Fragenkatalog Kolonialismus, Rassismus, Ethnizität

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2012/2013
Fragenkatalog Kolonialismus, Rassismus, Ethnizität
Hier ist eine Version des Fragenkataloges für die „Kolonialismus-Prüfung“, den
ich selbst bekommen und so übernommen habe. Er ist wirklich gut
ausgearbeitet und reicht inhaltlich vollkommen für die Prüfung ist.
_________________________________________________________________
1. Begriffsdefinition Kolonialismus nach Osterhammel – drei Aspekte zur Abgrenzung.
„Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen
Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und
kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer
Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Gerechtfertigt wurde die Kolonisation in
der Neuzeit meist mit der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen
Höherwertigkeit.“
Kolonialismus ist kein beliebiges Herrschaftsverhältnis. Die gesamte Gesellschaft ist fremdgesteuert
und der eigenständigen Entwicklung beraubt, denn die wirtschaftlichen Bedürfnisse und Interessen
der Kolonialherren stehen im Zentrum.
Beim Umgang mit Fremdheit durch die Kolonialherren besteht keine Bereitschaft, den unterworfenen
Gesellschaften entgegenzukommen, sondern es wird die totalen Akkulturation erwartet (jedoch kein
Wille einer Gegenakkulturation). Diese Haltung ist verknüpft mit rassistischen Vorstellungen (v.a. als
sich der wissenschaftliche Rassismus etabliert hat).
Markant an diesem Herrschaftsverhältnis ist die Überzeugung der eigenen kulturellen
Höherwertigkeit der EuropäerInnen (Hierarchie, an deren Spitze die Europäer standen). Das äußert
sich unter anderem in der Zivilisatorische Mission. (Die europäische Mission wurde als humanitäres
Projekt umgedeutet, indem zivilisierte Gesellschaften den anderen die richtige Lebensweise und den
richtigen Glauben bringen.)
2. Definieren Sie den Begriff „Kolonie“ und beschreiben Sie die vier Haupttypen von
Kolonien.
Der Begriff Kolonie bezeichnet, laut Jürgen Osthammel, ein durch Invasion in Anknüpfung an
vorkoloniale Zeiten neu geschaffenes politisches Gebilde, dessen landfremde Herrschaftsträger in
dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten Mutterland oder imperialen
Zentrum stehen, welches exklusive Besitzansprüche auf die Kolonie erhebt.
Man unterscheidet vier Typen von Kolonien. Diese vier Typen schließen sich nicht gegenseitig aus,
vielmehr existieren Übergangsformen die nicht eindeutig einzuordnen sind. Auch eine Entwicklung
von einer Kolonisationsart zur anderen ist denkbar.
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1. Beherrschungskolonien
- In der Regel ein Resultat militärischer Eroberung.
- Mit dem Zweck wirtschaftlicher Ausbeutung (durch Handelsmonopole, Nutzung der Bodenschätze,
Erhebung von Tribut, nicht jedoch: „farming“!), der strategischen Absicherung imperialer Politik
sowie nationalem Prestigegewinn.
-Weitere Kennzeichen sind eine zahlenmäßig relativ geringfügige koloniale Präsenz, primär in Gestalt
von Entsandten, Zivilbeamten, Soldaten und Kaufleuten, die nach dem Ende ihrer Tätigkeit ins
Mutterland zurückkehren; keine Besiedelung.
- Die Regierung geschieht ausschließlich durch das Mutterland (Gouverneursystem), dabei hat die
indigene Bevölkerung oft gar keine oder nur verminderte Bürgerrechte, mit Elementen
paternalistischer Fürsorge für die einheimische Bevölkerung.
- Eine eigene und zielgerichtete Entwicklung des Gebietes findet nicht statt.
- Die meisten europäischen Kolonien, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert gegründet wurden,
entsprachen diesem Typus.
2. Stützpunktkolonien
- Ein Resultat von Flottenaktionen.
- Zweck: indirekte kommerzielle Erschließung/Ausbeutung eines Hinterlandes und/oder Beitrag zur
Logistik seegestützter Machtentfaltung und informeller Kontrolle über formal selbständige Staaten
(„Kanonenbootpolitik“).
- 2 Typen: Militärstützpunkt (Hier bilden Soldaten zuerst einen Stützpunkt, an den es im Laufe der Zeit
auch Siedler zieht; anders ausgedrückt: „Der Handel folgt der Flagge“) – und Handelsstützpunkt
(umgekehrter Fall: Kaufleute gründeten Unternehmungen, um den Handel mit entfernten Regionen
zu etablieren. Erst im Laufe der Zeit übernahm der Staat die Hoheit über diese Handelskolonien
meist unter der Vorgabe, diese militärisch zu sichern).
3. Siedlungskolonien
- Dieser Typ ist das Resultat militärisch flankierter Kolonisationsprozesse, und zwar Siedlungspolitik
(=Siedlungspolitik mit militärischer Unterstützung).
- Koloniale Präsenz primär in Gestalt permanent ansässiger Farmer und Pflanzer (billiges Land, billige
Arbeitskräfte).
- Ansätze zur Selbstregierung der „weißen“ KolonistInnen unter Missachtung der Rechte und
Interessen der indigenen Bevölkerung ( = Abspaltung vom Mutterland möglich).
Neuenglischer Typ: indigene Bevölkerung vertrieben oder getötet (Neuengland – Nordosten der USA)
Afrikanischer Typ: lokale Arbeitskraft wird ausgebeutet (Algerien, Simbabwe, Südafrika)
Karibischer Typ: Import von landfremden Arbeitssklaven (Barbados, Jamaika, Kuba, Brasilien)
4. Strafkolonien
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- Vorübergehende oder dauerhafte Verbannung von Straffälligen in entlegene Gebiete.
- Entwicklung von Straf– zu Siedlungskolonie möglich.
3. Diskutieren Sie kritisch den Begriff des Kolonialismus.
Kolonialismus kann sich in einer Vielfalt von Erscheinungsformen (z.B. Sklaverei, Missionierung…),
also Kolonialismen äußern. Man kann daher nicht von einem einheitlichen Phänomen sprechen,
sondern die Art von Kolonialismus ist abhängig von den Herrenländern.
Generell kann Kolonialismus jedoch als Herrschaftsverhältnis bezeichnet werden, das mit
Fremdbestimmung einhergeht, wodurch sich folglich eine Menge Probleme ergeben.
Da es ab den Entdeckungsreisen im 15. Jhd. zur weltweiten Vernetzung im Zuge des Kolonialismus
kommt, spricht man auch von der „gemeinsamen Geschichte“ der modernen Welt (jedoch basierend
auf Ungleichheit, ungleiche Machtverhältnisse und Gewalt).
Der Begriff Kolonialismus wird meistens als historisches Phänomen verstanden, in der KSA weist man
jedoch auf die Relevanz für die Gegenwart hin. Es muss hinterfragt werden, inwiefern die
Auswirkungen auch heute noch zu spüren sind, zum Beispiel in Form von ökonomischer Abhängigkeit,
ethnischen Konflikten aufgrund von rücksichtslosen kolonialen Grenzziehungen, oder einem
speziellen Gedankengut, nämlich dem Überlegenheitsdenken der Weißen und westlichen
Gesellschaft, das auch heute weitergetragen wird.
4. Vergleichen Sie in Bezug auf den Kolonialismus die kultur- und
sozialanthropologische Position in Frankreich und GB.
Bevor ein Vergleich beider Positionen stattfinden kann, muss auf den Aufbau der Anthropologie in
Frankreich und Großbritannien eingegangen werden:
In GB wurde die Feldforschung in den 1920er Jahren durch Bronislaw Malinowski und seinen
berühmten Feldforschungsbericht „Die Argonauten des westlichen Pazifik“ etabliert.
Die Feldforschung wurde von Ethnologen v.a. in kolonialisierten Gebieten praktiziert, das heißt die
Forschungsergebnisse sind von kolonialen Rahmenbedingungen geprägt. Dies lässt sich am Beispiel
von Bronislaw Malinowski, der Leitfigur der britischen Social Anthropology, zeigen:
Malinowski war darum bemüht den Mythos des abenteuerlichen Feldforschers zu verbreiten.
Während seiner gesamten Zeit im Feld legte er ein zwiespältiges Verhältnis zum Kolonialismus an den
Tag – einerseits versuchte er „seine“ Trobriander vor den Übergriffen der Kolonialbeamten und
Missionare zu schützen, andererseits forschte er für die Regierung und war auch der Meinung, dass
die Ethnologie für den Kolonialismus eingesetzt werden solle.
Max Herman Gluckman, ebenfalls Ethnologe aus GB und Begründer der Manchester School, hat sich
systematisch mit der kolonialen Situation auseinandergesetzt. Ihn interessierten besonders die
sozialen Veränderungen durch Kolonisation.
Die Anthropologie in Frankreich entwickelte sich langsamer, wurde erst später zu einer akademischen
Disziplin, und war somit weniger mit dem kolonialen Apparat verbunden wie die Anthropologie in GB.
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Die Ethnologie bestand anfangs nur aus „Armchair- Anthropologen“ (z.B. Emile Durkheim), das heißt
Anthropologen stellten Theorien auf etc. ohne konkrete Forschungen im Feld zu tätigen. Als dann die
Feldforschung aufkam, herrschte eine strikte Trennung von Theoretikern und Feldforschern vor.
Die Problematik dabei war, dass die „Feldforscher“ meistens keine Anthropologen waren. Die
Informationen der „Raubexpeditionen“ sind also zu hinterfragen (-> Quellenkritik).
Als dann das „Institut d’Ethnologie de l’Université de Paris“ 1925/6 von Marcel Mauss gegründet
wird, werden Anthropologen erstmals auch zu (Feld-)Forschern ausgebildet (z.B. Claude LéviStrauss).
Die Ethnologie findet also auch hier Einbindung ins koloniale System. Ethnographien
entstanden unter kolonialen Rahmenbedingungen.
Durch die relativ spätere Institutionalisierung wurde die Ethnologie jedoch nie in dem Maß in die
koloniale Politik ihres Landes miteinbezogen, wie es mit der britischen geschah.
