Messung der Driftgeschwindigkeit von Elektronen in Gasen

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Messung der Driftgeschwindigkeit von
Elektronen in Gasen
Diplomarbeit
von
Thomas Berghöfer
Institut für Experimentelle Kernphysik
Universität Karlsruhe (TH)
und
Institut für Kernphysik
Forschungszentrum Karlsruhe
in der Helmholtz-Gemeinschaft
1. Juli 2002
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1
1 Theorie
1.1 Funktionsweise einer Driftkammer . . . . .
1.1.1 Energieverlust geladener Teilchen .
1.1.2 Statistik von Ionisationsprozessen .
1.2 Elektronendrift und Diffusion . . . . . . .
1.2.1 Diffusion . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.2 Drift und Beweglichkeit . . . . . .
1.3 Transporttheorie . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Das Simulationsprogramm MAGBOLTZ
1.5 Einflüsse auf das Driftverhalten . . . . . .
1.5.1 Druck . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5.2 Temperatur . . . . . . . . . . . . .
1.5.3 Magnetfelder . . . . . . . . . . . .
1.5.4 Verunreinigungen . . . . . . . . . .
1.6 Gasverstärkung und Signalbildung . . . . .
1.7 Zählgase und Quencher . . . . . . . . . . .
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2
2
2
6
8
8
11
14
17
17
17
17
19
20
21
24
2 Aufbau der Meßvorrichtung
2.1 Die Driftkammer . . . .
2.1.1 Gehäuse . . . . .
2.1.2 Driftstrecke . . .
2.1.3 Signaldraht . . .
2.2 Optisches System . . . .
2.3 Die Ausleseelektronik . .
2.4 Die Datennahmesoftware
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27
27
27
29
30
31
32
34
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und Methan
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36
36
46
49
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3 Ergebnisse
3.1 Systematiken . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Fehlerbetrachtung . . . . . . . . . . .
3.2 Argon-Kohlendioxid . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Verschiedene Mischungsverhältnisse von Argon
Zusammenfassung
62
Literaturverzeichnis
63
i
ii
Einleitung
In der Detektorentwicklung für die Hochenergiephysik wurden in den letzten Jahrzehnten
Fortschritte erzielt, die man zu einem nicht unwesentlichen Teil dem besseren Verständnis von
Transportmechanismen geladener Teilchen in Gasen verdankt. Insbesondere für die Entwicklung neuer Driftkammern und die Verbesserung ihrer Ortsauflösung ist es entscheidend, das
Drift- und Diffusionsverhalten von Elektronen und Ionen in Gasen sowie deren Gemischen
möglichst genau zu kennen. Je nach experimenteller Zielsetzung ist es dabei von Interesse,
Gase mit möglichst großer Driftgeschwindigkeit, kleinen Diffusionskoeffizienten, passenden
Gasverstärkungen etc. zu finden. Die Konstruktion immer komplexerer Detektorsysteme,
welche für den Dauerbetrieb von mehreren Jahren konzipiert wurden, machte es zudem erforderlich, Untersuchungen des Alterungsverhaltens von Driftkammern in Abhängigkeit von
der verwendeten Gasmischung anzustellen. Die Entwicklung geeigneter Simulationsprogramme hat diese Suche in den letzten Jahren erheblich erleichtert, weil hiermit das Verhalten
einer Gaskomposition mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden kann.
Auf der experimentellen Seite sorgte vor allem die kommerzielle Verfügbarkeit von UV-Lasern
für eine deutlich höhere Genauigkeit der Messungen. In früheren Experimenten erreichte man
die Erzeugung freier Elektronen meist durch Ionisation des Zählgases durch Gammastrahlung
radioaktiver Präparate, durch Photoemission von Elektronen aus einer Metallplatte oder man
benutzte direkt eine Betaquelle. Der Vorteil der Laserionisation gegenüber diesen Verfahren
ist eine wesentlich genauere Kenntnis des Ionisationsortes und Ionisationszeitpunktes.
Die Entwicklung einer Meßvorrichtung, welche auf dem Prinzip der Laserionisation beruht,
die Programmierung einer geeigneten Datennahmesoftware und die Durchführung von Messungen der Driftgeschwindigkeit verschiedener Gasmischungen sind Thema dieser Diplomarbeit. Auf die Untersuchung der Auswirkungen zugeschalteter Magnetfelder und die Temperaturabhängigkeit der Driftgeschwindigkeit wird im Rahmen dieser Diplomarbeit verzichtet,
weil sie im späteren Praktikumsbetrieb, für den diese Apparatur gebaut wird, aufgrund ihrer
technischen Anforderungen und des begrenzten Zeitrahmens des Praktikums nicht zu realisieren wäre. Es wird jedoch der Vollständigkeit halber in dieser Diplomarbeit kurz auf die
Einflüsse dieser beiden Faktoren eingegangen.
1
1 Theorie
1.1 Funktionsweise einer Driftkammer
Driftkammern bilden in der heutigen Hochenergiephysik oft den zentralen Bestandteil komplexer Detektorsysteme die es erlauben, die Flugbahn ionisierender Teilchen zu rekonstruieren. Sie beruhen auf dem Prinzip, daß die entlang der Trajektorie eines geladenen Teilchens
durch Ionisation freigesetzten Elektronen unter Einluß eines elektrischen Feldes zu einem
Signaldraht driften, wo sie dann nachgewiesen werden. Aus der Driftzeit läßt sich dann auf
den Abstand zum Signaldraht und somit auf den Ort ihrer Entstehung schließen. Um eine
dreidimensionale Rekonstruktion der Flugbahn zu bekommen, sind mehrere Lagen solcher
Signaldrähte in der Driftkammer notwendig. Für die vollständige Spurrekonstruktion ist es
außerdem noch erforderlich, die Durchgangszeit des Teilchens durch die Kammer zu bestimmen. Daher sind oft zusätzlich noch um den Detektor angeordnete Triggersysteme notwendig,
welche z.B. aus einer Lage schneller Plastikszintillatoren bestehen.
Im folgenden Abschnitt wird auf die physikalischen Prozesse, die das Verhalten einer solchen
Driftkammer bestimmen, eingegangen.
1.1.1 Energieverlust geladener Teilchen
Beim Durchqueren von Materie, also z.B. eines mit Gas gefüllten Detektorvolumens, können
geladene Teilchen auf unterschiedliche Art und Weise Energie verlieren. Dazu zählen:
• Inelastische Stöße mit den Hüllenelektronen
• Elastische Stöße mit den Atomkernen
• Bremsstrahlung
• Cerenkov-Strahlung und Übergangsstrahlung
• Kernreaktionen
2
In Gasen wird der Hauptanteil des Energieverlustes durch Ionisations- und Anregungsprozesse hervorgerufen, weswegen die übrigen Beiträge für den Betrieb einer Driftkammer
keine Rolle spielen. Bei den inelastischen Stößen kommt es entweder zur Anregung von
Hüllenelektronen oder zur Ionisation des Atoms. War der Energieübertrag dabei so groß,
daß das dabei herausgeschlagene Elektron genügend Energie mitbekommt, um seinerseits
weitere Atome zu ionisieren, so spricht man von δ-Elektronen. Entlang der Trajektorie eines
solchen Elektrons entstehen dann Cluster von im Mittel 3 Elektronen (für typische Kammergase mit hohem Argonanteil).
Der mittlere Energieverlust dE/dx, den ein geladenes Teilchen pro Massenbelegung
dx = % · ds erleidet, wird von der Bethe-Bloch-Formel beschrieben [Gru93]:
dE
δ
2me c2 γ 2 β 2
2
2
2 2Z 1
−β −
.
−
= 4πNA re me c z
ln
dx
A β2
I
2
(1.1)
Dabei bezeichnet
z
- Ladung des einfallenden Teilchens (in Einheiten von e)
Z, A - Kernladungszahl und Massenzahl des Absorbermaterials
me
- Elektronmasse
re
- klassischer Elektronenradius (re =
NA
- Avogadro-Konstante ( = 6.022 · 1023 Mol−1 )
I
- mittleres Ionisationspotential (materialspezifisch)
β
- Verhältnis von Teilchengeschwindigkeit zu Lichtgeschwindigkeit (β = vc )
γ
- Lorentzfaktor (γ = √ 1
δ
- Korrekturterm, der Abschirmeffekte durch die Hüllenelektronen
1−β 2
1
4πε0
·
e2
)
me c 2
)
berücksichtigt (auch ’Dichte-Effekt’ genannt).
Die Ersetzung der zurückgelegten Wegstrecke ds durch die Massenbelegung dx = ρ · ds
ist gebräuchlich, weil in diesem Fall der Energieverlust eine universelle Funktion der Geschwindigkeit des Teilchens ist. Der minimale Energieverlust liegt für alle Materialen (außer
Wasserstoff) zwischen 1 und 2 MeV g−1 cm−2 .
Abbildung 1.1 zeigt den typischen Verlauf des Energieverlustes eines Teilchens in Abhängigkeit vom Lorentzfaktor γ, normiert auf den minimalen Energieverlust (dE/dx)min . Teilchen,
deren Lorentzfaktor etwa im Bereich des Minimums dieser Funktion liegt, nennt man
minimalionisierend.
3
Abbildung 1.1: Auf den minimalen Energieverlust normierter mittlerer Energieverlust durch Anregung und Ionisation nach Bethe-Bloch in Abhängigkeit vom Lorentzfaktor der einfallenden Teilchen.
Der mittlere Energieverlust ist materialabhängig, weil
• Das mittlere Ionisationspotential I eine für das Absorbermatrial charakteristische Größe
ist, wobei für Z > 1 gilt:
I ≈ 16 · Z 0.9 eV
(1.2)
• Die Art der molekularen Bindung der Absorberatome Einfluß auf das mittlere Ionisationspotential hat
• Die Dichte des Materials und das Verhältnis von Kernladung und Atommasse
(Z/A ≈ 0.5 für die meisten Stoffe) in die Gleichung eingehen.
