Von der 0. bis zur 10. Wege zu Beethovens Symphonien Sonderausstellung im Beethoven-Haus Bonn 7. September 2008 bis 15. Januar 2009 Beethovens neun Symphonien gehören schon seit 200 Jahren zum Kernrepertoire des Konzertwesens. Die Ausstellung will diesen Kosmos aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Von einem frühen und einem späten Anlauf zu zwei unvollendeten Symphonien, über das Feilen am bereits fertig gestellten Werk, über Metronomangaben und einen Einblick in die damalige Dirigierpraxis, über merkantile Aspekte, über Bearbeitungen für kammermusikalische Besetzungen bzw. Klavier, bis hin zur Rezeption der Symphonien in der bildenden Kunst reicht das weit gefächerte Spektrum. In der Ausstellung sind neben einschlägigen Objekten aus diesen Themenbereichen Zimelien wie das Autograph der 6. Symphonie aber auch Neuerwerbungen wie die Erstausgabe in Stimmen der 7. Symphonie zu sehen. Raum 7 (1. Stock) Vitrine 1: Beethoven hatte sich bereits als 17-jähriger mit dem Gedanken getragen, eine erste Symphonie zu schreiben. In den Jahren 1794-1796 hat er dann umfangreiche Skizzen und Entwürfe niedergeschrieben, von denen er aber nur das Thema des 1. Satzes nun für das Finale seiner im Jahre 1800 uraufgeführten 1. Symphonie op. 21 übernahm. Ansonsten war Beethoven in der Zwischenzeit als Komponist weiter fortgeschritten und empfand sich selbst als reif, ein eigenständiges Werk in dieser Königsdisziplin schaffen zu können. Ab 1822 arbeitete er an einer 10. Symphonie, wie an zwei Skizzenblättern unterschiedlicher Ausprägung abzulesen ist. Einmal erstellte der Komponist in Worten einen Überblicksplan über zwei neue, von der Philharmonic Society in London bestellte Symphonien, das andere Mal hat er musikalische Ideen in Noten niedergeschrieben. Vitrine 2: Beethoven gehörte zu den zu seinen Lebzeiten wenigen Komponisten, die lange an einem Werk gefeilt haben und sich der Massenproduktion verweigerten, die für einen freischaffenden Komponisten durchaus lukrativ gewesen wäre. An insgesamt vier Schlussfassungen des 1. Satzes der 8. Symphonie sind die Entwicklungsstadien und Beethovens Weg zu einer ungewöhnlichen Lösung abzulesen, bei der in den beiden letzten Takte der Beginn des Hauptthemas im Sinne eines flüchtigen „Adieux“ noch einmal aufgegriffen wird. Zu sehen ist die 1. Fassung in einer Übertragung, die zweite in Beethovens Originalhandschrift und die letzte Fassung, wie sie die Erstausgabe der Partitur zeigt. An der Wand rechts und auf der gegenüberliegenden Seite sind ausgewählte Dokumente aus der reichen Rezeption der Symphonien Beethovens in der bildenden Kunst zu sehen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts haben sich vor allem Maler und Graphiker verstärkt der Herausforderung gestellt, musikalische Ideen und Werke in bildliche Darstellungen umzusetzen, eine Folge der zunehmenden Aufwertung der Musik im Kanon der schönen Künste. So schmückten Ernst Julius Hähnel und Caspar Clemens von Zumbusch ihr Bonner bzw. Wiener Beethoven-Denkmal im Sockelbereich mit allegorischen Figuren, die Beethovens Symphonien verkörpern. Moritz von Schwind baute sein Gemälde „Eine Symphonie“ (1852) aus vier szenischen Darstellungen auf, die dem Aufbau einer klassischen Symphonie entsprechen. Ganz anders ist der Zugang des österreichischen Malers, Graphikers und Komponisten Erhard Amadeus-Dier, der seine subjektiven Empfindungen beim Hören von Beethovens 9. Symphonie in eine Darstellung münden ließ, welche die Sehnsucht des Menschen nach Erlösung zeigt. Hermann Vogel stellte Beethoven Anfang des 20. Jahrhunderts beim Komponieren der 3. Symphonie dar. Der 1948 geborene Norberto Iera schuf 1995 sein Gemälde „Pastoral Apotheose“ und setzte sich damit allegorisch mit der 6. Symphonie auseinander. Vitrine 3: Eine noch heute viel diskutierte Frage ist jene der Tempoangaben. Sie konnten zu Beethoven Lebzeiten erstmals objektiv festgelegt werden - mittels Angaben für das von Beethovens Bekanntem Johann Nepomuk Mälzel zur Serienreife entwickelte Metronom. Zu sehen ist ein Exemplar aus der Zeit um 1840, eine Leihgabe von Kurt Masur. Beethoven hat in den beiden wichtigsten Musikzeitungen 1817 und 1827 Metronomangaben zu seinen neun Symphonien nachgereicht. Sie sehen manchmal überraschend schnelle Tempi vor. Er tat dies, als seine Schwerhörigkeit bereits weit fortgeschritten war. Vitrine 4: Zu Beethovens