Programmheft - Philharmonisches Orchester Heidelberg

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3. Streben nach Glückseligkeit
Eine Orgie des Rhythmus
Romain Rolland über Beethovens 7. Symphonie
Theater und Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
7. Philharmonisches
Konzert
7. Philharmonisches
Konzert
Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
* 23.04.08
Stadthalle Heidelberg, Großer Saal
Dirigent
Cornelius Meister
C. F. Peters, Leipzig
Edition Gravis, Bad Schwalbach
Universal Edition, Wien
Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
Komponist für Heidelberg
wird ermöglicht durch
Ton- & Bildaufnahmen während des Konzertes
sind nicht gestattet.
4
Programm
Ludwig van Beethoven
Allegro con moto, grazioso –
Ouvertüre III zur Oper „Leonore“
Tempo I – Allegro – Poco meno mosso –
op. 72b (1806)
Allegro vivace – Tempo I – Allegro molto
vivace
Jörn Arnecke
Folie für Orchester (2000)
- Pause -
Lebhaft, flirrend – Wie ein Schatten des
Ludwig van Beethoven
Anfangs – Breit strömend – Bewegt
Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 (1813)
Zoltán Kodály
I. Poco sostenuto - Vivace
Tänze aus Galánta (1933)
II. Allegretto
Lento – Andante maestoso – Allegretto
III. Presto
moderato – Tempo I (Andante maestoso) –
IV. Allegro con brio
5
V
Zum Programm
Im Tanz streben die Menschen nach der Glückseligkeit durch den Rausch des Rhythmus, der den ganzen Körper erfasst. Der Tanz zählt zu den ältesten musikalischen
Ausdrucksformen und wird von Komponisten häufig auch in symphonischen Werken
verwendet. Die Werke des heutigen Konzerts beschäftigen sich auf unterschiedliche
Weise mit Tänzen, die sowohl als konkretes Zitat als auch entfernte Inspiration für die
Musik auftauchen.
Beethovens Siebte Symphonie thematisiert wie keine andere seiner Symphonien den
Rhythmus als zentrales Element. Mehrere Tänze werden zitiert, darunter der italie6
nische Siziliano im ersten Satz. Ungebändigte Freude erfüllt den Finalsatz, der ekstatisch
vorwärtstreibt.
Jörn Arnecke, der dem Publikum als KOMPONIST FÜR HEIDELBERG 05_06 bestens
vertraut ist, lässt sich in seinem Orchesterwerk Folie nur entfernt von dem portugiesischen Tanz „La Follia“ leiten, der sich in die faszinierende und flirrende Geräuschwelt
des Orchesters mischt.
Schon mit dem Titel Tänze aus Galánta lässt der ungarische Komponist Zoltán Kodály
keinen Zweifel am Tanzcharakter seiner Musik. Neben der intensiven Erforschung der
ungarischen Volksmusik inspirierten Kodály für dieses berühmt gewordene Werk die sogenannten „Verbunkos“, die als Werbetänze der Rekruten in Wien veröffentlicht wurden.
Der Musikwissenschaftler Attila Csampai hat diese Verbunkos sogar im Finalsatz von
Beethovens Siebter Symphonie gefunden.
Beethovens dritte Leonoren-Ouvertüre erzählt mit dramatischen Klängen die Handlung
seiner Oper Fidelio, wird aber heute vor allem im Konzertsaal gespielt.
7
Ludwig van Beethoven
1770-1827
Der in Bonn geborene Komponist reiste 1787 nach Wien, um bei Mozart zu studieren.
Daraus wurde allerdings wegen dessen intensiver Arbeit am Don Giovanni nichts, so
dass Beethoven seine musikalische Ausbildung in Bonn erhielt. Dort kam er schnell
mit dem Gedankengut der Französischen Revolution in Berührung, das unter anderen seine Klaviersonate Pathétique op. 13, die 3. Symphonie „Eroica“ und die Oper
Fidelio prägt. Als einer der ersten freien bürgerlichen Komponisten konnte Beethoven
seine eigenen künstlerischen Ideen verwirklichen. Seine Werke prägten die nachfolgenden Generationen und stehen bis heute einzigartig in der Musikgeschichte.
