10. Symphoniekonzert - Staatskapelle Dresden

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10. Symphoniekonzert
S ai s o n 2 01 3
2 014
Paavo Järvi Dirigent
Hélène Grimaud Klavier
o r ts w e c h s e l .
10. Symphoniekonzert
Sa i s o n 2 01 3
2 01 4
Unter Mitwirkung von Musikerinnen und
Musikern des Gustav Mahler Jugendorchesters
Paavo Järvi Dirigent
Hélène Grimaud Klavier
Besuchen Sie den Ort, an dem Automobilbau zu
einer perfekten Komposition wird: die Gläserne
Manufaktur von Volkswagen in Dresden.
w w w.g l a e s e r n e m a n u fa k t u r . d e
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
S onntag 11. 5 .14 11 Uhr
M ontag 12 . 5 .14 2 0 Uhr
D ienstag 13. 5 .14 2 0 Uhr
|
S emperoper D resden
10. Symphoniekonzert
Paavo Järvi
Dirigent
Hélène Grimaud
Klavier
Unter Mitwirkungen von Musikerinnen und
Musikern des Gustav Mahler Jugendorchesters
PROGR A MM
Johannes Brahms
(18 3 3 -18 9 7 )
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
1. Maestoso
2. Adagio
3. Rondo. Allegro non troppo
P a u se
Béla Bartók
(18 81-194 5)
Konzert für Orchester Sz 116
1. Introduzione. Andante non troppo – Allegro vivace – Tempo I
2. Giuoco delle coppie. Allegretto scherzando
3. Elegia. Andante, non troppo
4. Intermezzo interrotto. Allegretto
5. Finale. Pesante – Presto
Konzerte von Brahms und Bartók
Dass aus seinem Klavierspiel ein ganzes Orchester heraustöne, eilte Johan­
nes Brahms als Ruf schon früh voraus und fand in seinem ersten Klavier­
konzert exemplarische Bestätigung. Es ist, als habe Béla Bartók die sym­
phonische Idee des Brahms’schen Konzerts fortgeschrieben, indem er
gleich das gesamte Orchester und seine Stimmgruppen zu »Solisten« erkor.
Eine wunderbare Gelegenheit für eine erneute Zusammenarbeit der Säch­
sischen Staatskapelle mit Musikerinnen und Musikern des Gustav Mahler
Jugendorchesters im Rahmen der engen Kooperation beider Klangkörper.
Kosten lose Konzertein f ü hr u n g en j e w ei l s 4 5 M in u ten
vor konzert b eg inn im S emperopernke l l er
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10. SYMPHONIEKONZERT
Paavo Järvi Dirigent
F
ür Grammy-Award-Gewinner Paavo Järvi ist die aktuelle Spielzeit
die vierte als Musikdirektor des Orchestre de Paris. Mit diesem
Orchester kehrt er in dieser Saison nach Japan, Ho-Chi-Minh-Stadt,
zu den BBC Proms und zum George Enescu Festival in Buka­rest
zurück. Auch sind er und seine Musiker mit einer drei Konzerte
umfassenden Residenz im Wiener Musikverein sowie im Zuge eines Stra­
winsky-Schwerpunkts der Alten Oper in Frankfurt zu erleben. Am Beginn
der Spielzeit 2015/2016 wird Järvi den Posten des Chefdirigenten beim
NHK Symphony Orchestra in Tokio übernehmen.
Neben seiner Pariser Chefposition ist Paavo Järvi seit 2004 Künstle­
rischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie in Bremen. Gemeinsame
Höhepunkte in der aktuellen Saison sind Aufführungen von Beethovens
»Fidelio« beim Beethovenfest Bonn und in Yokohama. Darüber hinaus tritt
das Orchester unter seiner Leitung in Wien, Berlin, München, Amsterdam,
Boston, New York, Tokio, beim Schleswig-Holstein Musik Festival, beim
Festival de Lanaudière und beim Warschauer Osterfestival auf.
Mit Beginn dieser Spielzeit eröffnete Paavo Järvi ein neues Kapitel
in seiner künstlerischen Zusammenarbeit mit dem hr-Sinfonieorchester
in Frankfurt, das ihn zum Ehrendirigenten ernannte. Zuvor hatte er das
Orchester von 2006 bis 2013 höchst erfolgreich als Chefdirigent geleitet.
In der Saison 2010/2011 beendete Järvi seine zehnjährige Amtszeit als Musik­
direktor des Cincinnati Symphony Orchestra, das ihn in Anerkennung seines
Wirkens ebenfalls zum Ehrendirigenten erhob.
Einladungen als Gastdirigent führen Paavo Järvi in dieser Saison zum
Gewandhausorchester Leipzig, zu den Wiener und Münchner Philharmonikern
sowie zum Russischen Nationalorchester. An das Pult der Sächsischen Staats­
kapelle trat er in den vergangenen Jahren mehrfach: in der Semperoper sowie
bei Gastkonzerten mit der Kapelle in Deutschland und Österreich.
Seit den Anfängen seiner Karriere hat sich Paavo Järvi für estnische
Komponisten wie Arvo Pärt, Erkki-Sven Tüür, Lepo Sumera and Eduard Tubin
eingesetzt. In seinem Geburtsland wirkt Järvi als künstlerischer Berater so­
wohl des Estnischen Nationalorchesters in Tallinn als auch des Pärnu Music
Festival, bei dem er im Rahmen der Järvi Academy junge Nachwuchsdirigen­
ten fördert. 2013 wurde Paavo Järvi für seine Verdienste mit dem Orden
»White Star« von Estland geehrt.
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10. SYMPHONIEKONZERT
Hélène Grimaud Klavier
S
ie ist ein wahres Multitalent und eine faszinierende Persönlich­
keit: Hélène Grimaud hat sich nicht nur als leidenschaftliche,
hingebungsvolle Musikerin einen Namen gemacht, die ihr Instru­
ment mit poetischem Ausdruck und unvergleichlicher technischer
Kontrolle spielt. Die französische Pianistin, die als Solistin und
Kammermusikerin rund um den Globus gefragt ist, sorgt auch als erfolg­
reiche Autorin mehrerer Bücher für Aufsehen und setzt sich mit Nachdruck
für gemeinnützige Zwecke ein, u.a. gründete die engagierte Naturschütze­
rin das Wolf Conservation Center im US-Bundesstaat New York, als Mitglied
der Organisation »Musicians for Human Rights« tritt sie für Menschenrech­
te und sozialen Wandel ein.