Dieser Umstand ermöglichte auch bereits eine frühere Kritik der kolonialen Prozesse durch die FR
Anthropologie.
5. Beschreiben Sie die drei Phasen der Dekolonisation („Era of Independence“), wie
sie Stanley J. Tambiah darlegt.
Stanley J. Tambiah beschreibt die koloniale Erfahrung als komplex und sehr vielgestaltig.
Gesellschaften und Territorien werden zu größeren Einheiten zusammengefügt, dabei stellt er zwei
Tendenzen der Kolonialpolitik fest: Einerseits der Prozess der Standardisierung und Homogenisierung,
gleichzeitig jedoch die Verfestigung bestehender Differenzen.
Er unterteilt die „Era of Indipendence“ in 3 Phasen:
Die 1. Phase ab 1945 bezeichnet den tatsächlichen Prozess der „Dekolonisation“. Hier erfolgt der
Transfer der Macht an lokale Eliten. Auslöser ist meistens Gewalt bzw. „civil disobedience
movements“.
Die 2. Phase reicht von den späten 1950er Jahren bis in die 1960er Jahre. Hier handelt es sich um die
Phase der optimistischen „nation building“. Es formieren sich unabhängige Länder. Interne
Unterschiede und Ungleichheiten werden in den Hintergrund gestellt und die Idee eines einheitlichen
Staates steht im Vordergrund. Außerdem ist sie gekennzeichnet durch die Zuversicht in ökonomische
Entwicklungen (5-Jahres-Pläne)
Die 3. Phase ab 1960er Jahren ist das Ende der optimistischen „expansiven“ Phase der
Nationenbildung. Es kommt zum Ausbruch von ethnischen Konflikten aufgrund von Sprache,
Territorium, Religion, etc., wobei der Staat nur noch Schiedsrichter ist.
6. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Globalisierung und
geben Sie ein Beispiel aus der wissenschaftlichen Literatur.
Die europäische Expansion ab den Entdeckungsreisen im 15. Jhdt. kann als Frühphase der
Globalisierung bezeichnet werden. Es kam zur weltweiten Vernetzung. Gemeinsame Geschichte“ der
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modernen Welt, die Basis war/ist jedoch Ungleichheit, ungleiche Machtverteilung und Gewalt. Der
große Unterschied zwischen Kolonialisierung und Globalisierung ist oder sollte sein, dass
Kolonialisierung die einseitige Beherrschung bezeichnet, während Globalisierung gegenseitige
Beeinflussung bedeutet.
Durch die gegenseitige Beeinflussung von Religion, Ökonomie, Politik, Lebensweise, Kultur etc. kam
es zur weltweiten Vernetzung. Das äußert sich unter anderem so, dass die Modernisierung die
„Einheimischen“ immens beeinflusste, sodass die indigene Bevölkerung nicht ihren eignen Weg
verfolgen konnte.
Eric Wolf war ein Vorreiter seiner Zeit und einer der ersten, der diese schon im 16. Jhd. existierenden
weltweiten Verflechtungen erkannte. Durch die europäische Expansion sind laut ihm auch scheinbar
isolierte, periphere Völker an weltumfassenden Veränderungsprozessen beteiligt bzw. von diesen
betroffen. Seitdem ist die ganze Welt vor allem durch ökonomische Prozesse vernetzt. (Globalisierung
hat in diesem Sinne 1492 begonnen.) Das ist beim Studium von Kultur zu berücksichtigen. Das heißt,
keine Gesellschaft kann isoliert untersucht werden, sondern die Beziehungen sowie die Geschichte
müssen bei der Analyse immer miteinbezogen werden.
7. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Imperialismus, wie
er in der VO vorgestellt wurde.
Kolonialismus ist eine besondere Erscheinungsform von Imperialismus. Imperialismus ist also ein
größeres Phänomen und Kolonialismus spezifischer.
Andrew Porter beschreibt Imperialismus als „die Erlangung (mit unterschiedlichen Mitteln) von
übermächtigem Einfluss oder direkter Kontrolle über die politische und/oder wirtschaftliche
Entwicklung schwächerer, technologisch weniger fortgeschrittener Völker und Staaten.“
Imperialismus bedeutet den Aufbau und Erhaltung von transkontinentalen Imperien, also eine
weltweite Interessenwahrnehmung.
Charakteristisch ist außerdem die Macht, die eigenen Nationalinteressen immer wieder imperial zu
bestimmen und im internationalen System immer wieder zur Geltung zu bringen.
Am Beispiel der USA lässt sich Imperialismus ohne Kolonialismus erkennen.
8. „formal“ vs. „informal empire“ – Vergleich und Bedeutung.
Mit „informal empire“ ist die quasi koloniale Kontrolle über ein Gebiet gemeint.
Diese kann der formalen kolonialen Herrschaft folgen oder vorhergehen.
In jedem Fall besitzt die „beherrschte Region“ eine eigene Außenpolitik und keine
Kolonialverwaltung, da auch die regionale, politische und administrative Struktur bestehen bleibt.
Typisch für informelle Herrschaft ist, dass Konsuln oder Diplomaten in „beratender“ Funktion in die
Politik der Gesellschaft eingreifen, um die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu wahren.
Der Begriff wurde nach den Dekolonisationsprozessen geprägt, da die Gebiete zwar formal
Unabhängig waren, jedoch ökonomisch noch von den Kolonialherren abhängig.
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Durch die überlegene ökonomische Position kann also die regionale ökonomische Position noch sehr
stark mitbestimmt werden.
Mit „formal empire“ ist die formale koloniale Herrschaft einer Region über die andere gemeint.
Dabei werden die vorkolonialen, politischen Organisationen aufgehoben und die Kolonialmacht
übernimmt die Hoheitsfunktionen, die Rechtsprechung, etc.
9. Diskutieren Sie den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Gender anhand
der VO-Inhalte.
Der Kolonialismus hatte starken Einfluss auf die Rolle der Frauen in egalitären (gleichberechtigten)
Gesellschaften.
Durch die Missionare, die im Zuge des Kolonialismus tätig waren, veränderten sich die Rollen von
Frauen und Männern in egalitären Gesellschaften.
Die Missionare propagierten ein patriarchales System, wo der Mann das Oberhaupt darstellt, und
beeinflussten die Werte und Normen der egalitären Gesellschaften
Des Weiteren bewirkten die Missionare eine Veränderung der Arbeitsteilung und Verhandlungen und
Handel wurde nur mit den Männern betrieben. Dadurch erlangten die Männer mehr ökonomische
und politische Macht!
Im Zuge des Kolonialismus entstand also eine Geschlechterhierarchie, in der die Frau die untere
Rangordnung besetzte. Zu diesem Thema forsche vor allem Eleanor Leacock.
Z.B.: Forschte POSSO bei den tropischen Gartenbauern in Kolumbien, welche eine egalitäre
Gesellschaft darstellten. In dieser Region wurde Öl gefunden und man versuchte diese Gesellschaft in
die industrielle Gegenwart einzubinden. So verschwanden auch die egalitären Strukturen.
10. Dekolonisation – Definition und Ursachen, Rahmenbedingungen (Einflussfaktoren)
Dekolonisation bedeutet Aufhebung von Kolonialherrschaft. Den Kolonien wird das
Selbstbestimmungsrecht zurückgegeben. Es handelt sich dabei um einen langen, nicht geradlinigen
Prozess.
Dekolonisation kann erfolgen durch Widerstand in Form von gewaltsamen Aktionen (z.B. Aufständen)
als Mittel der Selbstbehauptung und/ oder Verhandlungen, sowie durch die freiwillige Entlassung.
Außerdem besteht die Möglichkeit der "Entkolonialiserung" durch Integration in den Staatsverband
der ehemaligen Kolonialmacht (z.B. Réunion - Frankreich).
Dieser Prozess lässt sich in 3 Phasen einteilen, wobei unter Dekolonisation häufig nur die dritte Phase
verstanden wird.
Die erste Phase der Dekolonisation ist die Phase der nationalen Emanzipation der europäischen
Besitzungen in der Neuen Welt. Als zweite Phase der Dekolonisation wird die Transformation von
Siedlungskolonien "neuenglischen Typs" in sich selbst regierende Staaten bezeichnet. Die dritte Phase
der Dekolonisation bedeutet die Auflösung der europäischen Kolonialreiche und Entwicklung zu
völkerrechtlich unabhängigen Staaten nach dem zweiten WK. Diese Phase mein die Dekolonisation im
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engeren Sinn.
Problematisch ist das Fortbestehen von (quasi)kolonialen Zuständen nach Phase der Dekolonisation,
im "Windschatten" des europäischen Kolonialismus, sowie die oftmals weiterbestehende
wirtschaftliche Abhängigkeit.
Die Rahmenbedingungen bzw. Einflussfaktoren der Dekolonisation waren zum einen der Zweite WK,
durch den die Kolonialmächte geschwächt wurden und an Prestige verloren. Außerdem stieg der
Emanzipationswille der Bevölkerungen in den Kolonien, weil sich Soldaten aus den Kolonien
beteiligten am WK beteiligten und dadurch Selbstbewusstsein erlangten). Des Weiteren wurde
Kolonialismus in der öffentliche Meinung zunehmend abgelehnt. Z.B. die UNO-Charta forderte,
Kolonialismus in allen Formen sofort zu beenden. Auch der Druck der USA und der UdSSR auf
Kolonialmächte, die Kolonien aufzugeben stieg (Ende des Kalten Krieges -> keine Stellvertreterkriege).
11. Welche theoretischen Maximen vertritt Eric Wolf? Erläutern Sie das anhand eines
konkreten Beispiels in seinem Buch.
Die Hauptaussage des Textes ist, dass durch die europäische Expansion auch scheinbar isolierte,
periphere Völker an weltumfassenden Veränderungsprozessen beteiligt und von diesen betroffen
sind. Seitdem ist die ganze Welt vor allem durch ökonomische Prozesse vernetzt. (Globale
Zusammenhänge nicht erst seit Zeitalter der Globalisierung von Bedeutung, sondern seit 1492.)