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Jörn Arnecke
* 1973
Der in Hamburg lebende Komponist war in der Spielzeit 05_06 KOMPONIST FÜR
HEIDELBERG – sein Orchesterwerk Gezeiten, die Kinderoper Klingt meine Linde
und das Kammerwerk Terra maligna wurden hier aufgeführt. An der Hamburgischen
Staatsoper dirigierte Cornelius Meister 2003 seine Oper Das Fest im Meer. Nach
seinem Kompositions- und Musiktheoriestudium in Hamburg und Paris erhielt der
Hindemith-Preisträger Kompositionsaufträge u. a. von der Münchner Biennale und der
Expo Hannover. Sein Musiktheaterwerk Unter Eis wurde letzes Jahr bei der
RuhrTriennale uraufgeführt und ist ab Juni an der Oper Frankfurt zu erleben.
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Zoltán Kodály
1882-1967
Zoltán Kodály gehört zu den wichtigsten Komponisten Ungarns. In seinen Werken
verbindet er Anregungen aus dem Studium der mittelalterlichen und klassischen
Musik sowie von Claude Debussy mit dem Stil der ungarischen Volksgesänge und der
„Verbunkos“, der Rekrutenwerbungstänze. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen
das Oratorium Psalmus Hungaricus, das Bühnenwerk Háry János, dessen Suite im
2. Familienkonzert zu hören war, und die Symphonie C-Dur. Gemeinsam mit seinem
Kollegen Béla Bartók erforschte er die ungarische Volksmusik. Daraus schöpfen sich
auch seine pädagogischen Werke, die bis heute im Unterricht verwendet werden.
10
Q
Vier Ouvertüren für eine Oper
Beethovens Leonore-Ouvertüren
Gleich vier Ouvertüren schrieb Ludwig van Beethoven zu seiner einzigen Oper Fidelio,
die in den ersten Fassungen noch den Titel Leonore trug. Fidelio ist damit ein besonderer Spitzenreiter in der Musikgeschichte. Gleichzeitig stehen die Leonoren-Ouvertüren
für die Emanzipation der Gattung Ouvertüre, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts
als eigenständig im Konzertsaal etablierte.
Beethovens Ouvertüre zu Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel Coriolan entstand
1807 für den Konzertsaal und steht anders als die Egmont-Ouvertüre nicht am Beginn
einer Schauspielmusik. In Coriolan erzählte Beethoven eine abgeschlossene drama-
11
tische Handlung in knapp zehn Minuten – ein Novum in der Musikgeschichte und die
Eröffnung des Weges zur Programmmusik eines Hector Berlioz oder Franz Liszt.
Bei Leonore ist der Fall anders gelagert. Die erste Fassung der Oper entstand 1805 und
wurde mitten in der Zeit der napoleonischen Besetzung in Wien uraufgeführt – mit
nur geringer Aufmerksamkeit, was wohl auch den politischen Umständen geschuldet
ist. Die zweite Fassung der Oper wurde 1806 nur einmal gespielt, weil sich Beethoven
finanziell benachteiligt fühlte. Erst die endgültige Fassung 1814 rief den gewünschten
Erfolg hervor. Die Befreiung des gefangenen Florestan aus dem Gefängnis wurde vom
Wiener Publikum mit der Befreiung vom Tyrannen Napoleon in Verbindung gebracht
und traf den Nerv der Zeit.
Keine der vier Ouvertüren, die Beethoven für seine Oper komponierte, war für den
Konzertsaal gedacht, doch bereits 1840 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy alle
vier Ouvertüren in einem Konzert im Leipziger Gewandhaus.
12
Leonore III erzählt mehr als alle anderen Fassungen eine dramatische Handlung, was
von Zeitgenossen kritisiert wurde, die darin zuviel von der eigentlichen Opernhandlung verraten sahen. Richard Wagner war überzeugt, dass Leonore III mehr für den
Konzertsaal als für die Bühne geeignet sei. Möglicherweise spürte Beethoven dies
selbst, denn die eigentliche Fidelio-Ouvertüre ist wesentlich abstrakter und verzichtet
auf die fallenden Halbtonschritte am Anfang, die als Abstieg Leonores in den Kerker
interpretiert werden können.
Bereits in der ersten Leonoren-Ouvertüren fehlt dieser Beginn. Diese Fassung entstand
nach der sogenannten dritten Ouvertüre und wurde zu Beethovens Zeit nie gespielt.
