• • Thich Nhat Hanh: Das Herz des Kosmos. Die Weisheit des Lotus-Sutra. Aus dem Amerikanischen von Renate FitzRoy. Freiburg u.a.: Herder 2005, 284 S., Register Thich Nhat Hanh: Versöhnung beginnt im Herzen. Einander zuhören – Feindschaft überwinden. Aus dem Amerikanischen von Renate FitzRoy. Freiburg u.a.: Herder 190 S. Ein Buch über die Grundlagen des Buddhismus Im Band 4 unserer Reihe Religionen im Gespräch (RIG 4, 1996): Wertewandel und religiöse Umbrüche hatten wir bereits eine ganze Reihe der Bücher von Thich Nhat Hanh besprochen (aaO S. 601-606). Im Frühjahr 2005 fanden wir es wichtig, auf eine Art Grundlagenwerk des vietnamesischen Mönchs und spirituellen Leiters von Plum Village in Südfrankreich auf unserer Rezensionseite (www.interrel.de) hinzuweisen: Thich Nhat Hanh: Das Herz von Buddhas Lehre. Leiden verwandeln – die Praxis des glücklichen Lebens. Freiburg u.a.: Herder 1999, 288 S. und unverändert als Herder spektrum Band 4512 im Jahre 2004 erneut aufgelegt. Dort ging es darum, das Grundmuster buddhistischen Lebensstiles zu verdeutlichen (an den vier edlen Wahrheiten und dem achtfachen Pfad), und zwar im Verstehen und Realisierung von Leiden und Glück im alltäglichen Leben. Letztlich kann nichts und niemand einen Menschen hindern, das Leben im Hier und Jetzt zu erfassen und angesichts des Kosmos Freude zu empfinden, schließlich auch die Widerstände im eigenen Selbst zusammenbrechen und Heilung möglich wird. Die zwei neuen, hier anzuzeigenden Bände gehen wiederum in das Zentrum buddhistischen Lebensverständnisses. Das liegt zum einen an der Bedeutung des Lotus-Sutra für den gesamten MahayanaBuddhismus („das große Fahrzeug“) und zum andern durch die dortige Betonung von Versöhnung und Harmonie. Das zweite Buch über die Versöhnung im Herzen ist sozusagen eine Konkretion des Lotus-Sutra unter den Bedingungen einer von Konflikten geladenen Welt. Von der Weisheit des Lotus-Sutra Bei Thich Nhat Hanhs Auslegung des Lotus-Sutra, das in seiner jetzigen Form etwa im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden sein dürfte, geht es einerseits um Ereignisse und Bedeutsamkeit der Reden – sozusagen dem Leben des historischen Buddha zugeordnet, auf der anderen Seite geht es um den Transzendenzbezug des Dharma, der Buddha-Lehre, d.h. die Zuordnung geschieht auf das Nirvana hin, dort, wo nichts mehr weht. Darum schreibt Thich Nhat Hanh auch, dass mit dem Lotus-Sutra das Herz sich dem Kosmos öffnen kann und jeder letztlich ein Buddha, ein Erleuchteter werden kann. Die im Sutra versammelten Texte machen das an Reden, besonderen Ereignissen, Gleichnissen (z.B. das des „verlorenen Sohnes“, S. 53ff) deutlich. Wie schnell die alltägliche Dimension sich transzendent verändert, erfährt der Leser im sog. 2. Teil (ab S. 87), der Geschichte von der Erscheinung des mit Juwelen besetzten Stupa vor Buddha und seiner Mönchsgemeinde deutlich (S. 90ff). Durch eine solche konkrete Geschichte (und im Lotus-Sutra sind einige davon) gewinnen die weiteren mehr theoretischen Texte des Lotus-Sutra eine weitere Erhellung, so dass die immanente und die transzendentale Dimension oft genug ineinander übergehen. Die Buddhaschaft erreichen ist eines: Erleuchtung aber nicht für sich selbst behalten, sondern um der anderen willen aufgeben, das ist das andere. Auf diese Weise kann Thich Nhat Hanh sehr schön