Im vergangenen Jahr gab die in Aix-en-Provence geborene Künstle­
rin Konzerte in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxem­
bourg, der Schweiz, Russland, den USA, Brasilien, China und Japan. Dabei
trat sie u.a. mit dem London Philharmonic Orchestra, dem Philharmonia Or­
chestra, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, der Tschechischen
Philharmonie, den St. Petersburger Philharmonikern, dem Cleveland und
dem Philadelphia Orchestra sowie dem Orquestra Sinfônica do Estado de
São Paulo auf. Unmittelbar vor ihrem jetzigen Gastspiel in Dresden war sie
beim Dänischen Nationalorchester in Kopenhagen zu erleben, im weiteren
Verlauf dieser Saison konzertiert sie mit Los Angeles Philharmonic unter
Gustavo Dudamel sowie mit dem Orchestre Métropolitain in Montreal unter
Yannick Nézet-Séguin, mit dem sie sich wenig später auch beim Symphonie­
orchester des Bayerischen Rundfunks das Podium teilt.
Seit 2002 ist Hélène Grimaud, deren CD-Alben mit hochkarätigen
Auszeichnungen bedacht wurden, Exklusivkünstlerin der Deutschen
Grammophon. 2013 veröffentlichte das Label ihre Aufnahmen der beiden
Klavierkonzerte von Brahms mit Andris Nelsons und dem Symphonie­
orchester des Bayerischen Rundfunks bzw. den Wiener Philharmonikern.
Im Jahr zuvor erschien Hélène Grimauds CD »Duo«, die sie mit der Cellistin
Sol Gabetta einspielte und die mit einem »ECHO Klassik« in der Kategorie
»Kammermusik-Einspielung des Jahres« gewürdigt wurde. Mit der Säch­
sischen Staatskapelle, bei der sie bereits mehrmals gastierte, hat Hélène
Grimaud zwei Aufnahmen vorgelegt: Beethovens fünftes Klavierkonzert
unter Vladimir Jurowski (2007) sowie das Klavierkonzert von Schumann
unter Esa-Pekka Salonen (2006).
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10. SYMPHONIEKONZERT
Gustav Mahler Jugendorchester
D
as Gustav Mahler Jugendorchester (GMJO) wurde 1986/1987 auf
Initiative seines langjährigen Musikdirektors Claudio Abbado in
Wien gegründet. Neben der künstlerischen Arbeit mit dem musi­
kalischen Nachwuchs war es Claudio Abbado ein wichtiges Anlie­
gen, das gemeinsame Musizieren junger österreichischer Musiker
mit Kollegen aus der damaligen ČSSR und Ungarn zu fördern. Das GMJO hielt
als erstes Jugendorchester freie Probespiele im ehemaligen Ostblock ab, ehe
es 1992 für Musiker bis zum 26. Lebensjahr aus ganz Europa zugänglich wur­
de. Heute gilt das GMJO, das unter dem Patronat des Europarates steht, als das
weltweit führende Jugendorchester und wurde 2007 mit dem Europäischen
Orchesterpreis der Europäischen Kulturstiftung ausgezeichnet.
Bei den jährlichen Probespielen in über 25 europäischen Städten trifft
eine Jury eine Auswahl unter den jeweils über 2.500 Bewerbern. Prominente
Orchestermusiker sind Jurymitglieder und betreuen auch während der Probe­
phasen die Erarbeitung der Tournee-Programme, deren Repertoire sich von
der Klassik bis zur zeitgenössischen Musik erstreckt.
Seit seiner Gründung haben viele bedeutende Künstler mit dem GMJO
gearbeitet. Dazu zählen Dirigenten wie Claudio Abbado, Herbert Blomstedt,
Pierre Boulez, Myung-Whun Chung, Sir Colin Davis, Daniele Gatti, Bernard
Haitink, Mariss Jansons, Philippe Jordan, Ingo Metzmacher, Kent Nagano,
Jonathan Nott, Seiji Ozawa, Vladimir Jurowski, Sir Antonio Pappano und
Franz Welser-Möst, ebenso Solisten wie Martha Argerich, Lisa Batiashvili,
Chris­t ian Gerhaher, Matthias Goerne, Christa Ludwig, Susan Graham,
Thomas Hampson, Leonidas Kavakos, Evgeny Kissin, Radu Lupu, Yo-Yo Ma,
Anne-Sophie Mutter, Maxim Vengerov und Frank Peter Zimmermann.
Das GMJO ist ständiger Gast bei renommierten Konzertveranstaltern
und Festivals auf der ganzen Welt, darunter die Gesellschaft der Musik­
freunde in Wien, das Concertgebouw Amsterdam, die Semperoper Dresden,
die Salzburger Festspiele und die Osterfestspiele Salzburg, das Edinburgh
International Festival, die BBC Proms und das Lucerne Festival.
Eine intensive Partnerschaft verbindet das GMJO seit Jahren mit
der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Anlässlich seines 25-jährigen Jubi­
läums wurde das GMJO zum Botschafter von UNICEF Österreich ernannt.
Erste Bank und Vienna Insurance Group sind Partner des Gustav Mahler
Jugendorchesters.
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10. SYMPHONIEKONZERT
»DAS ZUSAMMENSPIEL IST
EIN SENSIBLER PROZESS«
Ein Interview mit Kontrabassistin
Anna Gruchmann-Bernau
Die Sächsische Staatskapelle hat nicht nur zahlreiche frühere Mitglieder des
Gustav Mahler Jugendorchesters in ihren Reihen, das Traditionsorchester aus
Sachsen und das GMJO sind seit 2008 auch durch eine enge Partnerschaft verbunden. Seither gastiert das weltweit geschätzte Jugendorchester alljährlich in
der Semper­oper, um die Konzertsaison der Staatskapelle zu eröffnen. Konzerte
in Dresden gab das GMJO in den vergangenen Jahren unter Herbert Blomstedt,
Sir Colin Davis, Daniele Gatti und Philippe Jordan. 2012 läutete ein erstes
Gemeinschaftskonzert von GMJO und Kapelle unter Vladimir Jurowski eine
noch intensivere Kooperation ein, in deren Rahmen die jungen Musikerinnen
und Musiker die Möglichkeit erhalten, bei gemeinsamen Projekten im direkten
künstlerischen Austausch vom Erfahrungsschatz ihrer älteren Kollegen zu profitieren. Wir sprachen vor den Kapell-Konzerten unter Paavo Järvi, an denen
14 Musiker des GMJO mitwirken, mit der jungen Kontrabassistin Anna Gruchmann-Bernau aus Hallwang bei Salzburg, die in Linz bei Anton Schachenhofer
studiert und seit 2013 dem renommierten Jugendorchester angehört.