„Es sieht nun so aus, als sei Beethoven bei der Komposition seiner vier Ouvertüren zu
Leonore bzw. Fidelio von der programmatisch eindeutigsten Version Schritt für Schritt
zur handlungsfernsten zurückgewichen“, folgert der Musikwissenschaftler Reinhard
Strohm. Heute genießen wir den Luxus, die packende Handlung sowohl symphonisch
als Konzertouvertüre als auch auf der Opernbühne erleben zu können.
13
h
Geheimnisvolle Geräusche
Jörn Arneckes Folie
„Luft tonlos blasen“, „auf dem Saitenhalter
die sich durch die kleinste Luftbewegung
streichen“, „mit Drahtbürste wischen“ – mit
verändert, wegrutscht oder entgleitet. Nur
derartigen Spielanweisungen in der Parti-
vereinzelt entwickeln sich kleine Melodieflos-
tur nimmt Jörn Arnecke die Musiker und
keln; vielmehr lässt Arnecke durch beson-
das Publikum in Folie mit auf eine Reise in
dere Spielweisen geheimnisvolle Geräusche
flirrende Klangwelten. Der Klang scheint
entstehen, die manchmal kaum hörbar sind
sich sensibel wie auf einer Folie zu bewegen,
und die Ohren für zarte Klänge sensibilisie-
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Folie
deutsch [lat.]:
1. dünnes Blatt, u. a. aus Metall
(z. B. Blattgold), Kunststoff
2. Hintergrund
Meyers Großes Handlexikon, Mannheim 1983
ren. Der Komponist hält Geräusche für eine
was ja eine andere Deutung sein könnte. Ich
anregende „Erweiterung des Klangspektrums.
möchte die lyrische Möglichkeit des Ge-
Durch die Potenzierung über die Instrumen-
räusches entdecken.“
tenanzahl wird der Effekt solcher Dinge sehr
Auf dieser Geräuschfolie entwickelt sich ge-
viel deutlicher. Was man beim einzelnen
gen Ende des Werkes ein „breit strömender“
Instrument vielleicht schon nicht mehr hören
Klang. Die Instrumente finden sich zu einem
kann, ein leises Streichen oder Kratzen zum
großen Crescendo zusammen, das sich am
Beispiel, das wird durch die Vielheit erfahrbar
Ende des Werkes im Geräusch verliert.
und bekommt Atmosphäre. Ich denke auch,
Geheimnisvoll bleibt Jörn Arneckes Fo-
dass durch die Verwendung dieser Mittel eine
lie auch in diesem Teil des Werks, dessen
Melodie oder etwas Melodiehaftes viel stärker
Klangwelt leichter erfassbar scheint als die
wirken kann. Die Melodie kann so aus dem
flirrenden Geräusche.
Geräusch geboren werden, somit ist dieses
In seiner Rätselhaftigkeit enthüllt die Musik
nicht die Darstellung des erstickten Klanges,
auch die beiden Bedeutungen des Wortes
16
Folie
französisch:
Narrheit, Verrücktheit, Geisteskrankheit,
Wahnsinn; dumme(r) Streich, Torheit;
Manie, Marotte; Unsinn, Spaß, Ausgelassenheit; heftige Leidenschaft; unsinnige
Geldausgabe; Scherzartikel
Olivier Messiaen & der
Orgelrestaurator Olivier
Glandaz
Pons Französisch-Deutsch,
Stuttgart
1985
Folie – als dünnes Blatt im Deutschen und als
‚
ich es auch einmal so richtig ,brausen las-
Verrücktheit im Französischen. Diese beiden
sen“, gibt Jörn Arnecke in einem Interview zu.
Definitionen stellt der Komponist seiner
Als dritter internationaler Einfluss spielt der
Partitur voran und weist damit gleichzei-
aus Portugal stammende barocke Tanz „La
tig auf die beiden Klangsprachen hin, die
Folia“ eine Rolle, dessen Rhythmus Arnecke
seine Komposition spricht: Die Entwicklung
zwar nicht direkt zitiert, aber mit dessen
melodischer Elemente und Spannungsbögen
Form spielt.
kennzeichnen die deutsche Tradition. Klang-
Bereits zum dritten Mal ist Folie in Deutsch-
flächen und farbige Instrumentation stehen
land zu hören. Nach der Uraufführung in
für einen französischen Stil, wie ihn Claude
Bayreuth im Jahr 2000 dirigierte Lothar
Debussy und Maurice Ravel prägten.