Formel (1.1) gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Masse der Hüllenelektronen
klein gegen die Masse des ionisierenden Teilchens ist. Sind die einfallenden Teilchen Elektronen, so muß diese etwas modifiziert werden, um die Massengleichheit der Stoßpartner und
Energieverluste durch Bremsstrahlungsprozesse zu berücksichtigen. Für den Ionisationsverlust von Elektronen gilt dann näherungsweise:
γme c2
δ∗
dE
2
2Z 1
2
= 4πNA re me c
ln
−β −
.
(1.3)
−
dx
A β2
2I
2
δ ∗ berücksichtigt dabei, daß der Dichte-Effekt für Elektronen andere Werte annimmt, als der
für schwerere Teilchen.
Die Bethe-Bloch-Formel gibt allerdings nur den mittleren Energieverlust geladener Teilchen
an. Die Energieverlustverteilung weist jedoch, besonders bei dünnen Absorberschichten und
4
Gasen, eine starke Schwankung um diesen Mittelwert auf. Für diesen Fall kann sie durch die
Landau-Verteilung beschrieben werden. Diese kann approximiert werden durch [Gru93]:
1
− 1 (λ + eλ )
.
L(λ) = √ · e 2
2π
(1.4)
Der Parameter λ bezeichnet hierbei die Abweichung vom wahrscheinlichsten Energieverlust:
λ=
∆E − ∆EW
.
ξ
(1.5)
∆E ist der Energieverlust in der Schichtdicke x und ∆EW der wahrscheinlichste Energieverlust.
ξ ist definiert als
ξ = 2πNA re2 me c2 z 2
Z 1
· ρx .
A β2
(1.6)
Dabei steht x für die Dicke des Absorbers und ρ für dessen Dichte in g/cm3 .
Abbildung 1.2: Landauverteilung mit eigezeichnetem wahrscheinlichsten Eneregieverlust ∆E W
und mittlerem Energieverlust ∆E.
Wie man erkennt, ist die Energieverteilung asymmetrisch, der Mittelwert ∆E der Verteilung
und der wahrscheinlichste Wert ∆EW weichen voneinander ab.
Für dicke Absorberschichten verschwindet der Ausläufer in der Landauverteilung immer
mehr und die Energieverlustverteilung kann durch eine Gaußverteilung beschrieben werden.
5
1.1.2 Statistik von Ionisationsprozessen
Die Energie, welche bei der Ionisation durch ein geladenes Teilchen auf das dabei erzeugte
Elektron-Ion-Paar übertragen wird, ist poissonverteilt. Dies beruht darauf, daß der Energieverlust in einem Medium ein statistischer Prozeß diskreter Wechselwirkungen zwischen
ionisierendem Teilchen und Absorberatomen ist. Die Poissonverteilung gilt aber nur für Detektoranordnungen, bei denen die Energie des nachzuweisenden Teilchen nicht vollständig
absorbiert wird. Falls dies jedoch der Fall sein sollte, ist die Annahme einer Poissonverteilung
der signalbildenden Wechselwirkungen nicht mehr richtig. Zurückzuführen ist das darauf, daß
die totale deponierte Energie in diesem Fall konstant ist, wohingegen sie im Fall der nicht
vollständigen Absorption statistisch verteilt ist. Die einzelnen Ionisationsvorgänge sind daher nicht mehr unabhängig voneinander, weswegen die Poisson-Statistik nicht angewendet
werden kann. Die Varianz σ dieser Verteilung ist daher auch nicht durch
σ2 = N
(1.7)
gegeben, was dem poissonverteilten Fall entsprechen würde, sondern durch
σ2 = F N .
(1.8)
N steht in diesem Fall für die Anzahl der im Mittel erzeugten Ladungsträgerpaare und F
ist ein materialabhängige Größe, die Fano-Faktor genannt wird [Leo87].
Für F = 1 ist die Varianz dieselbe wie für den poissonverteilten Fall. Bei vielen Detektortypen, wie z.B. Halbleiter- oder Gasdetektoren, gilt jedoch F < 1, was sich natürlich auch auf
das Auflösungsvermögen
dieser Detektoren günstig auswirkt. Dieses ist dann nämlich um
√
den Faktor F besser, als für Poisson-Fluktuationen.
Die mittlere Energie, die aufgebracht werden muß, um in einem Gas ein Elektron-Ion-Paar
zu erzeugen, liegt meistens höher als das mittlere Ionisationspotential des Gases.
Dem liegt zu Grunde, daß ein Teil der Energie durch Anregungsprozesse, die nicht zur Freisetzung eines Elektrons führen, verlorengeht. Wie man Tabelle 1.1 entnehmen kann, liegt
der Energieverlust Wi bei der Produktion eines Elektron-Ion-Paares für einige Gase zum
Teil doppelt so hoch wie das mittlere effektive Ionisationspotential (pro Hüllenelektron) des
betreffenden Gases.
Wie man sieht, beträgt der minimale zur Ionisation führende Energieverlust bei Gasen etwa
30 eV. Die Gesamtzahl nt der durch den Energieverlust erzeugten Elektron-Ion-Paare setzt
sich aus zwei Anteilen zusammen: der Zahl np der primär erzeugten Paare und aus ns , der
Zahl der Paare, die durch Sekundärionisation entstanden sind. Diese wird verursacht durch
Elektronen, die bei der Primärionisation genügend Energie erhalten haben, um selbst weitere
Ionisationsprozesse auszulösen. Die Sekundärionisation durch ein Elektron hält so lange an,
bis seine Energie unter die für Ionisation des Mediums notwendige Mindestenergie gefallen
ist.
6
Gas
Z
A
ρ (g/cm3 )
H2
2
2
8.38 · 10−5
He
2
4
Ne
10
20.2
Ar
18
39.9
Kr
36
83.8
Xe
54 131.3
CO2
22
44
CH4
10
16
1.66 · 10−4
8, 38 · 10−4
1.66 · 10−3
3.49 · 10−3
5.49 · 10−3
1.86 · 10−3
6.70 · 10−4
I0 [eV] Wi [eV]
np [1/cm]
nt [1/cm]
15.4
37
5.2
9.2
24.6
41
5.9
7.8
21.6
36
12
39
15.8
26
29.4
94
14.0
24
(22)
192
12.1
22
44
307
13.7
33
(34)
91
13.1
28
16
53
Tabelle 1.1: Charakteristika oft benutzter Gase in Ionisationskammern. ρ = Dichte bei Normaldruck und Normaltemperatur, I0 = mittleres Ionisationspotential, W i = mittlerer zur Erzeugung
eines Elektron-Ion-Paares notwendiger Energieverlust, n p = Anzahl primär gebildeter Ionenpaare,
nt = Anzahl gesamter gebildeter Ionenpaare (jeweils bei Normaldruck und für ein minimalionisierendes Teilchen) (nach [Sau77]).
Für Gasgemische kann die Gesamtzahl nt dabei durch folgende Formel beschrieben werden:
nt = ∆E
X ci
,
Wi
i
(1.9)
wobei ∆E den Gesamtenergieverlust in dem betrachteten Gasvolumen, Wi die durchschnittlich aufzuwendende Energie zur Erzeugung eines Elektron-Ion-Paares und ci die Konzentration der i-ten Komponente des Absorbermaterials bezeichnet.
Für die Zahl der primär erzeugten Paare existiert kein einfacher Ausdruck wie (1.9). Man
hat aber herausgefunden, daß für die meisten Gasarten ein linearer Zusammenhang zwischen
mittlerer Ordnungszahl Z des Gases und der durchschnittlichen Anzahl np der primären
Paare besteht. Anhand Abbildung 1.3 (linkes Teilbild) kann dann np für eine bestimmte
Gasart abgeschätzt werden.
Die Abhängigkeit von der mittleren Kernladungszahl ist hier durch np = 1.5 · Z angenähert.
Die Anzahl der gesamten gebildeten Ionenpaare nt läßt sich ebenfalls näherungsweise durch
einen linearen Zusammenhang der Form nt = 4.5 · Z beschreiben, wie man dem rechten
Teilbild von Abbildung 1.3 entnehmen kann. Somit werden im Mittel pro primär erzeugtem
Elektron-Ion-Paar 3 sekundäre Paare gebildet.
7
100
nt (Ionenpaare / cm)
np (Ionenpaare / cm)
45
C2H5OH
40
35
Ar
30
25
O2
20
80
O2
60
CH4
40
CH4
N2
Ne
15
Ne
10
20
He
5
0
CO2
Ar
np = 1.5.Z
H2
0
nt = 4.5.Z
H2
He
10
20
30
0
mittlere Kernladungszahl Z
0
10
20
30
mittlere Kernladungszahl Z
Abbildung 1.3: Linkes Teilbild: Mittlere Anzahl primär gebildeter Ionenpaare np pro cm Wegstrecke in Abhängigkeit von der Kernladungszahl Z. Die Anzahl kann näherungsweise durch
np = 1.5 · Z beschrieben werden. Rechtes Teilbild: Gesamtzahl pro cm Wegstrecke gebildeter
Ionenpaare nt in Abhängigkeit von der Kernladungszahl. Die Abhängigkeit läßt sich durch einen
linearen Zusammenhang der Form nt = 4.5 · Z beschreiben (nach Tabelle 1.1 und [Sau77]).
1.2 Elektronendrift und Diffusion
Durch relativ einfache Überlegungen, die im wesentlichen auf der klassischen kinetischen
Gastheorie beruhen, lassen sich die beiden Phänomene, auf denen der Transport von Elektronen und Ionen in Gasen vornehmlich beruht, schon größtenteils erklären, auch wenn die
Meßergebnisse mit den von der Theorie vorhergesagten Werten oft nur näherungsweise übereinstimmen. Bei diesen beiden Phänomenen handelt es sich um die Diffusion und Drift unter
dem Einfluß eines elektrischen Feldes. Die klassische Theorie kann verwendet werden, wenn
die mittlere freie Weglänge der Elektronen sehr viel größer als deren Comptonwellenlänge
ist.
