Dienstag 31.5.2016

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Mathematische Probleme, SS 2016
Dienstag 31.5
$Id: convex.tex,v 1.31 2016/05/31 16:43:54 hk Exp $
§3
Konvexgeometrie
3.2
Die platonischen Körper
Am Ende der letzten Sitzung hatten wir bereits den Satz über die Berechnung der
platonischen Körper angegeben, und heute wollen wir mit einem Beweis dieses Satzes
beginnen.
Satz 3.7 (Berechnung der platonischen Körper)
Sei P ein platonischer Körper von Typ (n, m) und Kantenlänge a > 0. Dann gelten:
(a) Es gibt genau einen Punkt M der von allen Ecken von P denselben Abstand
π
sin m
Rnm (a) := q
π
2 sin2 m
− cos2
· a.
π
n
hat. Der Punkt M ist der Umkugelmittelpunkt von P und Rnm (a) ist der Umkugelradius von P .
(b) Der Inkugelradius von P ist
π
cot πn cos m
q
rnm (a) :=
π
2 sin2 m
− cos2
· a.
π
n
und die Inkugel von P ist die Kugel mit Mittelpunkt M und diesem Radius. Die
Inkugel von P berührt jede Fläche von P tangential im Umkreismittelpunkt der
Fläche.
(c) Je zwei benachtbarte Flächen von P schneiden sich im selben Winkel θ gegeben
durch
π
sin2 πn − 2 cos2 m
cos θ =
.
sin2 πn
(d) Je zwei benachtbarte Ecken von P bilden mit dem Umkugelmittelpunkt M denselben Winkel β gegeben durch
cos β =
2 cos2 πn − sin2
π
sin2 m
13-1
π
m
.
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(e) Das Volumen vol(P ) = Vnm (a) von P und die Oberfläche A(P ) = Anm (a) von P
sind
nfnm
π
cot · a2 ,
4
n
π
nfnm cot2 πn cos m
1
q
rnm (a)Anm (a) =
Vnm (a) =
3
24
sin2 π − cos2
Anm (a) =
m
· a3 .
π
n
wobei fnm die Anzahl der Flächen von P ist.
Beweis: Sei A eine Ecke von P . Wir wissen bereits das die mit A benachtbarten Ecken
A1 , . . . , Am ein gleichseitiges m-Eck C bilden dessen Kantenlänge die Länge der Diagonalen in einem regulären n-Eck der Kantenlänge a ist, also dn (a) = 2a cos(π/n) nach
Lemma 4.(a). Da jede der Ecken von C den Abstand a zu A hat, erhalten wir eine Pyramide PA mit Basis C und Spitze in A auf die Lemma 6 anwendbar ist. Insbesondere ist
das m-Eck C sogar regulär. Sind weiter f1 , f2 zwei verschiedene, benachtbarte Flächen
von P mit gemeinsamer Ecke A, so sind f1 , f2 zwei aufeinanderfolgende Mantelflächen
von PA und Lemma 6.(c) ergibt das f1 und f2 sich unter dem Winkel θ gegeben als
cos θ =
4a2 − dn (a)2 − 8a2 cos2
4a2 − dn (a)2
π
m
schneiden. Es ist
2
2
2
4a − dn (a) = 4a
π
π
1 − cos
= 4a2 sin2 ,
n
n
2
d.h. es gilt
cos θ =
sin2
π
n
− 2 cos2
sin2 πn
π
m
und Teil (c) ist bewiesen. Nach Lemma 6.(b) hat PA eine eindeutige Umkugel mit
einem Mittelpunkt MA und dem Umkugelradius
π
a2 sin m
Rnm (a) = Rm (dn (a), a) = q
.
2 π
2
2
4a sin m − dn (a)
Dabei gilt
π
2
2
2 π
2 π
4a sin
− dn (a) = 4a sin
− cos
m
m
n
2
und wir haben
2
π
sin m
Rnm (a) = q
π
2 sin2 m
− cos2
13-2
· a.
π
n
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Für jedes 1 ≤ i ≤ m erfüllt der Winkel β zwischen MA A und MA Ai nach Lemma 6.(d)
die Bedingung
π
π
dn (a)2 − 2a2 sin2 m
2 cos2 πn − sin2 m
cos β =
=
,
π
π
2a2 sin2 m
sin2 m
und insbesondere ist dieser Winkel unabhängig von i und A. Nun sei f eine der Flächen
von P mit Ecke A. Setzen wir wieder Am+1 := A1 , so gibt es ein 1 ≤ i ≤ m so, dass
Ai , A, Ai+1 drei aufeinanderfolgende Ecken von f sind, der Umkreismittelpunkt Uf des
gleichseitigen n-Ecks f ist also auch der Umkreismittelpunkt der Mantelfläche Ai Ai+1 A
von PA , also ist nach Lemma 6.(e)
|Uf MA | = rm (dn (a), a) = q
π
a2 dn (a) cos m
(4a2 − dn (a)2 ) · 4a2 sin2
π
m
− dn (a)2
π
cos πn cos m
q
=
π
2 sin πn sin2 m
− cos2
und
a2
|Uf A| = R(dn (a), a) = p
4a2 − dn (a)2
=
π
n
· a = rnm (a)
a
.