Zagrosek das Werk beim Schleswig Holstein
„Der französische Einfluss in Folie ist sicher
Musik Festival 2004, das das Flensburger
stark, auch habe ich nie zuvor mit so vielen
Tageblatt als „spannendes, mit aufregenden
Geräuschen experimentiert. In Folie wollte
Farben garniertes Werk“ rühmte.
18
v
Der Klang der Zigeunerkapellen
Zoltán Kodálys Tänze aus Galánta
„Galánta ist ein kleiner ungarischer Marktfle-
erschienen in Wien einige Hefte ungarischer
cken an der alten Bahnstrecke Wien-Budapest,
wo der Verfasser sieben Jahre seiner Kindheit
Tänze, darunter eines ,von verschiedenen
,
Zigeunern aus Galantha . Sie überlieferten altes
verbrachte. Damals wohnte dort eine be-
Volksgut. Jenen Heften entstammen die Haupt-
rühmte, seither verschollene Zigeunerkapelle,
,
die dem Kinde den ersten ,Orchesterklang
motive dieses Werkes.“
einprägte. Die Ahnen jener Zigeuner waren
Partitur seiner Tänze aus Galánta voraus, die
schon hundert Jahre vorher berühmt. Um 1800
zu seinem erfolgreichsten Werk werden sollten.
Zoltán Kodály schickte diese Bemerkung der
19
Die 1933 für das 80-jährige Jubiläum der
Die ungarische Volksmusik den Stellenwert
Budapester Philharmonischen Gesellschaft
dieser Zigeunermusik: „Es ist eine vielumstrit-
entstandenen Tänze nehmen nicht nur wegen
tene Frage, ob das Musizieren der Zigeuner
ihres großen Erfolges eine Sonderstellung im
zur Volksmusik gerechnet werden soll. Der
Werk des Komponisten ein. Im Gegensatz zu
ethnographische Wert des Zigeunermusikers
den meisten seiner übrigen Werke, für die er
besteht in dem Repertoire, das er neben der
umfassende Studien der ungarischen Volks-
städtischen Lied- und Tanzmusik zu spielen
musik betrieb, beruhen sie auf Tanzmusik
versteht ... Hinsichtlich der Instrumentalmu-
professioneller Zigeunerkapellen, die Kodály
sik zählt das gesamte Volk zum zuhörenden
als gedrucktes Material in Wien vorfand. Das
Typus. Hier ist der Vortrag die Sache von
ungarische Volk war zwar mit dieser Musik
wenigen. Der Ausführende – sei es Zigeuner
bestens vertraut, spielte sie aber nicht selbst,
oder Volksmusikant – steht immer allein oder
sondern tanzte lediglich dazu. Kodály dis-
mit wenigen Genossen der zuhörenden Menge
kutiert daher in seiner ausführlichen Studie
gegenüber.“
20
Wie kaum in einem anderen Land der Welt
ist das Leben der Ungarn von Musik durchdrungen. Andere kleine Länder, die plötzlich
ihre Identität entdecken, mögen sich in der
Gestalt eines Despoten oder Revolutionärs
widerspiegeln ... In Ungarn dagegen sind
die Nationalhelden Musiker.
Yehudi Menuhin
Charakteristisch für Kodálys Tänze ist die Kla-
der beiden“, war Kodály überzeugt. Seine Stu-
rinette, die auch in den Zigeunerkapellen eine
die schloss der Komponist mit einem optimis-
dominierende Rolle spielt. Aus der einsamen
tischen Nachwort: „Die Formen der Überlie-
Klarinettenmelodie zu Beginn entwickelt sich
ferung mögen sich wandeln, ihr Wesen jedoch
ein immer wiederkehrendes Thema. Am Ende
bleibt dasselbe, solange das Volk lebt, dessen
des Werks stimmen alle Instrumente in einen
Seele sie verkörpert. Und es kommt die Zeit,
schnellen Csárdás ein.
wo die gebildete Schicht die vom Volke über-
Kodály lauschte wie sein Kollege Béla Bartók
nommene Tradition – in eine neue, künst-
genau der Musik des Volkes, zahlreiche For-
lerische Form umgestaltet – der nationalen
schungsreisen unternahmen die beiden Kom-
Gemeinschaft wieder überreichen kann.“ Für
ponisten gemeinsam. Ihr Ziel war die Er-
Kodály endet die Nation jedoch nicht an den
haltung der Volksmusik durch ihre kreative
Landesgrenzen, denn er war überzeugt, dass
Verbindung mit der europäischen Kunstmusik:
„jede große nationale Schule das Resultat der
„Wahres Leben entspringt nur der Vereinigung
Vermischung verschiedener Kulturen“ sei.