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Seit 2013 Mitglied des Gustav Mahler Jugendorchesters:
die Österreicherin Anna Gruchmann-Bernau
Liebe Frau Gruchmann-Bernau, seit wann stand für Sie fest, dass Sie Musi­
kerin werden wollen?
Konkret den Gedanken gefasst, das Kontrabassspiel zu meinem Beruf zu
machen, habe ich mit 17 Jahren. Das Instrument zu erlernen begann ich erst
mit 13 Jahren. Dafür habe ich seit frühester Kindheit viel gesungen, auch in
verschiedenen Chören, und ich habe Gitarre gespielt, bis dann der Kontra­
bass immer mehr in mein Blickfeld gerückt ist. Allerdings ist für mich und
mein Musikverständnis das Singen bis heute sehr wichtig!
oft als ungewöhnlich angesehen, aber Frauen sind beim Kontrabass auf dem
»Vormarsch«, es gibt immer mehr, die dieses Instrument auch im Profibe­
reich spielen. Man muss den Bass ja auch nicht mehr allein tragen, es gibt
da ausgeklügelte Rollhilfen (lacht) …
Eine Kontrabassistin ist nicht unbedingt ganz alltäglich in einem Orches­
ter. Was hat der Kontrabass, was andere Instrumente nicht haben?
Einen sehr tiefen, weichen Klang. Damit kann ich einem Orchester ein gutes
Fundament geben. Außerdem begeistert mich die Vielseitigkeit des Kontra­
basses, er spielt in Klassik, Jazz, Volksmusik, Neuer Musik, Kammermusik
eine wichtige Rolle, er ist variabel einsetzbar, als Instrument in vielen For­
mationen möglich und interessant. Klar, dass eine Frau am Bass steht, wird
Wovon profitiert ein junger Musiker am meisten, wenn er in das Gustav
Mahler Jugendorchester aufgenommen wird? Auf welche Erfahrungen
möchten Sie nicht verzichten?
Am meisten profitiere ich von dem ernsthaften Bemühen aller, große Werke
der Konzertliteratur in möglichst hoher Qualität einzustudieren. In diesem
Zusammenhang möchte ich nicht auf die Begeisterung und Energie der
jungen Musiker dieses Orchesters verzichten. Und natürlich ist es großartig,
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10. SYMPHONIEKONZERT
Das Gemeinschaftskonzert von GMJO und Kapelle 2012 in der Frauenkirche
in den berühmtesten Konzertsälen Europas aufzutreten und mit tollen Diri­
genten und Solisten zusammenzuarbeiten, wie das beim GMJO geschieht.
Was erwarten Sie sich persönlich von dem Kooperationsprojekt mit der
Sächsischen Staatskapelle?
Ganz besonders freue ich mich, den genialen »Pianosound« der Sächsischen
Staatskapelle selbst mitgestalten zu dürfen. Zudem ist es immer ein wunder­
bares Erlebnis, die Arbeit und den Klang eines so berühmten Orchesters
näher kennenzulernen.
Wie wichtig ist für Sie Erfahrung im Vergleich zu anderen Eigenschaften
eines Musikers?
Für mich als Orchestermusikerin hat Erfahrung einen sehr hohen Stellen­wert,
weil das Zusammenspiel ein sensibler Prozess ist, der nur durch Praxis er­
lernt werden kann. Darum bin ich über solche Projekte wie dieses sehr froh.
Auf dem Programm unter Paavo Järvi stehen Konzerte von Brahms und
Bartók. Welches der beiden Werke war schwieriger vorzubereiten?
Das Konzert für Orchester von Bartók, da ich mich vorher mit seinen großen
Werken noch nicht so auseinandergesetzt habe. Die Instrumente haben bei
ihm auch eine ganz andere Funktion als bei den Klassikern oder Romanti­
kern. Der typisch großangelegte romantische Gestus wie bei Brahms ist
mir vertrauter. Auf jeden Fall freue ich mich schon sehr auf die sicher lehr­
reichen Tage in Dresden!
D ie Fr ag en stel lte Torsten B l a i c h .
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10. SYMPHONIEKONZERT
Johannes Brahms
* 7. M a i 18 3 3 in H a m b u r g
† 3. Apri l 18 9 7 in Wien
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1
d-Moll op. 15
1. Maestoso
2. Adagio
3. Rondo. Allegro non troppo
E ntsteh u n g
Besetz u n g
erste Entwürfe (als Sonate in d-Moll
Klavier solo, 2 Flöten,
für 2 Klaviere) bereits 1854 (verschol­
2 Oboen, 2 Klarinetten,
len, wohl von Brahms vernichtet),
2 Fagotte, 4 Hörner,
1855 Umarbeitungsversuch zu einer
2 Trompeten, Pauken,
Symphonie (ebenfalls verschollen),
Streicher
1856/1857 Ausarbeitung zum Klavier­
konzert in Düsseldorf und Hamburg
Dau er
ca. 45 Minuten
Ur au f f ü hr u n g
22. Januar 1859 im Königlichen Hof­
theater zu Hannover durch das König­
liche Hof-Orchester mit dem Kompo­
nisten am Klavier, Dirigent: Joseph
Joachim (nach vorangegangener
Probeaufführung am 30. März 1858
in Hannover)
14
15
»Ich versuche ja erst und
tappe noch«
Brahms’ Erstes Klavierkonzert
»I
ch sage Dir tausend Dank im voraus für diese und alle Hilfe bei
dem Werk. Ohne Dich hätte ich’s nicht gemacht«, gestand Johan­
nes Brahms seinem Freund Joseph Joachim in einem Brief vom
22. April 1857. Mit dem »Werk« war das Klavierkonzert Nr. 1 gemeint,
die erste symphonische Arbeit, die Brahms überhaupt fertigstellte
und die nach anfänglichen Versuchen aus dem Jahr 1854 bis zur mühe­
vollen Vollendung im Frühjahr 1857 mehrere grundlegende Veränderungen
erfuhr. Parallel zur Werkentstehung zählen diese Jahre auch zu den ent­
scheidendsten im Leben und in der persönlichen Entwicklung von Brahms:
Im September 1853 lernte er Robert und Clara Schumann kennen. Er be­
suchte sie in Düsseldorf, um ihnen seine ersten Klavierstücke vorzuspielen.