1.2.1 Diffusion
Elektronen in einem Gas der Temperatur T , welche z.B. beim Durchgang eines geladenen
Teilchens durch das Gas oder Ionisation durch einen hochenergetischen Laserstrahl erzeugt
wurden, verlieren durch Stoßprozesse mit den sie umgebenden Gasmolekülen rasch einen
Teil ihrer Energie, bis sie thermalisiert sind. Die Energie der Elektronen kann in diesem Fall
durch eine Maxwell-Boltzmann’sche Verteilungsfunktion F (ε) beschrieben werden:
√ −ε
(1.10)
F (ε)dε = C ε e kT dε .
8
Daraus ergibt sich eine mittlere kinetische Energie (’thermische Energie’) von
< ε >=
Z∞
εF (ε)dε ,
(1.11)
0
was dem Gleichverteilungssatz zufolge gerade einer Energie von 23 kT entspricht. Bei Raumtemperatur wären das etwa 40 meV.
Die zugehörige Geschwindigkeitsverteilung sieht dann folgendermaßen aus:
2
m 3/2
− mv
2kT
.
F (v) = 4πv
e
2πkT
2
(1.12)
Hieraus läßt sich nun die mittlere Teilchengeschwindigkeit c sowie die wahrscheinlichste Geschwindigkeit c∗ berechnen:
r
2kT
dF (v)
∗
=0
(1.13)
c =
aus
m
dv


r
Z∞
8kT
2
c=
(1.14)
= √ c∗ = 1.128 c∗ aus c = vF (v)dv  .
πm
π
0
Diese Geschwindigkeiten unterscheiden sich von der quadratisch gemittelten Geschwindigkeit
v, welche sich aus der Beziehung zwischen kinetischer Energie und mittlerer thermischer
Energie ergibt:
r
1
3
3kT
m < v >2 = kT ⇒ v =
= 1.225 c∗ .
(1.15)
2
2
m
Aufgrund dieser ungerichteten Bewegung, der Brown’schen Molekularbewegung“, diffun”
diert nun eine Ladungsverteilung in den sie umgebenden Raum, wobei der Ladungsschwerpunkt erhalten bleibt.
Es kann gezeigt werden, daß die Anzahldichte N der Ladungsträger durch eine zerfließende Gaußverteilung beschrieben werden kann, welche in eindimensionaler Darstellung zum
Zeitpunkt t von folgender Gestalt ist:
2
dN
N0
−x
=√
e 4Dt .
dx
4πDt
(1.16)
N0 bezeichnet hierbei die Gesamtzahl an Ladungsträgern, x den Abstand vom Ursprung und
D den sogenannten Diffusionskoeffizienten.
Die Standardabweichung in x-Richtung beträgt für diese Verteilung somit
√
σx = 2Dt .
(1.17)
9
√
Die räumliche Ausdehnung der Ladungswolke ist folglich proportional zu t, nimmt also
monoton mit der Zeit zu. Der Diffusionskoeffizient hängt dabei von der Temperatur des
Gases bzw. der mittleren thermischen Geschwindigkeit der Teilchen und weiterhin von ihrer
Masse ab. Mit steigender Geschwindigkeit steigt der Diffusionskoeffizient dabei an und √
mit
zunehmender Masse der Teilchen nimmt er ab, da die thermische Geschwindigkeit ∼ 1/ m
ist.
Der Diffusionskoeffizient hängt mit der mittleren freien Weglänge λ über
1
D = λv
3
(1.18)
zusammen. Die mittlere freie Weglänge kann man hierbei als Radius einer Kugel interpretieren, auf deren Oberfläche die Teilchen nach ihrer Erzeugung im Mittel zum ersten Mal mit
einem Gasmolekül zusammenstoßen. Für Elektronen ist die mittlere freie Weglänge etwa vier
mal so groß wie für Ionen. Sie hängt außerdem vom Streuquerschnitt σ(ε) der betreffenden
Teilchen, der im Allgemeinen energieabhängig ist, und der Anzahldichte N der Gasmoleküle
in dem betreffenden Volumen ab:
λ(ε) =
1
,
N σ(ε)
N=
NL ρ
A
(NL : Loschmidtzahl, A : M olmasse) .
(1.19)
Für Edelgase bei Normalbedingungen ist N = 2.69·1019 Moleküle/cm3 . Der Streuquerschnitt
für Stöße zwischen Elektronen und Edelgasatomen liegt dabei je nach Elektronenenergie weit
unter dem klassisch erwarteten gaskinetischen Wert. Dies beruht darauf, daß bei bestimmten Elektronenenergien die Wellenlänge der Elektronen im Bereich der Abmessungen des
Atompotentials liegt, und die Atome dadurch beruhend auf einem quantenmechanischen
Interferenzeffekt (Resonanzstreuung) für die stoßenden Elektronen praktisch ’durchsichtig’
werden. Der Streuquerschnitt sinkt infolgedessen um bis zu zwei Größenordnungen ab. Der
Effekt heißt nach seinem Entdecker, der dies 1921 zum ersten mal durch Streuung langsamer
Elektronen an Edelgasatomen nachwies, Ramsauereffekt. Abbildung 1.4 zeigt den Verlauf
des elastischen Streuquerschnitts von Elektronen für die drei Edelgase Helium, Argon und
Xenon als Funktion ihrer kinetischen Energie. Wie man erkennen kann, besitzt Helium kein
Ramsauerminimum, während die beiden Minima für Argon und Xenon gut zu erkennen sind.
Die mittlere freie Weglänge hängt mit dem Streuquerschnitt über
1
1
λ= √ N
2 ( V )σ0
(1.20)
zusammen, was sich mittels der idealen Gasgleichung auch als
1 kT
λ= √
2 σ0 p
schreiben läßt. σ0 ist hier der totale Streuquerschnitt.
10
(1.21)
Sigma [ 10-16 cm2 ]
10
10
10
10
10
3
Argon
Xenon
Helium
2
1
0
-1
10
-3
10
-2
10
-1
10
0
10
1
10
2
Elektronenergie [eV]
Abbildung 1.4: Abhängigkeit des elastischen Streuquerschnitts von der Elektronenergie für die
drei Edelgase Helium, Argon und Xenon (nach [Hux74]).
Unter Verwendung von (1.14), (1.18) und (1.20) läßt sich der Diffusionskoeffizient somit
schreiben als
r
(kT )3
2 1
D= √
,
(1.22)
3 π pσ0
m
woraus die Abhängigkeit von den verschiedenen Gasparametern klar abzulesen ist.
Ergänzend ist zu bemerken, daß der Diffusionskoeffizient durch ein äußeres elektrisches Feld
~ beeinflußt wird und von dessen Orientierung abhängt, so daß im Allgemeinen D ~ 6= D ~
E
⊥E
kE
ist und man prinzipiell zwischen longitudinalem und transversalem Diffusionskoeffizienten
unterscheidet. Die transversale Diffusion ist hierbei der begrenzende Faktor für das Ortsauflösungsvermögen einer Driftkammer. Um eine möglichst hohe Ortsauflösung zu erreichen,
wählt man in der Praxis daher Gasgemische, welche im gewünschten Feldstärkebereich eine
möglichst geringe Transversaldiffusion besitzen. Außerdem arbeitet man meist bei Drücken
zwischen 2 und 8 bar, weil sich der Diffusionskoeffizient, wie man Gleichung (1.22) entnehmen
kann, mit steigendem Druck verkleinert.
1.2.2 Drift und Beweglichkeit
Unter dem Einfluß elektrischer Felder ergibt sich eine Superposition von ungeordneter Diffusionsbewegung und geordneter Bewegung in Richtung des angelegten Feldes (bzw. entgegengesetzt, je nach Vorzeichen der Ladung). Die folgenden Überlegungen beziehen sich alle
auf Elektronen, können aber ohne weiteres auch auf Ionen übertragen werden.
11
In einem einfachen Modell, das vornehmlich auf den Überlegungen von J. Townsend beruht
[Tow47], kann man die Anzahl der Kollisionen, welche ein Elektron beim Zurücklegen der
Strecke dx erleidet, beschreiben durch
dn =
1
vD τ
dx ,
(1.23)
wobei v D die mittlere Driftgeschwindigkeit und τ die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen
bezeichnet. Die sogenannte Kollisionsrate τ1 ist mit der Teilchenzahldichte N , dem Streuquerschnitt σ und der momentanen Elektronengeschwindigkeit w über folgende Relation
verknüpft:
1
= N σw .
(1.24)
τ
Die differenzielle Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron seine nächste Kollision im Zeitintervall
zwischen t und t + dt erleidet, ist definiert als
dP =
1 −t/τ
e
dt .
τ
(1.25)
Das Elektron wird nun zwischen zwei Stößen gemäß der Bewegungsgleichung
m
dv
= eE ,
dt
(1.26)
beschleunigt, woraus sich eine Weg-Zeit-Gesetz der Form
x(t) =
1 e 2
Et
2m
(1.27)
ergibt. Die mittlere zurückgelegte Wegstrecke erhält man somit durch Mittelung von x(t)
über die Zeit und unter Verwendung der Kollisionswahrscheinlichkeit (1.25) zu
< x >=
Z∞
e
1 e 2 1 −t/τ
Et e
dt = Eτ 2 .
2m
τ
m
(1.28)
0
Die gemittelte Driftgeschwindigkeit ist dann
< vD >=
<x>
e
= Eτ = µE ,
τ
m
(1.29)
wobei µ für die Beweglichkeit der Elektronen steht. Diese hängt gemäß der sogenannten
Nernst-Townsend-Beziehung, welche in der Literatur auch oft als Einstein-Gleichung bezeichnet wird, mit dem Diffusionskoeffizienten D wie folgt zusammen:
e
µ
=
.