22
G
Zwischen Tanz und Siegestaumel
Ludwig van Beethovens Siebte Symphonie
„Beethoven ist ein großer Neuerer in Bezug auf
Gebilden durch geringfügige Modifikationen,
den Rhythmus“, urteilte Arnold Schönberg in
wenn nicht durch entwickelnde Variation.“
seinem berühmten Vortrag Brahms, der Fort-
Gleich zu Beginn der Siebten Symphonie bestä-
schrittliche. Besonders in Beethovens Siebter
tigt sich Schönbergs bewundernde Charakteri-
Symphonie ist der Rhythmus die vorherr-
sierung der Wiener Klassik in zwei Richtungen:
schende Kraft der Musik und zeigt, „wie man
Die scheinbar unbedeutende aufsteigende
aus Grundmaterial neue Formen schafft; wie-
Skala in den Streichern wird zum bestim-
viel aus oft ziemlich unbedeutenden kleinen
menden Material der langsamen Einleitung; der
23
punktierte Rhythmus am Beginn des schnellen
rhythmische Energie freigelassen und erzeugt
„Vivace“-Teils entwickelt sich zum Haupt-
einen mitreißenden Freudentanz.
motiv des ersten Satzes, sogar der gesamten
Die beiden Mittelsätze stellen die traditio-
Symphonie. Nicht mehr der melodische Einfall
nellen Hörerwartungen auf den Kopf. Nach
treibt den Verlauf der Symphonie an, son-
dem hellen A-Dur des ersten Satzes eröffnet
dern der Rhythmus. Ihm ordnet Beethoven
der zweite mit einem a-Moll-Akkord in der
die anderen musikalischen Parameter unter.
Quartsext-Lage. Dieser Klang basiert nicht auf
Gleichzeitig variiert er anhand des Rhythmus
seinem Grundton a, sondern auf der Quinte
das klassische Formprinzip „Per aspera ad
e und wird dadurch in seiner Eindeutigkeit
astra“ („Durch das Rauhe zu den Sternen“):
verschleiert. Bisher tauchte diese Akkordlage
Im ersten Satz gibt es immer wieder Momente
in der Musikgeschichte nur als Vorhalts- oder
des Innehaltens und Zurücktretens, mit dem
Durchgangsakkord auf, also immer zwischen
zweiten Satz erinnert Beethoven an einen
zwei Klängen. Nun erzeugt Beethoven mit
Trauermarsch – erst im vierten Satz wird die
diesem Bläserakkord zu Beginn eine große
24
Das Verhältnis von Symphonie und
Tanz mag man so bestimmen: Wenn
der Tanz an die leibhafte Bewegung
von Menschen appelliert, so ist das
Symphonische die Musik, welche
selber zum Leib wird.
Theodor W. Adorno, Beethoven – Philosophie der Musik
Spannung und setzt ein geheimnisvolles Fra-
(„Heilige Maria, bitte für uns“); eine Prozession
gezeichen, das von den Streichern mit einem
oder ein Trauermarsch werden oft als Bilder
pulsierenden Rhythmus beantwortet wird.
assoziiert. Bei der Uraufführung 1813 verfehlte
Mit seiner prägnanten Form „lang-kurz-kurz-
der Satz seine Wirkung beim Publikum nicht
lang-lang“ durchzieht dieser Rhythmus den
und musste wiederholt werden.