Die Schumanns waren tief beeindruckt vom eigenwilligen Stil und der Per­
sönlichkeit des erst 20-jährigen Komponisten, und Brahms seinerseits war
fasziniert von dem Künstlerehepaar, vor allem von Clara. Diese vermerkte
zum Besuch von Brahms in ihrem Tagebuch: »Das ist wieder einmal einer,
der kommt wie eigens von Gott gesandt!« Wenige Tage später wande sich
Robert Schumann an den Geiger Joseph Joachim: »Nun, ich glaube, Johan­
nes ist der wahre Apostel, der auch Offenbarungen schreiben wird, die viele
Pharisäer … auch nach Jahrhunderten noch nicht enträthseln werden.«
Für Schumann waren Brahms’ erste Klavierwerke zukunftsweisend,
ein Gegenpol zur »Neudeutschen Schule« um Liszt mit ihrer Vorliebe für
die Symphonische Dichtung und der Überbetonung des Virtuosentums.
Daher förderte Schumann den Nachwuchskomponisten, indem er ihn in sei­
nem Artikel »Neue Bahnen« in der »Neuen Zeitschrift für Musik« als »Be­
rufenen« titulierte, sein Klavierspiel rühmte und ihm eine große Zukunft
voraussagte: »Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die
Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen
uns noch wunderbarere Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt bevor.«
10. SYMPHONIEKONZERT
Die Aufmerksamkeit der musika­
lischen Welt war nun auf Brahms
gerichtet, auf einen jungen Kompo­
nisten, der bisher nur Kammermu­
sik geschrieben hatte und von dem
nun ein qualitätvolles, symphoni­
sches Werk erwartet wurde.
In dieser Phase begann sich
auch Brahms’ Beziehung zu Clara
Schumann zu intensivieren, die zeit
seines Lebens die beste Freundin
blieb, aber auch seine wichtigste
Beraterin und erste Kritikerin wur­
de. Robert Schumann unternahm
im Februar 1854 nach quälenden
Stimmhalluzinationen einen
Selbstmordversuch und wurde in
die Nervenheilanstalt in Endenich
eingeliefert. Brahms kümmerte sich
Johannes Brahms, um 1860
liebevoll um die schwangere Clara
und ihre sechs Kinder, lebte sogar vorübergehend mit ihnen in Schumanns
Haus in Düsseldorf. Zwei Jahre später starb Robert Schumann.
Das Meistern der »symphonischen Hürde«
All diese Ereignisse dürften den Schaffensprozess nachhaltig beeinträch­
tigt haben, jedenfalls boten sie kein Umfeld, in dem sich Brahms konzen­
triert der symphonischen Herausforderung stellen konnte. Und erst nach
Schumanns Tod vollendete er sein erstes Klavierkonzert, das zunächst als
Sonate für zwei Klaviere konzipiert worden war. Noch bevor er die Arbeit
an dieser Sonate abgeschlossen hatte, begann Brahms mit der Umformung
zu einer Symphonie, denn »eigentlich genügen mir nicht einmal zwei
Klaviere«, wie er Joseph Joachim erläuterte. Dabei unterstützte ihn sein
Freund und Komponistenkollege Julius Otto Grimm erheblich, so viel jeden­
falls, »daß ich das Gute, was sich darin vorfinden sollte, Grimm verdanke,
der mir mit dem besten Rat zur Seite stand«, so Brahms gegenüber Joa­
chim. Wenig später äußerte er sich noch deutlicher: »... von der Instrumen­
tation verstehe ich nicht einmal so viel, als im Satz zu sehen ist, das Beste
verdanke ich Grimm.« Für einen Komponisten, der derart mit Vorschuss­
lorbeeren überhäuft wurde, bedeutet solch ein Satz nicht nur eine schlichte
Feststellung vermeintlich mangelnder Fähigkeiten, hier klingen schon
eher die Beklemmung und die Befürchtung an, den Anforderungen nicht
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gewachsen zu sein. Joseph Joachim
nahm sich daraufhin seiner an.
Der berühmte Violin­
virtuose Joachim war seit 1852
»Concertmeister« (später »Concert
Director«) des Königlichen HofOrchesters in Hannover und konnte
Brahms wertvolle Erfahrungen in
der Behandlung der Streicher und
des Einsatzes der anderen Orches­
terinstrumente vermitteln. Nach
gemeinsamen – im Briefverkehr
ausgetauschten – Kontrapunkt­
studien und Fugenkompositionen
begann Brahms mit der Umformung
des Symphoniefragments zum
Klavierkonzert. Der Briefwechsel
der beiden sowie das Autograf des
Klavierkonzerts sind beredte Zeug­
nisse für die Zusammenarbeit, für
Programmzettel der Uraufführung
den Einfluss Joachims und seine
des Konzerts in Hannover, 1859
sensiblen Hilfestellungen. In den
Briefen von Brahms klingen oft Unsicherheit bezüglich der Qualität sei­
ner Arbeit wie auch aufrichtiger Dank gegenüber Joachim an. Der Ton der
Briefe Joachims ist demgegenüber feinfühlend in der Kritik am Werk wie
in den Verbesserungsvorschlägen: »Ich beschäftige mich mit Deinem Kon­
zert – aber so manche Bedenken neben herzlich sympathischem Freuen und
Bewundern kommen mir …« Joachim griff entscheidend in die Instrumen­
tierung ein, beeinflusste sogar die Satztechnik – und Brahms lernte willig.
Hinzu kommt noch etwas, was in keiner Weise unterschätzt werden darf:
Joachims Anteilnahme hat wesentlich dazu beigetragen, dass Brahms nicht
vor dem Übervater Beethoven und dem Erfolgsdruck durch Schumanns
Artikel resignierend in die Knie ging, sondern dass deren Bann gebrochen
wurde und Brahms die »symphonische Hürde« nahm.