den Bodhisattva-Gedanken erläutern. Am Bodhisattva Avalokiteshvara (der Bodhisattva des Mitgefühls, der auch als Verkörperung des universalen Tors bezeichnet wird) lässt sich eine Praxis lernen, die fähig ist, „tiefer zu schauen, um zu verstehen. Das Verstehen lässt in unseren Herzen Mitgefühl entstehen, damit wir wissen, wie wir helfen können“ (S. 183). Letztlich geht es immer wieder um die Qualität unseres Da-Seins, um aus Ruhe und Freude heraus, diese Qualitäten an unsere Umgebung weiter zu geben (vgl. S. 144). Wenn das Tor zum Handeln durch die erworbene innere Geisteshaltung geöffnet ist, kommen Herzensweite (S. 247ff) und ethisch orientierte Tatkraft (S. 241ff, 251ff) in eine Balance, die den Respekt und die Demut bis in äußere Gesten hinein kultiviert, was Thich Nhat Hanh mit den sechs Paramitas (= Tugenden der Buddhaschaft) erläutert. Übungen zur Versöhnung Wenn man so will, kann man sagen, dass Thich Nhat Hanhs „Versöhnungsbuch“ auf diesen Lotus-SutraErläuterungen direkt aufbaut: hier werden ganz bewusst kleine, unscheinbare Erlebnisse zum Ort tiefer spiritueller Erfahrung. Zugleich zeigt der Meister, wie auf diese Weise auch in Situationen und Gegenden brisanten Konflikts der Same des Friedens gelegt werden kann, z.B. beim Engagement für Bootsflüchlinge auf dem Chinesischen Meer oder in der Begegnung von Israelis und Palästinensern in Plum Village. Thich Nhat Hanh, der mit diesem Buch auch immer wieder Ereignisse aus seinem Lebensabschnitt in Vietnam beibringt (von der französischen Kolonialherrschaft, über den Sieg des Kommunismus in Nordvietnam und die traumatisierenden Erlebnisse des Vietnamkrieges) setzt seine aus dem gelebten Buddhismus geschöpfte Lebensweise so konkret um, dass er regelrechte Friedensverträge für die in den Retreats zusammen kommenden Menschen entwirft (S. 173ff). Diese Verträge können darüber hinaus verfeindeten Menschen und Gruppen eine Hilfe sein, um aus der im Herzen vollzogenen Versöhnung wirklich Frieden zu stiften. Dazu bedarf es der Übungen der Achtsamkeit: Achtsames Gehen (bekannt sind die Gehmeditationen oft an den Brennpunkten des Konflikts und der Macht), achtsames Essen, tiefes Zuhören sowie liebevolle Rede, Tiefenentspannung, aktiver und nun be-friedeter Neubeginn und kontinuerliches Sichern des „Erreichten“ durch die fünf Übungen der Achtsamkeit, um dadurch Leiden zu überwinden (S. 185-187). Es verwundert nicht, dass die Bücher des so bescheiden auftretenden Mönches so große Wirkungen erzielen. Zum einen nehmen sie ein Bedürfnis des heutigen Menschen nach Frieden und Harmonie auf und bieten damit konkrete Handlungsanweisung auf einer spirituellen Grundlage, die einem offen ausgelegten Buddhismus verpflichte ist, aber nicht bestimmte Dogmen als ethische Voraussetzung braucht. Suchende Menschen fühlen sich durch solche Überlegungen „aufgehoben“: „Wir besitzen nicht immer die Weisheit Buddhas, Gottes, Allahs, 1 Mohammeds oder Jesu. Darum ist es so wichtig, achtsames Atmen, achtsames Gehen und Tiefenentspannung zu praktizieren. Nur so können wir uns unseres Leidens, unserer Wut und unserer Furcht annehmen. Ohne diese Praxis kommen wir nicht weit“ (S. 13). Erst wer so mit sich selbst „ins Reine“ gekommen ist, kann liebevoll auf andere Menschen zugehen und dem Frieden eine Tür öffnen. Thich Nhat Hanhs Bücher machen nachdenklich und zeigen