gesamten Satz und scheint auch noch dann
Auch der dritte Satz fällt aus dem traditionellen
präsent, wenn er kurzzeitig mal nicht zu hören
Rahmen. Erneut überrascht Beethoven mit
ist. Gravitätisch schreitet der Satz dahin und
einer ungewohnten Tonart, die nicht recht zur
ist doch mit einem schnellen „Allegretto“ über-
Haupttonart der Symphonie passen will. Das
schrieben, das aber eher ein „Andante quasi
anfängliche F-Dur kehrt zwar relativ schnell
Allegretto“ meint. Der ostinate Rhythmus regte
zur Grundtonart A-Dur zurück, taucht jedoch
zahlreiche Interpretationen an. Der Musikwis-
im Verlauf des Satzes immer wieder auf. Der
senschaftler Wolfgang Osthoff erkannte darin
Satz pendelt zwischen den Grundtönen f und a
die Litaneiformel „Sancta Maria, ora pro nobis“
hin und her. Harmonisch kreist die Musik eher
26
als dass sie auf ein Ziel hinsteuert. Kreisend ist
Weber erklärte seinen Kollegen angeblich
auch die formale Anlage des Satzes, der statt
„reif fürs Irrenhaus“ und Clara Schumanns
der gewohnten drei aus fünf Teilen besteht.
Vater Friedrich Wieck war der Meinung, „dass
Vor allem das zweimal auftauchende Trio
diese Sinfonie nur im unglücklichen – im
nimmt einen breiten Raum ein und zitiert ein
trunkenen Zustande komponiert sein könne,
niederösterreichisches Wallfahrtslied. Ganz
namentlich der erste und letzte Satz“. An-
am Ende des Satzes durchbricht dieses Trio
ders Richard Wagner, der die Symphonie als
ein drittes Mal das Presto auf der Zielgeraden.
dionysischen Tanz auffasste: „Aller Ungestüm,
Doch nach vier Takten ist der kurze Spuk
alles Sehnen und Toben des Herzens wird
wieder vorbei und der Satz rast weiter auf sein
hier zum wonnigen Übermuthe der Freude,
Ende zu, das tänzerische Finale schon deutlich
die mit bacchantischer Allmacht uns durch
vor Augen.
alle Räume der Natur, durch alle Ströme und
Mit diesem feurigen „Allegro con brio“ spaltete
Meere des Lebens hinreißt, jauchzend selbst-
Beethoven das Publikum. Carl Maria von
bewusst überall, wohin wir im kühnen Takte
27
dieses menschlichen Sphärentanzes treten.
leitete der Komponist die Uraufführung seines
Die Symphonie ist die Apotheose des Tanzes
musikalischen Schlachtengemäldes Welling-
selbst.“ Auch der letzte Satz bietet eine reiche
tons Sieg. Nach der Uraufführung bedankte er
Palette an Interpretationen – aufschlussreich
sich in der Wiener Zeitung bei allen mitwir-
ist Martin Gecks Hinweis auf Beethovens Zitat
kenden Musikern „für ihren bei einem so
des Revolutionsmarsches Le Triomphe de
erhabenen Zweck dargelegten Eifer“. Er selbst
la République von François Joseph Gossec.
hätte ja auch mitgespielt, aber er war nun mal
Zeigte sich Beethoven während der Arbeit an
der Komponist. Wäre das Werk „von einem
seiner Dritten Symphonie „Eroica“ begeistert
anderen gewesen, so würde ich mich ebenso
für Napoleon, wandte sich das Blatt bereits
gern wie Herr Hummel an die große Trommel
noch vor der Uraufführung dieses Werks. Die
gestellt haben, da uns alle nichts als das reine
Siebte Symphonie wurde 1813 uraufgeführt
Gefühl der Vaterlandsliebe und des freudigen
und traf damit die Jubelstimmung des von Na-
Opfers unserer Kräfte für diejenigen, die uns
poleon befreiten Europa. Im gleichen Konzert
so viel geopfert haben, erfüllte.“
28
c
Die Werke in Heidelberg
Konzerte des Philharmonischen Orchesters
Ludwig van Beethoven
Ludwig van Beethoven
Lenore-Ouvertüre III op. 72
Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
1949/50 Dirigent m Ewald Lindemann
11.10.1955 Dirigent m Karl Rucht
11.03.1976 Dirigent m Christian Süss
29.09.1987 Dirigent m Mario Venzago
15.03.1990 Dirigent
10.02.1993 Dirigent m Anton Marik
m
Anton Marik
01.01.1995 Dirigent m Thomas Kalb
20.10.2000Dirigent m Atsushi Nukii
01.01.2000 Dirigent m Thomas Kalb
29
Dirigent
Cornelius Meister
Der Generalmusikdirektor der Stadt Heidelberg wurde 1980 geboren und studierte Klavier und Dirigieren in seiner Heimatstadt Hannover bei Konrad Meister, Martin Brauß
und Eiji Oue sowie in Salzburg bei Dennis Russell Davies und Karl Kamper. Gemeinsam
mit seinem Klarinettenpartner Clemens Trautmann gewann er 2000 den Preis der Deutschen Stiftung Musikleben beim Deutschen Musikwettbewerb und den Förderpreis des
Schleswig Holstein Musik Festivals. Als Pianist trat er u. a. im Leipziger Gewandhaus,
der Beethovenhalle in Bonn sowie beim Rheingau Musikfestival, dem Verbier Festival
und dem Ravinia Festival in Chicago auf.