Das ist vor allem beim Studium von Kultur zu berücksichtigen. Das heißt keine Gesellschaft kann
isoliert untersucht werden, sondern die Beziehungen müssen bei der Analyse immer miteinbezogen
werden.
Kulturen der Welt sind also in eine gemeinsame Geschichte eingebunden; Expansion, Diffusion,
Migration, Hegemonie der Industriegesellschaften bewirken lokale, sich verändernde Gegebenheiten
–> zu keiner Zeit hat es lokale Isolation gegeben!
Das lässt sich anhand des erzwungenen Handels der amerikanischen Ureinwohner mit den
Europäern im Zuge des Kolonialismus erläutern: Im Hochland wurden die Ureinwohner von den
Spaniern als billige Arbeitskräfte in Bergbauunternehmen eingesetzt. Die gewonnenen Edelmetalle
wurden dann nach Spanien exportiert. Das heißt die Ureinwohner waren durch den (erzwungenen)
Handel mit Silber an die europäischen Märkte angeschlossen. Zugleich waren sie jedoch mit dem
Sklavenhandel verbunden, der sich über 3 Kontinente erstreckte und neue Arbeitskräfte für den
Silber-Abbau lieferte.
12. In welchem wissenschaftstheoretischen Kontext steht Eric Wolf und welche
wesentlichen Positionen vertritt er?
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Wolf studierte unter anderem bei Ruth Benedict und Julian Haynes Steward an der Columbia
University. Nach Boas Tod wurde Julian Steward neuer Vorsitzender an der Columbia Universität. Er
vertrat eine evolutionistische cultural ecology. Das heißt er wollte erklären, wie Gesellschaften
entstehen und wie sich Kulturformen an ihre Umwelt anpassen, vor allem aber warum zu
verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten strukturell vergleichbare Formen der
Umweltanpassung vorkommen. Währen Steward nicht über das „vergleichende Studium isolierter
Beispiele“ hinausging, entwickelte Wolf ein Bewusstsein für globale Zusammenhänge.
Ebenso wurde Wolf von Marx beeinflusst. Im Buch kommt das vor allem in dem Kapitel
„Kapitalismus“ und durch die Domination der Themen Ausbeutung & Herrschaft zur Geltung.
Die Hauptaussage des Textes ist, dass durch die europäische Expansion auch scheinbar isolierte,
periphere Völker an weltumfassenden Veränderungsprozessen beteiligt und von diesen betroffen
sind. Seitdem ist die ganze Welt vor allem durch ökonomische Prozesse vernetzt. (Globalisierung hat
in diesem Sinne 1492 begonnen.)
Er spricht von einer „globalen Kulturgeschichte“ damit meint er, dass man die Geschichte nicht als ein
abgeschlossenes System sehen kann, sondern man muss sie im globalen Kontext verstehen. Daher ist
es für ihn wichtig, die gesamte Geschichte zu verstehen, nicht nur die aus eurozentrischer Sicht
geschriebene. Er sieht die Welt als Ganzes, in welcher es wirtschaftliche, politische und kulturelle
Verflechtung gibt.
Das ist vor allem beim Studium von Kultur zu berücksichtigen. Das heißt keine Gesellschaft kann
isoliert untersucht werden (= „Einzelfallforschung“), sondern die Beziehungen sowie die Geschichte
müssen bei der Analyse immer miteinbezogen werden.
Außerdem ist er der Meinung, dass die Anthropologie „ein Sproß des Imperialismus“ ist.
Des Weiteren spricht er sich gegen die Konstruktion des „modernisierten“ Westens, der den
Alleinanspruch auf Moral und Geschichtsschreibung hat gegenüber der unterentwickelten „Dritten
Welt“, aus.
13. Relevanz des Kolonialismus für Ethnologie – 3 Aspekte.
Kolonialismus ist für die Ethnologie in dreierlei Hinsicht von Relevanz:
1. Durch die Involvierung bzw. Zusammenarbeit zwischen Ethnologie und Kolonialismus, was
besonders von Talal Asad (auch von Veena Das und Roberto Damatta) kritisiert wird: Er betont vor
allem den strukturellen Rahmen, also die ungleichen Machtbeziehungen in der Wissensproduktion
der europäischen Kolonisatoren über außereuropäische Gesellschaften. Außerdem weist er auf die
Wissensakkumulation als Machtfaktor, sowie die Zugänglichkeit und sichere Erforschbarkeit der
„Forschungsobjekte“ hin. Er kritisiert, dass sich die Forscher damals das Kolonialsystem nicht in Frage
gestellt haben, sondern sich dem solidarisch erklärt haben.
2. Durch die Auswirkungen des Kolonialismus auf die von AnthropologInnen studierten
Gesellschaften. „Traditionelle“ Gesellschaften wurden durch den Kolonialismus in größere
Verflechtungen eingebunden. Des Weiteren wurden kulturelle Phänomene durch den kolonialen
Kontakt oder administrative Interventionen stabilisiert, verstärkt oder geschaffen. Zum Beispiel das
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indische Kastensystem wurde erst durch den britischen Kolonialismus sozial ins Zentrum gerückt. Hier
leistete die Frauen- bzw. Genderforschung mit ihren Forschungen einen wichtigen Beitrag (z.B.
Eleanor Leacock)
3. Durch das Studium von Kolonialismus und „kolonialer Kultur“ – „The culture of the Colonizers“.
KolonisatorInnen werden selbst zu Forschungsobjekten und es entstehen differenzierte Analysen zum
besseren Verständnis für „beide Seiten“. Auch hier leistete die feministische Kritik bzw. die
Genderforschung einen wichtigen Beitrag.
14. Diskutieren Sie die Verstrickung von Kolonialismus und Ethnologie.
Die Involvierung bzw. Zusammenarbeit zwischen Ethnologie und Kolonialismus wird besonders von
Talal Asad (auch von Veena Das und Roberto Damatta) kritisiert:
Er betont vor allem den strukturellen Rahmen, also die ungleichen Machtbeziehungen in der
Wissensproduktion der europäischen Kolonisatoren über außereuropäische Gesellschaften. Der
Zugang zu Informationen wurde durch diese Machtungleichheiten wesentlich leichter (->
Wissensakkumulation als Machtfaktor)
Außerdem betont er die Zugänglichkeit (wissen wurde nur in europäischen Sprachen
niedergeschrieben) und die sichere Erforschbarkeit der „Forschungsobjekte“.
Er weist darauf hin, dass die Anthropologen mit einem bestimmten Vorverständnis an die Forschung
gingen und diese Erwartungen erfüllt werden mussten.
Asad kritisiert, dass die Forscher damals das Kolonialsystem nicht in Frage gestellt haben, sondern
sich dem solidarisch erklärt haben. Somit hätten sie einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von
Machtstrukturen geleistet, die sich dann wiederum in der Forschung niedergeschlagen haben.
Am Beispiel von Bronislaw Malinowski lässt sich die Verstrickung von Ethnologie und Kolonialismus
erkennen: Malinowski hatte eine sehr zwiespältige Haltung zum Kolonialismus: Einerseits war er
Vertreter der „practical Anthropology“ und war der Meinung, dass die Ethnologie für den
Kolonialismus eingesetzt werden solle, also Wissen um fremde Völker generiert werden soll, um sie
dann besser beherrschen zu können. Andererseits versucht er gängige Vorurteile aufzubrechen, so
verteidigt er zum Beipiel „seine“ Trobriander gegen Missionare.
15. Erläutern Sie die Bedeutung der Wissensproduktion im Hinblick auf Kolonialismus
und Ethnologie.
Im Hinblick auf Kolonialismus und Ethnologie sind vor allem die Rahmenbedingungen, also der
strukturelle Rahmen der Wissensproduktion von Bedeutung: Damit sind die ungleichen
Machtbeziehungen in der Wissensproduktion der europäischen Kolonisatoren über außereuropäische
Gesellschaften durch den Kolonialismus gemeint.
Diese äußerten sich im Zugang zu Informationen, der den Kolonisatoren durch die
Machtungleichheiten wesentlich erleichtert wurde. (-> Wissensakkumulation als Machtfaktor)
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Außerdem ist die Zugänglichkeit (wissen wurde nur in europäischen Sprachen niedergeschrieben)
und die sichere Erforschbarkeit der „Forschungsobjekte“ von großer Bedeutung.
Des Weiteren waren die Datenlieferanten oft Kolonialbeamte und Missionare, was sich wiederum in
der Situiertheit des Wissens äußert.
Die Wissensproduktion ist umgekehrt jedoch auch von großer Bedeutung für den Kolonialismus: Dies
lässt sich am Beispiel von Bronislaw Malinowski erkennen: Er war er Vertreter der „practical
Anthropology“ und war der Meinung, dass die Ethnologie für den Kolonialismus eingesetzt werden
solle. Das heißt es wurde Wissen um fremde Völker generiert, um sie dann besser beherrschen zu
können.
Diese Machtungleichheit zeigen sich zum Beispiel in Edward Evans-Prichards Forschung bei den Nuer
im Sudan 1930. Er forschte im Regierungsauftrag und als dann Unruhen aufgrund seiner Forschung
aufkommen, wurde der Aufstand einfach niedergeschlagen.
16. Was fällt Ihnen ein zum Thema „Selbstreflexivität“, (Post-)Kolonialismus und
Ethnologie? Diskutieren Sie dies anhand der VO-Inhalte und/oder Pflichtliteratur.
Es wird eingesehen, dass das Wissen in Westeuropa im Zusammenhang mit Kolonialismus
entstanden ist und somit „situiert“ ist. Man erkennt also, dass jeder Wissenschaftler andere
Zugangsweisen und theoretische Hintergründe hat und deswegen aus einer bestimmten Position aus
forscht. Eine Folge der kritischen Hinterfragung der eigenen Position ist die Hinterfragung des
Objektivitätsparadigmas.
Vor allem das spezielle Gedankengut der Kolonisatoren, nämlich das Überlegenheitsdenken der
Weißen und Westlichen Gesellschaft floss erheblich in die Wissenschaft ein.