gleichzeitig an, wie die Begegnung mit dem „Herz“ einer Religion Versöhnung stiftende Kraft freisetzt. Darum lohnt es sich, Bücher wie dieses durchaus auch als Vademecum zu lesen. Reinhard Kirste (30.11.05) Thich Nhat Hanh: Das Herz von Buddhas Lehre. Leiden verwandeln – die Praxis des glücklichen Lebens. Freiburg u.a.: Herder 1999, 288 S. Mit einfühlsamer Sprache stellt sich der Autor die Frage, wie ein Mensch das, was er erkennt, auch in die eigene Praxis gewillt ist, umzusetzen. Die Betrachtung buddhistischer Tradition ist der Ausgangspunkt des persönlichen Übungsweges, damit die Lehren des Buddhas über Transformation und Heilung in der täglichen Praxis umgesetzt werden können. Dieser Weg bedeutet für den Autor, den Buddha in sich zu berühren. Das führt dazu, die Ganzheitlichkeit der Anweisungen Buddhas auf ihren praktischen Wert zu überprüfen und dann in kleinen Schritten im eigenen Alltag zu übernehmen und auszuführen. Dieser Übungsweg wird in diesem Buch anhand der buddhistischen Lehre beschrieben: 1. 2. 3. 4. Die Vier edlen Wahrheiten Der Edle Achtfache Pfad Weitere grundlegende buddhistische Lehren Lehrreden Es geht in der buddhistischen Praxis nicht nur darum, sich dem Leid dieser Welt zu stellen, sondern auch der Freude und dem Glück Eingang in das eigene Herz zu gewähren. Freude stellt sich nicht erst dann ein, wenn das Leid vollständig überwunden, verwandelt und in das eigene Selbst integriert ist. Es gibt kein Hindernis, das einem Menschen den Weg verwehren würde, das Leben im gegenwärtigen Augenblick zu erfassen und sich an der Schönheit der Natur zu erfreuen. Thich Nhat Hanh spricht in diesem Zusammenhang von Berührung, mit dem Widerstände im Selbst abgebaut werden können. Er schreibt: „Wie können wir aufhören mit diesem Zustand der Unruhe? Wie können wir unserer Angst, Verzweiflung, Wut und Gier Einhalt gebieten? Wir können das, indem wir uns darin üben, achtsam zu atmen, achtsam zu gehen, achtsam zu lächeln und tief zu schauen, um Verstehen zu erlangen. Wenn wir achtsam sind und den gegenwärtigen Augenblick tief berühren, entfalten sich Verstehen und Liebe in uns; es entwickelt sich Bereitschaft, die Dinge anzunehmen, wie sie sind, und wir verspüren den Wunsch, Leiden zu lindern und Freude zu schenken.“ (30 f.) Im Vordergrund seiner Betrachtungen steht die Heilung des Menschen im Kontext achtsamer Wahrnehmung. Voraussetzungen dafür sind Aufhören mit den Gewohnheiten im Denken und in reflexhaftem Handeln, langsamem Zur-Ruhe-kommen aller alltäglichen Tätigkeiten in der Meditation und heilsames Ruhen im Körper und Geist. Mit den im Buch angeführten Beispielen gibt er Perspektiven an, die für den interessierten Leser von Bedeutung sein können (wie Gewalt in Schulen, Haltung der Politiker, Leben in der Familie, Aufhören mit belastenden Gewohnheiten). Für mich hat die Lektüre dieses Buches zu einem fruchtbaren Einblick in die konkrete buddhistische Praxis des Autors geführt, von der ich manches lernen kann. Mir persönlich sind jene Textstellen wichtig geworden, die ein tieferes Verständnis meiner Gedanken und Emotionen ermöglichen, was diese mit mir machen und wie ich lernen kann, mit diesen Energien Tag für Tag konstruktiv umzugehen. Peter Wevelsiep, Schwerte (23.02.05) Rezens/rzThich.doc, aktualisiert, 16.12.07 Vgl. Reinhard Kirste, Rz-Thich-Buddha, bearbeitet 04.05.09 2