Lebzeiten entstand nach und nach die Dirigierpraxis, die noch heute gebräuchlich ist. Lange wurde die Leitung eines Orchesters aufgeteilt zwischen dem Kapellmeister, oft der Komponist selbst, und dem Konzertmeister. Kam zusätzlich ein Chor zum Einsatz, so wurde dieser von einem Subdirigenten gestützt, der am Klavier begleitete. Wie man aus der Aufstellung einer von 590 Musikern bestrittenen Aufführung von Händels „Timotheus“ („Alexanderschlacht oder Die Gewalt der Musik“) ersehen kann, stand in Wien der Chor das ganze 19. Jahrhundert vor dem Orchester, der Hauptdirigent hatte manchmal (in der Oper und in der Kirchenmusik immer) das Orchester im Rücken. Im vorliegenden Fall ist das Orchester in mehrere Gruppen aufgesplittert, die Gesangssolisten vorne wurden von einem nur einfach besetzten Ensemble in unmittelbarer Nähe begleitet. Ein Teil der Orchestermusiker schaute in Richtung Publikum, andere direkt in Richtung des „Direktor des Ganzen“. Die Streicher in der Mitte, die ganz hinten postierten Blechbläser und das Schlagzeug hatten einen zusätzlichen „Subdirektor“. Die Aufstellung von Chor und Orchester (letzteres eine geschlossene Gruppe) beim Niederrheinischen Musikfest in Düsseldorf im Jahre 1818, wo Haydns Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“ erklangen, entspricht hingegen heutigen Gepflogenheiten. Allerdings gab es auch hier ein separates kleines Orchester für die Begleitung der Gesangssolisten. Insgesamt musizierten 200 Mitwirkende für 650 Zuhörer, von denen sich 310 mit einem Stehplatz zufrieden geben mussten. Vitrine 5: Seine immer komplexere Orchestermusik führte beim Komponisten selbst zum Wunsch, der Originalverleger möge eine Partiturausgabe seiner 3. Symphonie herausgeben. Das war damals noch ungebräuchlich. Während der Originalverleger Beethovens im Brief vom 26. August 1804 geäußerten Wunsch nicht erfüllte, veröffentlichten zwei italienische Musiker fünf Jahre später in London ohne Beteiligung des Komponisten die ersten Partiturausgaben von seinen Symphonien. Nur auf diese Weise war es möglich, ein Werk eingehend studieren und auch dirigieren zu können. Erst gut zehn Jahre später (zuerst für die 7. Symphonie) erschien gleichzeitig mit dem Stimmenmaterial, aus dem musiziert wurde, auch eine Partitur. Die vom Komponisten korrigierte Partiturabschrift von „Meeresstille und glückliche Fahrt“ für gemischten Chor und Orchester enthält die einzige eigenhändige Dirigieranweisung Beethovens: „Nb: bey diesem ersten Tempo hebe der Kapellmeister beym Taktgeben die Hand so niedrig als möglich auf # außer beym Forte – beym ersten Takt etwas höher beym 2ten u 3ten schon nachlaßend u. beym 4ten wieder ganz die unmerklichste Bewegung # Nicht mit dem Mindesten Geraüsch verbunden sondern mit aüßerster Stille“. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass es damals nicht ungewöhnlich war, das Tempo durch das Aufschlagen eines Stabs oder durch Stampfen mit dem Bein laut und vernehmlich vorzugeben. Vitrine 6: Dank der Unterstützung der Sparkasse KölnBonn und des Landes Nordrhein-Westfalen konnten jüngst die wertvollen und sehr seltenen Erstausgaben in Stimmen der 7. Symphonie und der Schlachtensymphonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ erworben werden. Die Schlachtensymphonie war zu seiner Zeit das erfolgreichste Werk Beethovens überhaupt, sowohl in Wien, als dann ab 1815 auch in England, wo es im Theatre Royal Drury Lane fortwährend mit riesigem Erfolg aufgeführt wurde. Beide Symphonien waren am 8. Dezember 1813 in einem von Mälzel und Beethoven veranstalteten Wohltätigkeitskonzert uraufgeführt worden. Vitrine 7: Als freischaffender Komponist war für Beethoven der Erfolg seiner Symphonien auch in finanzieller Hinsicht wichtig. Die Quittung über den Erhalt des stattlichen Honorars in Höhe von 100 Golddukaten, die er vom Verleger Gottfried Christoph Härtel im September 1808 u.a. für die 5. und 6. Symphonie erhielt, war daher ein besonders erfreulicher Anblick für den Komponisten. Für den Verleger war es wiederum wichtig, mit der Eigentumsbestätigung belegen zu können, dass er die Rechte an den Werken erworben hatte. Sieben Jahre später bestätigte Beethoven dem Wiener Verleger Sigmund Anton Steiner das Eigentum u.a. an der 7. und 8. Symphonie. Für 13 Werke erhielt der Komponist insgesamt 250 Dukaten, das Jahresgehalt eines mittleren Beamten bzw. das Zweifache