In der Phase des Postkolonialismus macht sich dann ein Schub von Selbstreflexivität bemerkbar: Es
wird gefordert, die eigene Position kritisch zu hiterfragen.
Vor allem in der Krise der Repräsentation werden dann Fragen bezüglich der Repräsentation von
„Gesellschaften“/ „ethnischen Gruppen“ durch AntrhopologInnen laut. Man fragt sich, inwiefern das
Wissen, das von Anthropologinnen produziert wird, als „Wahrheit“ bezeichnet werden kann und wird
sich der Macht der Repräsentation der AnthropologInnen bewusst, da diese Kultur Schreiben. Einer
der bedeutendsten Vertreter der „Writing Culture“ – Bewegung ist James Clifford.
Ein Beispiel aus der wissenschaftlichen Literatur ist Roberto DaMatta: „Some Biased Remarks on
Interpretivism“ : Es ist ein brasilianischer Ethnologe, der vor allem den Exotismus in der
Anthropologie kritisiert. Er stellt fest, dass in den akadem. Zentren des Westens ein
„bemerkenswerter Unwille“ vorherrscht, sich mit der eigenen Gesellschaft zu beschäftigen.
Anthropologen werden von ihm wegen ihres Bedürfnis dem Ursprünglichen näherzukommen und der
Idealisierung des Forschungsobjekts kritisiert.
Die Befreiung von kolonialen Begrenzungen/ vom kolonialen Denken der A. kann laut ihm nämlich
nur dann zustande kommen, wenn man das Zentrum (also den Westen) in den Blickwinkel nimmt also
durch die Kritische Haltung mit eigener Gesellschaft.
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17. Welche unterschiedlichen Positionen gibt es im Hinblick auf die Definition des
Rassismus?
Der Begriff Rassismus lässt sich in eingeschränktere & erweiterte Zugangsweisen/ Definitionen
einteilen:
Eine enge Definition des Begriffs geht davon aus, dass Rassenkonstruktionen eine neutrale Einteilung
der Menschengruppen sind. Erst der Prozess, durch den reale oder imaginäre biologische
Eigenschaften des Menschen mit Bedeutungen versehen werden ist Rassismus (Miles).
Laut Fredrickson verhindert sie zu enge Fassung des Begriffs alle Aspekte des äußerst komplexen und
vielfältigen Phänomens zu erfassen, also die Vorstellungen, sowie Strukturen & Praktiken.
Erweiterte Zugangsweisen bezeichnen schon Rassenkonstruktionen per se als rassistisch. Denn die
Einteilung von Gruppen von Menschen auf Basis von Vorstellungen naturgegebenen Einheiten
(Naturalismus, Essentialismus) geht automatisch einher mit einer Hierarchisierung (eigene Gruppe
wird dann kulturell höher gesehen) (Terkessis).
18. Was bedeutet der Begriff Neuer oder Neo-Rassismus?
Der Begriff „Neuer Rassismus“ oder „Neo- Rassismus“ bezeichnet die Ablehnung des Konzepts der
Menschenrassen (Rassekonzept = obsolet), jedoch das weitere Bestehen der rassistische Praxen.
Colette Guillaumin spricht von der „metaphorische Ausweitung der Begriffsverwendung“: Der Begriff
„Rasse“ wird ersetzt durch „Kultur“ und hat dadurch Zugang zum „gleichen Cluster von
Bedeutungen“.
Die Problematik beider Begriffe ist die damit einhergehende Naturalisierung und Essentialisierung.
Das bedeutet, dass Kultur als etwas Statisches, „naturgegebenes“ gesehen wird und so die
Eigenschaften der unterschiedlichen Kulturen verwendet werden, um eine Grenze zwischen ihnen zu
ziehen und ihre Differenzen hervorzuheben.
Auch Dilek Cinar sieht Kultur als Erkennungs- und Ausgrenzungsmittel. Jedoch wird laut ihr nicht die
Konstruktion von Gruppen als natürlich gefasst, sondern das rassistische Verhalten wird als natürlich
gedacht. Es wird also die Abwehr der Europäer gegenüber dem Fremden genetisch begründet. Diese
Naturalisierung rechtfertigt folglich den sozialen/politischen Ausschluss bestimmter Gruppen.
Beim differenzialistischen Rassismus stehen nicht die Aspekte der Hierarchisierung im Vordergrund,
sondern die Wahrung von Differenzen und abgegrenzten Einheiten.
19. Was versteht Ina Kerner unter „Neo-Biologismus“?
Neo- Biologismus bezeichnet die Wiederbelebung wissenschaftlicher „Rasse“-Konstruktionsprozesse.
Kerner beschreibt den Neo-Biologismus anhand des Produktes BiDil, dass insbesondere für afroamerikanische Menschen mit Herzproblemen entwickelt wurde. Dadurch entstand ein neuerlicher
Diskurs über „Rasse“ und Genetik.
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„Rassische“ Differenzierungen und Differenzierungsmöglichkeiten werden anhand des aktuellen biound genwissenschaftlichen Forschungsstandes postuliert, suggeriert und gestützt. Diese Theorien
werden angesichts der biologischen Varianzen innerhalb von Gruppen (die mindestens gleichstark
sind wie diese zwischen Gruppen) in den Naturwissenschaften jedoch schon längst als überholt
gesehen
Es handelt sich dabei um eine Wiederbelebung des wissenschaftlichen
„Rassenkonstruktionsprozesses“. Problematisch dabei ist, dass alte Unterscheidungen (und damit
einhergehende Hierarchisierungen) menschlicher „Rassen“ nach Kriterien der Morphologie eng mit
der Geschichte des Rassismus verknüpft sind.
Selbst wenn die medizinischen und konsumtiven Anwendungen (Beispiel BiDil) begrüßenswert wäre,
besteht außerdem die Gefahr der Naturalisierung, und folglich Fixierung und Essentialisierung von
„Rassen“.
Die Konstruktion von „Rassen“ ist ein integraler Bestandteil der Geschichte des Rassismus, daher
plädiert Kerner für Kritik und Analyse von Mechanismen der Biologisierung, und die Betonung der
sozialen Konstruiertheit von „Rasse“.
20. Gibt es Rassen? – Diskutieren Sie diese Frage basierend auf den VO-Inhalten.
Der „Rasse“- Begriff bezeichnet Unterscheidungen menschlicher „Rassen“ nach Kriterien der
Morphologie. Problematisch ist, dass mit der Unterscheidung einerseits die Naturalisierung, sowie die
Hierarchisierung der „Rassen“ einhergeht. Der „Rasse“- Begriff ist ein mittel der Abgrenzung und
somit eng mit Rassismus verknüpft.
Obwohl das Konzept der „Rassen“-Theorie im zuge der Aufklärung in der Wissenschaft entwickelt
wurde, gibt es keine wissenschaftliche Basis für den „Rassenbegriff“ oder eine genetische
nachweisbare Kategorie, die diese Theorie stützen würde. Der Begriff ist also wissenschftlich nicht
haltbar und es gibt keinen Grund, den Begriff „Rasse“ in Bezug auf „Menschenrassen“ weiterhin zu
verwenden, er ist nur für Tierarten anwendbar.
Beispielsweise Thomas Hylland Eriksen hält die Klassifizierung von Menschen als wissenschaftlich
uninteressant, er betont jedoch die Bedeutung von Macht und Ideologie.
Der Begriff „Rasse“ wird immer weiter tabuisiert und zurückgedrängt, und der Begriff Ethnizität
gewinnt immer mehr an Bedeutung.
21. „Race“ vs. „Rasse“
Rasse und „race“ haben unterschiedliche Konnotationen.
Der deutsche Begriff der „Rasse“ wird seit dem Holocaust tabuisiert.
Der angloamerikanische Begriff der „race“ dagegen wird auch jetzt noch häufig gebraucht. Er
beschreibt soziale und kulturelle Bedeutungen und wird in Amerika seit den
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Bürgerrechtsbewegungen, wie dem Black Power Bewegung auch positiv besetzt und wirkt so auch
identitätsstiftend. Er wurde im Zuge dieser Bewegungen benutzt um einen Appell an die „race“ zu
richten, sich zu formieren, politisch zu organisieren und die gemeinsame Stellung zu stärken. So
wurde die Unterscheidung von Gruppen von Menschen im Zuge des europäischen Diskurses
akzeptiert und für sich positiv umgeformt.
Auch in den Sozialwissenschaften wird „race“ verwendet, jedoch nicht in Verbindung mit
rassistischen Vorstellungen.
Das große Problem beim Gebrauch des Begriffs „race“ ist jedoch die damit einhergehende
Naturalisierung und Hierarchisierung von „Rassen“.
KritikerInnen meinen jedoch, dass „Rasse“ und „race“ gemeinsame Wurzeln und vergleichbare
Entwicklungen haben und mit einer problematischen Geschichte von Ausbeutung und Vernichtung
verknüpft sind, nämlich mit der Geschichte des Kolonialismus. „Rassen“- Theorien sind bestimmt von
Sklaverei, Lynchjustiz und Rassentrennung, die durch Hierarchisierung von realen oder fiktiven
Gruppierungen von Menschen legitimiert wurden. Die Gefahr von Naturalisierung und Biologisierung
besteht also auch beim vorsichtigem Gebrauch des „Rassenbegriffs“.
22. Wie definiert Robert Miles Rassismus?
Miles beschäftigt sich hauptsächlich mit europäischem Rassismus und plädiert für eine enge
Definition des Begriffs.
Er bezeichnet Rassenkonstruktionen als Kategorisierungen auf biologischen, genetischen,
phänotypischen Merkmalen, sodass Individuen einer allgemeinen Kategorie von Personen
zugeordnet werden können. Rassenkonstruktionen sind für ihn eine neutrale Einteilung der
Menschengruppen.
Erst der Prozess, durch den realen oder imaginären biologische Merkmalen des Menschen
Bedeutungen zugeschrieben werden sind als Rassismus zu bezeichnen.