D
kT
(1.30)
Die Formel wurde 1899 von Townsend, basierend auf den Maxwell’schen Transportgleichungen und Vorüberlegungen von W. Nernst, hergeleitet und gilt nur für ideale Gase, die sich
mit den in ihnen bewegenden Ladungsträgern im thermischen Gleichgewicht befinden.
12
Weil τ umgekehrt proportional zur Dichte des Gases ist, gilt somit für die Driftgeschwindigkeit:
E
vD ∼
P : Gasdruck .
(1.31)
P
Man gibt daher die Driftgeschwindigkeit üblicherweise in folgender Form an:
vD = µE
P0
.
P
(1.32)
Die Beweglichkeit µ ist dabei bezogen auf den Normaldruck P0 . Die Driftgeschwindigkeit wird
daher oft gegen das sogenannte ’reduzierte elektrische Feld’ E/P (Einheit V cm −1 hPa−1 )
oder auch gegen E/N (Einheit 1 Td(T ownsend) = 10−17 Vcm2 ) aufgetragen, da sie mit
diesen Größen skaliert.
Die Gesamtenergie ε eines Elektrons setzt sich zusammen aus dessen thermischer Energie
und dem Energiegewinn εE im elektrischen Feld :
ε =
3
mw 2
= εE + kT .
2
2
(1.33)
Stellt sich ein Gleichgewicht zwischen dem Energieverlust der Elektronen durch Stöße mit den
Gasatomen und ihrem Energiegewinn im elektrischen Feld ein, so ergibt sich, bei konstanter
Feldstärke und Druck, eine konstante Driftgeschwindigkeit.
Mit Kenntnis der Driftgeschwindigkeit der Elektronen und der Zeit, welche diese vom Ort
der Primärionisation (zum Zeitpunkt t0 ) bis zum Ort ihres Nachweises (zum Zeitpunkt t1 )
benötigt haben, kann man nun natürlich auch umgekehrt den zugehörigen Abstand x berechnen:
Zt1
x =
vDrif t (E, t) dt .
(1.34)
t0
Dieser Zusammenhang wird auch Orts-Driftzeit-Beziehung genannt und ist besonders für die
Spurrekonstruktion in Driftkammern wichtig. In den meisten Gasen ist die Driftgeschwindigkeit jedoch nicht konstant, weswegen man eine nichtlineare Orts-Driftzeit-Beziehung erhält.
Für Ionen kann analog zu obigen Überlegungen natürlich auch eine Driftgeschwindigkeit
definiert werden:
P0
+
vD
= µ+ E
,
(1.35)
P
mit µ+ , der Beweglichkeit der Ionen. Diese ist verglichen mit Elektronen bei einem Feld von
z.B. 1 kV/cm etwa 1000 mal so klein.
In Tabelle (1.2.2) sind einige Zahlenbeispiele für die Beweglichkeiten einiger positiver Ionen
in verschiedenen Gasen angegeben.
13
Gas
Ion
µ+ (cm2 V−1 s−1 )
Ar
(OCH3 )2 CH2+
1.51
Iso C4 H10
(OCH3 )2 CH2+
0.55
Ar
+
Iso C4 H10
1.56
Iso C4 H10
+
Iso C4 H10
0.61
Ar
CH4+
1.87
CH4
CH4+
2.26
Ar
CO2+
1.72
CO2
CO2+
1.09
Tabelle 1.2: Beweglichkeit von positiven Ionen in diversen Gasen (nach [Sau77]).
+
Liegt ein Gemisch von Gasen G1 , G2 , ..., Gn vor, so ist die Beweglichkeit µ+
i des Ions Gi
durch das Blanc’sche Gesetz gegeben:
n
X cj
1
=
.
µ+
µ+
i
j=1 ij
(1.36)
Dabei steht cj für die Konzentration des Gases j in der Mischung und µ+
ij für die Beweglichkeit
+
des Ions Gi im Gas Gj .
1.3 Transporttheorie
Die gaskinetische Betrachtungsweise der Elektronendriftgeschwindigkeit, wie sie im letzten
Abschnitt behandelt wurde, liefert oft nur eine unbefriedigende Übereinstimmung von Theorie und Messung. Bessere Ergebnisse erzielte man durch die Entwicklung einer Theorie, die
im wesentlichen auf der Boltzmann’schen Transporttheorie beruht. Diese berücksichtigt die
Abhängigkeit des Streuquerschnitts von der Energie, was dazu führt, daß die Energieverteilung der Elektronen nicht mehr durch eine einfache Maxwellverteilung der Form (1.10)
beschrieben werden kann.
Die folgenden Resultate basieren vor allem auf Überlegungen von G. Schultz und J. Gresser
[SG78] sowie von V. Palladino und B. Sadoulet [Pal75], welche unter Verwendung eines
Artikels von Morse, Allis und Lamar [Mor35] das Verhalten von Elektronen in Gasen mittels
der Boltzmann-Transportgleichung beschreiben. Die Erkenntnisse gelten jedoch nur für den
Fall, daß keine Kollisionen, die zur Ionisation führen, auftreten, und gelten daher nur für
Energien bis ca. 10 eV. Für eine allgemeinere Darstellung sei auf das Buch von Huxley und
Crompton verwiesen [Hux74].
14
Zunächst gilt es, die Boltzmann’sche Transportgleichung und somit die Energieverteilung der
Elektronen zu bestimmen. Die Transportgleichung ist gegeben durch:
K
∂f
∂
+ v · ∇r +
· ∇v f (v, r; t) =
.
(1.37)
∂t
m
∂t coll.
Anschaulich stellt dies nichts anderes als eine Kontinuitätsgleichung für die Elektronendichte
f (v, r; t) im Phasenraum dar.
Dabei bedeuten die Terme im einzelnen:
∂
f (v, r; t)
∂t
:
zeitliche Änderung der Verteilungsfunktion
v · ∇r f (v, r; t)
:
Änderung der Verteilungsfunktion am Ort r
hervorgerufen durch Bewegung der Elektronen
K
m
· ∇v f (v, r; t) :
Änderung der Verteilungsfunktion aufgrund
Beschleunigung durch äußere Kraft
∂f
∂t coll.
:
Änderung der Verteilungsfunktion durch Streuprozesse
Die Hauptschwierigkeit beim Lösen dieser Gleichung besteht im wesentlichen darin, ein geeignetes Modell für den Streuterm zu entwickeln. Dazu muß unter anderem der Streuquerschnitt und dessen Variation mit der Energie sowie der mittlere Energieverlust pro Stoß
bekannt sein. Nimmt man elastische Stöße zwischen einem Elektron der Masse m und der
Energie ε = 12 mv 2 und einem Atom der Masse M an, so kann man nach [SG78] den Anteil
des Energieverlustes durch Kollisionen in erster Näherung schreiben als
m
2∆v
∆ε
(1 − cosθ) ,
(1.38)
=
=2
ε
v
M
wobei θ der Winkel der Diffusionsrichtung nach dem Stoß ist. Der mittlere Energieverlust
ist somit
2m
Λ=
.
(1.39)
M
Im Allgemeinen hängt Λ jedoch von der Energie ab, so daß diese einfache Annahme nicht
mehr gültig ist. Unter diesen Voraussetzungen und der Annahme einer homogenen und isotropen Verteilung im Phasenraum kann man die Verteilungsfunktion nun gemäß [Mor35]
in eine Reihe von Legendre-Polynomen entwickeln, wobei nur die ersten beiden Terme der
Entwicklung verwendet werden:
F (ε, θ) = F0 (ε) + F1 (ε)cosθ + ... .
(1.40)
θ ist in diesem Fall der Winkel zwischen der Bewegungsrichtung der Elektronen und dem
E-Feld. Man erhält eine Reihe gekoppelter Differentialgleichungen, die sich mit numerischen
15
Methoden lösen lassen. Berücksichtigt man dann noch die Eigenbewegung der Atome bzw.
Moleküle, so ist die Lösung für die Verteilungsfunktion von folgender Gestalt [SG78] :
Z
√
3Λ(ε)ε dε
F (ε) = C ε exp −
.
(1.41)
[eEλe (ε)]2 + 3Λ(ε)εkT
Hierbei ist C eine Normierungskonstante, λe (ε) die energieabhängige mittlere freie Weglänge
für die Elektronen, k die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur. Für kleine
Feldstärken kann man im Exponenten den Term [eEλe (ε)]2 gegenüber dem Term 3Λ(ε)εkT
vernachlässigen, wodurch die Verteilung in die bekannte Maxwellverteilung (1.10) übergeht.
Um die bei molekularen Gasen bei Energien zwischen ca. 0.1 und 1 eV auftretende Anregung
von inelastischen Rotations- und Vibrationsniveaus zu berücksichtigen, muß der Ausdruck für
den mittleren Energieverlust durch Stoßprozesse modifiziert werden. Die Streuquerschnitte
für die Anregung von Rotations- und Vibrationsniveaus liegen teilweise in der selben Größenordnung wie die für Elektronenanregung und können daher nicht vernachlässigt werden. Mit
den Bezeichnungen εh für die Anregungsenergie des h-ten Anregungsniveaus und λh (ε) für
die mittlere freie Weglänge, die zum Anheben eines Elektrons in das Energieniveau h führt,
läßt sich dieser dann schreiben als
2m X εh λe (ε)
Λ(ε) =
+
,
(1.42)
M
ε
λ
h (ε)
h
oder unter Verwendung von (1.19) auch als
Λ(ε) =
2m X εh σh (ε)
+
.
M
ε
σ
e (ε)
h
(1.43)
Mittels der Verteilungsfunktion lassen sich nun die Transportkoeffizienten für den Fall, daß
kein Magnetfeld vorliegt, berechnen .
Für die Driftgeschwindigkeit der Elektronen, also für die Geschwindigkeitskomponente parallel
zum elektrischen Feld E, ergibt sich [SG78] :
Z
2 eE
∂(F (ε)/v)
vD (E) = −
ελe (ε)
dε ,
(1.44)
3m
∂ε
und für den Diffusionskoeffizienten
D(E) =
Z
1
λe (ε)vF (ε) dε .
