interpretationen – aufschlussreich sich in der Wiener Zeitung bei allen mitwir- ist Martin Gecks Hinweis auf Beethovens Zitat kenden Musikern „für ihren bei einem so des Revolutionsmarsches Le Triomphe de erhabenen Zweck dargelegten Eifer“. Er selbst la République von François Joseph Gossec. hätte ja auch mitgespielt, aber er war nun mal Zeigte sich Beethoven während der Arbeit an der Komponist. Wäre das Werk „von einem seiner Dritten Symphonie „Eroica“ begeistert anderen gewesen, so würde ich mich ebenso für Napoleon, wandte sich das Blatt bereits gern wie Herr Hummel an die große Trommel noch vor der Uraufführung dieses Werks. Die gestellt haben, da uns alle nichts als das reine Siebte Symphonie wurde 1813 uraufgeführt Gefühl der Vaterlandsliebe und des freudigen und traf damit die Jubelstimmung des von Na- Opfers unserer Kräfte für diejenigen, die uns poleon befreiten Europa. Im gleichen Konzert so viel geopfert haben, erfüllte.“ 28 c Die Werke in Heidelberg Konzerte des Philharmonischen Orchesters Ludwig van Beethoven Ludwig van Beethoven Lenore-Ouvertüre III op. 72 Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 1949/50 Dirigent m Ewald Lindemann 11.10.1955 Dirigent m Karl Rucht 11.03.1976 Dirigent m Christian Süss 29.09.1987 Dirigent m Mario Venzago 15.03.1990 Dirigent 10.02.1993 Dirigent m Anton Marik m Anton Marik 01.01.1995 Dirigent m Thomas Kalb 20.10.2000Dirigent m Atsushi Nukii 01.01.2000 Dirigent m Thomas Kalb 29 Dirigent Cornelius Meister Der Generalmusikdirektor der Stadt Heidelberg wurde 1980 geboren und studierte Klavier und Dirigieren in seiner Heimatstadt Hannover bei Konrad Meister, Martin Brauß und Eiji Oue sowie in Salzburg bei Dennis Russell Davies und Karl Kamper. Gemeinsam mit seinem Klarinettenpartner Clemens Trautmann gewann er 2000 den Preis der Deutschen Stiftung Musikleben beim Deutschen Musikwettbewerb und den Förderpreis des Schleswig Holstein Musik Festivals. Als Pianist trat er u. a. im Leipziger Gewandhaus, der Beethovenhalle in Bonn sowie beim Rheingau Musikfestival, dem Verbier Festival und dem Ravinia Festival in Chicago auf. 30 2001 wurde er Assistent des Generalmusikdirektors am Theater Erfurt, im darauffolgenden Jahr debütierte er an der Hamburgischen Staatsoper, wo er seither regelmäßig dirigiert. Bis 2005 war er als Kapellmeister an der Staatsoper Hannover engagiert. Als Assistent von Pierre Boulez wirkte er bei der Parsifal-Neuproduktion der Bayreuther Festspiele 2004 mit. In der laufenden Spielzeit dirigierte er Konzerte mit dem Indianapolis Symphony Orchestra, dem Orchester des NDR in Hamburg, dem Orchester der Oper Paris und leitete erneut Opernvorstellungen an den Staatsopern Hamburg, München und Stuttgart, wo er die Spielzeit mit Mozarts Entführung aus dem Serail eröffnete. In Innsbruck steht er gerade bei Carl Maria von Webers Oberon am Dirigentenpult. Er wird Siegfried an der Lettischen Nationaloper Riga dirigieren und sein Debüt in England mit dem Bournemouth Symphony Orchestra geben. Gemeinsam mit der jungen Trompeterin Alison Balsom eröffnet er die Heidelberger Schlossfestspiele, zu deren Abschluss Cornelius Meister und die Heidelberger Philharmoniker Charlie Chaplins Stummfilm Modern Times in der Stadthalle begleiten werden. 31 U Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg Die Philharmoniker werden seit 05_06 von Generalmusikdirektor Cornelius Meister geleitet und prägen seit über hundert Jahren mit zahlreichen Opernvorstellungen und Konzerten das Musikleben der Stadt. Familienkonzerte und das Schulprojekt „Musik erleben“ bringen jungen Menschen die Musik nahe. Regelmäßig gastieren die Philharmoniker im In- und Ausland. Zweimal wurde das Orchester mit dem Preis für das „beste Konzertprogramm“ ausgezeichnet, zuletzt 2007. Weltbekannte Dirigenten und Solisten wie Rudolf Barschai und Gidon Kremer musizierten mit den Philharmonikern. Der ehemalige Generalmusikdirektor Mario Venzago ist seit letztem Jahr der erste Ehrendirigent des Orchesters. Unmittelbare Vorgänger von Cornelius Meister waren Volker Christ, der viele Jahre als Kapellmeister am Haus arbeitete, und Thomas Kalb, der elf Jahre lang das Orchester leitete. 