-
Rassismus ist laut ihm ein dialektischer Begriff, bei dem die negativen Eigenschaften
des anderen zum Spiegelbild der positiven Eigenschaften des Selbst werden.
-
Die daraus resultierenden Ausgrenzungspraktiken (z.B. Unterrepräsentation unter
den Akademikern oder Überrepräsentation in schlecht bezahlten Jobs) wären für Miles
jedoch eine Überdehnung des Begriffes.
-
Er sieht Rassismus ausschließlich als ideologisches Phänomen, d.h. die Ideologie wird
von den Leuten aufgenommen und als Reaktion auf ihre materiellen und kulturellen
Lebensumstände reproduziert.
Rassismus kann also die Welt (auf falsche weise!) erklären und eine politischen
Handlungsstrategie zur Verfügung stellen.
-
Rassismus ist keine einförmige, statische Ideologie, sondern hat sich im Laufe der
Geschichte in sehr unterschiedlichen Ausprägungen geäußert und sich e nach Zeit und
Kontext verändert.
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23. Was versteht Robert Miles unter „Rassenkonstruktion“ („racialisation“), welche
Bedeutung hat dieser Begriff für ihn?
Miles beschäftigt sich hauptsächlich mit europäischem Rassismus und plädiert für eine enge
Definition des Begriffs.
Er bezeichnet Rassenkonstruktionen als Kategorisierungen auf biologischen, genetischen,
phänotypischen Merkmalen, sodass Individuen einer allgemeinen Kategorie von Personen
zugeordnet werden können.
Rassenkonstruktionen sind für ihn eine also neutrale Einteilungen der Menschengruppen.
(Erst der Prozess, durch den realen oder imaginären biologische Merkmalen des Menschen
Bedeutungen zugeschrieben werden sind als Rassismus zu bezeichnen.)
24. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Rassismus und Sexismus?
Es gibt viele Querverbindungen und Ähnlichkeiten zwischen diesen 2 Phänomenen: Gemeinsam
haben sie zum Beispiel die Naturalisierungen/ Biologisierungen, also die Behauptung, es gäbe
natürliche, angeborene, unveränderbare Unterschiede, die universell sind. Diese Naturalisierung geht
einher mit der Hierarchisierung der Differenzen.
Miles hebt vor allem die Gemeinsamkeit der Bedeutungskonstruktion beim Sexismus und Rassismus
hervor. Bedeutungskonstruktion bedeutet, dass bestimmte somatische Eigenschaften mit einer
Bedeutung versehen werden. Die daraus resultierenden Praktiken des Einschlusses und der
Ausgrenzung dienen zur Erklärung sozialer Ungleichheiten.
Diese Querverbindungen werden „ideologische Verknüpfung“ genannt.
Die biologische Reproduktion ist verknüpft mit der „Reproduktion von Rassen“, was sozusagen in den
Händen der Frau liegt. In der patriarchalen Gesellschaft geht die „Reinhaltung der Rassen“ ( ->
Gebärfähigkeit der Frau) somit einher mit der Kontrolle der Sexualität der Frau.
Rassismus ist also sexistisch konnotiert und man kann Rassismus nicht geschlechtsneutral
analysieren!
Deborah King thematisiert diesen Zusammenhang von Rassismus und Sexismus (&
Klassenunterdrückung) mit dem Konzept der "multile jeopary". Sie geht davon aus, dass diese drei
Unterdrückungsmechanismen voneinander unabhängig sin und zwischen ihnen eine multiplikative
Wirkung bestehe.
Heute wird dieses Konzept als überholt betrachtet, und es wurden neue Konzepte, wie das der
Intersektionalität von Crenshaw erfunden, die das Augenmerk auf die spezifischen Wechselwirkungen
von Unterdrückungsmechanismen legen.
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25. Erläutern Sie das Zusammenwirken von Rassismus und Sexismus im Kolonialismus.
Rassismus steht eng im Zusammenhang mit Kolonialismus:
Der „rassistische Sexismus“ schafft eine Hierarchie innerhalb der Unterordnung der Frauen: Die
„weißen“ Frauen, also die aus der unterdrückenden Gesellschaft, stehen über Klassengrenzen hinweg
über „Schwarzen“ Frauen. Aber auch gegenüber „schwarzen“ Männern sind sie höhergestellt.
„Weiße“ Frauen wurden also gegenüber „schwarzen“ Menschen allgemein aufgewertet.
In ihrer eigenen Gesellschaft waren die „weißen“ Frauen jedoch den Männer untergeordnet. Ihre
Sexualität wurde von den Männern kontrolliert, das heißt ihnen war zum Beispiel der Sex mit
„Schwarzen“ Männern verboten (aufgrund der Vorstellung einer Verunreinigung)
„Weiße“ Männer durften jedoch sehr wohl auch mit einer „schwarzen“ Frau Sex haben, und diese
zusätzlich zur Ausbeutung als Arbeitskraft auch noch sexuell ausgebeuten . „Schwarze“ Frauen
dienten also auch als Sexobjekt für die Kolonialherren. Außerdem kontrollierten diese die Sexualität
„schwarzer“ Frauen in der Sklaverei. Es gab Unterschiede in den Geburtsrechten gegenüber „weißen“
Frauen: Die Kinder der „schwarzen“ Frauen, bzw. das gebären „schwarzer Kinder“ wurde zuerst stark
abgewertet, als der Sklavenhandel (nicht Sklaverei!) jedoch verboten wurde, kam es zu einer
Aufwertung der Geburt „schwarzer“ Kinder, da man nun nur mehr auf diese Weise neue Sklaven
gewinnen konnte.
Rassismus ist also sexistisch konnotiert und man kann Rassismus nicht geschlechtsneutral
analysieren! Die Stellung der Frau ist vom jeweiligen Kontext abhängig.
26. Was ist unter der „ideologischen Verknüpfung“ des Rassismus zu verstehen?
Ideologischer Verknüpfung bedeutet, dass Rassismus immer auch mit anderen
Unterdrückungsmechanismen verknüpft ist. Es gibt also Querverbindungen zu anderen Kategorien,
wie zum Beispiel Geschlecht oder/und Klasse.
Gemeinsam haben sie alle die Naturalisierungen/ Biologisierungen, mit denen soziale Ungleichheiten
erklärt werden. Die Vorstellung, es gäbe natürliche Unterschiede legitimiert die Hierarchisierung
innerhalb der verschiedenen Kategorien.
Miles geht von dem Zusammenwirken von Rassismus/Sexismus & Nationalismus aus. Auch er stellt
Gemeinsamkeiten im Prozess der Bedeutungskonstruktion und der Naturalisierung von
gesellschaftlichen Hierarchien fest, deren Ziel die Legitimierung von Ein- & Ausgrenzungspraktiken ist.
Rommeslbacher will mit ihrer Argumentationslinie einen fundamentalen Widerspruch aufklären: Seit
der Aufklärung wird die Gleichheit der Menschen theoretisch postuliert, gleichzeitig werden jedoch
mit den Biologisierungen gesellschaftliche Machtverhältnisse legitimiert.
Im Feminismus wurde für diese Problematik das Konzept der Intersektionalität (= Überschneidung)
entwickelt. Es bezeichnet die Wechselwirkung zwischen mehreren (Unterdrückungs-) Kategorien.
Zuerst wurde das Zusammenwirken der Unterdrückungsdimensionen Geschlecht und Klasse
diskutiert, später dann auch „race“ miteinbezogen.
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27. Erläutern Sie die historische Entwicklung des Begriffs „Rasse“ und der
entsprechenden Vorstellungen.
Der Begriff Rasse leitet sich aus dem Arabischen Wort „raz“, was Kopf Anführer, Ursprung bedeutet
und dem lateinischen Wort für Wurzel, „radix“, ab.
Es wird erstmals ab 15. Jhd. gebraucht, um die „edle Abkunft“ einer Adelsfamilie zu benennen, also
im Sinne von Abstammung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie.
Der europäische Kolonialismus spielte eine bedeutende Rolle bei der Etablierung des Rassebegriffs
und der Entwicklung von Rassentheorien.
Der Rassediskurs im Sinne der „Menschenrassen“ hatte seinen Ursprung während der Aufklärung in
Europa, in dieser Zeit wird der wissenschaftliche Rassismus etabliert.
Carl von Linné war der Begründer der biologischen Systematik. Er klassifizierte Menschen nach
körperlichen Merkmalen und ordnete ihnen später auch ein Temperament zu.
Vor allem Naturforscher stellten dann Theorien zu Hierarchien von „Menschenrassen“ auf. GeorgesLouis Leclerc de Buffon war der erste der die Bezeichnung „Rasse“ bei der Unterteilung der
Menschheit verwendete und in diesem Sinn in der Wissenschaftssprache etablierte.
Die Differenzen zwischen den Rassen wurden als Mittel der Abgrenzung verwendet und man
konstruierte Hierarchien von „Rassen“, wo die Europäer die Spitze bildeten. Diese legitimierten dann
zum Beispiel die kolonialen Expansion (als „zivilisatorische Mission“) und die Sklaverei.
Wesentlich sind auch Kants Werke „Von den verschiedenen Racen der Menschen“ (1775) und
„Physische Geographie“ (1805): Er teilte die Meinung, dass es zunächst eine „Menschenart" gab und
diese sich durch Anpassung an verschiedene Lebensräume in unterschiedliche „Races" mit
unterschiedlichen körperlichen Merkmalen entwickelt hat, von denen er dann auf psychische
Merkmale schließt und Hierarchien begründet.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfreute sich die Rassentheorie zunehmender Beliebtheit,
bis sie sich dann im 20. Jdt. In ihren schlimmsten Auswüchsen nämlich als Ideologie im
Nationalsozialismus und somit im Holocaust äußerte.
Seit dem ist der Gebrauch des Begriffes tabuisiert.
Die Idee von „Menschenrassen“ hat jedoch keine biologische oder genetische Basis und ist deswegen
nicht wissenschaftlich begründbar!