Bereits im Kopfsatz seines ersten Orchesterwerks verarbeitet
Brahms die Themen in einer Weise, die für ihn charakteristisch ist, näm­
lich im Sinne der »entwickelnden Variation«. So tritt das wuchtige und in
sich zerrissene Hauptthema nach seinem ersten Erscheinen nie mehr in
der Urgestalt auf. Es erweckt den Eindruck, einem nicht mehr umkehr­
baren Entwicklungsprozess ausgeliefert zu sein, der in sich die Tendenz
zu steter Verdichtung und Veränderung trägt. Der Solopart hält die Waage
zwischen berückend liedhaften Passagen sowie zunehmend virtuosen und
10. SYMPHONIEKONZERT
Das Königliche Hoftheater in Hannover, in dem 1859 die Uraufführung des
Klavierkonzerts stattfand. Architekt des 1852 eingeweihten Hauses war Georg
Ludwig Friedrich Laves, der Oberhofbaudirektor des Königreichs Hannover.
Lithografie von Wilhelm Kretschmer, um 1858
Rechts:
Das Logenhaus des Theaters mit dem Vorhang von Johann Heinrich Ramberg.
Gouache von Wilhelm Kretschmer (zugeschrieben), um 1854, Fotoreproduktion
tonangeben­den Eskalationen, wie sie von einem »Concert für das Pianoforte
mit Begleitung des Orchesters« im 19. Jahrhundert auch erwartet wurden.
Dass Brahms zu Beginn des langsamen Satzes in das leere System
der Klavierstimme parallel zur Melodielinie den Text »Benedictus qui venit
in nomine Domini« notierte, war Anlass zu vielen Spekulationen, noch dazu,
weil er in einem Brief an Clara Schumann erwähnt hatte, dass er an einem
»sanften Porträt« von ihr male, »das denn Adagio werden soll«. Hierzu gibt
es verstiegene Interpretationen, die im Zitat aus dem Messordinarium einen
Ausspruch Claras vermuten. Denn immerhin bediente sie sich eines religiö­
sen Vokabulars, um das »Erscheinen« von Brahms im Schumann’schen
Hause zu beschreiben. Brahms habe nun – so eine Meinung – eine Situation
bewusst kompositorisch reflektiert, in der er als Heilsbringer der Musik be­
grüßt wurde. Kaum vorstellbar bei Brahms’ eher zurückhaltendem und be­
scheidenem Wesen. Plausibler scheint die Verbindung zu E.T.A. Hoffmanns
Roman »Lebensansichten des Katers Murr«: Das »Benedictus«-Zitat steht
auf dem Portal des Klosters, in dem der Kapellmeister Johannes Kreisler zu
sich selbst und zur Ruhe findet. Brahms kannte diesen Roman, nannte sich
18
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im Kreise seiner Freunde auch gerne Johannes Kreisler und signierte sogar
Werke mit diesem Pseudonym. In die gedruckte Partitur wollte Brahms das
Zitat jedenfalls nicht aufnehmen – ein Zeichen dafür, wie wenig wichtig es
ihm letztendlich war. Mit oder ohne poetischem »Fingerzeig« (Schumann)
spiegelt das Adagio eine fast religiöse Atmosphäre wider, die auch Joachim
wahrnahm und als »erhebende Andacht« bezeichnete.
»Ein Gespräch mit Frau Schumann brachte mich dahin«, schrieb
Joachim über das Finale des Konzerts an Brahms, »zu wünschen, Du möch­
test einen andern letzten Satz schreiben, da das Ändern oft mehr Mühe
macht als das frische Schaffen. Aber es wäre doch schade um vieles be­
deutende in dem Rondo, und vielleicht gewinnst Du’s doch über Dich, mit
erstem Ungestüm wieder hinein zu arbeiten, um die einigen Stellen neu zu
schaffen; das wäre mir lieb.« Nach Joachims Urteil überarbeitete Brahms
den Schlusssatz rigo­ros. Charakteristisch für das vom Solisten vorgestellte
wiederkehrende (Ritornell-)Thema des revidierten Rondos ist die Begleitung
der linken Hand, die einerseits an Klavierfigurationen von Bach und Händel
erinnert, andererseits dem Thema einen nervösen Puls verleiht, der sich
in der Pizzicato-Vorschrift der Streicher fortsetzt. Zu dieser komponierten
Unruhe trägt auch eine Verschleierung des Taktschwerpunkts bei: Man
glaubt anfangs, einen Auftakt zu hören. Die Irreführung des Hörers gehört
zu Brahms’ Stilmitteln, so auch, wenn er – sich gleichsam hinter der Maske
der Tradition verbergend – satztechnisch an die Vergangenheit anknüpft,
um aber sogleich wieder zu zeigen, dass er dies spielerisch seinen ureige­nen Inten­t ionen unterzuordnen weiß.
R en ate U l m
10. SYMPHONIEKONZERT
Staatskapelle
li e
HÉLÈNE GRIMAUD
BRAHMS
© DG / Mat Hennek
w w w.faceb ook .com / sta atsk a pelle.dresden
20
21
KLAVIERKONZERTE NR. 1 & 2
SYMPHONIEORC HESTER DES BAYERISC HEN
RUNDFUNKS • WIENER PHILHARMONIKER
ANDRIS NELSONS
Live: 19.06. Dortmund · 20.06. Bad Kissingen · 22.06. München
www. helenegrimaud.de
10. SYMPHONIEKONZERT
MUSIKALISCHES AbBILD DES LEBENS
BARTÓKS »Konzert für Orchester«
Béla Bartók
* 2 5 . M ä rz 18 81 im u n g a ris chen N ag yszentmik ló s
(heu te S â nni co l au M a re, R u m ä nien)
† 2 6 . S eptem b er 194 5 in N e w York
Konzert für Orchester Sz 116
1. Introduzione. Andante non troppo – Allegro vivace – Tempo I
2. Giuoco delle coppie. Allegretto scherzando
3. Elegia. Andante, non troppo
4. Intermezzo interrotto. Allegretto
5. Finale. Pesante – Presto
E ntsteh u n g
Besetz u n g
zwischen 15. August und 8. Okto­
3 Flöten (3. auch Piccoloflöte),
ber 1943 im Auftrag der Koussevitzky
3 Oboen (3. auch Englischhorn),
Music Foundation; Anfang 1945
3 Klarinetten (3. auch Bassklarinette),
Verlängerung des Finaleschlusses
3 Fagotte (3. auch Kontrafagott),
4 Hörner, 3 Trompeten,
Widm u n g
3 Posaunen, Tuba, Pauken,
Koussevitzky Music Foundation, im
Schlagzeug, 2 Harfen,
Gedenken an Natalie Koussevitzky,
Streicher
die verstorbene Gattin des Dirigenten
Dau er
Ur au f f ü hr u n g
1. Dezember 1944 in der Symphony
Hall in Boston durch das Boston Symphony Orchestra unter der Leitung
von Serge Koussevitzky
22
23
ca. 40 Minuten
I
m Oktober 1940 emigrierte Béla Bartók von Ungarn nach New York.