30
2001 wurde er Assistent des Generalmusikdirektors am Theater Erfurt, im darauffolgenden Jahr debütierte er an der Hamburgischen Staatsoper, wo er seither regelmäßig
dirigiert. Bis 2005 war er als Kapellmeister an der Staatsoper Hannover engagiert. Als
Assistent von Pierre Boulez wirkte er bei der Parsifal-Neuproduktion der Bayreuther
Festspiele 2004 mit. In der laufenden Spielzeit dirigierte er Konzerte mit dem Indianapolis Symphony Orchestra, dem Orchester des NDR in Hamburg, dem Orchester der
Oper Paris und leitete erneut Opernvorstellungen an den Staatsopern Hamburg, München und Stuttgart, wo er die Spielzeit mit Mozarts Entführung aus dem Serail eröffnete. In Innsbruck steht er gerade bei Carl Maria von Webers Oberon am Dirigentenpult.
Er wird Siegfried an der Lettischen Nationaloper Riga dirigieren und sein Debüt in
England mit dem Bournemouth Symphony Orchestra geben.
Gemeinsam mit der jungen Trompeterin Alison Balsom eröffnet er die Heidelberger
Schlossfestspiele, zu deren Abschluss Cornelius Meister und die Heidelberger Philharmoniker Charlie Chaplins Stummfilm Modern Times in der Stadthalle begleiten werden.
31
U
Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg
Die Philharmoniker werden seit 05_06 von Generalmusikdirektor Cornelius Meister geleitet und prägen seit über hundert Jahren mit zahlreichen Opernvorstellungen und Konzerten das Musikleben der Stadt. Familienkonzerte und das Schulprojekt „Musik erleben“
bringen jungen Menschen die Musik nahe. Regelmäßig gastieren die Philharmoniker im
In- und Ausland. Zweimal wurde das Orchester mit dem Preis für das „beste Konzertprogramm“ ausgezeichnet, zuletzt 2007. Weltbekannte Dirigenten und Solisten wie Rudolf
Barschai und Gidon Kremer musizierten mit den Philharmonikern. Der ehemalige Generalmusikdirektor Mario Venzago ist seit letztem Jahr der erste Ehrendirigent des Orchesters.
Unmittelbare Vorgänger von Cornelius Meister waren Volker Christ, der viele Jahre als Kapellmeister am Haus arbeitete, und Thomas Kalb, der elf Jahre lang das Orchester leitete.
32
Besetzung
1. Violine
2. Violine
Viola
Thierry Stöckel, 1. Konzertmeister
Eleonora Plotkina
Marianne Venzago
Isabel Schneider
Nicole Streichardt
Andreas Bartsch
Mayumi Hasegawa
Lucian Derendorf
Horst Düker
Lisa Nielsson
Ludwig Dieckmann
Thomas Wolf
Joachim Groebke
Rie Tanaka
Christoff Schlesinger
Mahasti Kamdar
Janetta Grichtchouk
Elsabe Marquardt
Tetsuya Mogitate
Lilija Kissler
Brad Johnson1
Caroline Korn
Erich Kammerer
Anne Johnson
Gabriele Köller
Ge Liu
Friderike Hager
Soyoka Mizobuchi1
1
Carolin Johnson
Rahel Wittiber
33
Violoncello
Flöte
Klarinette
Reimund Korupp
Yvonne Anselment
Sascha Stinner
Hans Schafft
Katharina Lorenzen
Viktor Perchyk2
Christian Delacroix
Konrad Metz
Heribert Eckert
Xing Qing1
Oboe
Fagott
Katrin Heintze
Matthias Friederich
Hitomi Wilkening
Christine Bender
Sophia Brenneke
Sandra Seibold
Gerhard Mährlein
Christoph Habicht
Kontrabass
Michael Schneider
Thomas Acker
Michael Feiertag
Georgi Berov
34
Horn
Posaune
Harfe
Moritz Hildebrand
Melanie Lüghausen
Walli Kossakowski
Bernd Frelet
Damian Schneider
Joachim Schlaak
Marek Janicki
Judit Tigyi
Pauke
Trompete
Klaus Wissler
Fred Frick
Robert Schweizer
Schlagzeug
Martin Hommel
Peter Klinkenberg
Gregory Riffel
1
Praktikant/in
2
Stipendiat/in der Orchesterakademie Rhein-Neckar
35
Impressum
Nachweise
Herausgeber: Theater und Philharmonisches
Nicht namentlich gekennzeichnete Texte sind
Orchester der Stadt Heidelberg
Originalbeiträge von Olaf A. Schmitt.