28. Was kritisiert Veena Das anhand des „Ayodhya-Konfliktes“?
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Gleich zu Anfang ihres Textes weist Das auf die ethnozentrischen Wurzeln der Anthropologie
hin und hebt die Repräsentation des „Anderen“, in diesem Fall des indischen „Anderen“, als
das Thema ihres Artikels hervor. Es geht konkret darum, wie Großbritannien als
Kolonialmacht die indische Geschichtsschreibung beeinflusst und zu ihren Gunsten verändert
hat.
Der Ayodhya Konflikt bezeichnet den Konflikt um einen heiligen Ort zwischen Hindus und Muslime.
Einige Hindu- Gruppen behaupteten, dass es historisch bewiesen sei, dass sich hier einst ein
Hinduistischer Tempel befand, der dann von Truppen eines muslimischen Königs zerstört wurde.
Dann wurde an derselben Stelle eine Mosche erbaut. Muslime behaupten jedoch, dass es keinen
Beweis für die damalige Existenz des Tempels gab.
Dieser Konflikt wurde schon in kolonialen Berichten erwähnt: Zu dieser Zeit war es üblich
anzunehmen, dass die indische Gesellschaft von Hass und Konflikt zwischen den beiden
Religionen beherrscht wird. Es wurden alle Ausschreitungen dahingehen analysiert, dass Religion die
treibende Kraft hinter jeder indischen Politik sei.
Am Beispiel des Ayodhya- Konflikts wird deutlich, dass die Briten sich als objektive Schiedsrichter und
Vermittler zwischen den Fronten darstellten.
In den offiziellen Aufzeichnungen sind aber Aspekte wie z.B. die Rolle der britischen
Verwaltung, welche die lokale Machtstruktur zugunsten der Muslimen verändern wollten,
nicht erwähnt, was jedoch sehr zum Anheizen des Konflikts beitrug.
Auch wurde ausgelassen, dass es durchaus Kooperation zwischen hinduistischen und muslimischen
Gruppen gab.
Da die indische Geschichte von Kolonisatoren geschrieben wurde, wird deren Sicht meistens als die
Wahrheit angesehen und die Art und Weise, wie Indien betrachtet wird, wurde verändert und
verzerrt.
Das zeigt, dass die Darstellungsweise von Indien nicht abwesend und stumm ist, sie wurden nur
lange Zeit ignoriert. Sie fordert also, man müsse also endlich dazu übergehen, den indischen
Wissenschaftlern auch eine Stimme zu geben bzw. die „Stimmen von unten“ zu hören.
So würde endlich auch die Problematik der Dichotomie Modernität/ Traditionalität aufgehoben
werden: Forscherinnen westlicher Herkunft repräsentieren die Modernität, während indische
ForscherInnen dem Bereich der Tradition zugewiesen werden, obwohl sie als Wissenschaftlerinnen
jedoch die Modernität repräsentieren sollten.
29. Erläutern Sie die „politicization of ethnicity“ nach Stanley Tambiah.
Tambiah erläutert in seinem Artikel die Allgegenwärtigkeit der ethnischen Konflikte und die Politik,
die damit gemacht wird, sowie die koloniale Relevanz: Die in der Kolonialisierung entstandenen
Konflikte aufgrund von Ethnizität wurden durch die Kolonialherren benutzt, um koloniale Herrschaft
zu rechtfertigen.
Er versteht Ethnizität als eine selbstbewusste und ausgesprochene Identität, die ein oder mehrere
Attribute umfasst, üblicherweise Hautfarbe, Sprache, Religion und territoriale Zuordnung. Durch
diese Zuschreibungen werden eigene Gruppen geformt denen auch ein mythisch-historisches Erbe
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innewohnt. Die zentralen Komponenten dieser Identität sind Ideen von Vererbung, Abstammung,
Ursprungsort oder –gebiet, und die gemeinsame Verwandtschaft.
Die steigende Bedeutung von Ethnizität heute, und auch die Verwendung des Begriffs Ethnizität in der
Wissenschaft, können auf die sich verändernde Weltgesellschaft und Globalisierung zurückgeführt
werden.
In Bezug auf die Politisierung von Ethnizität bedeutet das lt. Tambiah, dass ethnische Gruppen
mittlerweile einen wichtigen Platz als politische Elemente und Akteure einnehmen. Dies ist oft durch
gewaltsame, ethnische Konflikte gekennzeichnet.
Er bespricht die aktuell zunehmende Häufigkeit und Intensität von ethnischen Konflikten, damit
verbunden findet eine Abstumpfung und Normalisierung im Alltag statt.
Beispiele sind: engl./franz. Kanada, kath./prot. Nordirland, Griechen/Türken in Zypern…
Die meisten dieser Konflikte involvieren Macht und Gewalt, Töten, Brandstiftung und Zerstörung.
Auslöser für diese Konflikte sind oft Wirtschaftsinteressen (nämlich der Kampf um Ressourcen),
Unabhängigkeitsbestrebungen aufgrund enttäuschter Hoffnungen bei der Entwicklung einer Nation
und/oder gut funktionierenden Zivilgesellschaft, sowie der Wunsch nach mehr Rechten und
Anerkennung als Minderheit/Mehrheit (z.B. eigene Sprache, Religion, entsprechende staatl.
Einrichtungen, etc.)
Eine große Rolle bei der gegenwärtigen Entwicklung und Politisierung spielen Faktoren wie:

Die Entwicklung von internationalen Widerstandsbewegungen die die Weltgesellschaft
terrorisieren und ihre Gegenmaßnahmen dazu und die davon profitierende Waffenindustrie

die neuen Entwicklungen der Massenmedien, wodurch Information in Echtzeit verbreitet
werden können.

Bevölkerungsexplosion und Migration zwischen Ländern, aber auch Land- Stadt- Migration

Zunehmende Bildung;

Veränderung in Staatsformen, Zusammenbruch und Neuordnung;

Menschenrechte, die vom Westen eingefordert werden;

Kolonialisierung (in der Vergangenheit) und der Prozess der Entkolonialisierung
30. Erläutern sie den Begriff Ethnizität sowie seine Wissenschaftsgeschichte.
Der Begriff "ethnisch" kommt von griechischen "ethnos" und bezeichnet eine Gruppe von Menschen
mit einer einheitlichen Kultur. „Ethnos“ wiederum stammt von "ethnikos" ab, was „heidnisch“
bedeutet.
In diesem Sinne wurde das Wort "ethnic" in England ab dem 14./15. Jhd. verwendet: Es bezeichnete
jene, die weder Christen, noch Juden waren, also "Heiden".
In den USA wurde „ethnics“ während dem 2. WK als neutrale Bezeichnung für Juden, Italiener, etc.
verwendet.
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Ab den 1960ern fanden die Begriffe "ethnische Gruppen" und "Ethnizität" Einzug in den
Sprachwortschatz der Sozialanthropologie: Es hat den Begriff „Volk“ abgelöst, da dieser durch den
Nationalsozialismus schwer belastet war, sowie die Begriffe „Stamm“ und „tribe“ abgelöst wurden.
Max Webers Verständnis von „Ethnizität“ ist die Grundlage für ein modernes Verständnis von
Ethnizität, denn er bricht mit den statischen Vorstellungen und betont stattdessen die ständige
Veränderung und Neudefinition: Er versteht "ethnischen Gemeinschaften" als Gruppen mit dem
Glaube an eine gemeinsame Abstammung und einer gemeinsamen Kultur & Bräuche. Er versteht
darunter also sowohl physische, als auch kulturelle Grundlagen.
Heute wird „ethnisch“ im allgemeinen Sprachgebrauch mit "Andersheit", die „Anderen" assoziiert
und bezeichnet marginalisierten Gruppen mit "Minderheiten-Status", also solche, die nicht der
Mehrheitsgesellschaft angehören.
31. Worin liegt die zunehmende Popularität des wissenschaftlichen Begriffs Ethnizität
bzw. „ethnisch“ begründet?
Heute wird „ethnisch“ im allgemeinen Sprachgebrauch mit "Andersheit", die „Anderen" assoziiert
und bezeichnet marginalisierten Gruppen mit "Minderheiten-Status", also solche, die nicht der
Mehrheitsgesellschaft angehören.
Das öffentliche Interesse, sowie die „Veralltäglichung“ des Fachterminus „Ethnizität“ entspringt, nach
laut Andre Gingrich vor allem drei Bereichen:
1) Das Thema der Migrations- und Flüchtlingsbewegungen: Dieses Thema ist unauflöslich mit dem
der europäischen Integration verbunden.
2) Nationales Selbstverständnis gewinnt als Teilbereich EU-Integration innerhalb des
Integrationsprozess eines Kleinstaates an Bedeutung.
3) „Neuer Exotimsmus“, also das Interesse oder die Neugier am Fremden als Quelle für das verstärkte
öffentliche Bedürfnis an Fragen der Ethnizität.
Dieser „neue Exotismus“ äußert sich zum Beispiel in der Behandlung fremder Kulturen in Tourismus,
Medien, Ausstellungen etc.
32. Wie lauten die 7 Thesen zur Ethnizität von Andre Gingrich?
1. Ethnizität bezeichnet das Verhältnis zwischen 2 oder mehreren Gruppen die sich ihrer
Meinung nach kulturell unterscheiden -> soziales Verhältnis
Die Gruppen stehen in Wechselwirkung zueinander (friedlich, konfliktuell), das eigene benötigt das
Fremde um seine Grenzen zu konstituieren.
2. Ethnische Gruppen tendieren zu Ethnozentrismus. Die Selbstdarstellung und Abgrenzung von
anderen ist das Ergebnis der gerade bei der Gruppe vorherrschenden Meinungen
3. „ethnisch“ bedeutet nicht „rassistisch“. Der Begriff „ethnisch“ soll nicht den Begriff „Rasse“
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ersetzen. Ethnische Unterschiede zu verabsolutieren führt zu Rassismus sie außer Acht zu lassen
ebenso. Ethnizität bedeutet nicht, dass Gruppen unveränderliche absolute Eigenschaften
zugeschrieben werden, sondern begreift sich als Verhältnis von Gruppen, aus dem sich eine ethnische
Identität herausbildet, die höchst variabel ist.