2 sin πn
Es folgt
π
a2 cos2 πn cos2 m
π
π
4 sin2 πn sin2 m
− cos2 πn
n
π
π
π
− cos2 πn + cos2 πn 1 − sin2 m
sin2 m
sin2 m
2
· a2
=
·
a
=
π
π
4 sin2 πn sin2 m
4 sin2 m
− cos2 πn
− cos2 πn
|AUf |2 + |Uf MA |2 =
a2
4 sin2
+
= Rnm (a)2 = |MA A|2
und nach §1.Korollar 3 hat das Dreieck Uf MA A bei Uf einen rechten Winkel, die Kugel
mit Mittelpunkt MA und Radius rnm (a) berührt die Fläche f also tangential in ihrem
Umkreismittelpunkt Uf .
Damit können wir jetzt einsehen, dass der Punkt MA von der Ecke A unabhängig
ist. Ist nämlich f eine Fläche von P , so ist der Punkt auf der Normalen auf f durch Uf
im Abstand rnm (a) von Uf und auf derselben Seite von f wie P eindeutig bestimmt, also
gilt MA = MB für alle Ecken A, B von f . Sind jetzt aber A, B zwei beliebige Ecken von
P , so kann man diese durch einen Kantenzug mit Kanten von P miteinander verbinden,
und da jede Kante von P die Kante einer Fläche von P ist, folgt letztlich MA = MB .
Damit sind (a) und (b) bewiesen. Sind weiter A, B zwei benachtbarte Ecken von P , so
ist B eine Ecke der Pyramide PA und wegen M = MA ist der Winkel zwischen M A
und M B genau der oben berechnete Winkel β. Damit haben wir auch (d) eingesehen.
Es verbleibt die Berechnung von Oberfläche und Volumen von P . Jede Fläche f
von P ist ein gleichseitiges n-Eck der Kantenlänge a, hat also nach Lemma 4.(e) die
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Fläche Fn (a) = (na2 /4) cot(π/n), also ist die gesamte Oberfläche von P genau
Anm (a) = Fn (a) · fnm =
nfnm
π
cot · a2 .
4
n
Zur Berechnung des Volumens von P sei f wieder eine Fläche von P und betrachte
die Pyramide Pf := co(f ∪ {M }) mit der Basis f und dem Umkugelmittelpunkt M als
Spitze. Nach (b) ist der Lotfußpunkt von M auf f genau der Umkreismittelpunkt Uf
von f und es ist |M Uf | = rnm (a), also gilt
1
vol(Pf ) = Fn (a)rnm (a).
3
Summation über alle Flächen gibt schließlich
π
nfnm cot2 πn cos m
1
q
vol(Pf ) = rnm (a)Anm (a) =
3
24
sin2 π − cos2
Fläche von P
X
vol(P ) =
f
m
· a3 .
π
n
Wir wollen noch einige kleine Anmerkungen zum eben bewiesenen Satz machen. Um
konkrete Werte für Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder und Ikoseader zu erhalten, muss man der Reihe nach die entsprechenden Werte für den Typ (n, m) einsetzen.
Dies wirklich durchzuführen ist der Inhalt von Aufgabe (22). Bei der Berechnung der
Winkel ist dabei eine gewisse Vereinfachung möglich. Wir sagen das zwei platonische
Körper P, Q dualen Typ haben, wenn P den Typ (n, m) und Q den Typ (m, n) hat.
Bei Vertauschen von n und m in den Winkelformeln aus (c) und (d) haben wir dann
cos θQ = − cos βP und cos βQ = − cos θP , also θQ = π − βP und βQ = π − θP . Wir werden nun zu jedem platonischen Körper einen zugehörigen dualen platonischen Körper“
”
vom zu P dualen Typ konstruieren, dies wird uns insbesondere die noch ausstehende
Existenz des Dodekaeders liefern.
Satz 3.8 (Der duale platonische Körper)
Sei P ein platonischer Körper von Typ (n, m) und Kantenlänge a > 0. Sei F die Menge
der Flächen von P und für jedes f ∈ F bezeichne Uf den Umkreismittelpunkt von f .
Dann ist
P ∗ := co({Uf |f ∈ F })
ein platonischer Körper von Typ (m, n) mit Kantenlänge
π
cos πn cos m
a =
· a,
sin2 πn
∗
der sogenannte zu P duale platonische Körper. Die Ecken von P ∗ sind genau die Umkreismittelpunkte Uf für f ∈ F und die Flächen von P ∗ entsprechen den Ecken von P ,
zu jeder Ecke A von P gehört die Fläche fA := co({Uf |f ∈ F, A ∈ f }) von P ∗ . Weiter
ist die Umkugel von P ∗ die Inkugel von P .
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Beweis: Sei B die Inkugel von P , interpretiert als eine Vollkugel. Nach Satz 7.(b) gilt
Uf ∈ ∂B für jede Fläche f ∈ F von P , also ist auch P ∗ ⊆ B. Da jeder Punkt von ∂B
ein Extremalpunkt von B ist, also nicht zwischen zwei anderen Elementen von B liegt,
ist auch Uf für jedes f ∈ F ein Extremalpunkt von B und damit erst recht von P ∗ .