3
(1.45)
Weiterhin läßt sich die charakteristische Energie definieren, welche eine Abschätzung der
mittleren kinetischen Energie der Elektronen darstellt [Hux74]. Sie ist gegeben durch
εk =
eD
eDE
=
,
µ
vD
wobei µ für die Beweglichkeit der Elektronen steht.
16
(1.46)
1.4 Das Simulationsprogramm MAGBOLTZ
Um die Auswirkungen der Änderung verschiedener Gasparameter wie z.B Druck, Temperatur, Magnetfelder etc. auf die Driftgeschwindigkeit zu untersuchen und um Vergleichswerte
für die späteren Messungen zu erhalten, wurden im Vorfeld Untersuchungen mit dem Simulationsprogramm MAGBOLTZ durchgeführt. Das Programm löst numerisch die BoltzmannTransportgleichung unter Verwendung einer Monte-Carlo-Integration und erlaubt es so, die
Transportkoeffizienten von bis zu vierkomponentigen Gasgemischen zu berechnen [Bia99]. Im
Programm implementiert sind die gemessenen elastischen und inelastischen Wirkungsquerschnitte von Elektronen für das entsprechende Gas. Nach Vorgabe von Gasart, elektrischem
und magnetischem Feld sowie Druck und Temperatur berechnet das Programm die Driftgeschwindigkeit, den Diffusionskoeffizienten und den Lorentzwinkel, d.h. den Winkel zwischen
Driftrichtung und elektrischem Feld.
1.5 Einflüsse auf das Driftverhalten
1.5.1 Druck
Wie in den vorherigen Abschnitten gezeigt, ist die Driftgeschwindigkeit der Elektronen
eine Funktion des reduzierten elektrischen Feldes E/P bzw. E/N . Bei konstant gehaltener Feldstärke haben demnach Druckänderungen Auswirkungen auf das Driftverhalten.
Durch eine Druckerhöhung bei konstant gehaltenem Volumen und Temperatur und bei fester
Feldstärke ändert sich die Teilchenzahldichte im Gas, wodurch die mittlere freie Weglänge
für die Elektronen kleiner wird. Aufgrund der daraus resultierenden Erhöhung der Zahl inelastischer Stöße werden die Elektronen folglich vermehrt abgebremst, wodurch sich ihre
mittlere Driftgeschwindigkeit verringert.
1.5.2 Temperatur
Für den Fall, daß die Energie der driftenden Elektronen von der Größenordnung der thermischen Energie der Atome und Moleküle ist, kann die Eigenbewegung der Gaskomponenten
nicht vernachlässigt werden. Die Energieverteilung der Elektronen kann dann nicht mehr
durch eine Maxwellverteilung beschrieben werden, sondern muß durch eine Verteilungsfunktion der Form (1.41) ersetzt werden. Aus dieser ist jedoch der Einfluß der Temperatur auf
die verschiedenen Transportkoeffizienten schwer abzulesen. Für eine qualitative Abschätzung
des Temperatureinflusses reicht es jedoch, wenn man die Annahme macht, daß für Felder
im Bereich von 100 V/cm die Energieverteilung der Elektronen einer Maxwellverteilung ge-
17
horcht [SG78]. Für die Driftgeschwindigkeit ergibt sich dann:
Z
−ε
−5/2
vD = C(kT )
ελe e kT dε .
(1.47)
Im betrachteten Fall kleiner Felder E und folglich kleiner Energien ε kann die mittlere freie
Weglänge durch einen Ausdruck der Form
1
λe = l 0 ε 2
T
273
beschrieben werden, womit sich obiger Ausdruck umschreiben läßt:
Z
T
−ε
−5/2
ε3/2 e kT dε .
vD = C(kT )
l0
273
(1.48)
(1.49)
Integrieren ergibt:
T
5
Γ( ) .
(1.50)
273 2
Durch Differentiation nach T erhält man nun die gesuchte Abschätzung für die Temperaturabhängigkeit der Driftgeschwindigkeit:
vD = C l 0
∆T
∆vD
=
.
vD
T
(1.51)
Bei einer Temperaturänderung von ∆T = 1 K und bei T = 294 K erhält man somit eine
D
relative Änderung der Driftgeschwindigkeit von ∆v
= 3.4 · 10−3 .
vD
Experimentell zeigt sich eine gute Übereinstimmung der Abschätzung für den Bereich kleiner
Feldstärken (E . 400 V/cm), bei größeren Feldern zeigen sich jedoch Abweichungen, so daß
sich z.B. für den Fall hoher Feldstärken (E & 2000 V/cm) das Vorzeichen umdreht und die
Driftgeschwindigkeit dementsprechend bei Erhöhung der Temperatur sinkt.
Eine Temperaturänderung führt zu einer Dichteänderung im Gas und somit auch zu Änderungen der Transporteigenschaften des Gases. Weil die Driftgeschwindigkeit mit E/N skaliert, haben Temperaturerhöhungen einen umgekehrten Effekt wie Druckerhöhungen. Bei
niedrigen Feldstärken steigt die Driftgeschwindigkeit daher normalerweise mit Erhöhung der
Temperatur ebenfalls an.
Abbildung 1.5 (links) zeigt die Driftgeschwindigkeitsänderung einer Neon-Methan-Mischung
im Verhältnis 90-10 bei einer Temperatur von 250 K bis 350 K in 10 K-Schritten. Wie man
erkennt, führt z.B. bei einer Feldstärke von 600 V/cm eine Temperaturerhöhung von 10 K
zu einer Erhöhung der Driftgeschwindigkeit von knapp 3 %. Der Einfluß einer Temperaturänderung ist jedoch nicht über den gesamten Feldstärkebereich konstant, sondern nimmt
zu höheren reduzierten Feldern hin ab, wie Abbildung 1.5 (rechts) veranschaulicht. Weiterhin
ist er von der Komposition des Zählgases abhängig.
18
Änderung der Driftgeschwindigkeit [ 10-3 cm / µs K-1 ]
Driftgeschwindigkeit [cm/µs]
5.5
5
T = 350 K
4.5
4
3.5
T = 250 K
3
2.5
2
1.5
1
0.5
3.8
3.6
3.4
3.2
3
2.8
2.6
2.4
2.2
2
1.8
1.6
1.4
1.2
1
0.8
0.6
0.4
0.2
950
900
850
800
750
700
650
600
550
500
450
400
350
300
250
200
150
950
900
850
800
750
700
650
600
550
500
450
400
350
300
250
200
150
100
50
E [V / cm]
E [V /cm]
Abbildung 1.5: Einfluß der Temperatur auf das Driftverhalten von Elektronen in einer HeliumMethan 90-10 Mischung. Das linke Bild zeigt den Verlauf der Driftgeschwindigkeit bei Temperaturen
von 250 bis 350 K in 10 K-Schritten. Rechts ist die Sensitivität dieser Mischung auf Temperaturänderungen bei einer Temperatur von 300 K zu sehen (nach [Vee00]).
1.5.3 Magnetfelder
Durch die Anwesenheit magnetischer Felder wird das Driftverhalten der Elektronen wesentlich beeinflusst. Auf die Ladungsträger wirkt nun zusätzlich zum elektrischen Feld die
Lorentzkraft, welche die Ladungsträger, je nach Orientierung der beiden Felder zueinander,
zwischen den Stößen auf Kreis- oder Spiralbahnen zwingt. Führt man analoge Überlegungen
wie in Kapitel (2.3) unter Berücksichtigung eines Magnetfeldes durch, so ändert sich der
Ausdruck (1.29) für die mittlere Driftgeschwindigkeit wie folgt [Gru93]:
µ
< vD > =
1 + ω2τ 2
(E · B) · B 2 2
E×B
ωτ +
E+
ω τ
B
B2
,
(1.52)
wobei µ die Beweglichkeit der Ladungsträger und ω die Zyklotronfrequenz ist. Für den Fall,
daß E ⊥ B ist, vereinfacht sich Gleichung (1.52) zu
|vD | = √
µE
.
1 + ω 2τ 2
(1.53)
Abbildung (1.6) zeigt eine Magboltz-Simulation des Driftgeschwindigkeitsverlaufs von ArgonMethan 90-10 mit und ohne zugeschaltetes Magnetfeld, wobei E und B jeweils senkrecht
aufeinander stehen. Es ist deutlich zu erkennen, wie sich für höhere magnetische Felder das
Maximum der Kurve zu höheren Feldstärken hin verschiebt. Bei großen Feldstärken verliert
die durch das Magnetfeld verursachte zusätzliche transversale Geschwindigkeitskomponente
zunehmend an Bedeutung, weshalb sich der Verlauf der Kurven wieder einander annähert.
19
Driftgeschwindigkeit (cm/µs)
6
B=0T
5
B = 0.2 T
B = 0.5 T
4
B = 1.0 T
3
2
1
0
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
E/P (V/(cm hPa))
Abbildung 1.6: MAGBOLTZ -Simulation der Abhängigkeit des Driftgeschwindigkeitsverlauf einer
Argon-Methan 90-10 Mischung von der Stärke eines zugeschalteten Magnetfeldes (E ⊥ B).
1.5.4 Verunreinigungen
Besonders störend auf die Driftgeschwindigkeit wirkt sich die Anwesenheit von stark elektronegativen Verunreinigungen im Gasgemisch aus. Dazu zählen vor allem Sauerstoff und
Wasser sowie chlor- und fluorhaltige Verbindungen, die z.B. durch Ausgasen von Komponenten der Driftkammer freigesetzt werden können. Diese Verunreinigungen haben zum einen
Auswirkungen auf die zu erwartende Signalhöhe am Nachweisdraht, da sie durch Elektroneneinfang die Anzahl driftender Elektronen reduzieren, zum anderen wirken sie sich aber
auch direkt auf die Driftgeschwindigkeit aus, da sie die Bewegung der Elektronen verlangsamen. Weiterhin haben sie sich natürlich auch einen Einfluß auf die Energieverteilung der
Elektronen.