Intendant: Peter Spuhler
Verwaltungsleiterin: Andrea Bopp
Zoltán Kodály: Die ungarische Volksmusik,
Redaktion: Olaf A. Schmitt
Budapest 1956
Gestaltung: atelier september
Theodor W. Adorno: Beethoven. Philosophie
Herstellung: abcdruck GmbH, Heidelberg
der Musik, Frankfurt am Main 2004
Anzeigen: Greilich / Neutard
Internet:www.heidelberger-philharmoniker.de
www.theaterheidelberg.de
Theater und Philharmonisches Orchester
der Stadt Heidelberg
07_08, Programmheft Nr. 23
Unsere nächsten Konzerte
8. Philharmonisches Konzert
6. Familienkonzert
Fauré m Pelléas et Mélisande, Suite
,
Chausson m Poème de l amour et de la mer
Berlioz m Symphonie fantastique
Sopran m Larissa Krokhina
Dirigent m Shao-Chia Lü
Ferdinand der Stier
07.05., 20.00- ca. 22.00, Stadthalle
01.06., 11.30- ca. 12.15, Städtische Bühne
19.15 Werk-Einführung
4. Kammerkonzert
Mozart m Klavierquartette g-Moll & Es-Dur
Klavier m Arnold Werner-Jensen
Violine m Thierry Stöckel
Viola m Marianne Venzago
Violoncello m Reimund Korupp
18.05., 11.00- ca. 12.30, Palais Prinz Carl
in Zusammenarbeit mit dem zwinger3
Musik von Benjamin Rinnert
szenische Einrichtung m Annette Büschelberger
Dirigent m Ivo Hentschel
4. Bachchor-Konzert
Vivaldi m Gloria RV 589
Rossini m Stabat mater
Dirigent m Dietger Holm
08.06., 20.00- ca. 21.30, Peterskirche
Schalten Sie
Service-Rufnummern (kostenlos)
0800-513-5132 oder 0800-FOXCALL
0800-3 6 9 2 2 5 5
Fr
e
ied
n•
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Internet: www.foxstrom.de
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•
54095/WMXDesign/62x90
Das Ökostromangebot
der Stadtwerke Heidelberg
Handel und Vertrieb
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Im Brückenfeld 1
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Mobil: 0170-5217502
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PHILHARMONISCHE: KONZERTE
Ludwigshafen, BASF-Feierabendhaus
Mo 7. April 2008, 20.00 Uhr
Renaud Capuçon Violine
Jac van Steen Dirigent
Igor Strawinsky Scherzo à la Russe
Peter I. Tschaikowsky Violinkonzert D-Dur op. 35
Sergej Prokofjew Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100
MANNHEIMER MEISTERKONZERTE
Mannheim, Congress Center Rosengarten
Sa 12. April 2008, 20.00 Uhr
Isabelle Faust Violine
Ari Rasilainen Dirigent
Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzert A-Dur
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 6 A-Dur
Tickets 0621 10 10 11 I www.staatsphilharmonie.de
R E C H TS A N WÄ LT E
Dr. Klaus Zimmermann
Wirtschafts- u. Technologierecht
Gesellschaftsrecht
Eberhard Gretz
Vertragsrecht, Technologierecht
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Fachanwältin für Familienrecht
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