4. Ethnizität und Nation sind nicht identisch, denn Ethnizität überschreitet oft nationale und
staatliche Grenzen. Überall in Europa gibt es „unmarkierte“ ethnische Mehrheiten und „markierte“
Minderheiten. Die Minderheiten können sich zugleich größeren ethnischen Gruppen jenseits der
Staatsgrenzen zugehörig fühlen, die anderswo selbst die Mehrheit bilden.
5. Ethnizität und Kultur sind nicht identisch. Während Kultur ein längerer Prozess ist, ist Ethnizität ein
dynamischer Prozess, ein Beziehungsgeflecht ist, das nur Teilelemente von Kultur beinhaltet.
6. Ethnizität verändert sich immer im Laufe der Zeit durch politische, wirtschaftliche und
demografische Faktoren. Heterogenität ist der Normalzustand.
7. Ethnizität variiert nach Umständen, ethnische Grenzen sind also fast immer durchlässig. Oft
entstehen auch hybride Formen.
34. Welche Bedeutung sieht Stanley J. Tambiah in den „Politics of Ethnicity“ in der
Phase der Dekolonisation, welche drei Szenarien umreißt er hier?
Stanley Tambiah bespricht die ethnischen Konflikte, die aufgrund der Entkolonialisierung entstanden
sind.
Die koloniale Erfahrung ist komplex und vielgestaltig. Im Zuge der Kolonialisierung wurden Völker und
Landesgrenzen willkürlich gezogen oder Gruppen aus sozialen und demografischen Gründen in große
Einheiten zusammengefasst. Dabei stellt er 2 Tendenzen der Kolonialpolitik fest: Einerseits der
Prozess der Standardisierung und Homogenisierung, gleichzeitig jedoch die Verfestigung bestehender
Differenzen
Die interne Politik der Kolonialmächte war auf Homogenisierung ausgerichtet. Sie klassifizierten
Menschen regional, tribal, nach Kasten und Kommunen und vereinheitlichten Handels- und
Rechtsgesetze ohne Rücksicht auf sozio-kulturelle Unterschiede. Zweck war die Einbindung dieser
Länder in die Wirtschaft und Politik des Kapitalismus. Spezifizierung und Standardisierung basierte
auf dem damaligen Verständnis von Entwicklung und Fortschritt
Die Kolonialmächte nutzten jedoch lokale Differenzen (ethnische, religiöse und sprachliche
Unterschiede) um ihre Kolonialmacht zu rechtfertigen.
Auch die Entkolonialisierung ist von ethnischen Konflikten gekennzeichnet: Tambiah umreißt 3
Szenarien:
1. Ethnische Gruppen spezialisieren sich auf bestimmte ökonomische Aufgaben und beanspruchen
bestimmte Nischen in der Gesellschaft (z.B. als Händler, Plantagenarbeiter oder Finanzierer), von
denen andere abhängig sind. Diese Spezialisierung lässt einen unterteilten Arbeitsmarkt entstehen
und wirkt gegen die Solidarität zwischen Klassen (über Ethnien hinweg)
Die Kolonialzeit förderte dieses System und es wurde in die Unabhängigkeit übernommen.
Spannungen entstehen wenn die Abgrenzungen gefährdet sind (z.B. wenn ein Gut vom Westen
importiert wird und die Arbeit einer Gruppe unwichtig wird)
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2. Kleine Minoritäten, die abgeschlossen in der Peripherie leben, sehen ihre Grenzen durch die
Mehrheitsbevölkerung gefährdet und fühlen sich von dieser beherrscht.
3. Die unterschiedliche Eingliederung führt zu strukturellem Pluralismus provoziert Revolutionen und
Gegenbewegungen.
35. Wie kann die Ablösung des Begriffes „Stamm/tribe“ durch ethnische Gruppe oder
Ethnizität laut Eriksen interpretiert werden?
Er interpretiert die Ablösung des Wortes „tribe“ nicht nur als bloßen Wechsel eines Wortes, sondern
viel mehr als die Begründung einer neuen Art des Denkens. Denn der neu eingeführte Begriff der
„ethnic group“ vermindert die Diskrepanz zwischen „uns“ und den „anderen“. Er fördert stattdessen
eine Relativierung dieser Kategorien und stellt alle (sowohl den Forscher, als auch die Erforschten) auf
dieselbe Stufe, denn man geht bei dem Konzept des Wortes „ethnic group“ davon aus, dass jeder zu
einer Gruppe gehört und somit eine Kategorie bildet, die auch einen selbst beinhaltet.
Im Gegensatz dazu steht das Wort „tribe“ bzw. „Stamm“, denn dieses wird lediglich zu Bewertung
anderer benutzt und nicht für sich selbst. Es schließt europäische Gesellschaften meist aus und
fördert die Unterscheidung zwischen „modern society“ und „traditional/primitive society“. Es enthält
also einen ethnozentristischen „bias“.
Weiters ist anzuführen, dass man beim Benutzen des Wortes „ethnic group“ davon ausgeht, dass die
Gruppe in Austausch mit anderen Gruppen steht und sich aus der Abgrenzung zu anderen
konstituiert. Der Aspekt der Beziehung zwischen zwei oder mehreren Gruppen wird in den
Vordergrund gestellt, nicht nur die Eigenschaft einer Gruppe, daraus folgert sich die Auffassung, sie
als etwas Dynamisches zu betrachten.
Das Wort „tribe“ hingegen beschreibt eine in sich geschlossene Einheit, die getrennt von anderen
„tribes“ lebt. Das Wort beschreibt das Bild einer Insel, die ohne Kommunikation und Austausch zur
Außenwelt lebt. Tribes werden folglich als statisch konstituiert.
36. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Ethnizität und Nationalismus.
Nationalismus besagt, dass die Menschheit in einzelne Einheiten, Nationen, unterteilt werden kann.
Der Anspruch auf nationale Identität beinhaltet meistens die Idee einer Gruppe von Menschen, die
eine gemeinsame Kultur haben, oft eine gemeinsame Sprache, manchmal eine gemeinsame Religion
und meistens, aber nicht immer eine gemeinsame Geschichte.
Hier lässt sich eindeutig Überschneidungen zu dem Begriff „Ethnizität“ erkennen. Der deutlichste
Unterschied ist jedoch, dass während Ethnizität ein dynamischer Begriff ist, der eigentlich ein
Beziehungsverhältnis zwischen 2 oder mehreren Gruppen bezeichnen, bei dem die eigene Identität
das „Andere“ braucht, um seine Grenzen zu konstituieren, ist die Nation ein Konstrukt gemeinsamer
Identität.
Es wird versucht eine Nationalkultur zu schaffen, die auf einer gemeinsamen Ethnizität beruhen soll,
und somit der Staat (die Nation) ein einheitliches „ethnisches“ Gebilde ist. Dieses Konstrukt ist jedoch
nicht möglich, da ethnische Gruppen über Nationalstaaten hinweg existieren. Eine Gruppe macht
nicht an einer imaginären Grenze halt und Ethnizität kennt keine Grenzen, vor allem in der Zeit der
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Globalisierung (-> migrations- und Flüchtlingsbewegungen). Die Nation oder der Staat ist immer eine
Hybride Kultur oder Mischform von ethnischen Gruppen, und es gibt unter der unmarkierten
Mehrheit immer die markierten Minderheiten.
37. Was bedeutet Intersektionalität?
Intersektionalität bedeutet wörtlich Überschneidung und meint die Wechselwirkung zwischen 2 oder
mehreren unterschiedlichen Kategorien. Damit sind die verschiedene Machtdimensionen, also
Überschneidungen von Unterdrückungsmechanismen gemeint.
Erste Diskussionen um die relative Bedeutung unterschiedlicher Ungleichheitsverhältnisse
behandelten nur die Kategorien „Geschlecht“ und „Klasse“.
Dann begannen schwarze Frauen die weißen „Mittelschichtfrauen“ wegen ihrer hegemonialen
zugangsweise zu kritisieren, da sie die Differenzen zwischen den Frauen nicht thematisieren. Diese
internationale Debatte wurde vor allem von Bell Hooks und Kimberlé Crenshaw angestoßen.
Nun rückte die Untersuchung des Zusammenwirkens verschiedener Unterdrückungsmechanismen in
den Vordergrund (inter-kategoriale Position) und dabei entstehen viele verschiedene Konzepte, zum
Beispiel das von Kimberlé Crenshaw, die diese Überschneidungen mit der Metapher einer
Straßenkreuzung beschreibt.
Heute bezeichnet Intersektionalität nicht wie ursprünglich nur die Wechselwirkungen zwischen den
Kategorien, sondern auch Zugänge, die die Homogenität innerhalb der Kategorien in Frage stellen
(intra-kategorialer Ansatz), sowie solche, die die Kategorien selbst in Frage zu stellen (=antikategoriale Position).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, je mehr Kategorien miteinzubeziehen sind, desto
schwieriger wird es, ihre jeweilige Relevanz zu bestimmen, sowie die Kategorien überhaupt vorab
festzulegen.
38. Diskutieren Sie die Überschneidung mehrerer sozialer Ungleichheitskategorien
anhand der VO-Inhalte und der Pflichtliteratur.
Die Betonung auf die Verwobenheit von Unterdrückungsmechanismen wurde vor allem von
schwarzen Frauen in den USA hervorgebracht, die ihre spezifische Erfahrung betonen.
Sie plädieren also für das Aufbrechen eindimensionaler Zugangsweisen, die sich entweder nur mit
Rassismus ODER Sexismus auseinandersetzen
Sie üben Kritik an der weißen, westlichen Frauenbewegung, die nur die Erfahrung weißer
Mittelschichtfrauen thematisiert und betonen die spezifische Wechselwirkungen und
Überschneidungen von Unterdrückungsmechanismen, denn es gibt auch Differenzen ZWISCHEN
Frauen, also Differenzen zwischen Personen, die scheinbar innerhalb der selben Kategorie angesiedelt
sind.