Der Verlust von Elektronen bei einer im konstanten Feld zurückgelegten Wegstrecke x läßt
sich durch folgenden Ausdruck beschreiben [Sau77]:
n
−x
= e λC ,
n0
20
(1.54)
wobei λC die mittlere freie Weglänge, die zum Elektroneneinfang führt, ist.
Um die Stärke des Bestrebens eines Atoms oder Moleküls, Elektronen an sich zu binden, zu
charakterisieren, verwendet man den Anlagerungskoeffizienten. Dieser gibt die Wahrscheinlichkeit eines Einfanges bei einer Kollision an und ist im Allgemeinen eine energieabhängige
Größe. Tabelle 1.3 gibt eine Übersicht der Anlagerungskoeffizienten h und der mittleren
Zeitdauer t für einen Elektroneneinfang für verschiedene Gase an:
Gas
h (s−1 )
t (s)
CO2
6.2 · 10−9
0.71 · 10−3
2.5 · 10−5
1.4 · 10−7
O2
H2 O
Cl
2.5 · 10−5
4.8 · 10−4
1.9 · 10−7
4.7 · 10−9
Tabelle 1.3: Anlagerungskoeffizient h und mittlere Zeitdauer t für einen Elektroneneinfang bei
verschiedenen Gasen (nach [Sau77]).
Bei einem Feld von E = 500 V/cm werden z.B. in Argon, das eine Verunreinigung durch 1%
Luft aufweist, pro cm Driftstrecke 33% der Elektronen eingefangen. Bei der Konstruktion
einer Driftkammer muß demzufolge stark auf die verwendeten Komponenten und auf die
Reinheit der zu untersuchenden Gasgemische geachtet werden.
1.6 Gasverstärkung und Signalbildung
Um das elektrische Signal, das die driftenden Elektronen am Anodendraht auslösen, nachzuweisen, muß dieses verstärkt werden, da es zum Nachweis mit elektronischen Verstärkern
viel zu klein ist. Man macht sich daher die 1/r-Abhängigkeit des elektrischen Feldes eines
dünnen Drahtes, der auf einem hohen positiven Potential liegt, zunutze. Mit kleiner werdendem Abstand steigt das Feld stark an, so daß die auf den Draht zudriftenden Elektronen ab
einem bestimmten Abstand genügend Energie erhalten, um ihrerseits Gasmoleküle ionisieren
zu können. Die dabei freigesetzen Elektronen werden durch das Feld ebenfalls beschleunigt,
bis auch sie wieder genügend Energie für weitere Ionisationen besitzen. Dadurch ergibt sich
eine Elektronenlawine mit einer ausreichenden Zahl von Elektronen, um am Signaldraht
einen deutlichen Puls zu erzeugen. Die Ionen driften dabei aufgrund ihrer größeren Masse
mit einer geringeren Geschwindigkeit als die Elektronen vom Signaldraht weg, woraus eine
tropfenförmige Gestalt der gesamten Lawine resultiert. Abbildung 1.7 zeigt die schematische
Entstehung einer solchen Elektronenlawine.
21
Abbildung 1.7: Zeitliche Entwicklung einer Elektronenlawine um einen Anodendraht. Ein einzelnes
Elektron bewegt sich auf den Anodendraht zu (a). Durch die dort herrschenden hohen Feldstärken
erhält das Elektron genug Energie für weitere Ionisationen (b). Aufgrund der unterschiedlichen Diffusionskoeffizienten von Elektronen und Ionen bildet sich eine tropfenförmige Lawine, die schließlich
den Draht umhüllt (c)+(d). Die Elektronen werden in kurzer Zeit (ca. 1 ns) gesammelt und es bleibt
eine positiv geladene Ionenwolke zurück, die sich langsam Richtung Kathode bewegt (e). (schematisch, nach [Sau77]).
Nach dem Durchlaufen der Strecke von x0 nach x steigt die Anzahl der Elektron-Ion-Paare
dabei von n(x0 ) an, gemäß
n(x) = n(x0 ) · G
mit G = exp
" Zx
x0
α(x)dx
#
.
(1.55)
Hierbei ist G der Gasverstärkungsfaktor (’Gain’) und α(x) der 1. Townsend-Koeffizient,
der das Inverse der mittleren freien Weglänge für Ionisation darstellt und im Allgemeinen
feldabhängig ist. Durch das Ramsauerminimum im Stoßquerschnittsverlauf der Edelgase
Argon, Krypton und Xenon resultieren für diese Gase große mittlere freie Weglängen, woraus
hohe Gasverstärkungen resultieren.
Die Anzahl gesammelter Ladungen hängt von der Betriebsspannung des Zähldrahtes ab,
man unterscheidet üblicherweise zwischen drei charakteristischen Gebieten (hier am Beispiel
eines zylindrischen Gasdetektors, vgl. Abbildung 1.8):
• Ionisationskammer-Modus: in dieser Betriebsart werden alle Ladungen gesammelt, es
findet jedoch noch keine Gasverstärkung statt. Der Bereich erstreckt sich von einer
Spannung, die gerade noch ausreicht, um die Rekombination der Ladungsträger zu
verhindern, bis hin zu einer Spannung, bei der die Elektronen genügend Energie zur
Ionsation erhalten und die Gasverstärkung einsetzt.
22
• Proportionalbereich: Ab einer gewissen Schwellenspannung setzt die Gasverstärkung
ein, wobei die nachgewiesene Ladung proportional zur primär erzeugten Ladungsmenge
ist. In dieser Betriebsart sind Gasverstärkungen bis ca. 106 möglich.
• Geiger-Müller-Bereich: Bei höheren Feldstärken wird der Proportionalbereich verlassen und man kommt in den Bereich der maximalen Gasverstärkung, den sogenannten
Geiger-Müller-Bereich. Hier werden zusätzlich zu den Elektronen noch vermehrt Photonen freigesetzt, die ihrerseits im Detektor durch Photoeffekt Elektronen freisetzen,
welche zur Bildung von Sekundär- und Tertiärlawinen im gesamten Gasvolumen führen.
Die Signalamplitude entspricht hier einem Ladungsimpuls von 108 bis 1010 Elektronen
pro primär erzeugtem Elektron [Gru93]. Erhöht man die Signaldrahtspannung noch
weiter, so kommt es schließlich zur Gasentladung im gesamten Detektor und somit
zum Zusammenbruch der Spannung.
Abbildung 1.8: Verschiedene Arbeitsbereiche eines Gasdetektors am Beispiel einer Proportionalröhre (nach [Sau77], entnommen von [Obe00]).
23
1.7 Zählgase und Quencher
Die chemische Zusammensetzung eines Gases entscheidet über seine Verwendbarkeit als Zählgas. Üblicherweise verwendete Gemische bestehen aus einem einatomigen Edelgas und einem
Zusatz eines mehratomigen organischen Gases aus der Kohlenwasserstoffgruppe wie z.B.
CH4 , C3 H8 , iC4 H1 0 (Isobutan) oder auch C2 H6 . Der Edelgasanteil sorgt hierbei überwiegend für die Ladungsvervielfachung, wohingegen der organische Anteil durch seine über einen
weiten Energiebereich vorhandenen nichtradiativen Rotations- und Vibrationsniveaus Photonen aus dem Gasverstärkungsprozeß absorbiert, welche ansonsten zur Sekundäremission von
Elektronen und somit zur permanenten Gasentladung führen könnten. Man bezeichnet diese
vielatomige Komponente des Gasgemisches deshalb auch als Löschgas oder Quencher. Der
organische Zusatz sollte hierbei möglichst unpolar sein, damit keine Elektronen durch Einfangprozesse verlorengehen. Schon ein geringer Anteil eines solchen Gases verändert das Verhalten des Detektors entscheidend. Ein mit reinem Argon betriebenes Zählrohr erlaubt z.B.
nur Gasverstärkungen von ca. 103 bis 104 bevor es zur permanenten Entladung kommt, setzt
man diesem jedoch einen etwa zehnprozentigen Anteil Methan zu, so können Verstärkungen
von 106 und darüber erreicht werden. Der Zusatz eines Löschgases wirkt sich aber natürlich
auch auf die Driftgeschwindigkeit der Elektronen aus, welche dadurch erheblich gesteigert
werden kann. Abbildung 1.10 zeigt z.B. eine MAGBOLTZ -Simulation der Driftgeschwindigkeit von Argon in Abhängigkeit vom Methananteil.
Abbildung 1.9: Mittlere Elektronenergien einiger Gase in Abhängigkeit vom reduzierten Feld
(nach [Chr91]).
24
Driftgeschwindigkeit (cm/µs)
12
Argon:Methan
90-10
10
70-30
50-50
Reines Argon
Reines Methan
8
6
4
2
0
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
E/P (V/(cm hPa))
Abbildung 1.10: Änderung des Driftgeschwindigkeitsverlaufs einer Argon-Methan-Mischung mit
zunehmendem Methananteil.
Wie man sieht, besitzt reines Argon über den gesamten angegebenen Bereich des reduzierten
Feldes eine sehr niedrige Driftgeschwindigkeit. Dies beruht darauf, daß bei Argon schon bei
Werten von E/P > 0.2 V cm−1 Torr−1 die mittleren Elektronenenergien über 2 eV liegen
(vgl. Abb. 1.9) und somit die Wirkungsquerschnitte, wenn man den Wert mit Abbildung
1.4 vergleicht, nicht im Ramsauerminimum liegen. Die Elektronen stoßen daher mit den Argonatomen rein elastisch, wodurch sie ihre hohe Energie beibehalten und daraus wiederum
die niedrige Driftgeschwindigkeit resultiert. Durch Zugabe eines molekularen Gases wie etwa
CH4 , CO2 , CF4 oder N2 , welche über einen größeren Feldstärkebereich geringere mittlere
Elektronenenergien als Argon besitzen, ändert sich dieser Verlauf der Driftgeschwindigkeit
nun dramatisch. Die Elektronen stoßen mit den Gasmolekülen inelastisch, wobei sie einen
großen Teil ihrer kinetischen Energie verlieren. Diese wird von den Molekülen in Rotationsund Vibrationsenergie umgesetzt. Dadurch verringert sich die mittlere Elektronenenergie
soweit, daß man in den Bereich des Ramsauerminimums des jeweiligen Edelgases gelangt.