seiner eigenen jährlichen Mietkosten. Es handelte sich allerdings um Einmalhonorare. Die Vorlage für die Drucklegung der 7. Symphonie war die Abschrift, die Anton Diabelli, damals noch Mitarbeiter des Verlages Steiner, mit großer Sorgfalt erstellt hatte. Er verfasste nicht nur das Thema zu den nach ihm benannten Diabelli-Variationen, sondern war selbst ein sehr produktiver und durchaus qualitätsvoller Komponist. Auf den beiden Blättern aus einem Konversationsheft, das der schwerhörige Beethoven für Gespräche verwendete, diktierte er seinem Neffen ein halbes Jahr vor seinem Tod einen Entwurf für ein Schreiben an den preußischen König Friedrich Wilhelm III., dem er die 9. Symphonie widmete. „Euer Majestät! Es macht ein großes Glück meines Lebens aus, daß E.[ure] M.[ajestät] gnädigst erlaubt [haben] ihnen gegenwärtiges Werk ergebenst zueignen zu dürfen. E.M. sind nicht bloß Vater HöchstIhrer Unterthanen, sondern auch der Künste u. Wissenschaften; und um wie viel mehr muß mich also Ihre gnädigste Erlaubniß erfreuen, da ich selbst so glücklich bin, mich, als Bürger von Bonn, unter Ihre Unterthanen zu zählen. Ich bitte E.M. dieses Werk als ein geringes Zeichen der hohen Verehrung allergnädigst anzunehmen, die ich Ihren Tugenden zolle.“ Natürlich erhoffte er sich auch ein wertvolles Geschenk bzw. einen hohen Orden. Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Hingegen hatte Beethoven wichtige Zusatzeinnahmen, wenn er ein Werk zuerst exklusiv einem adeligen Gönner übergab und diesem das Werk widmete wie im Falle der 4. Symphonie dem schlesischen Grafen von Oppersdorff. Vitrine 8: Hier können Sie ein eindrucksvolles Skizzenblatt zum letzten Satz der 6. Symphonie sowie einen Brief an den Verleger dieses Werkes sehen: „Hier erhalten sie die kleinen Verbesserungen in den Sinfonien – laßen sie sie ja gleich in den [Druck-]Plat[t]en verbessern – Der Titel der Sinfonie in F ist: Pastoral-Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben, Mehr Ausdruck der Em[p]findung als Mahlerey“. Das wertvollste Stück der Ausstellung ist die vollständige eigenhändige Partitur dieses alle ähnliche Vertonungen anderer Komponisten weit überragenden Meisterwerkes. Raum 12 (am Ende des Rundgangs im Erdgeschoss): Vitrine 1: Symphonien erklangen zu Beethovens Lebzeiten und bis weit in das 19. Jahrhundert hinein überwiegend in Bearbeitungen für kammermusikalische Besetzungen oder für Klavier. Nur eine Klaviertrio-Bearbeitung der 2. Symphonie erschien unter Beethovens Namen beim Originalverleger, ansonsten erstellten bekannte Komponisten wie Beethovens Schüler Carl Czerny bzw. Johann Nepomuk Hummel, Tobias Haslinger oder Franz Liszt diese Bearbeitungen. Liszts Übertragung der 9. Symphonie für zwei Klaviere fordert die Virtuosität der Interpreten aufs Äußerste. Viele einfachere Klavierbearbeitungen wurden im heimischen Wohnzimmer auf Instrumenten wie dem nebenstehenden cabinet piano des englischen Klavierbauers Thomas Broadwood gespielt. Vitrine 2: Mit der zunehmenden Ausprägung eines bürgerlichen Musiklebens wurden auch größere Konzerträume genutzt. Was im 18. Jahrhundert in den relativ kompakten Musiksälen der Adelspalais einer kleinen Schar von Zuhörern vorbehalten blieb, erklang nun vor einer großen Menschenmenge in stattlichen Sälen und Theatern. Alle drei wichtigen Theater Wiens, das Burgtheater (siehe auch das Plakat der Uraufführung der 1. Symphonie an der Wand), das Kärntnertortheater sowie das Theater an der Wien erlebten Uraufführungen von Symphonien Beethovens. Im Kärntnertortheater erklang am 7. Mai 1824 erstmals die monumentale 9. Symphonie. Dafür wurde eigens auf der Bühne eine Tribüne für die Musiker aufgebaut. Von diesem Werk sind Skizzen zu sehen, die Beethoven aus Sparsamkeit auf freien Stellen eines bereits anderweitig genutzten Notenpapiers notierte sowie eine Partitur der erst kurz vor der ersten Aufführung erweiterten Stimmen der drei Posaunen. Die Korrekturliste hat Beethoven 1825 nach England geschickt, um für die englische Erstaufführung für fehlerfreies Notenmaterial zu sorgen. Im anschließenden Vortragssaal erklingt einschlägige Musik zur Sonderausstellung. Zur Ausstellung ist eine Begleitpublikation erschienen, die im Museumsshop erhältlich ist. N.K./M.L. Beethoven-Haus Bonn Bonngasse 20 D-53111 Bonn www.beethoven-haus-bonn.de Verworfener Schluss des 1. Satzes von Beethovens 8. Symphonie op. 93