Nichts hielt ihn mehr in der Heimat: Der Tod der Mutter im Dezem­
ber 1939 und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatten ihn zu
der lange überlegten Entscheidung bewogen. Aber auch in der neuen
Heimat war Bartók nicht glücklich, er hatte existenzielle Sorgen. Seine
Werke wurden in den USA so gut wie nicht aufgeführt, Bartók sprach von
einer »Quasi-Boykottierung … seitens der führenden Orchester«. Dies führte
zu einer materiellen Notlage. Außerdem schritt seine schwere Krankheit
zunehmend fort; er litt an Leukämie – was ihm die Ärzte jedoch verheim­
lichten. Unter diesen schwierigen Umständen hatte er sich geschworen,
kein neues Werk mehr zu komponieren.
Dann geschah etwas völlig Unerwartetes: An einem Sommertag des
Jahres 1943 – Bartók lag zu dieser Zeit im New Yorker Doctors Hospital –
besuchte ihn Serge Koussevitzky, der damalige Musikdirektor des Boston
Symphony Orchestra, der für sein Interesse an der zeitgenössischen Musik
bekannt war. Über den Geiger Joseph Szigeti hatte er von Bartóks Notsitua­
tion erfahren und bestellte nun im Auftrag der Koussevitzky Music Founda­
tion ein neues Orchesterwerk bei ihm, das seiner kurz zuvor verstorbenen
Frau, Natalie Koussevitzky, gewidmet sein sollte. Nach einigem Zögern
willigte Bartók ein, Koussevitzky gab ihm daraufhin einen Scheck über die
Hälfte der Auftragssumme. Bartók begann fieberhaft zu arbeiten. Bereits
am 8. Oktober, während eines Sanatorium-Aufenthaltes in Saranac Lake,
schloss er die Partitur des »Concerto for Orchestra« ab. Das Werk wurde am
1. Dezember 1944 unter Serge Koussevitzky in Boston uraufgeführt, der es
begeistert als das »beste Orchesterwerk der letzten 25 Jahre« pries.
»Der Titel dieses symphonischen Orchesterwerkes findet in der
konzertierenden oder solistischen Behandlung einzelner Instrumente
oder Instrumentengruppen seine Erklärung», erläuterte Bartók den Titel
10. SYMPHONIEKONZERT
»Auch an Gelegenheit zur Ausübung von Kammermusik fehlte
es nicht, und so lernte ich bis zu
meinem 18. Jahre die Musikliteratur von Bach bis Brahms – Wagner
jedoch nur bis zum ›Tannhäuser‹ –
verhältnismäßig genügend kennen.
Inzwischen kom­ponierte ich fleißig
unter starkem Ein­flusse von Brahms
und den Jugend­werken des um vier
Jahre älteren (Ernst von) Doh­nányi,
nament­lich seines Opus 1.«
im Programmheft. »Die ›virtuose‹
Behandlung erscheint z.B. in den
Fugato-Abschnitten der Durchfüh­
rung des 1. Satzes (Blechbläser)
oder in den ›perpetuum mobile‹artigen Passagen des Hauptthemas
des letzten Satzes (Streicher), ins­
besondere aber im 2. Satz, in dem
die Instrumente jeweils paarweise
nacheinander mit brillanten Passa­
gen einsetzen.« Mit dem »konzer­
tanten« Charakter orientierte sich
Bartók an historischen Vorbildern,
Selbstbiografie von Béla Bartók
dem barocken Concerto grosso und
aus dem Jahr 1921. Die Auseinander Sinfonia concertante, was er mit
dersetzung mit Brahms’ Schaffen
der Verwendung italienischer Satz­
besaß für ihn in jungen Jahren
bezeichnungen unterstrich.
entscheidende Bedeutung. Neue
Aber auch die symphoni­
Impulse erhielt sein Komponieren
sche Tradition hinterließ in dem
1902 durch das Erlebnis des »Zara­
Werk ihre Spuren. Bartók griff auf
verschiedene, aus der Symphonik
thustra« von Richard Strauss und
später durch die Erkundung der
bekannte Satztypen zurück (Sona­
osteuropäischen Volksmusik.
tensatz, Scherzo, langsamer Satz),
allerdings erweiterte er die tradi­
tionelle Viersatzfolge um ein zweites Scherzo zur Fünfsätzigkeit. Über den
Charakter der Komposition äußerte er: »Die Grundstimmung … stellt – vom
heiteren 2. Satz abgesehen – einen allmählichen Übergang von der Strenge
des 1. und der schwermütigen Totenklage des 3. Satzes zur Lebensbejahung
des Finales dar.« Pate stand hier womöglich Beethovens fünfte Symphonie
mit ihrer »Per aspera ad astra«-Dramaturgie (»Durch Nacht zum Licht«).
Großartiges Spätwerk
Formal zeigt das »Concerto« – ganz typisch für Bartóks Stil – eine symme­
trische, bogenförmige Anlage. Im Zentrum steht der »herzzerreißende
Klagegesang« (Bartók) der »Elegia«, die von zwei »Rahmen« umgeben ist:
von den beiden Scherzosätzen mit programmatischen Titeln (Sätze 2 und 4)
und von den beiden Ecksätzen. Stilistisch machte Bartók, wie in den meisten
seiner Kompositionen, auch in diesem Werk ausgiebig Gebrauch von der
Volksmusik seiner Heimat. Im Vergleich zu früheren Werken ist dieser Ein­
fluss – bei aller Fülle des Ausdrucks – hier aber stilisierter, konzentrierter:
ein Kennzeichen von Bartóks Altersstil.