Aufgrund des bei diesen Elektronenenergien viel kleineren Stoßquerschnitts erhält man nun
eine sehr viel größere Driftgeschwindigkeit. Der Absolutwert der Driftgeschwindigkeit hängt
zudem noch von der Stärke des elektrischen Feldes, durch welches die Elektronen beschleunigt
25
werden, ab. Je höher die elektrische Feldstärke, desto höher ist auch die kinetische Energie
der Elektronen. Bei niedrigen Feldstärken von etwa 0.4 kV/cm ist die mittlere Elektronenergie im Bereich des Ramsauerminimums von Argon angesiedelt, woraus ein Maximum der
Driftgeschwindigkeit resultiert.
Mit zunehmender Feldstärke verschiebt sich die Energieverteilung der driftenden Elektronen
hin zu höheren Energien, welche einem hohen inelastischen Wirkungsquerschnitt von Argon entsprechen. Aus diesem Grund sinkt die Driftgeschwindigkeit trotz des stärkeren, die
Elektronen beschleunigenden, elektrischen Feldes.
Bei Argon spricht man auch von einem ’heißen Gas’, weil hier die zugehörige Elektronenergie
vom elektrischen Feld dominiert wird (ε ∼ εE 23 kT ), während z.B. CO2 ein ’kaltes’ Gas
ist (ε ∼ 23 kT ).
In der Praxis wählt man daher ein Gasgemisch, das den experimentellen Anforderungen am
besten entspricht. Diese Anforderungen können z.B sein:
• hohe Driftgeschwindigkeit, um die Verarbeitung hoher Teilchenraten zu ermöglichen
• Unbrennbarkeit der Gasmischung
• geringe transversale Diffusion, um eine möglichst gute Ortsauflösung zu erhalten
• ausreichende Gasverstärkung
• Möglichst breites Plateau des Driftgeschwindigkeitsverlaufs, damit sich Schwankungen
des Feldes möglichst wenig auf die Driftgeschwindigkeit auswirken und man in diesem
Feldstärkebereich eine weitestgehend lineare Orts-Driftzeit-Beziehung erhält.
26
2 Aufbau der Meßvorrichtung
2.1 Die Driftkammer
2.1.1 Gehäuse
Abbildung 2.1 zeigt einen schematischen Längsschnitt durch die Driftkammer.
Der äußere Aufbau der Kammer besteht im wesentlichen aus drei Teilen:
• einem etwa 9 cm hohen Bodentopf, an dem die Gaszufuhr, eine vakuumdichte SHVBuchse für die Zufuhr der Signaldrahtspannung sowie ein NW40 Kleinflansch zum
Anschluß einer Vakuumpumpe angebracht sind,
• einem Edelstahlzylinder, der die eigentliche Driftstrecke beinhaltet sowie
• einem 3 cm hohen Deckel, in den ein Sensor zur Druckbestimmung eingeschraubt ist.
Zwischen den drei Einzelteilen befinden sich zwei Zwischenstücke aus Polyethylen, in die
je zwei O-Ringe aus Viton zur Abdichtung der Kammer eingelassen sind. Außerdem sind
sie mit jeweils 32 Bohrungen versehen, um einen möglichst ungehinderten Gasaustausch
zwischen den drei Kammerteilen zu ermöglichen. Die Verschraubung der drei Einzelteile
erfolgt dabei über zwei an den Zylinder angeschweißte Flansche. Der Edelstahlzylinder hat
einen Innendurchmesser von 257 mm und ist insgesamt 612 mm lang. In diesen sind insgesamt
9 Kleinflansche NW40 eingeschweißt, von denen sich 8 gegenüberliegen. Diese beinhalten je
ein UV-durchlässiges Glasfenster mit einem Durchmesser von 40 mm und dienen zur Einbzw. Auskopplung des Laserstrahls, mit dem die Ionisation des Zählgases erfolgen soll. Die
Flansche sind in einem Abstand von 117 mm zueinander angebracht, so daß verschieden
lange Driftstrecken mit einer Maximallänge von etwa 35 cm untersucht werden können. Über
den neunten Flansch wird die Hochspannung zur Erzeugung des Driftfeldes zugeführt. Am
oberen Ende des Zylinders ist außerdem noch ein Edelstahlrohr mit 6 mm Durchmesser
eingeschweißt, welches als Gasauslaß dient. Die Innenwand des Zylinders wurde außerdem
mit einer 2 mm dicken Teflonmatte verkleidet um Überschläge, welche bei hohen Feldstärken
27
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&' (*)+ ,- %. /0 1 1 Abbildung 2.1: Schematischer Schnitt durch die Driftkammer.
28
zwischen den oberen Plattenpaaren und dem Gehäuse auftreten können, zu reduzieren. Es
wurde ein Lecktest mit Helium durchgeführt. Dabei ergab sich eine Leckrate kleiner als
10−7 l/h.
Die Druckbestimmung erfolgt über einen in den Deckel eingeschraubten Absolutdruckmesser
der Firma Kobold. Laut Herstellerangaben besitzt der Sensor in seinem Meßbereich von
0-2.5 bar eine Genauigkeit von 0.5% bezüglich des angezeigten Wertes. Weiterhin haben
Temperaturänderungen einen Einfluß auf die Meßgenauigkeit ( 0.2%
laut Datenblatt).
10K
2.1.2 Driftstrecke
Die Erzeugung des Driftfeldes erfolgt durch insgesamt 40 kreisförmige Edelstahlelektroden
mit einem Durchmesser von 120 mm und einer Dicke von 3 mm. Diese besitzen in ihrer
!
"#$ %'& ( Abbildung 2.2: Ansicht der Driftstrecke vor dem Einbau in die Kammer.
29
Mitte eine Bohrung mit einem Durchmesser von 25 mm, durch welche die Elektronen in
Richtung Signaldraht driften können. An der Außenseite der Elektroden befinden sich zudem vier Bohrungen zur Aufnahme von Stangen aus POM (Polyoximethylen), welche zur
Stabilisierung der Driftstrecke dienen. Der Kunststoff POM wurde aufgrund seiner hohen
Durchschlagfestigkeit, seines niedrigen dielektrischen Verlustfaktors und seiner Kombination
von großer Härte und Formstabilität gewählt.
Alle Begrenzungsflächen der Elektroden wurden abgerundet und zusätzlich elektropoliert,
um Grate, welche bei Anlegen der Hochspannung zu Überschlägen führen könnten, zu beseitigen. Die Isolation der Elektroden untereinander erfolgt durch auf die Stangen gesteckte
Teflonringe, welche zusätzlich für einen konstanten Abstand der Plattenpaare von 10 mm
sorgen. Abbildung 2.2 zeigt ein Bild der Driftstrecke vor dem Einbau in die Kammer. An
die oberste Elektrode wurde die Zuführung für die negative Hochspannung angelötet, die
unterste Elektrode liegt auf Masse. Für die Spannungsteilung und somit die Erzeugung eines
homogenen Feldes sorgen hochspannungsfeste 4.7 MΩ-Widerstände, die über Bohrungen an
den Seitenflächen der Elektroden eingelötet sind. Die Widerstände besitzen laut Hersteller
eine Toleranz von 1%, wobei sich durch Nachmessen mit einem Digitalmultimeter eine maximale Abweichung von 0.64% vom geforderten Wert ergab. Die Hochspannungsversorgung
erfolgt über ein Netzgerät der Firma Del Electronics, welches eine maximale Ausgangsspannung von 50 kV liefert. Somit läßt sich bei einer Länge der Driftstrecke von 520 mm ein
maximales Driftfeld von ca. 961 V/cm erzeugen.
2.1.3 Signaldraht
Zum Nachweis der driftenden Elektronen dient ein mit Gold beschichteter Wolframdraht mit
einem Durchmesser von 30 µm, der mittels einer Spannvorrichtung im Abstand von etwa
15 mm von der untersten Elektrode angebracht ist. Unterhalb des Drahtes befindet sich über
seine gesamte Länge ein U-förmiges Edelstahlhalbrohr mit einem Durchmesser von 30 mm,
welches zur Feldformung und außerdem als Kathode dient. Die Spannungsversorgung für den
Signaldraht erfolgt über eine Hochspannungsversorgung der Firma C.A.E.N. Die Zuführung
der Hochspannung für den Draht erfolgt durch einen in den Bodentopf der Kammer eingeschweißten Flansch, in dessen Blinddeckel eine vakuumdichte SHV-Buchse eingeschweißt ist.
Innerhalb der Kammer wird die Spannung über einen 1.6 mm starken Kupferdraht bis zum
Signaldraht geführt.
Um Influenzen von der darüberliegenden Driftstrecke auf den Signaldraht zu verhindern
wurde mittels einer Spannvorrichtung auf die Driftöffnung der untersten Elektrode ein sogenanntes Frischgitter aus Nickel mit einem Drahtdurchmesser von 20 µm geschraubt. Das
Gitter besitzt ein Verhältnis von Drahtabstand zu Drahtdurchmesser von ca. 10:1, so daß
für die driftenden Elektronen eine Transmission zu 100 % gewährleistet ist.
30
2.2 Optisches System
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Abbildung 2.3: Schematische Darstellung des optischen Systems.