Insbesondere liegt Uf nicht in der konvexen Hülle anderer Punkte von P ∗ , muss also
eine Ecke von P ∗ sein. Sei jetzt A eine Ecke von P . Ist dann EA die Menge der zu A
benachtbarten Ecken von P , so wissen wir schon das EA ein reguläres m-Eck ist und es
bezeichne eA die von EA aufgespannte Ebene. Sei weiter M der Umkugelmittelpunkt
von P . Sei f ∈ F eine Fläche von P mit A ∈ f und sei N der Lotfußpunkt von Uf
auf AM . Nach Lemma 6.(e) und Satz 7.(b) hat das Dreieck AM Uf die Seitenlängen
|Uf A| = Rn (a), |Uf M | = rnm (a) und |AM | = Rnm (a), der Winkel α in diesem Dreieck
bei A ist nach dem Cosinussatz §1.Satz 4 also gegeben als
cos α =
2
Rn (a)2 + Rnm (a)2 − rnm
(a)
.
2Rn (a)Rnm (a)
Andererseits können wir den Cosinus von α auch im
rechtwinkligen Dreieck AN Uf bestimmen, und erhalten
|AN | = Rn (a) cos α =
2
Rn (a)2 + Rnm (a)2 − rnm
(a)
.
2Rnm (a)
f
A
N
α
Uf
Insbesondere sind der Abstand |AN |, und damit auch der
Punkt N , unabhängig von der Fläche f , ist also e0A die
R (a)
rnm (a)
zu eA parallele Ebene durch N , so ist Uf ∈ e0A für jede nm
Fläche f ∈ F mit Ecke A. Damit ist fA = P ∗ ∩ e0A eine
Fläche von P ∗ .
Die Flächen von P ∗ sind also m-Ecke. Ist B eine Ecke
von P ∗ , also B = Uf für eine Fläche f von P , so ist die
M
Menge der Flächen von P ∗ mit Ecke B genau die Menge
der Flächen fA wobei A alle Ecken von P mit A ∈ f
durchläuft. Da f ein n-Eck ist, gibt es somit genau n solche Flächen, an jeder Ecke
von P ∗ treffen also genau n Flächen zusammen. Es bleibt nur noch zu zeigen, dass die
Flächen von P ∗ sogar reguläre m-Ecke sind.
k
D
g
D
C
B
θ
θ
h
rn (a)
C
B
Die Flächen g und h
Situation in der Ebene t
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Sei also A wieder eine Ecke von P . Seien B, C zwei aufeinanderfolgende Ecken des
m-Ecks fA . Dann gibt es zwei Flächen g, h ∈ F mit A ∈ g, h und B = Ug , C = Uh , die
sich in einer Kante k von P schneiden. Nach Lemma 4.(d) hat der Inkreis von g den
Mittelpunkt B = Ug und den Radius rn (a), und er berührt die Seite k von g tangential
in Mittelpunkt D von k, also insbesondere |BD| = rn (a). Analog ist auch |CD| = rn (a)
und die Strecken BD und CD liegen in der zu k orthogonalen Ebene t durch D. Damit
ist der Winkel zwischen BD und CD bei D genau der Winkel θ zwischen den beiden
benachtbarten Seiten g, h von P . Wenden wir also den Cosinussatz §1.Satz 4 im Dreieck
BCD an, so ergibt sich
|BC|2 = 2rn (a)2 (1 − cos θ) =
π
cos2 πn cos2
a2
π 2 cos2 m
cot2
=
2
n sin2 πn
sin4 πn
also ist
|BC| =
π
m
· a2 ,
π
cos πn cos m
· a,
sin2 πn
und somit ist fA ein gleichseitiges m-Eck der Kantenlänge a∗ . Schließlich haben alle
Ecken von fA auch denselben Abstand rnm (a) von M , also ist fA nach dem Pyramidenlemma Lemma 6.(a) sogar ein reguläres m-Eck. Damit ist P ∗ ein platonischer Körper
vom Typ (m, n) mit Kantenlänge a∗ . Da die Inkugel von P für jede Fläche f ∈ F den
Punkt Uf enthält ist sie auch die Umkugel von P ∗ .
Schauen wir uns einmal an, wie dies konkret im Fall eines Würfels W aussieht. Dann
sind n = 4, m = 3, also
√1 · 1
a
2
∗
a = 21 · a = √ ,
2
2
√
und W ∗ ist ein Oktaeder der Kantenlänge a/ 2. Starten wir mit einem Ikosaeder P der
Kantenlänge a > 0, so ist der duale Körper P ∗ ein platonischer Körper von Typ (5, 3),
also ein Dodekaeder, und die Existenz des Dodekaeders ist eingesehen. Die Kantenlänge
von P ∗ ergibt sich mit den Formeln aus §2.3 als
cos π3 cos π5
·a=
a∗ =
sin2 π3
1
2
·
√
1+ 5
4
3
4
13-6
√
1+ 5
·a=
· a.
6
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