32 Besetzung 1. Violine 2. Violine Viola Thierry Stöckel, 1. Konzertmeister Eleonora Plotkina Marianne Venzago Isabel Schneider Nicole Streichardt Andreas Bartsch Mayumi Hasegawa Lucian Derendorf Horst Düker Lisa Nielsson Ludwig Dieckmann Thomas Wolf Joachim Groebke Rie Tanaka Christoff Schlesinger Mahasti Kamdar Janetta Grichtchouk Elsabe Marquardt Tetsuya Mogitate Lilija Kissler Brad Johnson1 Caroline Korn Erich Kammerer Anne Johnson Gabriele Köller Ge Liu Friderike Hager Soyoka Mizobuchi1 1 Carolin Johnson Rahel Wittiber 33 Violoncello Flöte Klarinette Reimund Korupp Yvonne Anselment Sascha Stinner Hans Schafft Katharina Lorenzen Viktor Perchyk2 Christian Delacroix Konrad Metz Heribert Eckert Xing Qing1 Oboe Fagott Katrin Heintze Matthias Friederich Hitomi Wilkening Christine Bender Sophia Brenneke Sandra Seibold Gerhard Mährlein Christoph Habicht Kontrabass Michael Schneider Thomas Acker Michael Feiertag Georgi Berov 34 Horn Posaune Harfe Moritz Hildebrand Melanie Lüghausen Walli Kossakowski Bernd Frelet Damian Schneider Joachim Schlaak Marek Janicki Judit Tigyi Pauke Trompete Klaus Wissler Fred Frick Robert Schweizer Schlagzeug Martin Hommel Peter Klinkenberg Gregory Riffel 1 Praktikant/in 2 Stipendiat/in der Orchesterakademie Rhein-Neckar 35 Impressum Nachweise Herausgeber: Theater und Philharmonisches Nicht namentlich gekennzeichnete Texte sind Orchester der Stadt Heidelberg Originalbeiträge von Olaf A. Schmitt. Intendant: Peter Spuhler Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp Zoltán Kodály: Die ungarische Volksmusik, Redaktion: Olaf A. Schmitt Budapest 1956 Gestaltung: atelier september Theodor W. Adorno: Beethoven. Philosophie Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg der Musik, Frankfurt am Main 2004 Anzeigen: Greilich / Neutard Internet:www.heidelberger-philharmoniker.de www.theaterheidelberg.de Theater und Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg 07_08, Programmheft Nr. 23 Unsere nächsten Konzerte 8. Philharmonisches Konzert 6. Familienkonzert Fauré m Pelléas et Mélisande, Suite , Chausson m Poème de l amour et de la mer Berlioz m Symphonie fantastique Sopran m Larissa Krokhina Dirigent m Shao-Chia Lü Ferdinand der Stier 07.05., 20.00- ca. 22.00, Stadthalle 01.06., 11.30- ca. 12.15, Städtische Bühne 19.15 Werk-Einführung 4. Kammerkonzert Mozart m Klavierquartette g-Moll & Es-Dur Klavier m Arnold Werner-Jensen Violine m Thierry Stöckel Viola m Marianne Venzago Violoncello m Reimund Korupp 18.05., 11.00- ca. 12.30, Palais Prinz Carl in Zusammenarbeit mit dem zwinger3 Musik von Benjamin Rinnert szenische Einrichtung m Annette Büschelberger Dirigent m Ivo Hentschel 4. Bachchor-Konzert Vivaldi m Gloria RV 589 Rossini m Stabat mater Dirigent m Dietger Holm 08.06., 20.00- ca. 21.30, Peterskirche Schalten Sie Service-Rufnummern (kostenlos) 0800-513-5132 oder 0800-FOXCALL 0800-3 6 9 2 2 5 5 Fr e ied n• EU ROS OL A R • IP PN • de n Internet: www.foxstrom.de R • A ve e.V. Na tur wiss en s ch aftl er f erbraucheriniti eV ati ür Di Grüner Strom Label N • 54095/WMXDesign/62x90 Das Ökostromangebot der Stadtwerke Heidelberg Handel und Vertrieb W © Copyright des WWF International ® Warenzeichen des WWF International jetzt um! BU • BU N D • BdE • D N energreen wurde geprüft und erhielt das Label „Gold“ des Grüner Strom Label e.V. Im Brückenfeld 1 68723 Oftersheim Tel: 06202-5766853 Fax: 06202-5766854 Mobil: 0170-5217502 [email protected] www.th-kurz-klaviertransporte.de PHILHARMONISCHE: KONZERTE Ludwigshafen, BASF-Feierabendhaus Mo 7. April 2008, 20.00 Uhr Renaud Capuçon Violine Jac van Steen Dirigent Igor Strawinsky Scherzo à la Russe Peter I. Tschaikowsky Violinkonzert D-Dur op. 35 Sergej Prokofjew Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100 MANNHEIMER MEISTERKONZERTE Mannheim, Congress Center Rosengarten Sa 12. April 2008, 20.00 Uhr Isabelle Faust Violine Ari Rasilainen Dirigent Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzert A-Dur Anton Bruckner Sinfonie Nr. 6 A-Dur Tickets 0621 10 10 11 I www.staatsphilharmonie.de R E C H TS A N WÄ LT E Dr. Klaus Zimmermann Wirtschafts- u. Technologierecht Gesellschaftsrecht Eberhard Gretz Vertragsrecht, Technologierecht Bau-, Immobilien- u. Mietrecht Gerda Trautmann-Dadnia Fachanwältin für Familienrecht a. Erb-, Miet- u. Int. Privatrecht Tim Bäuerle, LL. M. Int. u. Nat. Vertragsrecht Produkthaftungs- u. Gesellschaftsrecht Tel 50 25 60 · Fax 50 25 610 www.zimmermann-kollegen.de Weberstr. 2 69120 · Heidelberg www.ploeck2.de Das Traditionsgeschäft seit 130 Jahren mitten in Heidelberg! rg! elbe ium* d i e in H efug alig chreib-R m n i S E eue Das n * Vier exclusive Markenshops der Weltfirmen: MONTBLANC LAMY GRAF v. FABER CASTELL FILOFAX Wenn Sie mehr erwarten, erwarten wir Sie! PLOECK 2 - 06221 29066