24
25
Béla Bartók in den Vereinigten Staaten, 1941
10. SYMPHONIEKONZERT
men folgen nacheinander. Sie bilden den Kern des Satzes und sind von
einem verschwommenen Gewebe gestaltenloser Motive umgeben.« (Bartók)
Der leidenschaftliche »Klagegesang« basiert im Wesentlichen auf musikali­
schem Material aus der Einleitung zum Kopfsatz. Dazu erklingen impressio­
nistische Glissandi in Harfen und Holzbläsern, mit denen Bartók bereits in
seiner Oper »Herzog Blaubarts Burg« den »Tränensee« charakterisierte.
Im vierten Satz, dem »Intermezzo interrotto« (»Unterbrochenes
Zwischenspiel«), sind die programmatischen Züge besonders ausgeprägt:
Die Holzbläser stimmen zu Beginn ein simples Serenaden-Thema an, später
folgt eine sentimentale Melodie der Streicher, die das ungarische Operet­
tenlied »Schön, wunderschön bist du, Ungarland« zitiert. Dann kommt es
zu der »Unterbrechung«: In grotesker Verzerrung bricht ein Gassenhauer
herein – ein Zitat aus Dmitri Schostakowitschs »Leningrader« Symphonie,
dem wiederum das frivole Couplet »Heut geh’ ich ins Maxim« aus Franz
Lehárs »Lustiger Witwe« zugrunde liegt. Eine ungarische Idylle wird von
der Realität überrollt. Möglicherweise spielte Bartók hier auf den Übergriff
der Faschisten auf Ungarn an …
Béla Bartók in seiner Wohnung in Budapest in den Jahren
vor seiner Emigration in die USA
Der erste Satz, die »Introduzione«, wird durch eine langsame Einleitung
eröffnet. Mehrmals steigt eine düstere Quartfolge in Celli und Kontrabässen
auf. In der Flöte erklingt eine elegische Melodie, die sich zum leidenschaft­
lichen Klagegesang des Orchestertuttis steigert. Im schnellen Hauptteil des
Satzes intonieren die Violinen ein schwungvolles Hauptthema; später tritt die
Posaune mit einem fanfarenartigen Quartthema hervor, das – wie Bartók es
schilderte – mit fugierten Einsätzen die virtuose Durchführung beherrscht.
»Giuoco delle coppie« (»Spiel der Paare«) lautet der Titel des zwei­
ten Satzes. Hier kommt es zum solistischen Musizieren einzelner Bläser­
paare, wobei das Spiel jedes einzelnen Paares durch einen eigenen Inter­
vallabstand gekennzeichnet ist: Die Fagotte musizieren in Sexten, die Oboen
in Terzen, Klarinetten in Septimen, Flöten in Quinten und die Trompeten im
Sekund-Abstand. Nach einem choralartigen Zwischenteil im Blech wieder­
holt sich das »Spiel der Paare« in angereicherter Form. Der Satz beginnt
und schließt mit dem dezenten Solo der kleinen Trommel.
Die »Elegia« an dritter Stelle führt in das formale und emotionale
Zentrum des Werkes. Hier ist »die Konstruktion … kettenartig, drei The­
26
27
Idylle und Realität
Das Finale ist ein überschwänglicher Volkstanz, wie ihn Bartók bereits an
das Ende seiner »Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta«
gestellt hatte. Nach einer Fanfare der Hörner wird eine ganze Fülle von
Themen exponiert, die Durchführung ist – wie im ersten Satz – wieder als
monumentale Fuge gestaltet. Am Ende erstrahlt das Fugenthema, wie durch
Nebel aufsteigend, triumphal in den Blechbläsern. Der ganze Satz zeugt von
jener »Lebensbejahung«, die Bartók im Voraus beschrieb. Und in der Ver­
wendung von tschechischen und rumänischen Volksmelodien brachte Bartók
außerdem seine Utopie einer Verbrüderung der Völker zum Ausdruck.
Der ungarische Bartók-Forscher György Kroó erkannte in den ein­
zelnen Sätzen des Konzerts »die verschiedenen Aspekte des Lebens – Bilder
des Kampfes, des Spiels, der Sehnsucht und der Ironie, zuletzt der Sieg oder,
da wir 1943 schreiben, die Vision einer Befreiung«. Neben dem allgemei­
nen, zeitgeschichtlichen Zusammenhang reflektierte Bartók in dem Werk
aber vermutlich auch seine ganz persönliche Situation, die gesundheitliche
Erholung, die neu aufkeimende Hoffnung. Allerdings war dieser Zustand
nur von kurzer Dauer: Einige Monate nach der Uraufführung des Konzerts,
das heute zu den beliebtesten Orchesterwerken des 20. Jahrhunderts gehört,
erlag er am 26. September 1945 im New Yorker West Side Hospital seiner
schweren Krankheit.