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Dazu entwickelte Deborah King das Konzept der "multile jeopary", welches Rassismus, Sexismus und
Klassenuterdrückung als drei voneinander unabhängige Unterdrückungsmechanismen sieht, zwischen
denen eine multiplikative Wirkung besteht. Dieses Konzept wird heute als überholt bezeichnet, da
sich die Unterdrückung nicht bloß multiplizieren lässt.
Zu Beginn dieser Debatte wurden also nur die Kategorien „Sex“ und „Race“ berücksichtigt, später
auch „class“ und nun wird stattdessen das Konzept der Intersektionalität von Kimberlé Crenshaw
propagiert, welche das Augenmerk auf die spezifischen Überschneidungen von vielen verschiedenen
Unterdrückungsmechanismen legt.
Eine frühe Vorläuferin dieser Debatte war Sojourner Truth, eine ehemalige Sklavin, die sich gegen
Rassismus und Sexismus stark gemacht hat. Sie zog als Wanderpredigerin herum und hielt schließlich
eine berühmte Rede bei women`s rights convention ( "Ain`t I a woman?"), wo sie die spezifische
Unterdrückung schwarzer Frauen anspricht.
39. Wie definiert Mark Terkessidis Rassismus? Erläutern sie die wesentlichen Punkte.
Für ihn ist Miles` Definition von Rassismus zu eng gefasst und er plädiert für eine erweiterte
Definition von Rassismus: Schon die Rassenkonstruktion ist laut ihm rassistisch.
Er sricht vom „Apparat des Rassismus“, der aus drei Teilen besteht: Die Rassifizierung, die
Ausgrenzungspraxis und die differenzierende Macht.
Für Terkessidis ist die Rassifizierung, also die Rassenkonstruktion schon rassistisch: Sobald
Kategorisierungen passieren, also Gruppen von Menschen auf Basis von Vorstellungen
naturgegebenen Einheiten eingeteilt werden (Naturalismus, Essentialismus) handelt es sich um
Rassismus, da diese Kategorisierung laut ihm automatisch mit einer Hierarchisierung einhergeht,
wobei die eigene Gruppe dann kulturell höher gesehen wird.
Das äußert sich dann in den konkreten Praxen der Menschen, also in Ausgrenzungspraxis.
Terkessidis betont außerdem das " Verhältnis von Abstraktion und Konkretion", also die Konkrete
Umsetzung des abstrakten Rassismus in unterschiedlichen Formen/ Gestalten.
Die differenzierende Macht ist die Fähigkeit die (rassistische) Ausgrenzungspraxis umzusetzen. Dabei
bedient sich Terkessidis der Vorstellung des Macht-Wissen-Komplexes von Foucault, in dem
spezifisches Wissen zu einer Form der Machtausübung wird.
40. Vergleichen Sie die Rassismus-Definitionen von Robert Miles und Mark Terkessidis
[sowie George M. Fredrickson].
Miles beschäftigt sich hauptsächlich mit europäischem Rassismus und plädiert für eine enge
Definition des Begriffs.
Er bezeichnet Rassenkonstruktionen als Kategorisierungen auf biologischen, genetischen,
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phänotypischen Merkmalen, sodass Individuen einer allgemeinen Kategorie von Personen
zugeordnet werden können. Rassenkonstruktionen sind für ihn eine neutrale Einteilung der
Menschengruppen.
Erst der Prozess, durch den realen oder imaginären biologische Merkmalen des Menschen
Bedeutungen zugeschrieben werden sind als Rassismus zu bezeichnen.
Für Terkessidis ist Miles` Definition von Rassismus zu eng gefasst und er plädiert für eine erweiterte
Definition von Rassismus: Schon die Rassenkonstruktion ist laut ihm rassistisch, denn sobald
Kategorisierungen passieren, also Gruppen von Menschen auf Basis von Vorstellungen
naturgegebenen Einheiten eingeteilt werden (Naturalismus, Essentialismus) handelt es sich um
Rassismus, da diese Kategorisierung laut ihm automatisch mit einer Hierarchisierung einhergeht,
wobei die eigene Gruppe dann kulturell höher gesehen wird.
George M. Frederickson hat eine ähnliche Zugangsweise wie Terkessidis: Er ist der Meinung, die
Konstruktion von Gruppen (= meint er synonym zum Begriff „Rassifizierung“, den er jedoch nicht
verwendet) ist die Schaffung von Differenzen und verwendet den Begriff der „ethnische Differenzen“
statt „Kultur“. Er betont die damit einhergehende Naturalisierung/ Essentialisierung der Gruppen.
Wenn diese Naturlaisierungen nicht getätigt werden und die Gruppengrenzen offen sind kann man
laut ihm nicht von Rassismus sprechen. Auch starke Gefühle zur ethnischen Identität, sowie eine
ethnozentrische Zugangsweise seien kein Rassismus.
41. Was bedeutet der in der Aufklärung geprägte Grundsatz der Freiheit und
Gleichheit aller Menschen im Hinblick auf Kolonialismus und Rassismus?
Rommelsbacher will mit ihrer Argumentationslinie einen fundamentalen Widerspruch aufklären: Seit
der Aufklärung wird die Gleichheit der Menschen theoretisch postuliert, gleichzeitig werden jedoch
mit den Biologisierungen gesellschaftliche Machtverhältnisse legitimiert.
Im Feminismus wurde für diese Problematik das Konzept der Intersektionaltät entwickelt. Es
bezeichnet die Wechselwirkung zwischen mehreren (Untersrückungs-)Kategorien. Zuerst wurde das
Zusammenwirken der Untersrückungsmechanismen Geschlecht und Klasse diskutiert, später dann
wurde auch „race“ miteinbezogen.
42. Diskutieren Sie die Rassismus-Definitionen von Claude Lévi-Strauss in seinem
Artikel „Anthropology, Race, and Politics“ und vergleichen sie diese mit der
Rassismus-Definitionen eines/einer von Ihnen selbst gewählten anderen AutorIn der
Pflichtliteratur oder die in der VO vorgestellt wurde.
Lévi-Strauss geht von einer allgemeinen Abgrenzung von Kulturen aus, die nicht schlecht, sondern
eine notwendige Differenzierung ist, um sich selbst als Kultur zu definieren.
Seine Vorstellung von Rassismus baut auf dieser Annahme auf und ist in vier Punkte
zusammengefasst: Zuerst wird eine Verbindung zwischen genetischem Erbe und intellektueller
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Begabung hergestellt. Dieses von außen bewertete Erbe wird von einer definierten Gruppe von
Menschen geteilt, die „Rassen“ genannt werden und nach ihrem genetischen Erbe funktionieren. Die
Differenzierungen zwischen den Rassen ermöglichen es der höhergestellten „Rasse“ die andere zu
kommandieren, auszubeuten und zerstören.
Rassismus besteht für Lévi-Strauss ab dem Zeitpunkt, an dem die Feindschaft von Kulturen (die
eigentlich natürlich und produktiv ist) aktiv und zerstörerisch wirkt.
Im Kontrast dazu lässt sich auf Terkessidis verweisen. Er sricht vom „Apparat des Rassismus“, der aus
drei Teilen besteht: Die Rassifizierung, die Ausgrenzungspraxis und die differenzierende Macht.
Für Terkessidis ist die Rassifizierung, also die Rassenkonstruktion schon rassistisch: Sobald
Kategorisierungen passieren, also Gruppen von Menschen auf Basis von Vorstellungen
naturgegebenen Einheiten eingeteilt werden (Naturalismus, Essentialismus) handelt es sich um
Rassismus, da diese Kategorisierung laut ihm automatisch mit einer Hierarchisierung einhergeht,
wobei die eigene Gruppe dann kulturell höher gesehen wird.
Das äußert sich dann in den konkreten Praxen der Menschen, also in Ausgrenzungspraxis.
Terkessidis betont außerdem das " Verhältnis von Abstraktion und Konkretion", also die Konkrete
Umsetzung des abstrakten Rassismus in unterschiedlichen Formen/ Gestalten.
Die differenzierende Macht ist die Fähigkeit die (rassistische) Ausgrenzungspraxis umzusetzen. Dabei
bedient sich Terkessidis der Vorstellung des Macht-Wissen-Komplexes von Foucault, in dem
spezifisches Wissen zu einer Form der Machtausübung wird.
43. Wie äußert sich Roberto DaMatta in seinem Artikel „Some Biased Remarks on
Interpretivism“ im Hinblick auf Wissensproduktion bzw. wissenschaftliche Positionen
der AnthropologInnen?
Roberto DaMatta ist ein brasilianischer Ethnologe und lehrt an der Päpstlich-katholischen Universität
von Rio de Janeiro.
Er ist der Meinung, dass die Befreiung von kolonialen Begrenzungen/ vom kolonialen Denken der
Anthropologie und damit einhergehend die Befreiung von der Wissensproduktion im kolonialen Stil
nur dann zustande kommen kann, wenn man das Zentrum (also den Westen) in den Blickwinkel
nimmt. Er fordert also die kritische Haltung mit eigener Gesellschaft.
Dabei stellt er fest, dass in den akademischen Zentren des Westens ein „bemerkenswerter Unwille“ in
der Beschäftigung mit den eigenen Gesellschaften vorherrscht. Der Grund dafür und für den
vorherrschenden Exotismus sei laut ihm das Bedürfnis, mit der Forschung in Fremden, radikal
anderen und exotischen Gebieten, dem Ursprünglichen näherzukommen. Er fügt noch hinzu, dass
europäische Wissenschaftlerinnen meistens Autorität aufgrund dessen beanspruchen, dass sie dort,
also in einer periphere Region, gewesen sind. Mobilität spielt also eine große Rolle.
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Des Weiterden kritisiert er das Objektivitätsparadigma, denn jeder Forscher spricht von einer
spezifischen Warte aus, und fordert stattdessen den Stimmenpluralismus. Er plädiert also für
unterschiedliche Positionen und Stimmen, die gehört werden sollen, dabei soll die Stimme auch
nicht-westl. Wissenschaftlerinnen verliehen werden, denn diese würden über eine spezifische lokale
Expertise verfügen.
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