Der zentrale Bestandteil des optischen Systems ist ein Stickstoff-UV-Laser der Firma LTB
mit einer Wellenlänge von 337.1 nm und einer Pulsdauer von unter 500 ps. Dies entspricht
einer Photonenergie von Eγ = hc/λ = 3.68 eV. Vergleicht man diesen Wert mit den typischen Ionisationsenergien für Zählgase in Tabelle 1.1, so erkennt man, daß die Laserenergie
nicht ausreicht, um die Gasmoleküle direkt ionisieren zu können. Auch Zweiphotonenprozesse, welche zur typischen quadratischen Abhängigkeit der Ionisation von der Laserenergie
führen, kommen dafür nicht in Frage. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß vornehmlich Verunreinigungen im Gasgemisch, die von Ausgasungen der Kammermaterialien
oder Beimischungen in den Zählgasen selber herrühren, ionisiert werden [Hub85]. Gerade
bei den üblicherweise verwendeten organischen Quenchern wie Methan, Ethan oder Isobutan sind Verunreinigungen mit fremden Kohlenwasserstoffen oft unvermeidbar. Diese Beimischungen besitzen zum Teil Ionisationsenergien im Bereich von 7 eV, womit sie über die
oben angeführten Zweiphotonenprozesse ionisiert werden können.
Zur Einkopplung des Laserstrahls in die Kammer wird dieser mittels eines Strahlteilerwürfels
in zwei etwa gleich intensive Strahlen aufgeteilt. Der eine Teilstrahl wird direkt, der andere
nach einer Umlenkung über einen UV-Spiegel, mittels zweier UV-Linsen mit einer Brennweite
von 20 mm in die Mitte der Driftkammer fokussiert (vgl. Abbildung 2.3). Am untersten
Austrittsfenster der Kammer ist eine UV-empfindliche Photodiode (Linos Si-Photodiode Typ
E2V UV) angebracht, die zur Triggerung dient. Die Methode mit den zwei Teilstrahlen wurde
gewählt, weil hierbei Effekte, welche sich durch den nicht genau bekannten Feldlinienverlauf
im Bereich des Signaldrahtes ergeben, durch die Differenzbildung herausfallen, und man
31
somit nur die reine Driftzeit für die Strecke zwischen den beiden Eintrittsfenstern erhält.
Der Laser bietet zwei verschiedene Betriebsarten, er kann entweder gezielt ausgelöst oder im
Pulsbetrieb mit einer maximalen Frequenz von 30 Hz betrieben werden. Die laserinduzierte
Ionisation besitzt mehrere Vorteile:
• Der Ionisationsort läßt sich sehr genau festlegen,
• Die Strahlenergie des Lasers ist konstant (±6%),
• Die geringe Energie der erzeugten Elektronen verhindert den Einfluß von Sekundärionisationsprozessen und Clusterbildung ,
• Kein Aufschauern und keine Mehrfachstreuung der Photonen des Laserstrahls.
2.3 Die Ausleseelektronik
Del Electronis
HV-Netzgerät
-50 kV
Driftkammer
Diskriminator 1
Gate-Generator 1
Gate-Generator 2
LASER
UV-Photodiode
(Start-Trigger)
Signaldraht
Gate-Generator 3
(Veto)
PC
TAC
mit InterfaceKarte
START
OUT
Auskoppelbox
SpektroskopieVerstärker
Diskriminator 2
STOP
Trig 1
ACH 0
Gate-Generator 4
(Auslese-Trigger)
AOUT 1
BNC 2090
C.A.E.N
HV-Netzgerät
Abbildung 2.4: Blockschaltbild der zur Signalauslese verwendeten Elektronik.
Das Prinzip der Ausleseelektronik beruht darauf, aus der Zeitdifferenz der am Signaldraht
ankommenden Pulse ein analoges Signal zu erzeugen, dessen Amplitude proportional zur
gemessenen Zeitdifferenz ist.
Dies geschieht über einen Zeit-Analog-Wandler (Ortec TAC Mod. 566), dessen Zeitmessung
vom ersten Kammerpuls gestartet und vom zweiten gestoppt wird. Die Pulse der beiden
32
Elektronenwolken werden hierzu außerhalb der Kammer über ein RC-Glied von der Hochspannungsversorgung des Signaldrahtes ausgekoppelt. Das RC-Glied, bestehend aus einem
auf ein Keramikplättchen aufgebrachten 100 MΩ-Widerstand sowie zwei parallel geschaltete
hochspannungsfeste 4.7 nF Kondensatoren, ist in einem Aluminiumgehäuse mit einer isolierenden Polyurethanmasse vergossen, um Überschläge im Inneren des Gehäuses zu vermeiden.
Die so ausgekoppelten Pulse werden nun von einem Spektrokospieverstärker (Canberra Mod.
1413) verstärkt und geformt (Zeitkonstante der Pulsformung von 0.5 µs). Abbildung 2.5 zeigt
den mit Hilfe eines Digitaloszilloskops gemessenen Signalverlauf.
Danach werden diese auf einen Diskriminator (Diskriminator 2, Schwelle bei −25 mV) gegeben, welcher daraus logische Pulse für die darauffolgende Weiterverarbeitung formt. Die so
erzeugten Signale dienen jedoch nicht direkt als Start- bzw. Stopsignal für den TAC sondern
sie durchlaufen zuerst eine Koinzidenzeinheit, um unvermeidliche Fehltrigger auszuschließen.
Abbildung 2.4 zeigt ein Blockschaltbild des verwendeten Aufbaus anhand dessen man die
Logik, welche die Signale passieren müssen, um als Start- bzw. Stoppuls in Frage zu kommen,
nachvollziehen kann.
Die beiden Signale müssen innerhalb eines einstellbaren Zeitfensters an dieser Konzidenzeinheit ankommen, um die Zeitmessung starten und stoppen zu können. Dieses erste Gate wird
von einer Timing Unit (Gate-Generator 1, LeCroy Mod. 222) erzeugt, welche vom Signal der
Photodiode gestartet wird. Um ein ständiges Nachregeln der Gatebreite zu vermeiden wur
Abbildung 2.5: Oszilloskopaufnahme eines typischen Kammerpulses nach Verstärkung und Formung durch einen Spektroskopieverstärker.
33
de die Breite des Fensters so gewählt, daß sie bei den maximal zu erwartenden Driftzeiten
von etwa 70 µs (für das oberste Eintrittsfenster und bei geringen Driftfeldstärken) gerade
ausreichend ist.
Der erste Zähldrahtpuls startet außerdem zwei weitere Gategeneratoren. Der erste davon
(Gate-Generator 3) dient hierbei also Veto welches dafür sorgt, daß während eines Zeitraums
von etwa 1 µs nach dem ersten Puls kein Zweiter kommen kann, der die Zeitmessung stoppt.
Die Zeitdauer von 1 µs ist hierbei etwas weniger als die minimale Zeitspanne, welche bei
Verwendung der kleinsten Driftstrecke zwischen zwei am Signaldraht ankommenden Elektronenwolken liegen kann. Der andere Gategenerator (Gate-Generator 2, Breite des Fensters
von 55 µs) öffnet ein Fenster, währenddessen der zweite Puls kommen muß, um die Zeitmessung am TAC stoppen zu können. Der Stoppuls startet außerdem noch einen weiteren Gategenerator (Gate-Generator 4), welcher ein TTL-Signal erzeugt, dessen ansteigende Flanke
als Trigger für die Datenerfassung, also für die Auslese der TAC-Amplitude, dient.
2.4 Die Datennahmesoftware
Die auf LabView 6i basierende Software zur Datennahme erlaubt eine vollautomatisierte
Aufzeichnung der erhaltenen Meßdaten sowie eine teilautomatisierte Steuerung des Meßvorgangs. Sie ist vollständig in der LabView -eigenen Programmiersprache G geschrieben.
Nach Eingabe der aktuellen Parameter wie Druck, Länge der Driftstrecke, TAC-Einstellungen
sowie Anzahl der pro Spannungswert aufzunehmenden Meßdaten und Schrittweite der Hochspannung fährt das Programm eine komplette Driftkurve vollautomatisch durch. Bei den
Messungen wurden zu jedem Hochspannungswert 200 Meßpunkte aufgenommen und in einen
Vektor gefüllt. Das Programm berechnet aus diesen Daten den Mittelwert und den RMSWert und trägt diesen Wert in ein X-Y-Diagramm ein, so daß der Kurvenverlauf direkt am
Bildschirm verfolgt werden kann. Weiterhin werden die vom TAC ausgelesenen Spannungswerte in ein Histogramm gefüllt, anhand dessen man die zu erwartende Gaußverteilung der
Werte überprüfen kann. In der Praxis hat sich gezeigt, daß unvermeidliche Fehltrigger, welche
meist zu kleine Driftzeiten und damit zu kleine TAC-Amplituden ergeben, den Mittelwert etwas verfälschen, so daß sich größere Schwankungen im Driftgeschwindigkeitsverlauf ergeben.
Um dies zu vermeiden werden alle Spannungswerte, die sich um mehr als den RMS-Wert vom
zuvor berechneten Mittelwert unterscheiden, weggeschnitten und aus den übriggebliebenen
Daten erneut Mittelwert und RMS-Wert berechnet. Es hat sich gezeigt, daß durch einen
solchen Schnitt maximal etwa 5 % der Meßdaten nicht berücksichtigt werden, was jedoch zu
einem erheblich glatteren Kurvenverlauf führt.
Das Programm liest zusätzlich noch bei jedem aufgenommenen Meßwert den Monitorausgang
des Hochspannungsnetzgerätes aus und berechnet aus diesen Daten analog zum Verfahren
der TAC-Daten den Mittelwert des reduzierten Feldes. Der Monitorausgang des Netzgerätes
34
liefert bei 50 kV eine Ausgangsspannung von 10 V.
Es werden für jeden kompletten Kurvenverlauf zwei separate Dateien erzeugt. Die erste davon enthält in Tabellenform den Mittelwert des reduzierten Feldes, den Mittelwert der Driftgeschwindigkeit, die RMS-Werte dieser beiden Verteilungen sowie die jeweilige ausgelesene
TAC-Amplitude. Die zweite Datei enthält zu jedem Wert des reduzierten Feldes den kompletten Datensatz der ausgelesenen TAC-Amplituden und die zugehörigen aufgenommenen
Werte des HV-Monitorausgangs.
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