To b i a s N ieders ch l ag
10. SYMPHONIEKONZERT
10. Symphoniekonzert 2013 | 2014
Orchesterbesetzung
Unter Mitwirkung von Musikerinnen und Musikern
des Gustav Mahler Jugendorchesters
1. Violinen
Kai Vogler 1. Konzertmeister
Thomas Meining
Jörg Faßmann
Michael Frenzel
Johanna Mittag
Susanne Branny
Barbara Meining
Birgit Jahn
Martina Groth
Henrik Woll
Anja Krauß
Anett Baumann
Sae Shimabara
Renate Peuckert
Alexa Farré-Brandkamp
(Spanien/Deutschland)
Michail Kanatidis (Griechenland)
2. Violinen
Heinz-Dieter Richter
Konzertmeister
Matthias Meißner
Annette Thiem
Olaf-Torsten Spies
Mechthild von Ryssel
Kay Mitzscherling
Martin Fraustadt
Johanna Fuchs
Paige Kearl
Janosch Armer **
Rudolf Conrad *
Steffen Gaitzsch *
Anne-Catherine Eibel (Frankreich)
Leticia Herranz Rubio (Spanien)
28
29
Bratschen
Volker Sprenger * S o lo
Andreas Schreiber
Anya Muminovich
Michael Horwath
Uwe Jahn
Ralf Dietze
Zsuzsanna Schmidt-Antal
Claudia Briesenick
Susanne Neuhaus
Milan Líkař
Marie-Louise de Jong (Niederlande)
Lourenço Macedo Sampaio (Portugal)
Violoncelli
Simon Kalbhenn S o lo
Martin Jungnickel
Uwe Kroggel
Matthias Schreiber *
Andreas Priebst
Johann-Christoph Schulze
Jakob Andert
Anke Heyn
Dorran Alibaud (Frankreich)
Moritz Weigert (Deutschland)
Kontrabässe
Martin Knauer S o lo
Petr Popelka
Helmut Branny
Fred Weiche
Reimond Püschel
Thomas Grosche
Harald Winkler *
Anna Gruchmann-Bernau (Österreich)
Flöten
Rozália Szabó S o lo
Dóra Varga
Diego Aceña Moreno (Spanien)
Oboen
Céline Moinet S o lo
Sibylle Schreiber
Michael Goldammer
Klarinetten
Wolfram Große S o lo
Jan Seifert
Jernej Albreht (Slowenien)
Fagotte
Erik Reike S o lo
Andreas Börtitz
Maria José Rielo Blanco (Spanien)
Posaunen
Uwe Voigt S o lo
Guido Ulfig
Michael Böhm (Österreich)
Tuba
Hans-Werner Liemen S o lo
Pauken
Bernhard Schmidt S o lo
Schlagzeug
Jakob Eschenburg **
Harfen
Vicky Müller S o lo
Clara Bellegarde (Frankreich)
Hörner
Jochen Ubbelohde S o lo
Harald Heim
Miklós Takács
Marie-Luise Kahle **
Trompeten
Tobias Willner S o lo
Volker Stegmann
Sven Barnkoth
K u rsi v:
M itg l ieder des G u stav M a h l er
J u g endor chesters
* a l s G a st
** A l s Ak a demist/ in
10. SYMPHONIEKONZERT
Vorschau
Konzerte zum 150. Geburtstag
von Richard Strauss
4. Aufführungsabend
D onnerstag 15 . 5 .14 2 0 U H R | S E M P ER O P ER
Christian Thielemann Dirigent
Richard Strauss
Serenade op. 7 für 13 Blasinstrumente
Sonatine Nr. 1 für 16 Blasinstrumente »Aus der Werkstatt des Invaliden«
»Metamorphosen«, Studie für 23 Solostreicher
11. Symphoniekonzert
1 9. –2 1
S onntag 8 . 6 .14 11 Uhr | M ontag 9. 6 .14 2 0 Uhr | S emperoper
4
.9.2 0 1
Christian Thielemann Dirigent
Anja Harteros Sopran
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Wolfgang Rihm
»Ernster Gesang« für Orchester (1996)
Richard Strauss
»Letzte Lieder«: »Frühling«, »September«,
»Beim Schlafengehen«, »Im Abendrot«,
»Malven«, Orchesterfassung von Wolfgang Rihm (2013),
Auftragswerk der Osterfestspiele Salzburg und der Sächsischen Staatskapelle
»Eine Alpensinfonie« op. 64
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In K o o si sc h e n St
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Sonderkonzert am 150. Geburtstag
von Richard Strauss
M itt wo ch 11. 6 .14 2 0 Uhr | S emperoper
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Christian Thielemann Dirigent
Christine Goerke Sopran
Anja Harteros Sopran
Camilla Nylund Sopran
Richard Strauss
Auszüge aus den Dresdner Uraufführungsopern »Feuersnot«, »Salome«,
»Elektra«, »Der Rosenkavalier«, »Intermezzo«, »Die ägyptische Helena«,
»Arabella«, »Die schweigsame Frau« und »Daphne«
10. SYMPHONIEKONZERT
I mpress u m
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Künstlerische Leitung/
Orchesterdirektion
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© Mai 2014
R eda ktion
Dr. Torsten Blaich
Gesta lt u n g u nd L ayo u t
schech.net
Strategie. Kommunikation. Design.
Druck
Union Druckerei Dresden GmbH
Anzei g en v ertrie b
EVENT MODULE DRESDEN GmbH
i.A. der Moderne Zeiten Medien GmbH
Telefon: 0351/25 00 670
e-Mail: [email protected]
www.kulturwerbung-dresden.de
Bi l dn ac h w eis
Julia Bayer (S. 5); Mat Hennek/Deutsche
Grammophon (S. 6); Cosimo Filippini (S. 8);
Matthias Creutziger (S. 11, 12); Christiane
Jacobsen: Johannes Brahms, Leben und Werk,
Hamburg 1983 (S. 16); Theatermuseum und
-archiv der Niedersächsischen Staatstheater
Hannover (S. 17); Historisches Museum Han­
nover (S. 18, 19); Ferenc Bónis: Béla Bartóks
Leben in Bildern, Budapest 1964 (S. 25); Bartók
Archives, Institute for Musicology, Research
Centre for the Humanities of the Hungarian
Academy of Sciences, mit freundlicher Geneh­
migung von Gábor Vásárhelyi (S. 26).
T e x tn ac h w eis
Der Einführungstext von Dr. Renate Ulm er­
schien erstmals in den Programmheften des
Symphonieorchesters des Bayerischen Rund­
funks in der Saison 1996/1997. Der Text von
Tobias Niederschlag ist ein Originalbeitrag für
die Sächsische Staatskapelle und wurde in der
Spielzeit 2003/2004 erstveröffentlicht.
Juliane Stansch
Persönliche Referentin
von Christian Thielemann
♣♠♥♦♦
♣ ♠ ♥♦♦
Jan Nast
Orchesterdirektor
Tobias Niederschlag
Konzertdramaturg,
Künstlerische Planung
Dr. Torsten Blaich
Programmheftredaktion,
Konzerteinführungen
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♣
H er au s g e b er
Christian Thielemann
Chefdirigent
♣
Spielzeit 2013 | 2014
♥♥
♠
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
♣
♣
♣♣ ♠♠
♥♥
♦♦
♥ ♦♦ ♣♣
♠
♥
♠
Bube, Dame, König, Strauss!
Z u m
1 5 0 . G e b u r t s t a g
v o n
R i c h a r d
S t r a u s s
Matthias Claudi
PR und Marketing
Agnes Monreal
Assistentin des Orchesterdirektors
Sarah Niebergall
Orchesterdisponentin
Matthias Gries
Orchesterinspizient
Agnes Thiel
Mathias Ludewig
Dieter Rettig
Notenbibliothek
Eine außergewöhnliche Ausstellung über
Richard Strauss und seine Dresdner Uraufführungen,
zu sehen in den Foyers der Semperoper.
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht
werden konnten, werden wegen nachträglicher
Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus
urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
w w w. sta atsk a pe l l e - dresden . de
PA R T N E R D E R S E M P E R O P E R U N D
D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
Semperoper
Dresden
32
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
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